5_2023 Leseprobe
Ausgabe 5_2023 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
Ausgabe 5_2023 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 26. Jahrgang<br />
www.biogas.org<br />
5_<strong>2023</strong><br />
Ab Seite 58<br />
Titelthema<br />
Klima-<br />
Farming<br />
RED III – was Betreiber<br />
beachten müssen 44<br />
Zertifizierung von<br />
Biomethan 82<br />
NECOC – CO 2<br />
zu<br />
Kohlenstoff 100
Inhalt<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
24 58<br />
Editorial<br />
3 Wasserkreisläufe in Ordnung bringen<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Bücher<br />
12 Termine<br />
14 Biogas-Kids<br />
16 Biogas-Innovationskongress<br />
Technische Lösungen und wissenschaftliche<br />
Forschungsergebnisse<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
20 Abfallvergärungstag Teil 2<br />
Bioabfallpotenziale heben<br />
Von Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
24 Abfallvergärungstag Teil 3 – Exkursion<br />
Innovative Anlagen besichtigt<br />
Von Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
30 BEE-Sommerfest<br />
Habeck verteidigt Energiewende-Kurs<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
34 20 Jahre bioconstruct GmbH<br />
Vom Start-up zum erfolgreichen<br />
Mittelständler<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
42 BIOGAS Convention & Trade Fair <strong>2023</strong><br />
POLITIK<br />
44 Die neue Erneuerbare-Energien-<br />
Richtlinie „RED III“ – was ist neu?<br />
Von Julia Münch<br />
50 Vor allem das Ende der Sektorziele<br />
sorgt für Kritik<br />
Von Bernward Janzing<br />
54 Folgt einem kühlen Sommer erneut<br />
ein heißer Herbst?<br />
Von Jörg Schäfer<br />
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal enthält<br />
Beilagen der Firmen Pöttinger Landtechnik,<br />
CSC Carbon Service & Consulting, Eisele und<br />
ONERGYS sowie das Tagungsprogramm der Biogas<br />
Convention & Trade Fair vom Fachverband Biogas.<br />
4
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Inhalt<br />
PRAXIS<br />
Klima-<br />
Farming<br />
58 Mit Vielfalt auf dem Acker<br />
den Extremen trotzen<br />
Von Thomas Gaul<br />
64 Boden, Pflanze und Technik<br />
in Harmonie<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
74 Maisanbau in wilder Reihe<br />
Von Thomas Gaul<br />
82 Nachhaltigkeitszertifizierung von<br />
Biomethan für Strom, Wärme und als<br />
Kraftstoff – ein Überblick<br />
Von Dirk Bonse und Christoph Tollmann<br />
86 Mehrwert aus Mist und Methanos<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
94 Lauwarme Klärschlammtrocknung auf<br />
Bio-Energie-Art im Container<br />
Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
titelFoto: Rainer Weisflog/weisflog.net i Fotos: Martin Frey, Thomas Gaul, LWG /Lennart Dittmer<br />
108<br />
WISSENSCHAFT<br />
100 Biogas zur Kohlenstoffproduktion<br />
Von Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
104 Extensives Grünland und Biogas –<br />
wechselseitiger Nutzen<br />
Von Dr. Joachim Pertagnol<br />
108 Straßenmähgut in Biogasanlagen –<br />
Offene Potenziale nutzen?<br />
Von Lennart Dittmer<br />
116 Echtzeitüberwachung von<br />
Biogasfermentern<br />
Von Marian Kazda, Sharif Ahmed,<br />
Kerstin Maurus, Andreas Rembold<br />
und Lars Seisser<br />
INTERNATIONAL<br />
Frankreich<br />
124 Frankreich gibt bei Biomethan Gas<br />
Von Oliver Ristau<br />
VERBAND<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
126 Im Herbst erwartet die Biogasbranche<br />
strategische Entscheidungen der<br />
Bundesregierung<br />
Von Dr. Stefan Rauh und<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
132 Regionalbüros<br />
134 Die Wärmewende auf Kurs bringen<br />
Von Dr. Simone Peter, BEE<br />
136 Aktionswoche Artenvielfalt<br />
Von Dipl.-Ing. agr. Andrea Horbelt<br />
138 Impressum<br />
98 Anlagen des Monats Juni und Juli<br />
5
Aktuelles Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Abfallvergärungstag Teil 2<br />
Bioabfallpotenziale heben<br />
Vom 15. bis 17. Mai traf sich die Branche zum Abfallvergärungstag und GGG-Fachseminar<br />
in Waldenburg. Am zweiten Veranstaltungstag standen die Herausforderungen und Potenziale<br />
der Abfallvergärung im Mittelpunkt. Nach den Vorträgen fand ein intensives Netzwerken<br />
statt.<br />
Von Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
Fremdstoffe sind weiterhin ein großes Thema<br />
für die Abfallvergärung: Mit den ab Mai<br />
2025 geltenden weiteren Regelungen der<br />
„Kleinen Novelle der Bioabfallverordnung“<br />
seien deutliche Verbesserungen für die Bioabfallvergärung<br />
zu erwarten, bilanzierte Hans-Walter<br />
Schneichel, Referatsleiter für Kreislaufwirtschaft am<br />
Mainzer Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie<br />
und Mobilität Rheinland-Pfalz. Das Gesetzeswerk<br />
ziele darauf, Fremdstoffe vor der Behandlung konsequenter<br />
zu entfernen, damit so der Eintrag von Kunststoffen<br />
in die Böden minimiert werde. Helfen sollen<br />
dabei unter anderem schärfere Eingangskontrollen,<br />
aber auch spezielle Anforderungen an Hilfsmittel, wie<br />
zum Beispiel Beutel in der Getrenntsammlung.<br />
Parallel hierzu arbeite die EU an Vorgaben für Verpackungen<br />
und deren Abbauverhalten. Schneichel<br />
erklärte, für ihn sei in diesem Zusammenhang die<br />
Diskussion um „Kaffeekapseln“ der Aufreger des<br />
Jahres. Aus Umweltsicht problematische Kaffeekapseln<br />
werden einerseits als Verpackung und andererseits<br />
