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RSV-Festschrift

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Der letzte Ortsdiener von Unteribental<br />

Als Josef Molz am 8. Mai 1948 aus der Kriegsgefangenschaft<br />

zurückkam, wurde er Ortsdiener und Feldhüter. Seine Tätigkeiten<br />

umfassten Arbeiten in Wald und Feld, die Mithilfe beim<br />

Öffnen des Krebsgrabens und das jährliche Spalten von 30 Ster<br />

Holz für das Schulhaus, das der ehemalige Gemeinderechner<br />

Johann Ketterer vorher zersägen musste. Als Feldhüter hatte<br />

er sogar Polizeigewalt, aber während seiner Amtszeit blieb ihm<br />

eine Arretierung erspart. 1983 wurde er in seinen wohlverdienten<br />

Ruhestand verabschiedet. Da er der Sohn von Waldhüter<br />

Pius Molz war, wurde er auch „s’Waldhiäter’s Sepp“ genannt.<br />

„Seppe-Lädele“ und das erste Telefon<br />

1928 verkaufte Josef Helmle (Leistmacherhof) dem Straßenwart<br />

Engelbert Ketterer aus St. Peter einen Bauplatz an der Talstraße.<br />

Nach der Fertigstellung ca. 1934 richtete seine Frau Josefa<br />

Ketterer, genannt „Seppe“, dort einen kleinen Laden ein. Bei<br />

ihr gab es „Luxusartikel“ wie z.B. Zucker, Salz, Pfeffer, Mehl,<br />

Öl, Essig, Grieß, Nudeln, Erbswurst, Linde-Kaffee genannt<br />

Zigori-Kaffee oder Muckefuck (Zichorienkaffee ist ein kaffeeähnliches<br />

Getränk, das aus den Wurzeln der Gemeinen Wegwarte<br />

(Zichorie) hergestellt wird), Pfannenputzer, Stumpe<br />

(Zigarren) Marke: Weißer Rabe, Bier (Löwenbräu), Gutzele<br />

(Bonbons), Kernseife, Waschmittel, Schuhfett, Schuhbändel,<br />

Zwick für Geißle (geflochtene Schnur für Holzstab um die Kühe<br />

zu treiben). Zum größten Luxus im Laden gehörte das Telefon,<br />

denn es war das Einzigste im Untertal. Auf dem Jägerhof im<br />

Obertal war ein zweites installiert, ebenso waren beide Anwesen<br />

mit einer Sirene ausgestattet. Somit konnte man vom<br />

Untertal ins Obertal relativ schnell einen Brand melden und<br />

sofort mit beiden Sirenen die Feuerwehr alarmieren. Dem Straßenwart<br />

und Jägerhof oblag die ehrenvolle Aufgabe der Verbreitung<br />

wichtiger Nachrichten im Dorf, bis in den 60-er Jahren<br />

nach und nach das Telefon in jedem Haus Einzug nahm. Da<br />

„Stroßewarts“ keine Nachfolger hatten, verkauften sie das Haus<br />

1960 an Theodor Mäder, ebenfalls Straßenwart, welcher mit<br />

seiner Familie bis dahin auf dem Leistmacherhof lebte. D’Seppe<br />

führte ihr Lädele bis zu ihrer Erkrankung, bis dann Berta Mäder<br />

1966/67 übernahm und Josefa bis zu ihrem Tod am 1. Juni<br />

1968 pflegte. Danach wurde auch das Lädele aufgelöst. Schon<br />

zu „Seppe’s“ Zeiten gab es vor dem Haus an der Straße eine<br />

lange Holzbank. Sie war ein beliebter Treffpunkt am Sonntagmorgen<br />

zum Frühschoppen oder unter der Woche nach Feierabend.<br />

So hatten die Untertäler ihren eigenen „Stammtisch“<br />

zum Diskutieren und Neuigkeiten austauschen. Diese Tradition<br />

pflegte Berta Mäder noch lange weiter, bis 1995 das Ibental<br />

eine neue Straße bekam. Die letzte Bank war eine Spende von<br />

Eugen Molz vom Schwärzlehof.<br />

Fleischbeschauer<br />

Die Gemeinde Unteribental leistete sich ab 1959 einen eigenen<br />

Fleischbeschauer. Richard Ketterer absolvierte einen Lehrgang<br />

und wurde danach zu allen Schweine-Hausschlachtungen gerufen,<br />

um die Trichinenschau vorzunehmen. Er war für Buchenbach,<br />

Wagensteig, Falkensteig, Burg und Unteribental zuständig<br />

und kam z.B. im Jahre 1964 auf eine stattliche Zahl von 426<br />

Untersuchungen und dies hauptsächlich in den Wintermonaten.<br />

Die Gebühr betrug damals 2 D-Mark je Fleischbeschau. Sie<br />

dauerte mindestens ½ Stunde, die Anfahrt nicht mitgerechnet.<br />

Bei den damaligen Schneeverhältnissen konnte das mitunter<br />

eine lange und anstrengende Angelegenheit werden. Einmal<br />

musste er im tiefen Schnee zur Hinterwaldkopfhütte laufen,<br />

was zur Folge hatte, dass er dafür einen ganzen Samstag<br />

opfern musste. Im Laufe der Jahre dehnte sich das Aufgabengebiet<br />

auf Stegen mit seinen Ortsteilen und die Spirzen in<br />

Buchenbach aus, was durch die Unterstützung von Eugen Furtwängler<br />

und bei rückläufigen Hausschlachtungen einigermaßen<br />

zu bewältigen war. Nach 40 Jahren übergab er diese Aufgabe<br />

komplett an seinen Kollegen, der diese Tätigkeit noch ein paar<br />

Jahre, bis zur Einstellung der Hausschlachtungen, ausübte.<br />

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