RSV-Festschrift
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Viele Kinder, hohe Sterblichkeit, Heirat mit Genehmigung<br />
Je größer der Landbesitz eines Bauern war, je mehr Kinder hatte<br />
er. 8 – 12 oder sogar 18 Kinder (aus 2 Ehen) waren durchaus<br />
normal. In das Kopfkissen von Schwangeren wurden geweihte<br />
Kräuter eingenäht um vielleicht die Geburt zu erleichtern.<br />
Das Kind wurde dann entweder vom Storch gebracht, von der<br />
Hebamme „vom Wi:b mit seim Korb“ oder „vom Bach/Wasser<br />
daher g’flößt“. Als Mittel gegen die gefürchteten Gichter<br />
(Krampfanfälle, hohes Fieber), die häufig zum Tod des Neugeborenen<br />
führten, wurden geweihte Gegenstände, wie kleine<br />
Muttgergottesstatuen in das Bettchen eingenäht. Ins erste<br />
Kindsbad kam Weihwasser und geweihtes Salz, manchmal ein<br />
Rosenkranz, geweihtes Wachs oder ein Geldstück. Den Kindern<br />
drückte man gerne eine Schreibfeder oder einen Griffel ins<br />
Händchen, damit sie später in der Schule erfolgreich waren.<br />
Da die Bäuerinnen während der Schwangerschaft bis zur letzten<br />
Minute vor der Geburt schwere Arbeit verrichten mussten,<br />
gab es viele Fehlgeburten. Das wiederum bedeutet, dass eine<br />
Bäuerin fast durchgehend schwanger war und das ohne einen<br />
Tag Mutterschutz oder Erziehungsurlaub. Lediglich nach der<br />
Geburt wurde eine Mutter ca. 6 Wochen lang geschont und<br />
galt als „Kindbetterin“. Daher kommt der Begriff „Kindbettwecken“,<br />
den man beim Besuch einer Wöchnerin zur Stärkung<br />
vorbeibrachte. Der erste Ausgang führte die Mutter in die Kirche,<br />
wo sie vom Pfarrer ausgesegnet wurde. Nach der Schonfrist<br />
dauerte die Stillzeit nicht allzu lange, weil die Milch durch<br />
die harte Arbeit der Bäuerin bald ausblieb. Die Kindersterblichkeit<br />
war dementsprechend hoch. Ein Drittel der Säuglinge starb<br />
im 1. Lebensjahr, die Hälfte der Kinder erlebten oft nicht den<br />
10. Geburtstag. Deshalb wurden die Kinder entweder am Tag<br />
der Geburt oder 1 Tag danach getauft. Noch Ende des 19. Jahrhunderts<br />
läutete die Glocke bei der Taufe nur für eheliche Kinder.<br />
Die Sterblichkeitsrate bei unehelichen Kindern war deutlich<br />
höher, hatten sie doch meist einen schlechten Start, weil sie in<br />
ärmliche Verhältnisse geboren wurden. Sie waren oft Kinder<br />
von Tagelöhnern, die ohne Haus, Hof und Vermögen nicht<br />
heiraten konnten. Es waren Bauernsöhne, die nicht Hoferben<br />
waren und kein Land besaßen. Oft arbeiteten sie auf dem Hof<br />
von Verwandten oder waren als Handwerker tätig. Man konnte<br />
aber zum Hofbauern aufsteigen, wenn sich eine Witwe wieder<br />
verheiraten wollte, weil sie einen Vater für ihre Kinder und<br />
eine Arbeitskraft für ihren Hof brauchte. Oft verheiratete man<br />
sich innerhalb eines Tales, was aber zu verwandtschaftlichen<br />
Ehen führte. Man musste deshalb bei der Kirchenbehörde um<br />
Heiratserlaubnis (Dispens) nachsuchen.<br />
Ein Beispiel aus jener Zeit um 1760:<br />
Lorenz Schwarz vom Schwerzlelenzenhof (heute Schwärzlehof)<br />
stellte einen solchen Antrag, als er Agatha Schlegel ehelichen<br />
wollte, die die Großnichte seiner verstorbenen Ehefrau Maria<br />
Zipfel war. Am Tag der Hochzeit, das heiratswillige Paar war<br />
bereits 3 Mal von der Kanzel verkündet worden, stellte sich<br />
heraus, dass die beiden miteinander verwandt waren. Trauung<br />
und Hochzeitsessen mussten abgesagt werden, im ganzen<br />
Tal wurde gemunkelt, es entstand „ein großes Ärgernis“.<br />
Lorenz Schwarz, als langjähriger Vogt sicher eine Persönlichkeit,<br />
wehrte sich: „Seine Braut sei schon 40 Jahre alt, es bestehe<br />
also keine Aussicht, dass sie Kinder bekomme. Allein mit seinen<br />
Kindern könne er das große Bauerngut und die Wirtschaft nicht<br />
umtreiben und aufgeben wolle er seinen Besitz im Wert von<br />
6000 Gulden auch nicht. Außerdem wolle er mit seinen 70<br />
Jahren auch keine junge Person mehr heiraten, sondern eine<br />
bestandene“. Im ganzen Tal sei aber keine mehr wie die Schlegelin,<br />
höchstens eine, mit der er aber noch näher verwandt sei.<br />
Der Oberkirchenrat verweigerte dennoch die Zustimmung und<br />
die Ehe kam nicht zustande. Lorenz Schwarz grämte sich aber<br />
nicht lange, denn 1 Monat später heiratete er Katherina Walter<br />
aus Stegen. Vernunftgründe waren oft maßgebend für eine<br />
Eheschließung , die wirtschaftliche Notwendigkeit diktierte die<br />
Partnerwahl, weniger Liebe und Zuneigung.<br />
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