als sogenannte „Brühhilfe“ und somit nicht als<br />
„Kaffeeverpackung“ gesehen. Vielleicht hätten beide<br />
Seiten ein Stück weit Recht. Aber auf diesem Wege<br />
dürften spezielle stoffliche Anforderungen und Entsorgungspflichten<br />
nicht umgangen werden können.<br />
In mehreren Arbeitsgruppen wurden aktuelle Themen besprochen und intensives Networking betrieben.<br />
Besondere Anforderungen für verpackte Lebensmittelabfälle,<br />
wie die Getrennthaltung zu anderen Bioabfällen,<br />
seien ein weiteres hilfreiches Element der<br />
Novelle der Bioabfallverordnung.<br />
Ungenutzte Bioabfallpotenziale<br />
ausschöpfen<br />
Einen Überblick über die noch ungenutzten Bioabfallpotenziale<br />
zur Vergärung in Deutschland lieferte<br />
Dr.-Ing. Michael Kern vom Witzenhausen-Institut für<br />
Abfall, Umwelt und Energie GmbH. Die Erfassung<br />
der Bioabfälle, also Biogut, aber auch des Grüngutes<br />
sei nach Bundesländern sehr unterschiedlich. Insgesamt<br />
seien erst etwa 63 Prozent der Bevölkerung an<br />
die Biotonne angeschlossen. Von den eingesammelten<br />
rund 5,3 Millionen (Mio.) Megagramm pro Jahr<br />
[(Mg/a) = (t/a)] Biogut gingen zirka 55 Prozent in die<br />
Vergärung.<br />
Auch die Grünguterfassung sei sehr unterschiedlich:<br />
So würden von etwa der gleichen Gesamtmenge<br />
Grüngut nur sehr geringe Anteile vergärt. Bei einer<br />
Anlagengröße von etwa 30.000 Tonnen Bioanfall seien<br />
etwa 40 Vergärungsanlagen denkbar. Zusammen<br />
mit dem vergärbaren Potenzial im Restabfall käme<br />
man auf ein Potenzial von etwa 100 neuen Biogutvergärungsanlagen<br />
in Deutschland.<br />
Die Bioabfallpotenziale im<br />
Rest abfall seien hierbei von besonderem<br />
Interesse: „Bis 2030<br />
soll die Hälfte davon aus dem<br />
Restabfall herausgenommen<br />
werden“, skizzierte Dr. Kern<br />
das Ziel des Gesetzgebers. In<br />
Rheinland-Pfalz gebe es dafür<br />
die strengsten Zielwerte, die<br />
noch darüber hinausgehen. Bei<br />
allem sei aber auch kritisch anzumerken:<br />
„Pro Einwohner werden<br />
jährlich Lebensmittel im<br />
Wert von 200 bis 300 Euro weggeworfen.<br />
Allein aus ethischen<br />
Gesichtspunkten dürfen wir uns<br />
einer solchen Verschwendung<br />
nicht länger hingeben“, mahnte<br />
der Forscher.<br />
Fotos: Martin Frey<br />
20
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Aktuelles<br />
In einem Praxisbericht über die Abfallvergärungsanlage<br />
der AVR BioTerra GmbH &<br />
Co. KG in Sinsheim berichtete Prokurist<br />
Heinz Schwermann, der seit 2022 für<br />
die Großanlage verantwortlich ist (siehe<br />
Bericht zur Lehrfahrt in diesem Heft ab<br />
Seite 24). Die anschließende Podiumsdiskussion<br />
nahm noch einmal Bezug auf<br />
die verschiedenen Möglichkeiten, für Sortenreinheit<br />
zu sorgen. Es bestand Einigkeit<br />
darin, dass es nicht sein könne, dass<br />
in Restabfalltonnen bisweilen 40 Prozent<br />
Organik enthalten sei. Hier seien alle Verantwortlichen<br />
gefragt, nach Lösungen zu<br />
suchen.<br />
Mittel zur Sicherung der<br />
Sortenreinheit<br />
Die Sortenreinheit von gesammelten Bioabfällen in<br />
Haushalten (Biogut) ist ein wesentliches Kriterium,<br />
um die Qualität der daraus gewonnenen Düngeprodukte<br />
sicherzustellen. „Die Fremdgehalte in den<br />
Komposten und Gärprodukten haben sich in den letzten<br />
Jahren deutlich verbessert“, stellte David Wilken,<br />
Geschäftsführer der Bundesgütegemeinschaft Kompost<br />
e.V. (BGK) aus Köln dar. „Entscheidend für die<br />
Produktqualität sind saubere Einsatzstoffe“, bekräftigte<br />
er und sprach über die Bewertung von Biogut<br />
mittels BGK-Methoden direkt auf den Anlagen.<br />
Zum Einsatz kämen vor allem die „Sichtkontrolle“,<br />
die „Bonitur“ und die „Chargenanalyse“. Bei der<br />
Sichtkontrolle gehe es darum, die Wahrscheinlichkeit<br />
der Überschreitung des Kontrollwertes für enthaltene<br />
Kunst- und Fremdstoffe mittels visueller Kontrolle zu<br />
beurteilen. Bei der Bonitur werden die Fremdstoffe<br />
auf einer definierten Fläche ausgezählt und danach<br />
beurteilt. Am aufwändigsten sei die Chargenanalyse,<br />
die eine händische Aussortierung, Auswiegung und<br />
Bestimmung des prozentualen Anteils der Fremdstoffe<br />
umfasst. Dazu seien mindestens vier Personen<br />
notwendig.<br />
Generell sei es aber besser, die Kontrollwerte bereits<br />
bei der Sammlung zu unterschreiten. „Dann<br />
müssen wir die Fremdstoffe nicht mehr technisch<br />
abscheiden.“ Dazu sei eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit<br />
notwendig, mit etwa Radiowerbung,<br />
Kompostgutscheinen und Sortierhilfen, auch in<br />
Fremdsprachen. Zudem seien Anreize in Ausschreibungen<br />
für die Sammlung mit Bonus-Auszahlungen<br />
an Müllwerker erfolgversprechend. Schließlich zählen<br />
auch Behälterkontrollen und Sanktionen zum Repertoire:<br />
„Wer einmal seine Biotonne nachsortieren<br />
musste, wird diese wohl nie wieder falsch füllen“, so<br />
Wilken. Immerhin unterstützen die Vorgaben an die<br />
Sortenreinheit durch die Kleine Novelle der Bioabfallverordnung<br />
künftig die Verbesserung der Biogutqualität.<br />
Hans-Walter Schneichel, Referatsleiter für<br />
Kreislaufwirtschaft am Mainzer Ministerium<br />
für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität<br />
Rheinland-Pfalz, berichtete über die ab Mai 2025<br />
geltenden weiteren Regelungen der „Kleinen<br />
Novelle der Bioabfallverordnung“, die deutliche<br />
Verbesserungen für die Bioabfallvergärung<br />
