GSa163_Sept23_Pausenkulturen
Pausenkulturen
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Aus Praxis: der <strong>Pausenkulturen</strong><br />
Forschung<br />
der Pausenorganisation häufiger als bei<br />
Lehrkräften anderer Schulstufen (bspw.<br />
Sekundar- und Berufsschullehrkräfte;<br />
Pausenausfall/Pausenunterbrechung:<br />
37/33 %, N = 705) und bei Beschäftigten<br />
anderer Berufe (Pausenausfall/Pausenunterbrechung:<br />
28/16 %, N = 7.556) auftreten.<br />
In der Gesamtstichprobe hingen<br />
der häufigere Pausenausfall und die<br />
häufigere Pausenunterbrechung/-verkürzung<br />
mit höheren gesundheitlichen<br />
Beschwerden zusammen (Vieten et al.<br />
2023).<br />
Betrachtet man nur die Grund- und<br />
Sekundarschullehrkräfte (N = 316), so<br />
zeigen sich vergleichbare Risiken für das<br />
Erleben von Ermüdungs- und Erschöpfungssymptomen<br />
(s. Abb. 2).<br />
Bei einer Mitarbeiter*innenbefragung<br />
in sächsischen Schulen bemängelte die<br />
Mehrheit der Schulleitungen und Personalvertretungen<br />
eingeschränkte Erholungsmöglichkeiten<br />
der Lehrkräfte in den<br />
Pausen (Debitz/Hubrich/Roitzsch 2022).<br />
Dies zählte schulartübergreifend zu den<br />
stärksten Belastungsquellen in der Arbeit.<br />
Auch in der Niedersächsischen Arbeitsbelastungsstudie<br />
2016 beschreiben über<br />
80 % der Lehrkräfte ein Belastungserleben<br />
aufgrund fehlender Erholungsmöglichkeiten<br />
in den Schulpausen (Mußmann/Hardwig/Riethmüller<br />
2017). Eine Nachfolgestudie<br />
ergab ähnliche Ergebnisse, zusätzlich<br />
berichteten 77 %, dass sie häufig ihre<br />
Pausen verkürzen oder ausfallen lassen<br />
müssen (Mußmann et al. 2020).<br />
Aktuelle Pausengestaltung bei Lehrkräften<br />
Insgesamt zeigen diese Daten, dass<br />
bei Lehrkräften, insbesondere im<br />
Grundschulbereich, (1) Mindestanforderungen<br />
an die Gestaltung von<br />
Ruhepausen laut Arbeitszeitgesetz oft<br />
nicht eingehalten werden, (2) damit<br />
akuter Verbesserungsbedarf hinsichtlich<br />
der Pausenorganisation besteht<br />
und (3) solche Maßnahmen potenziell<br />
gesundheitsförderliche Wirkungen für<br />
die Lehrkräfte erzielen dürften.<br />
In der Forschung wurden acht zentrale<br />
Funktionen von Arbeitspausen ermittelt<br />
(Wendsche 2017). (1.) Erholung findet<br />
in den Pausen statt, wenn nicht<br />
gearbeitet oder die Tätigkeit gewechselt<br />
wird. Daher spielt die Auswahl erholsamer<br />
Aktivitäten eine wichtige Rolle<br />
für den Pausenerfolg. Erholungsförderlich<br />
und damit entscheidend für den<br />
Erfolg von Pausen ist es, wenn man sich<br />
in der Erholungspause mental von der<br />
Arbeit distanzieren kann, sich entspannt,<br />
sich sozial eingebunden fühlt und die<br />
Erholungsphase als sinnhaft, lernförderlich<br />
sowie beeinflussbar erlebt. Pausen<br />
haben (2.) eine motivationale und (3.)<br />
ablauforganisatorische Funktion, indem<br />
sie die Gesamtarbeitszeit in kürzere Teilabschnitte<br />
gliedern. Sie dienen weiterhin<br />
dem (4.) Belastungsausgleich und<br />
der (5.) Belastungsbegrenzung und bieten<br />
Zeitfenster, um über bewältigte und<br />
anstehende Arbeitsziele zu reflektieren<br />
(6. Feedbackfunktion). Pausen ermöglichen<br />
es auch, (7.) individuellen Bedürfnissen<br />
(Individualfunktion) nachzukommen,<br />
die durch oder während der<br />
Arbeit nur wenig befriedigt werden (z. B.<br />
Bewegung oder Nahrungsaufnahme).<br />
Nicht zu vergessen sind (8.) die sozialen<br />
und betriebskulturellen Aspekte der<br />
Pause (Sozial- und Kulturfunktion) zur<br />
Unterstützung der Arbeit und des sozialen<br />
Austausches in Arbeitsgruppen.<br />
Was sind Stellgrößen der<br />
Pausenorganisation?<br />
Die Pausenorganisation ist durch<br />
gesetzliche und betriebliche Regeln,<br />
das Pausenregime, die Pausentätigkeit,<br />
die Pausenumgebung und die individuellen<br />
Einflussmöglichkeiten des/der<br />
Beschäftigten auf die zuvor genannten<br />
Merkmale beschreib- und gestaltbar.<br />
Zu den gesetzlichen und betrieblichen<br />
Regeln (z. B. im Rahmen von Dienstoder<br />
Betriebsvereinbarungen) gehören<br />
Anforderungen an die Mindestpausendauer,<br />
die Pausenlage, die zeitliche Erfassung<br />
von Pausenzeiten und Kurzpausenregeln.<br />
Das Pausenregime wird durch die<br />
Gesamtpausendauer an einem Arbeitstag,<br />
die Dauer und Häufigkeit von Einzelpausen<br />
(sowohl Ruhepausen ≥ 15 Minuten<br />
als auch Kurz-, Mini-, und Mikropausen<br />
< 15 Minuten) sowie deren Lage und Verteilung<br />
beschrieben. Erholungsförderlich<br />
ist es, wenn Pausen planbar sind.<br />
Hinweis zur Gestaltung<br />
von Pausenaktivitäten<br />
Insbesondere Aktivitäten, die Anforderungen<br />
aus der Arbeit kompensieren,<br />
d. h. gegenteilig zur Arbeit sind, werden<br />
als erholsam erlebt.<br />
Anforderungen an die Gestaltung<br />
von Pausen- und Sozialräumen sind in<br />
den Arbeitsstättenregeln (ASR 4.2) formuliert.<br />
Zu vermeiden sind dabei starke<br />
physikalische Stressoren (z. B. Hitze,<br />
Lärm). Pausen in natürlichen Umwelten,<br />
wie z. B. in Parks oder in Pausenräumen<br />
mit Naturelementen, und v. a. das Verlassen<br />
des Arbeitsplatzes fördern die Erholung<br />
zusätzlich (Wendsche 2023). Wichtig<br />
ist es, dass Beschäftigte bei der Gestaltung<br />
betrieblicher Pausenregeln mitbestimmen<br />
können, da häufigere und<br />
selbstbestimmte Pausen oft erwünscht<br />
sind (Pardion/Lazar 2017).<br />
Welche Funktionen haben Pausen?<br />
Abb. 2: Relative Häufigkeiten berichteter Ermüdungs- und Erschöpfungssymptome<br />
in Abhängigkeit von der Pausenorganisation bei Primar- und Sekundarschullehrkräften<br />
(N = 316 bis 65 Jahre mit gesetzlichem Pausenanspruch,<br />
BAuA-Arbeitszeitbefragung 2017)<br />
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GS aktuell 163 • September 2023