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RSV-Festschrift

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Hochzeitsbräuche<br />

Bis in die 50er-Jahre war beim Abholen der Braut am Hochzeitsmorgen<br />

ein alter Brauch, dass der Hochzeiter alle mit<br />

Handschlag begrüßte und den Brautstrauß überreichte. Er<br />

bedankte sich bei den Schwiegereltern mit viel Respekt und<br />

in aller Förmlichkeit für seine zukünftige Frau, danach wurde<br />

ein gemeinsames Gebet gesprochen, an dessen Ende der Vater<br />

seinen Segen gab und die Mutter das junge Paar mit Weihwasser<br />

besprengte.<br />

Der Bursche schenkte seinem Schatz als erstes Geschenk einen<br />

Rosenkranz und einen Wachsstock (dünne, aufgerollte Kerze,<br />

die beim Beten abgebrannt wird), wofür sie sich mit Zigarren<br />

und einem passenden Etui revanchierte. Wollte ein Mädchen<br />

nach auswärts heiraten - natürlich mit Genehmigung seiner Eltern<br />

- so fand zunächst eine „Beschau“ statt, d.h. das Mädchen<br />

stattete auf dem Hof, auf den es heiraten will, einen Besuch<br />

ab. Ist dieser gut ausgefallen, so fand bald die Hochzeit statt.<br />

Dazu wird ein „Ho:sdigla:der“ (Hochzeitslader) bestellt, der fein<br />

herausgeputzt von Haus zu Haus geht und alle Verwandten<br />

und Bekannten zur Hochzeitsfeier einlädt. Als Dankeschön wird<br />

er bei der Feier dann freigehalten, die Eingeladenen jedoch<br />

nicht. Diese haben alles, was sie essen und trinken, selbst zu<br />

bezahlen!<br />

Am Hochzeitsmorgen (früher nur Dienstag oder Donnerstag),<br />

begann man mit der sogenannten „Morgesuppe“ (Bratwurst,<br />

Wein, Brot, Hefezopf, Kaffee) im Wirtshaus und begab sich<br />

dann um halb 10 Uhr in die Kirche. Nach der Messe ging das<br />

Tafeln im Gasthaus weiter. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

wurde die Hochzeiterin ermahnt, nur bei zunehmendem Mond<br />

zu heiraten und während der Traumesse möglichst nah neben<br />

ihrem Hochzeiter zu knien. Es soll auch ja kein Spalt zwischen<br />

den beiden entstehen, damit sie möglichst lang miteinander<br />

leben dürfen. Brennen beim Traugottesdienst während der<br />

Wandlung die Kerzen auf dem Altar nur matt, so bedeutet das<br />

Unglück in der Ehe. Flackert eine Flamme, so muss der auf der<br />

entsprechenden Seite befindliche Partner bald sterben. Nach<br />

der Messe überreichten die Brautleute dem Pfarrer außer einem<br />

weißen Taschentuch noch ein Kränzchen und luden ihn zum<br />

Hochzeitsessen ein.<br />

Von ein oder zwei jungen Frauen – oft auch von der Hochzeitsnäherin<br />

– bekommen alle Gäste „de‘ Ho:sdigmaie“ ans Festtagsgewand<br />

geheftet, und zwar diejenigen, die „recht“ (den<br />

ganzen Tag) bei der Hochzeit sind, ein weißes Sträußchen und<br />

der „Zuëlauf* ein farbiges (blau, rosarot).<br />

Für das Sträußchen gab man vor 100 Jahren zwischen 10 und<br />

50 Pfennig, später ein oder zwei Mark. Sobald alle im Gasthaus<br />

waren, erhielten Hochzeiter, Ehrengesell und Brautführer Ehrentänze<br />

mit der Braut. Um 12 Uhr wurde dann das Brautpaar<br />

von der Musikkapelle „nach Hause gespielt“, d.h. sie wurden<br />

musikalisch aus dem Gasthaus begleitet und von der Hochzeitskutsche<br />

oder Auto nach Hause gefahren. Im Gasthaus feierte<br />

die Hochzeitsgesellschaft noch oft bis zum frühen Morgen.<br />

Beim Heimgehen sollte die Hochzeiterin darauf achten, als erste<br />

den Fuß ins Haus zu setzen, weil sie dann im Haus das Sagen<br />

haben wird. Bis lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />

oft am Sonntag nach der Hochzeit ein „Nu:ho:sdig“ (Nachhochzeit)<br />

mit Musik und Tanz gefeiert. Pfarrer Schellhammer<br />

aus Buchenbach verurteilte 1881 diese Sitte: „Tanzlustbarkeiten<br />

kommen bei Hochzeiten vor und wird gewöhnlich am Sonntag<br />

nach der Hochzeit nochmals getanzt, welches ein schreiendes<br />

Unheil ist und mir schon vielen Kummer bereitet hat.“ Dieser<br />

Tag wird auch „Zahltag“ genannt, wohl auch deshalb,<br />

weil alle „rechten“ Gäste freigehalten wurden. Noch in den<br />

Sechzigerjahren notierte der „Ho:sdigschri:ber“ während der<br />

Hochzeitsfeier feinsäuberlich, wer wieviel zu bezahlen hatte.<br />

1957 machte die Rechnung für alles, was eine Person von der<br />

Morgensuppe bis in die späte Nacht hinein verzehrte, ganze<br />

zwölf Mark! Die Musikanten wurden übrigens immer vom<br />

Wirt freigehalten. Sie hatten auch kleine Einnahmen durch die<br />

„Tanzbändel*, die alle Gäste auf dem Tanzboden für 50 Pfennig<br />

kaufen und anstecken mussten.<br />

Manches Hochzeitspaar zog es vor, „kei‘ recht Ho:sdig* zu<br />

feiern. In solchen Fällen begab man sich, nur von den allernächsten<br />

Bekannten oder Verwandten begleitet, oft ins Kloster<br />

Birnau oder nach Einsiedeln, um sich dort in aller Stille trauen<br />

zu lassen.<br />

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