erwarten lassen.<br />
Leitfaden zur Sichtkontrolle in Arbeit<br />
Einen Werkstattbericht über den entstehenden „Leitfaden<br />
zur Sichtkontrolle von flüssigen, schlammigen<br />
und pastösen Bioabfällen“ gab Fachreferentin Dr.<br />
Verena Pfahler vom Fachverband Biogas e.V.. Die<br />
Schrift wird zusammen mit dem Fachverband Biogas<br />
e.V., der Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V.<br />
(BGK) und der GGG entwickelt und soll dazu dienen,<br />
die in der Kleinen Novelle der Bioabfallverordnung<br />
gesetzten Ziele optimal einzuhalten. Neben einer Befragung,<br />
an der sich etwa 10 bis 15 Prozent der Betreiber<br />
von Abfallvergärungsanlagen beteiligt<br />
Teilnehmerstimme<br />
„Pro Einwohner werden jährlich Lebensmittel im<br />
Wert von 200 bis 300 Euro weggeworfen“, erinnerte<br />
Dr.-Ing. Michael Kern vom Witzenhausen-<br />
Institut in seinem Beitrag über die Potenziale für<br />
Abfallvergärungsanlagen in Deutschland.<br />
Tagungsteilnehmer Gerhard Wilhelm, Gesellschafter der Ökotec Biogas GmbH<br />
& Co. KG aus Thallwitz in Sachsen und GGG-Vorstandsmitglied, zog eine<br />
positive Bilanz: „Die Veranstaltung macht mir Mut. Es gibt doch interessante<br />
Möglichkeiten für Anlagenbetreiber, mit ihrer Arbeit weiterzumachen.“ Er<br />
selbst überlege jetzt, von der Strom- und Wärmeproduktion zur Methanerzeugung<br />
überzugehen. „Auf diese Weise werden wir wieder gebraucht“, so der<br />
seit mehr als 20 Jahren in der Biogasbranche aktive Praktiker.<br />
21
Aktuelles Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Heinz Schwermann, Prokurist der AVR BioTerra<br />
GmbH & Co. KG in Sinsheim, berichtete von<br />
seinen Praxiserfahrungen der Abfallvergärungsanlage<br />
Sinsheim, für die er seit 2022 verantwortlich<br />
ist.<br />
Auf die Bedeutung sauberer Einsatzstoffe für die<br />
Qualität von Düngeprodukten wies David Wilken,<br />
Geschäftsführer der Bundesgütegemeinschaft<br />
Kompost e.V. (BGK) aus Köln hin.<br />
In ihrem Werkstattbericht beschrieb Fachreferentin<br />
Dr. Verena Pfahler vom Fachverband Biogas<br />
e.V. das Entstehen des „Leitfadens zur Sichtkontrolle<br />
von flüssigen, schlammigen und pastösen<br />
Bioabfällen“. Dieser soll ab dem dritten Quartal<br />
zur Verfügung stehen.<br />
hatten, wurde ein Pilotprojekt mit Chargenanalysen<br />
und Laborauswertungen gestartet.<br />
„Inzwischen zeigen erste Ergebnisse, dass der Zielwert<br />
von 0,5 Prozent Fremdstoffe größer zwei Millimeter<br />
in der Trockenmasse häufig unterschritten<br />
wird“, berichtete Dr. Pfahler. Oft erziele man Werte<br />
unter 0,1 Prozent, was sehr erfreulich sei. In der Praxis<br />
habe sich aber auch gezeigt, dass der Probenahmeort<br />
nicht immer einfach zu finden sei. Auch die<br />
Probenahme erfordere „etwas Übung und Geschick.“<br />
Fremdstoffe seien nicht immer einfach zu erkennen.<br />
Zum Beispiel unterschieden sich Tomatenschalen<br />
und rote Kunststofffolien nur unwesentlich. Mit den<br />
gewonnenen Erkenntnissen soll der Leitfaden weiter<br />
optimiert werden, damit er ab dem dritten Quartal<br />
sowohl von Praktikern als auch Behörden genutzt<br />
werden kann. Außerdem würden zusätzliche Fachseminare<br />
zu diesem Thema geplant.<br />
Regelwerke und Umsetzung der TRAS 120<br />
Da die technischen Anforderungen in der Biogasbranche<br />
immer komplexer werden, gab Manuel Maciejczyk,<br />
Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas<br />
e.V., einen Überblick über aktuelle Entwicklungen<br />
bei den technischen Regelwerken und der Umsetzung<br />
der Technischen Regel für Anlagensicherheit<br />
(TRAS) 120. Der Umgang mit dieser habe sich inzwischen<br />
eingespielt und sie sei zur „wichtigen Erkenntnisquelle“<br />
zum Stand der Technik beziehungsweise<br />
Stand der Sicherheitstechnik geworden.<br />
Da ab kommendem Jahr eine Überarbeitung anstehe,<br />
sammle man bereits Änderungswünsche und bitte<br />
um Mitarbeit. Manche Inhalte seien zu weitgehend.<br />
Maciejczyk erinnerte daran, dass bereits hinter etwa<br />
der Hälfte der Störfallanlagen in Deutschland Biogasanlagen<br />
stünden. „Da findet man sich dann auf gleicher<br />
Ebene wie Betreiber von Sprengstofflagern wieder.“<br />
Das passe einfach nicht. Da sich der Stand der<br />
Technik in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt<br />
habe, wüchsen auch in anderen Regelwerken<br />
die Anforderungen. Dabei werde die Diskrepanz zu<br />
dem, was die Branche leisten könne, immer größer.<br />
Neben den Themen Instandhaltung und Arbeitssicherheit<br />
nehme die Cybersicherheit einen zunehmenden<br />
Stellenwert ein, so Maciejczyk. Auch physische<br />
Eingriffe Unbefugter, Einbrüche und Sabotageakte<br />
nähmen zu. Hier sei an die Verkehrssicherungspflichten<br />
der Betreiber zu erinnern. Auf allen Feldern bestehe<br />
Bedarf nach Vereinfachung. Man bleibe wachsam:<br />
„Die Politik erkennt den Handlungsbedarf, aber es ist<br />
fraglich, ob daraus Konsequenzen gezogen werden.“<br />
Intensives Networking rundete<br />
Tagungsteil ab<br />
Im Anschluss an das Vortragsprogramm fand ein<br />
intensives Networking in Kleingruppen statt. Themen<br />
waren die nationale Biomassestrategie, die<br />
Biomethanproduktion und -nutzung, die THG-Bilanzierung<br />
sowie Humusaufbau und Pflanzenkohle.<br />
Den Impuls dazu lieferte Joachim Böttcher, technischer<br />
Vorstand der Ricion AG aus Hengstbacherhof<br />
im nordpfälzer Bergland. Er setzt sich dafür ein, die<br />
