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Lebenskultur Magazin der Stadt Feldbach - Ausgabe August 2023

Das Magazin „Lebenskultur“ wirft in jeder Ausgabe zu einem bestimmten, weit gefassten Thema einen tiefgehenden Blick auf bemerkenswerte Geschehnisse und Menschen mit Bezug zur Stadt, zur Region und darüber hinaus. Wechselnde lokale Autoren machen sich daran, unser Leben und unsere Kultur in allen ihren Ausprägungen in Form von Portraits, Berichten, literarischen Texten, Essays oder ähnlichem zu schildern. Selbstverständlich dürfen Fotos nicht fehlen. Derart entsteht eine ganz spezielle Chronik, in der sich die aktuelle Stadtgeschichte mit Wechselwirkungen bis zum Weltgeschehen hin wiederfindet.

Das Magazin „Lebenskultur“ wirft in jeder Ausgabe zu einem bestimmten, weit gefassten Thema einen tiefgehenden Blick auf bemerkenswerte Geschehnisse und Menschen mit Bezug zur Stadt, zur Region und darüber hinaus. Wechselnde lokale Autoren machen sich daran, unser Leben und unsere Kultur in allen ihren Ausprägungen in Form von Portraits, Berichten, literarischen Texten, Essays oder ähnlichem zu schildern. Selbstverständlich dürfen Fotos nicht fehlen. Derart entsteht eine ganz spezielle Chronik, in der sich die aktuelle Stadtgeschichte mit Wechselwirkungen bis zum Weltgeschehen hin wiederfindet.

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Österreichische Post AG | RM 18A041471 K | 8330 <strong>Feldbach</strong><br />

AUSGABE 39 | AUGUST <strong>2023</strong><br />

MAGAZIN<br />

LEBENSKULTUR DER STADT FELDBACH


VOR DEN WÖRTERN<br />

Achtung Vorzukunft! Wie wird er sich wohl entwickelt haben, <strong>der</strong> Sommer, wenn diese Zeilen erscheinen? Schon interessant, denn<br />

ich weiß es ja in diesem Moment nicht, in dem ich schreibe, und Sie werden es natürlich wissen, wenn Sie das hier lesen. Und<br />

dann erst die Zukunft? Geheimnisvolle Unbekannte! Möge Ihnen diese <strong>Ausgabe</strong> des <strong>Magazin</strong>s schon jetzt einen Beitrag zu dieser<br />

leisten. Mehr ein paar Sonnenstrahlen als Regentropfen. Vorwärts also, es geht voran, auf in die Zukunft! O<strong>der</strong> zurück? (Hallo<br />

Doc, hallo Marty!) Jedenfalls, und wie und wohin auch immer: Keep on keeping on! Wer kennt eigentlich Ed from Ohio! O<strong>der</strong><br />

T. Boone? Ach, so viele Zukunften. John Fogerty schon eher. O<strong>der</strong> Harry Styles. Ob sich wohl alle an das Fotografierverbot gehalten<br />

haben? Eigentlich egal. Jetzt noch schnell den Sommer genießen. Bevor die Vorzukunft passiert sein wird. O<strong>der</strong>, mit einem<br />

Mal, die Zukunft da ist. Herzlichst, Ihr MM<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

3 WARUM DÜRFEN SIE, HERR PFARRER, KEINE FREUNDIN HABEN? .................................................... von Rainer Matthäus Parzmair<br />

Das seltene Gut <strong>der</strong> Freundschaft<br />

4 SEVEN SECONDS (YOUSSOU N‘DOUR/NENEH CHERRY) ..............................................................................von Werner Kölldorfer<br />

Sieben Sekunden entscheiden - auch bei Büchern<br />

6 DAS VERBRECHEN .............................................................................................................................................. von Roman Wallner<br />

Was geschah nun wirklich mit Bobby?<br />

7 FENSTER, TÜR UND STRASSE............................................................................................................ von Hannes Glanz & Rudi Fer<strong>der</strong><br />

Sommerliche Gedanken<br />

8 ALTBAURADKRITERIUM......................................................................................................................................von Stefan Preininger<br />

