Nr. 88 - Herbst 2023

POLEMIK
Finger weg von der Toskana!
Um mehr Besucher anzuziehen, beschlos
sen die Tourismusverbände
zwei er Regionen im Tarn, Bastides et
Vig nobles du Gaillac und Pays Cordais
au Pays de Vaour um die Orte Gaillac
und Cordes-sur-Ciel, eine gemeinsame
« touristische Identität » zu schaffen.
Das Ergebnis der zweijährigen Arbeit
für ein Konzept ist mutig und mag
über raschen, denn seit 2022 tritt diese
Gegend unter dem Namen Toscane
occitane auf. Die Idee scheint zu funktio
nieren und brachte dem Verbund
laut der lokalen Zeitung La Dépêche im
ver gang enen Jahr Einnahmen in Höhe
von 87 Millionen Euro. Der « richtigen »
Toskana in Italien gefällt diese Initiative
allerdings überhaupt nicht. « Es gibt nur
eine Toskana, und es wäre gut, wenn
die jenigen, die versuchen, diese Marke
auf raffi nierte Art zu nutzen, um ihr
Ter ri torium zu bewerben, sofort damit
auf hörten », tadelte der italienische Europapolitiker
Nicola Danti jüngst vor der
Euro päischen Kommission in Brüssel.
Der Prä sident des Regionalrates der
Tos ka na, Eugenio Giani, ist derselben
An sicht und stuft das Unterfangen seiner
seits als « überzogene und un an gebrachte
Vorgehensweise » ein. In der
« ok zi tanischen Toskana » versucht man
da gegen, begreiflich zu machen, dass
man keinesfalls eine Bezeichnung missbrauch
en will, und beharrt auf dem Konzept.
« Jeder weiß, wie sehr ich Italien
und besonders die Toskana liebe »,
äuß er te sich der Präsident der Toscane
occitane, Paul Salvador, « aber wenn es
so weiter geht, könnte Rom genauso gut
von Toulouse verlangen, den Place du
Capitole abzuschaffen, vielleicht sogar
von den USA fordern, ihren Kongress umzu
be nen nen. Schließlich ist das Kapitol
ein er der sieben Hügel Roms … » In der
Fol ge beschwichtigte er jedoch und fasste
eine freundschaftliche Annäherung an
die Toskana und vielleicht sogar ge meinsame
Tourismusaktivitäten ins Auge.
Bleibt abzuwarten, ob die Italiener dies
gutheißen …
AUTOBAHN
Viadukt von Millau zu 100 % in privater Hand
Das 2004 eingeweihte Viaduc de Millau (Aveyron) ist das höchste Straßenviadukt
der Welt und hat sich zu einer eigenständigen touristischen Attraktion in Frankreich
entwickelt. Die Architektur wird von allen bewundert und ist der ganze
Stolz des Bauherrn, des französischen Konzerns Eiffage. Letzterer hat jetzt dem
fran zö sischen Staat dessen 49-prozentigen Anteil am Betreiberunternehmen
der Brücke abgekauft und ist damit der alleinige Eigentümer. Der mit 236,5
Milli onen Euro stolze Preis beschert dem Unternehmen allerdings eine be deuten
de Einnahmequelle, nämlich die Gebühren für die Nutzung dieses Auto bahnabschnitts
der A75, einem der teuersten in Frankreich (12,50 € im Sommer, 10,10 €
im Rest des Jahres).
Frankreich erleben · Herbst 2023 · 9