flüssige Ausbringung von Gärprodukten zu ersetzen<br />
durch einen Prozess, in dem unter anderem Pflanzenkohle<br />
erzeugt wird, die einen echten Humusaufbau<br />
befördert und das Pflanzenwachstum unterstützt.<br />
Das innovative Wertschöpfungsmodell für Biogasanlagen<br />
kommt bereits bei den Stadtwerken im südhessischen<br />
Groß-Gerau zum Einsatz (siehe Biogas<br />
Journal 6_2022, Seiten 86-90). Die „Gärprodukt-<br />
2-Humus-Anlage“ erzeuge außerdem ein torffreies<br />
Kultursubstrat, organische Depotdünger, einen<br />
Bodenaktivator für Landwirtschaft und Gartenbau<br />
sowie Reinwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung.<br />
Die anschließenden Gespräche behandelten die vielfältigen<br />
eigenen Erfahrungen vor Ort, übergeordnete<br />
Herausforderungen und konkrete Wünsche für die<br />
kommenden Jahre. Ziel der Kleingruppenarbeit war,<br />
Themen zu identifizieren, die für künftige Veranstaltungen<br />
dieser Art von Interesse sein könnten. Dazu<br />
zählte auch die Nationale Biomassestrategie (NA-<br />
22
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Aktuelles<br />
BIS), die Themenkomplexe „Reststoff<br />
versus Abfallstoff“ sowie Biomethan und<br />
THG-Bilanzierung.<br />
Positives Fazit der Tagung<br />
Die Abschlussrunde ergab ein positives<br />
Fazit der Veranstaltung: Insgesamt hätten<br />
die beiden Tage gezeigt, dass die Branche<br />
in vielen Bereichen mit einer Stimme spreche,<br />
bilanzierte Mathias Hartel, Referatsleiter<br />
Abfall, Düngung und Hygiene beim<br />
Fachverband Biogas. So ziehe man bei<br />
Begrifflichkeiten, Genehmigungsfragen,<br />
Informations- und Aufklärungsarbeit an<br />
einem Strang. Der Verband setze sich bei<br />
den aktuellen politischen Weichenstellungen, gerade<br />
im Hinblick auf die unsichere Energieversorgung Europas,<br />
besonders für eine klare Technologieoffenheit ein.<br />
„Wir sollten uns da nicht verrennen in einzelne<br />
Technologien“, gab Hartel den Zuhörern mit auf den<br />
Weg. Im Kontext zur Bioökonomie beziehungsweise<br />
stofflichen Verwertung sei wichtig zu betonen, „dass<br />
wir mehr als Strom und Wärme können“. Der nächste<br />
Abfallvergärungstag solle wieder in einem Jahr<br />
stattfinden, dann an einem Konferenzort im Norden<br />
Deutschlands.<br />
Die in vielen Regelwerken gewachsenen Anforderungen<br />
brächten eine immer größere Diskrepanz<br />
zu dem, was die Branche leisten könne, warnte<br />
Manuel Maciejczyk, Geschäftsführer des Fachverbandes<br />
Biogas e.V., auf der Tagung.<br />
Autor<br />
Dipl.-Geograph Martin Frey<br />
Fachjournalist<br />
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Joachim Böttcher, technischer Vorstand der<br />
Ricion AG, informierte in einem Impulsvortrag<br />
über ein innovatives Wertschöpfungsmodell<br />
für Biogasanlagen, bei dem unter anderem<br />
Pflanzenkohle erzeugt wird.<br />
Flammensperren<br />
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Biogasanlagen<br />
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23
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Lauwarme<br />
Klärschlammtrocknung<br />
auf Bio-Energie-Art<br />
im Container<br />
Die auffälligen Silos<br />
für das getrocknete<br />
Gut vor den doppelt<br />
übereinander stehenden<br />
Systemgehäusen.<br />
Eine oberfränkische Firmengruppe hat nach eigener Aussage dank ihrer Niedertemperatur-Containerlösung<br />
den Energieverbrauch für ihre Klärschlammtrocknung halbiert. Und weil das System mit der Abwärme von<br />
Biogasanlagen arbeiten kann, ist es mit solchen zu kombinieren, die noch Wärmeüberschuss haben.<br />
Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
Links im Bild der Container mit dem Klärschlamm,<br />
in der Mitte das Förderband, rechts die<br />
doppelt übereinander stehenden Systemgehäuse<br />
mit dem Trockensystem.<br />
Wer Richtung Beuerfeld<br />
fährt, einem Weiler mit<br />
40 Einwohnern, der zur<br />
Gemeinde Meeder im<br />
oberfränkischen Landkreis<br />
Coburg gehört, dem fallen sicher<br />
sofort vier nebeneinanderstehende, etwa<br />
20 Meter hohe Silos auf. Die stehen seit<br />
einigen Monaten auf dem Gelände der<br />
großen Biogasanlage, die Landwirt Tobias<br />
Bauersachs dort betreibt. Seit 2006<br />
ist das Kraftwerk mit seinen Fermentern,<br />
Gasspeichern, Gärdüngerbehältern nach<br />
und nach gewachsen. Anfangs war die<br />
Anlage auf 200 Kilowatt (kW) elektrische<br />
Leistung ausgelegt, heute kann Bauersachs<br />
in der Spitze bis 2.500 kW Strom<br />
ans Netz abgeben.<br />
Doch wie bei vielen Biogasanlagen, die in<br />
den ersten Jahren nach Einführung des<br />
EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) gebaut<br />
wurden, wird auch hier mehr Wärme<br />
produziert, als verbraucht wird. Und genau<br />
dafür, nämlich dass mehr Abwärme<br />
aus der Umwandlung von Biogas in Strom<br />
genutzt wird, sind zwei 26 Meter lange<br />
und 2,7 Meter breite, übereinander angeordnete<br />
und ein etwas kleinerer Container<br />
wichtig, die direkt neben jenen vier Silos<br />
stehen.<br />
Die beiden großen Container beinhalten<br />
eine SDS 3500, die größte Ausführung<br />
jener Schlammtrocknungssysteme, die<br />
Felix Hellmuth und sein Team in den letzten<br />
fünf Jahren entwickelt haben. SDS<br />
– das steht für „Sludge Drying Systems“.<br />
Profan auf Deutsch „Schlammtrocknung“<br />
wollte Hellmuth seine Anlagen offenbar<br />
nicht nennen, auch wenn mehrere Webseiten<br />
