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RSV-Festschrift

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Gleichgültig, ob man ein kleines oder ein großes Hochzeitsfest<br />

beging, es wurde fast immer „vorg‘spanne“. Dieser Brauch ist<br />

leider nach der Jahrtausendwende eingeschlafen. Heiratete ein<br />

Einheimischer eine Auswärtige oder umgekehrt, so versperrten<br />

die ledigen Burschen (wenn eine Frau heiratet) oder Mädchen<br />

(wenn ein Mann heiratet) am Hochzeitsmorgen mit einem<br />

gebundenen Kranz die Straße, um die „Entführung* aus dem<br />

Heimatort zu verhindern. Man ließ das junge Paar erst dann<br />

passieren, wenn es einen angemessenen Betrag bezahlt hatte.<br />

Als Dankeschön wurde der Hauseingang zur neuen Wohnung<br />

oder bei Wegzug derjenige zur elterlichen Wohnung festlich<br />

mit einem Tannenreisig-Kranz und Papier-Blumen geziert.<br />

Heirateten zwei Einheimische, wurde die Haustür ohne Bedingung,<br />

rein aus Sympathie geschmückt. Interessanterweise<br />

hat sich auch der Wortlaut der Rede der Vorspanner über 100<br />

Jahre kaum verändert, während der beidseitig mit Schinken<br />

und Speckseiten behangene Hochzeitswagen des vorletzten<br />

Jahrhunderts schon lange dem geschmückten Hochzeitsauto<br />

gewichen war.<br />

Bräuche bei Krankheit und Tod<br />

1857 beschreibt Pfarrer Franz von Buchenbach, wie er von<br />

Pfarrangehörigen zu Schwerkranken abgeholt wurde, um sie<br />

mit den heiligen Sakramenten zu versehen. Dies geschah immer<br />

„im schwarzen Überrock mit umhängender Stola zu Pferd, das<br />

die Parochiane (Pfarrangehörigen) selbst bringen“. Jedermann<br />

wusste, was dieser Zug, dem ein Mann mit Laterne und Glocke<br />

vorausging, zu bedeuten hatte. Später wurden die Pfarrer in<br />

der „Chaise“ (Pferdekutsche) abgeholt oder gingen auch zu<br />

Fuß. Wenn so „de Herr ins Dal kumme isch“, riefen die Bäuerinnen<br />

alle Anwesenden zusammen und nahmen kniend vor<br />

dem Haus Platz, um vom Pfarrer den Segen zu erhalten. Noch<br />

in den 60er-Jahren konnte man vereinzelt beobachten, wie der<br />

auf dem Fahrrad vorbeifahrende Pfarrer am Straßenrand oder<br />

auf dem nahen Feld niederkniende Gläubige segnete. Mit dem<br />

Einzug des Autos verschwand diese Gepflogenheit endgültig. In<br />

der Zufahrt zum Haus, in dem ein Kranker mit den hl. Sterbesakramenten<br />

versehen werden sollte, bildeten die Hausangehörigen<br />

kniend ein Spalier für den das Allerheiligste tragenden<br />

Priester. Die Kinder wurden „hinter’s Hu:s oder hinter d’Schi:re<br />

(Scheune) g’schickt“ um nicht zu stören. In jedem Haushalt<br />

war eine Versehgarnitur vorhanden: Kreuz, Kerzen und Weihwasserschale<br />

wurden auf einem Versehtisch bereitgestellt. Der<br />

Sterbende wurde mit Gebeten begleitet, bis er starb. Der Sarg<br />

wurde mit einer brennenden Kräuterpalme ausgeräuchert bevor<br />

man den Verstorbenen im Sonntagsgewand darin aufbahrte.<br />

Während der Totenwache wurde der Rosenkranz gebetet und<br />

Verwandte, Nachbarn und Freunde kamen vorbei, um Abschied<br />

zu nehmen. Die Angehörigen bedankten sich im Namen des<br />

Toten und luden zu einem Vesper ein. Meist, spätestens nach<br />

drei Tagen, fand die Beerdigung statt, weil vor allem im Sommer<br />

die notwendige Kühlung fehlte. Mit dem Bau der Friedhofskapelle<br />

in Buchenbach in den 70-er Jahren verschwanden<br />

diese Hausbesuche fast vollständig, denn die Verstorbenen<br />

wurden dort aufgebahrt und mittlerweile bieten auch die Bestatter<br />

schöne Räumlichkeiten zum Abschied nehmen. Während<br />

es früher ausnahmslos nur Erdbestattungen gab, erleben<br />

wir einen Trend zu Urnenbeisetzungen in Erdgräbern, Stelen,<br />

anonym und sehr beliebt sind Friedwälder, wie z.B. am Stollenbach<br />

bei Oberried.<br />

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