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Das StadtSalzburgMagazin Ausgabe 2023_3
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Ausgabe 2023_3
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Wenn der<br />
SCHMERZ<br />
tröstet<br />
Element Of Crime habe es immer<br />
schon gegeben, behauptet die<br />
Schriftstellerin Eva Menasse. »Bevor<br />
sich die Band vor Jahrzehnten gegründet<br />
hat, hat man diese Musik wohl<br />
schon in sich drin gehört.« Genauso<br />
ist es. Und im September kommt diese<br />
ewige Band mit ihrer »unkopierbar<br />
guten Musik« (© Rolling Stone) für ein<br />
Gastspiel nach Salzburg.<br />
Höchste Zeit, um mit Sven Regener,<br />
Sänger, Songschreiber und Autor, über<br />
das neue Album, seine Romane und<br />
seinen Faible für Österreich und die<br />
Österreicher zu plaudern.<br />
TEXT MARKUS DEISENBERGER<br />
FOTOS CARLOTTE GOLTERMANN<br />
≈ Es muss 1988 gewesen sein. Foyer des<br />
Salzburger Stadtkinos. Eine Band mit<br />
dem verheißungsvollen Namen »Element<br />
of Crime«, die damals noch auf<br />
Englisch sang, betritt die Bühne. Im<br />
Publikum ein Sechzehnjähriger, der<br />
sich selten zuvor so cool, so erwachsen<br />
gefühlt hat. Ein magischer Abend<br />
war das, der mir bis heute in Erinnerung<br />
geblieben ist, wegen seiner einzigartigen<br />
Stimmung und natürlich,<br />
weil ich einen Abend lang dazugehört<br />
habe, zu den Coolen der Stadt. Haben<br />
Sie noch eine Erinnerung an diesen für<br />
mich magischen Abend?<br />
Ich erinnere mich. Wir hatten einen Fotografen<br />
dabei, der die Tour dokumentieren<br />
sollte, weil wir ein Live-Album aufnahmen,<br />
und der hatte einen kleinen<br />
Hund, der kam auf die Bühne, als wir gerade<br />
»A Ship Is Passing« spielten. Er lief<br />
hin und her und suchte seinen Besitzer.<br />
Ich kriegte einen Lachkrampf und konnte<br />
das Lied kaum zu Ende bringen. Ich<br />
glaube, dass ich mich an die Tourneen in<br />
den 80er Jahren besser erinnere als an<br />
die Tourneen in späteren Jahrzehnten,<br />
weil für mich damals alles noch superneu<br />
und superaufregend und deshalb<br />
schwer beeindruckend war.<br />
≈ Die Leistung, die Musik an so einem<br />
Abend vollbringen kann, der gelungene<br />
Transfer von Coolness, Haltung<br />
und Lebensart durch gemeinsamen<br />
Kunstgenuss. Denken Sie, das ist<br />
heute schwieriger als damals in den<br />
1980ern? Ist das Identifikations-Potenzial<br />
von Musik ungebrochen oder<br />
hat sich da etwas verändert?<br />
Ich glaube, da hat sich grundsätzlich<br />
nichts verändert. Aber wir haben uns<br />
verändert. Und viele unserer Hörer, so<br />
sie denn älter geworden sind, natürlich<br />
auch. Es wäre auch komisch, wenn nicht.<br />
Ich kann nur für mich sprechen, wenn ich<br />
sage, dass zwar das ganze Drumherum<br />
von Tourneen und Konzerten – sei es für<br />
mich als Musiker, sei es für mich als Konzertbesucher<br />
– heute anders ist, dass<br />
aber die Wirkung der Musik selbst noch<br />
genauso stark ist wie immer.<br />
≈ Bleiben wir noch einen Moment in den<br />
1980ern. Mit »Herr Lehmann« gelang<br />
Ihnen ein Welterfolg, der in genau<br />
dieser Zeit spielt. Aber auch viele Ihrer<br />
anderen Bücher, zuletzt »Wiener<br />
Straße« und »Glitterschnitter« spielen<br />
in den 1980ern. Wieso kehren Sie<br />
immer wieder in diese Zeit zurück, die<br />
frühen 1980er in Westberlin? Was war<br />
aus ihrer Sicht so speziell an dieser<br />
(Achtung Klappentext!) »seltsamen<br />
Zeit in einer seltsamen Stadt«?<br />
Das war wirklich eine sehr seltsame<br />
Stadt, dieses Westberlin, das muss man,<br />
glaube ich, nicht näher erklären. Es macht<br />
Spaß, davon zu erzählen. Aber der eigentliche<br />
Grund ist, dass ich gerne Romane<br />
mit Protagonisten in ebendiesem Alter<br />
schreibe, über Leute zwischen 20 und 30,<br />
ein Alter, in dem so vieles noch offen ist,<br />
wo die Leute darum kämpfen, einen Weg<br />
in ihr Leben und in die Gesellschaft zu finden.<br />
Wo so viele Hoffnungen und so viele<br />
Träume existieren, zugleich aber auch so<br />
viele Verletzungen, Demütigungen, Niederlagen<br />
kassiert werden. Ich lasse meine<br />
Romane also gerne in einer Zeit spielen,<br />
in der ich selber in diesem Alter war, dann<br />
kenne ich mich besser aus!<br />
≈ Die ersten fünf EoC-Alben sangen Sie<br />
auf Englisch. Dann kam mit »Damals<br />
hinterm Mond« das erste Album ganz<br />
auf Deutsch. Was gab damals den<br />
Anlass zu dieser Kursänderung?<br />
Ich hatte das Gefühl, mit den englischsprachigen<br />
Songs nicht mehr weiterzukommen.<br />
Und ich sang ja vor allem des-<br />
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