auf diesen Begriff hin öffnen. Denn<br />
die SDS-Gruppe (siehe Kasten) hat einen<br />
internationalen Anspruch.<br />
Der dürfte aufgrund der innovativen<br />
Technik auch gerechtfertigt sein. Denn<br />
um einen Liter Wasser, so die Unternehmensbehauptung,<br />
aus dem feuchten<br />
Klärschlamm zu treiben, brauche das<br />
SDS-System gerade mal 0,4 Kilowattstunden<br />
(kWh) Energie – heutzutage genutzte<br />
Schlammtrockner würden dafür oft<br />
Fotos: Heinz Wraneschitz/www.bildtext.de<br />
94
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
praxis<br />
„Weil wir mit<br />
niedrigen Temperaturen<br />
trocknen, haben wir keine<br />
Kondensierung und wegen der<br />
niedrigen Luftfeuchte auch kein<br />
Rostproblem“<br />
Felix Hellmuth<br />
Diese kleine Heizkreislaufpumpe<br />
reicht<br />
aus, um die Wärme<br />
aus dem Warmwasserzufluss<br />
von der<br />
Biogasanlage in die<br />
Wasser-Luft-Wärmetauscher<br />
zu pumpen.<br />
Felix Hellmuth,<br />
der Entwickler des<br />
Systems im Container,<br />
erklärt die Technik.<br />
gut das Doppelte benötigen, erzählt Felix<br />
Hellmuth, bevor wir in den Trockencontainer<br />
gehen.<br />
Und das ohne Mundschutz oder kühlende<br />
Jacke: Mit gerade mal um die 40 Grad Celsius<br />
(°C) warmer, trockener Luft wird hier<br />
gearbeitet – am anderen Container-Ende<br />
sind es noch 35 °C. Drei Ventilatoren mit<br />
je 1 kW Leistung sorgen für 40.000 Kubikmeter<br />
Luftdurchsatz. „Weil wir mit<br />
niedrigen Temperaturen trocknen, haben<br />
wir keine Kondensierung und wegen der<br />
niedrigen Luftfeuchte auch kein Rostproblem“,<br />
erklärt der SDS-Chef: „Das Wasser<br />
verdunstet aber trotzdem komplett.“<br />
Und so steht am Abluftkamin auch keine<br />
Dampfwolke. Nicht zu vergessen: Weil<br />
mit Frischluft getrocknet und diese nur<br />
auf 40 °C erhitzt wird, stinkt es weder im<br />
noch außerhalb des Containers.<br />
Energiesparsamkeit hatten die Konstrukteure<br />
offensichtlich überall im Blick. So<br />
funktioniert das System bereits mit Vorlauftemperaturen<br />
von 60 Grad Celsius –<br />
die Abgase von Biogas-Blockheizkraftwerken<br />
könnten diese über Wärmetauscher<br />
erzeugen, heißt es. In Beuerfeld liefert<br />
das dauernd laufende 250-kW-Aggregat<br />
die notwendige Wärme über eine Leitung<br />
in die Container, und zwar mit maximal<br />
80 °C.<br />
Im kleinen Zuführcontainer sind 40 Kubikmeter<br />
Klärschlamm gebunkert, die<br />
Menge, die das SDS-3500-System in<br />
drei Tagen von etwa 78 Prozent auf 15<br />
Prozent Feuchteanteil trocknen kann.<br />
Um das feuchte Material über ein Förderband<br />
ohne Quernoppen in den Trockencontainer<br />
zu transportieren, reicht<br />
ein 240-Watt-Elektromotor mit Getriebe.<br />
„Zwischen vier und elf kW elektrischen<br />
Leistungsbedarf“, gibt das Unternehmen<br />
je nach Typ der Gesamtanlage an.<br />
Steuerung in der Cloud<br />
Und weil „die Steuerung in der Cloud<br />
steht, ist die Anlage über mobile Endgeräte<br />
bedienbar, es gibt nicht einmal einen<br />
Bildschirm im Container“, könne übers<br />
Wochenende auf die Betreuung der Anlage<br />
vor Ort verzichtet werden, so Hellmuth.<br />
Ansonsten sei etwa eine Stunde Aufwand<br />
pro Tag notwendig. In dieser Stunde sei<br />
auch der Aufwand enthalten, am Boden<br />
liegendes Trocknungsgut wieder nach<br />
oben zu schaufeln.<br />
SDS arbeitet mit langsam laufenden, an<br />
Ketten montierten Rechen mit gegeneinander<br />
versetzten Stiften, die das Material<br />
durchmischen und über längs angeordnete<br />
Bleche durch die Container ziehen. Immer<br />
am Ende fällt der Klärschlamm<br />
95
praxis<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Die Firmen hinter den<br />
Schlammtrocknern<br />
Bisher war die Tausan GmbH & Co.KG im oberfränkischen Dörfles-Esbach<br />
ein Unternehmen, das „es sich zur Aufgabe gemacht hat, Spritzwerkzeuge<br />
aus China, auf höchstem technischem Niveau, zu fairen Preisen zu beschaffen.<br />
Dazu bieten wir unseren Kunden ein professionelles Projektmanagement<br />
und ein Rundum-Sorglospaket“, heißt es.<br />
Dank dieser Werkzeuge kann die Firma um Geschäftsführer Felix Hellmuth<br />
viele „ausgewählte, technisch anspruchsvolle Bauteile“ entwickeln und<br />
liefern, vor allem für Autohersteller wie DAF, MAN, VW, BMW, Mini, Daimler<br />
oder Opel. Tausan verweist dabei auf „mehr als 30 Jahre Erfahrung in der<br />
Konstruktion von Werkzeugen, im Werkzeugbau und Projektmanagement“.<br />
Doch was auf dem Gelände einer Biogasanlage in Beuerfeld, dem Nachbarort<br />
von Dörfles-Esbach entstanden ist, hat nichts zu tun mit Werkzeugen,<br />
wie sie bei Tausan bisher entwickelt wurden. Denn hier geht es nicht um<br />
„Automotive“-Teile, sondern um die Trocknung von Klärschlamm, und das<br />
in großem Stil.<br />
Auf die Beine – beziehungsweise auf den Beton unter den Containern – gestellt<br />
hat die Anlage die „Sludge Drying Systems“-Gruppe, kurz SDS. Die besteht<br />
aus einer ganzen Reihe von Gesellschaften. Komplementärin ist die Sludge<br />
Verwaltungs GmbH, Geschäftsführer – wie könnte es anders sein – Felix Hellmuth.<br />
Die Trocknungsanlage im Kreis Coburg läuft konkret als SDS Beuerfeld<br />
GmbH & Co. KG. Die SDS GmbH wiederum bietet „Betrieb, Verpachtung und<br />
Verkauf von Trocknungssystemen“ an. Hier ist Hellmuth aber „nur“ Prokurist.<br />
Ein zweiter Beteiligter an „Sludge Drying Systems“ ist die Michel GmbH<br />
