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RSV-Festschrift

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Verbindung mit dem Lindenberg<br />

Die Bauern von Unteribental sind mit dem auf ihrer Gemarkung<br />

gelegenen Lindenberg seit Jahrhunderten eng verbunden. Wie<br />

eine alte „Urkundschrift“ berichtet, errichtete der Bauer Pantaleon<br />

Mayer, nachdem in seinem Stall eine Viehseuche erloschen<br />

war, in Erfüllung eines Gelübdes auf dem Gallihof einen<br />

Bildstock. Nach einer Muttergotteserscheinung beim heutigen<br />

„Frauenbrunnen“ ließ er auf der höchsten Erhebung des<br />

Gallihofes, auf dem Lindenberg, eine hölzerne Kapelle bauen.<br />

Sie wurde später nach der wunderbaren Heilung des Ibentäler<br />

Altbauern Hans Zähringer „mit Freuden“ wesentlich erweitert.<br />

Aus diesen legendären Anfängen entwickelte sich um 1500 die<br />

bekannte Wallfahrt auf dem Lindenberg.<br />

Im Bauernkrieg wurde die Kapelle geschändet und die Pilger<br />

„übel verschmäht und verspottet“. Nachdem 1584 ein neuer<br />

Hochaltar aufgestellt worden war, wurde die Wallfahrtskapelle<br />

1601 durch den Weihbischof von Konstanz feierlich eingeweiht.<br />

Den Gottesdienst besorgten die Benediktinermönche aus St.<br />

Peter. Da die alte Kapelle „den Pilgerstrom nicht mehr fassen“<br />

konnte, wurde 1761/62 ein Neubau ausgeführt. Noch heute ist<br />

im Kapelleneingang das Wappen des Abtes Steyrer zu sehen,<br />

der sich um den Neubau und die Ausgestaltung große Verdienste<br />

erwarb. Neben der Kapelle stand damals ein kleines<br />

Häusle für den Sigrist (Messdiener) und eine Wirtschaft samt<br />

Scheuer und Stallung.<br />

Dem schmucken Wallfahrtskirchlein war keine lange Lebensdauer<br />

beschieden. Der österreichische Kaiser Josef II., der Wallfahrten<br />

für religiösen Aberglauben hielt, verfügte 1786 den<br />

Abbruch der Kapelle. Mit den Baumaterialien sollte die Eschbacher<br />

Pfarrkirche gebaut werden. Nach dem letzten feierlichen<br />

Gottesdienst vor dem Abbruch 1787 gab es ein „überlautes<br />

Geschrey und Lärmen von den Weybern“. Aber das Zutrauen<br />

des Volkes an den Lindenberg blieb ungebrochen, es wurde<br />

behauptet, der Ort wäre ein Gnadenort. „In Menge fahrten sie<br />

dahin und verrichteten ihr Gebet bei den Ruinen“. Die Bauern<br />

von Unteribental begannen 1800 mit dem Wiederaufbau und<br />

führten ihn gegen den Widerstand kirchlicher und weltlicher<br />

Behörden weiter. 1805 stellte man in der halbausgebauten<br />

Kapelle einen Altar auf. Der Freiburger Stadtpfarrer Dr. Häberlin<br />

schrieb nach Konstanz: „Die neue Wallfahrtskirche sollte<br />

man eher anzünden als einweihen. Es gibt bekannter Dinge im<br />

Lande Breisgau kein im Christentum unwissenderes und darum<br />

liederlicheres Volk als gerade im Kirchzartener Tal“. Daraufhin<br />

erging an alle Priester das kanonische Interdikt (Verbot), in<br />

der Kapelle Gottesdienst, eine Predigt oder Andacht zu halten.<br />

Um die halbfertige Kapelle zu retten, verpflichteten sich die<br />

19 Bauern zu ihrem Ausbau und ihrer Unterhaltung. Nach Genehmigung<br />

durch den Erzbischof konnten 1849 erstmals nach<br />

63 Jahren wieder Gottesdienste auf dem Lindenberg gehalten<br />

werden. Ein schweres Unwetter gab den Anlass, dass die Bewohner<br />

von Unteribental und Eschbach am Pfingstmittwoch<br />

1850 eine gemeinsame Flurprozession auf den Lindenberg<br />

machten. In Erfüllung eines Gelübdes wird diese gemeinsame<br />

Prozession (beginnend im jeweiligen Tal, Treffpunkt auf der<br />

Höh) noch heute jeden Mittwoch nach Pfingsten (seit über 170<br />

Jahren) mit einem Abschlussgottesdienst auf dem Lindenberg<br />

durchgeführt. In seiner Zeit als Bürgermeister und Ortvorsteher<br />

hat Josef Eckmann den Kindern als Belohnung für’s Mitlaufen<br />

und Beten oben auf dem Lindenberg, einen mit Schinken belegten<br />

Spitzwecken und Bluna spendiert. Das zog damals noch<br />

als Motivation zum Mitlaufen.<br />

Die Bauern vom Ibental traten 1860 die Kapelle dem Stiftungsvorstand<br />

als Eigentum ab. Inzwischen hatten sich nach 1854<br />

über 40 Mädchen, die zumeist aus der Umgebung stammten,<br />

auf dem Lindenberg angesiedelt. Sie trugen gleiche Kleidung<br />

und bildeten einen religiösen Verein nach der dritten Ordensregel<br />

des hl. Franziskus. Sie „führten ein raues, lediglich der<br />

Arbeit und der Andacht gewidmetes Leben“. Gründerin war<br />

Veronika Benitz aus Breitnau, die seit 1858 den benachbarten<br />

Renzenhof in Eschbach besaß.<br />

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