aus dem unterfränkischen Kreuzwertheim. Die familiengeführte Firma<br />
„unterstützt seit über 25 Jahren Unternehmen und Dienstleister beim Vertriebsauf-/-ausbau,<br />
mit fertigen Vertriebskonzepten, Training, bis hin zum<br />
Komplettvertrieb – in partnerschaftlicher und enger Zusammenarbeit.“ Auf<br />
dieses nach Michel-Werbung „Rundumsorglospaket im Vertrieb“ hat auch<br />
Hellmuths SDS zurückgegriffen, um die innovative Klärschlammtrocknung<br />
möglichst vielfach in die Anwendung zu bringen.<br />
WRA<br />
Aus Klärschlamm wird eine<br />
Art Trockengranulat.<br />
auf das Blech darunter und wird von der nächsten<br />
Rechenreihe in die Gegenrichtung transportiert. In<br />
Beuerfeld sind 18 dieser Bleche übereinander angeordnet.<br />
Nach dem untersten fängt eine Förderschnecke<br />
den getrockneten Klärschlamm auf und transportiert<br />
ihn nach draußen.<br />
Und hier kommen die eingangs erwähnten auffälligen<br />
Silos ins Spiel: Darin wird das getrocknete Gut<br />
eingelagert, bis es per Lastzug abtransportiert wird.<br />
„Das Monster hier schafft 60 Tonnen pro Stunde –<br />
damit die Verladung nach zwei Stunden abgeschlossen<br />
ist“, hebt Felix Hellmuth die Leistungsfähigkeit<br />
des Austrags heraus.<br />
Gefertigt wurden die jeweils 26 Tonnen schweren<br />
Module in einer Maschinenfabrik in Oberfranken.<br />
„Wir liefern die regional produzierten Einzelteile, das<br />
stellt die Qualität sicher, die montieren nach unseren<br />
Checklisten“; das gelte im Übrigen genauso für<br />
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96<br />
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Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
praxis<br />
die bereits vereinbarte Lizenzproduktion in Brasilien,<br />
so SDS-Geschäftsführer Hellmuth. Weil die Containermodule<br />
vorgefertigt angeliefert werden, dauerten<br />
Aufstellung und Inbetriebnahme gerade mal 48<br />
Stunden, habe sich herausgestellt.<br />
Anlagenkosten zwischen 0,8 und<br />
1,6 Millionen Euro<br />
Um einiges länger hat in Beuerfeld dagegen die Vorbereitung<br />
des Untergrunds gedauert. Hierfür wurden<br />
zwei Meter lange Beton-Brunnenringe verwendet, die<br />
nach Einbringen in den Boden mit Beton ausgegossen<br />
wurden. „Allein das Fundament hat eine halbe<br />
Million Euro gekostet“, rechnet Felix Hellmuth die<br />
aktuell sehr hohen Baukosten vor. Dagegen wirkt der<br />
Preis für die SDS-Anlage selbst – je nach Typ zwischen<br />
0,8 und 1,6 Millionen Euro – recht günstig.<br />
Und für wen sind die SDS-Trockner geeignet? Michael<br />
März, Verkaufschef der Vertriebsfirma Michel GmbH<br />
setzt darauf, „dass sich Biogasanlagenbetreiber und<br />
Kommunen zusammentun. Interessenten gibt’s aber<br />
auch aus der Industrie, zum Beispiel für das Trocknen<br />
von Kartoffelabfällen. Denn SDS funktioniert nicht<br />
nur mit Klärschlämmen. Die Anlage stellt sich darauf<br />
ein.“ Außerdem sei nicht nur der Kauf, sondern auch<br />
die Vermietung möglich.<br />
Die Anlage in Beuerfeld, wo 20 Kommunen gemeinsam<br />
ihren Klärschlamm trocknen, ist im Übrigen<br />
nicht die erste: Zwei Systeme seien bereits im professionellen<br />
Betrieb. Und eine ursprünglich kleinere<br />
Testanlage wandere jetzt nach zwei Jahren von Thüringen<br />
an die RWTH Aachen. „Dort wird sie als Mobile<br />
Forschungsanlage und für Vorführzwecke genutzt“,<br />
womit Michael März auch auf die Möglichkeit hinweist,<br />
die Standorte der Sludge-Drying-Systems zu<br />
verändern.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
Freier Journalist<br />
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97
Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Extensives Grünland und Biogas –<br />
wechselseitiger Nutzen<br />
Unter dem Begriff Biogas wird allgemein zunächst an den Bereich Energie wie Strom,<br />
Wärme oder auch Biomethan gedacht. Auch der Anbau von Mais ist in den meisten<br />
Diskussionen um Biogas ein fester Bestandteil. Dabei gibt es viele weitere Bereiche<br />
beziehungsweise Leistungen, die durch das Betreiben von Biogasanlagen erbracht<br />
werden. In mehreren Forschungsprojekten wie beispielsweise BiogasNatur, MakroBiogas<br />
oder FeBio verdeutlicht das IZES die breite Nutzung von Biogasanlagen.<br />
Von Dr. Joachim Pertagnol<br />
Für einen Betreiber einer Biogasanlage steht<br />
natürlich die Wirtschaftlichkeit an erster<br />
Stelle. Diese hängt zunächst davon ab, wie<br />
viel Energie die Anlage produziert, dies immer<br />
im Verhältnis zur Anlagengröße gesetzt.<br />
Neben dem, was bei der Biogasanlage „rausgeht“,<br />
ist auch entscheidend, was „reinkommt“. Auch hier<br />
steht meist für den Anlagenbetreiber der Preis im Vordergrund.<br />
An zweiter Stelle kommen dann die Erfahrungen mit<br />
einzelnen Substraten in der eigenen Anlage und, in<br />
den letzten trockenen Jahren mehr in den Fokus gerückt,<br />
die Verfügbarkeit von Substraten. Gerade die<br />
Abbildung 1: Veränderung der Großvieheinheiten von 2010 bis 2016<br />
in Deutschland nach Landkreisen<br />
letzten zwei Punkte ermöglichen aber auch Chancen.<br />
So ist die Nutzung von Grünland bei vielen Anlagen<br />
immer noch wenig beachtet.<br />
Grünlandnutzung: Biogasanlagen<br />
als Lösung<br />
Dabei spricht vieles für eine Grünlandnutzung im<br />
Bereich der Biogasanlagen beziehungsweise können<br />
hier Biogasanlagen sogar die Lösung darstellen.<br />
Damit gemeint ist, dass in den letzten Jahren<br />
immer mehr Grünland nicht genutzt wurde und es<br />
dadurch zu einer steigenden Verbuschung dieser Flächen<br />
kam. Hintergrund ist, dass in vielen Regionen<br />
Deutschlands der Viehbestand<br />
zurückgeht (siehe Abbildung<br />
1).<br />
Dabei hat vor allem der<br />
Rückgang von Milchviehbetrieben<br />
einen signifikanten<br />
Einfluss auf die Grünlandverwertung.<br />
Aber auch in<br />
Regionen mit einem hohen<br />
Flächendruck im Bereich<br />
des Ackerlandes kann die<br />
Nutzung von Grünland interessant<br />
sein. In dem Projekt<br />
BiogasNatur wurde erörtert,<br />
inwieweit der Einsatz von<br />
extensivem Grünland Substrate<br />
wie Mais ersetzen kann<br />
und zugleich den Erhalt von<br />
Grünlandflächen mitsamt<br />
ihren Naturschutzfunktionen<br />
ermöglicht.<br />
Dabei wurde zum einen<br />
über Grunddaten wie das<br />
EEG-Anlagenregister und<br />
geobasierte Daten zur Flächennutzung<br />
und -verteilung<br />
untersucht, welche<br />
104
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Wissenschaft<br />
CH₄ | CO₂ | H₂S | O₂ | H₂<br />
CO | NO | NO₂ | NO x<br />
Abbildung 2: Beispiel von extensiven Grünlandflächen, die<br />
im Einzugsgebiet von mehreren Biogasanlagen liegen<br />
Einfache, schnelle<br />
und flexible<br />
Kontrollmessung<br />
an Biogas-, Biomethanund<br />
Deponiegasanlagen<br />
Flächen im Umkreis von 10 Kilometern<br />
um eine Anlage herum liegen. Zusätzlich<br />
wurde auch der Bedarf an Grünfutter in<br />
den jeweiligen Regionen berücksichtigt.<br />
Zudem wurde abgeglichen, in welchen<br />
Gebieten mehrere Biogasanlagen näher<br />
als 10 Kilometer beieinander liegen und<br />
es so zu einer Überschneidung von möglichen<br />
Nutzungsflächen kommt (siehe<br />
Abbildung 2).<br />
Dabei hat sich gezeigt, dass 93 Prozent<br />
der Fläche immer noch in Nutzung sind.<br />
Dennoch ergab sich auch hier bei fast 7<br />
Prozent der untersuchten Standorte ein<br />
Defizit in der Grünlandnutzung. Legt man<br />
zudem die bisherige Bestandsentwicklung<br />
zugrunde, so kann sich die Summe<br />
der Flächen schnell verdoppeln. Neben<br />
den theoretischen Daten wurde mit vier<br />
Anlagenbetreibern überprüft, inwieweit<br />
in ihrer Region eine Steigerung des Einsatzes<br />
von extensivem Grünland in ihren<br />
Anlagen möglich wäre und welchen Einfluss<br />
dies auf die Wirtschaftlichkeit der<br />
Anlage hätte.<br />
Vier Szenarien betrachtet<br />
Dabei wurden vier Szenarien für die Praxisbetriebe<br />
angesetzt. Diese reichten<br />
vom Grünschnitteinsatz ohne zusätzliche<br />
Investitionen, einer Reduktion vom<br />
Maiseinsatz auf maximal 35 Prozent<br />
der Ausgangsvariante und zusätzlichen<br />
Investitionen, einem „Downsizing“ der<br />
Anlage, also einer Verringerung der Anlagenleistung<br />
im Zusammenhang mit dem<br />
Ende der zwanzigjährigen EEG-Laufzeit,<br />
bis zur Grünschnittnutzung im Zusammenhang<br />
mit dem Umbau auf eine wärmegeführte<br />
Anlage.<br />
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen<br />
werden, dass die Untersuchungen<br />
2020 durchgeführt wurden und es seitdem<br />
sowohl Änderungen des EEG gab<br />
als auch Preisschwankungen im Energiebereich<br />
zum Teil starke Auswirkungen<br />
auf die Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen<br />
hatten. Dennoch haben auch<br />
heute noch die wichtigsten Ergebnisse<br />
weiterhin Bestand. Zum einen konnte<br />
das Betriebsergebnis durch den Einsatz<br />
von Landschaftspflegegras verbessert<br />
werden.<br />
Dies war aber nur ein sehr geringer Teil<br />
gemessen am Gesamtumsatz der Praxisanlagen.<br />
Grund war unter anderem, dass<br />
an den Anlagen nur geringe Mengen in<br />
zumutbarer Entfernung zur Verfügung<br />
standen. Wirtschaftlich attraktiv für die<br />
Praxisanlagen wäre nach Ende der<br />
105<br />
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Wissenschaft<br />
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Abbildung 3: Trockenfermentationsanlage, links: Abdeckplane und Gasspeicher;<br />
rechts: Querschnitt und Aufbau der Biogasanlage<br />
EEG-Laufzeit, die Anlagenleistung zu<br />
verringern und damit an der Ausschreibung<br />
für weitere 10 Jahre teilzunehmen.<br />
Durch die Reduktion vom teuren Substrat<br />
Mais und der weiteren Nutzung der<br />
bestehenden Fermenter, die dann zu<br />
der bestehenden Anlagenleistung groß<br />
dimensioniert sind, ergeben sich wirtschaftliche<br />
Vorteile.<br />
Anlagenbetreiber: Ökologische<br />
Systemdienstleistungen anbieten<br />
Hier ist aber auch zu erwähnen, dass dies<br />
stark abhängt von der jeweiligen Anlage<br />
und den getätigten Investitionen in<br />
den letzten Jahren beziehungsweise der<br />
Ausrichtung der Anlage (beispielsweise<br />
Nahwärmeversorgung) und so nicht eins<br />
zu eins übertragbar ist. Tendenziell gilt<br />
dies für bis dato noch nicht überbaute<br />
Biogasanlagen. Auch die hier noch nicht<br />
explizit erwähnten ökologischen Systemdienstleistungen<br />
können für einzelne<br />
Landwirte wirtschaftlich interessant sein.<br />
So werden in einigen Gebieten für den<br />
Erhalt der regionaltypischen Landschaft<br />
eigens Gelder gezahlt. Dabei handelt es<br />
sich auch meist um extensives Grünland.<br />
Die Nutzung dieses Substrates in Kombination<br />
mit Einnahmen aus den „Pflegearbeiten“<br />
kann sich ebenfalls positiv auf die<br />
Gesamtbilanz der Biogasanlage auswirken.<br />
Insgesamt hat sich aber im Projekt<br />
gezeigt, dass die Verfügbarkeit regional<br />
sehr unterschiedlich ist.<br />
Aber auch wenn die Flächen vorhanden<br />
sind, ist oft den Anlagenbetreibern diese<br />
Fläche nicht bekannt. Nicht geprüft werden<br />
konnte im Projekt, inwieweit kleinere<br />
oder ungünstig geschnittene Flächen<br />
mittels des vorhandenen Maschinenparkes<br />
bewirtschaftet werden können. Auch<br />
eine dichte Verteilung von Bäumen auf<br />
extensiven Grünlandflächen kann eine<br />
wirtschaftliche Nutzung erschweren. Allgemein<br />
stellt der Einsatz von extensivem<br />
Grünland eine Chance für eine zukünftige<br />
Substratversorgung dar. Bei hohem Einsatz<br />
ist aber auch eine angepasste Technik<br />
bei Flüssigfermentern notwendig.<br />
Neuartige Feststoff-Biogasanlage<br />
in der Umsetzung<br />
Eine mögliche Alternative zu den bekannten<br />
Flüssig- beziehungsweise Nassfermentern<br />
stellen Trockenfermenter dar.<br />
Dies ist aber nur eine Option, wenn eine<br />
neue Anlage geplant ist. Hier wird derzeit<br />
im laufenden Projekt FeBio auf einem<br />
landwirtschaftlichen Betrieb eine Feststoffbiogasanlage<br />
entworfen und gebaut,<br />
die für den Einsatz von Pferdemist und<br />
Landschaftspflegegräser gedacht ist. Das<br />
Projekt wird neben dem IZES durch die<br />
Universität Hohenheim und den Anlagenbauer<br />
Ökobit begleitet.<br />
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106
Biogas Journal | 5_<strong>2023</strong><br />
Wissenschaft<br />
Ziel ist es, neben der Nutzung von Pferdemist<br />
und der Biogasproduktion auch<br />
durch den Einsatz der Landschaftspflegegräser<br />
die Ausbreitung von Jakobskreuzkraut<br />
zu reduzieren. Vorteil der Trockenfermenter<br />
ist, dass hier Substrate mit<br />
einem hohen Trockensubstanzanteil, aber<br />
auch mit hohen Ligningehalten genutzt<br />
werden können. Weiterhin stellen sogenannte<br />
Störstoffe von Flüssigfermentern<br />
wie kleine Äste, langhalmige Gräser oder<br />
Stroh bis hin zu Hufeisen und Ballennetzen<br />
kein Problem für den verfahrenstechnischen<br />
Ablauf dar.<br />
Die genannte Anlage hat als Grundkonzept<br />
einen technisch möglichst einfachen Aufbau<br />
mit einem Minimaleinsatz an Technik.<br />
Dies soll zum einen Bau und Instandhaltungskosten<br />
senken und zum anderen die<br />
Störanfälligkeit reduzieren. Trockenfermentationsanlagen<br />
sind vor allem durch<br />
Garagenfermenter bekannt. Diese haben<br />
aber den Nachteil, dass sie sich nur im<br />
großen Maßstab wirtschaftlich rechnen.<br />
Als Güllekleinanlage geplant<br />
Die aktuell im Bau befindliche Anlage ist<br />
als sogenannte Kleingülleanlage geplant.<br />
Dabei gibt das EEG die Anlagenleistung<br />
als auch das Verhältnis der Substrate (80<br />
Prozent Mist/20 Prozent Landschaftspflegegras)<br />
vor. Rein technisch könnte<br />
die Anlage auch einen höheren Anteil<br />
an Landschaftspflegegras verarbeiten.<br />
Hier wären aber Anpassungen im EEG<br />
notwendig. Der Vorteile dieser „kleinen“<br />
Trocken-Biogasanlage gegenüber<br />
den Garagenfermentern ist neben den<br />
genannten Kosten die nach oben offene<br />
Bauweise (siehe Abbildung 3).<br />
Dies meint, dass keine Decke die Höhe<br />
begrenzt. Dies hat zum einen den Vorteil,<br />
dass jegliche Maschine unabhängig ihrer<br />
Bauhöhe zum Be- und Endfüllen der Fermenter<br />
genutzt werden kann. Zusätzlich<br />
dient der Raum über dem Substrat als<br />
Gasspeicher, der durch die Gestaltung der<br />
Folie vorgegeben wird. Dabei sorgt auch<br />
die Folie vor dem Entleeren der Fermenter<br />
dafür, dass nahezu 100 Prozent der Gase<br />
vor dem Öffnen abgesaugt werden können<br />
und auch der Fahrer, der die Fermenter<br />
beschickt, ist konstant von Frischluft<br />
umgeben. Des Weiteren wird davon ausgegangen,<br />
dass der Eigenwärmebedarf im<br />
direkten Vergleich zu leistungsgleichen<br />
Nassfermentern geringer ist.<br />
Geplant sind drei Fermenter, die jeweils<br />
im Abstand von drei Wochen zum Teil neu<br />
befüllt werden. Das bedeutet, dass einmal<br />
in der Woche das Be- und Endfüllen ansteht.<br />
Dabei lässt das System ein flexibles<br />
Arbeiten zu, was in Jahreszeiten mit hohen<br />
Arbeitsspitzen den täglichen Ablauf<br />
entlasten kann. Das Hauptsubstrat, der<br />
Pferdemist, fällt kontinuierlich an und<br />
stellt damit eine stabile Grundlage dar.<br />
Das extensive Grünland beziehungsweise<br />
die Landschaftspflegegräser werden zu<br />
Silageballen verarbeitet.<br />
Dies bringt die allgemeinen Vorteile von<br />
Silageballen wie flexible Lagerung und<br />
einfache Dossierung, aber durch den Anlagentyp<br />
ist beispielsweise auch nur eine<br />
geringe Anzahl von Messern in der Ballenpresse<br />
notwendig, was zu geringeren Bergungskosten<br />
führt. Mit der Inbetriebnahme<br />
der Anlage Ende des Jahres werden<br />
auch umfangreiche Messungen gestartet,<br />
die zum einen die Wirtschaftlichkeit<br />
analysieren und zum anderen Hinweise<br />
für weitere Optimierungsansätze geben<br />
sollen. Auch der Einsatz von Landschaftspflegegräsern<br />
soll unter den Praxisbedingungen<br />
eigens bewertet werden.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass die Nutzung<br />
von extensivem Grünland zumindest teilweise<br />
eine Alternative für Biogasanlagen<br />
darstellt. Umgekehrt stellt aber auch die<br />
Biogasanlage eine Alternative zum Erhalt<br />
von Grünlandflächen dar.<br />
Autor<br />
Dr. Joachim Pertagnol<br />
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