Ein Radrennen in <strong>der</strong> Wohnung? Ja, das funktioniert!<br />

10 VOM PHÄNOMEN BLINDER FLECKEN IN SÄTZEN..................................................................................... von Roswitha Dautermann<br />

Nichtwahrnehmung und Umwidmungen<br />

11 SPÄTER-VÄTER .......................................................................................................................................................von Sandra Pfeifer<br />

Ein Lob den Vätern<br />

12 KI – KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ODER KILLERINSTINKT? .................................................................................. von Franz Jurecek<br />

Was kann die KI nicht/alles besser?<br />

14 ANTON FAIST UND DIE KIRCHENMUSIK IN DER STEIERMARK................................................................ von Ernest J. Kleinschuster<br />

Ein musikalisches Genie aus Stang<br />

16 TRIEST ODER ... ............................................................................................................................................... von Josef Kirchengast<br />

Ein paar Leckerbissen aus <strong>der</strong> nächstgelegenen Hafenstadt<br />

18 WIND ..................................................................................................................................................................von Michael Mehsner<br />

Namen trägt er nur am Meer<br />

HOCHSOMMER FESTIVAL <strong>2023</strong><br />

HochSommer ist ein grenzüberschreitendes, zeitgenössisches Kunst-<br />

Festival im südöstlichsten Österreich und dem angrenzenden slowenischen<br />

Raum. An 14 Orten in <strong>der</strong> Südoststeiermark, dem Südburgenland<br />

und dem slowenischen Prekmurje finden von 4. bis 15. <strong>August</strong> Ausstellungen,<br />

Performances und Konzerte statt. Es entstehen Freiräume für<br />

künstlerische Interventionen und Echoräume gesellschaftlich relevanter<br />

Themen. In <strong>der</strong> Kunsthalle <strong>Feldbach</strong> wird am 5. <strong>August</strong> um 20 Uhr die<br />

Ausstellung „Inside out – Outside in“ <strong>der</strong> Dekalogweg-Künstler Michael<br />

Endlicher, Hannes Fla<strong>der</strong>er, Werner Schimpl und Kurt Straznicky eröffnet.<br />

Alle Ausstellungen sind von 5.-15. <strong>August</strong> von 10 bis 19 Uhr geöffnet,<br />

Freitag und Samstag jeweils bis 21 Uhr. Die Ausstellung in <strong>der</strong> Kunsthalle<br />

ist anschließend noch bis 17.09.<strong>2023</strong> zu sehen (Di-So 11-17 Uhr).<br />

Näheres unter: hochsommer.art.<br />

2 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgegeben von <strong>der</strong> NEUEN <strong>Stadt</strong> <strong>Feldbach</strong>, www.feldbach.gv.at; Cover: Stefan Preininger; Rückseite: Andreas Stern;<br />

Fotos: <strong>Stadt</strong>gemeinde <strong>Feldbach</strong>, Autoren, AdobeStock (Mihailo, Jenar); Layout: www.feldbach.gv.at; Druck: www.scharmer.at


„<br />

Freunde und Freundinnen<br />

gibt es nicht in hoher Zahl.<br />

Wir haben vielleicht viele<br />

gute Bekannte.<br />

Warum dürfen Sie,<br />

Herr Pfarrer,<br />

keine Freundin haben?<br />

TEXT: RAINER MATTHÄUS PARZMAIR<br />

Meist steckt hinter dieser Frage meiner<br />

Meinung nach ein falsches Bild von „Freundin“<br />

o<strong>der</strong> „Freund“. Deshalb antworte ich<br />

dann mit: „Wer sagt das? Ich habe Freundinnen!“<br />

Ich möchte nun beschreiben, was<br />

für mich eine Freundschaft ausmacht.<br />

Voraussetzung für eine gute Freundschaft<br />

ist, dass sie langsam wachsen darf. Ich halte<br />

nichts davon, wenn nach kürzester Zeit<br />

Freundschaften geschlossen werden. Ich<br />

will diesen Menschen zuerst kennen und,<br />

wenn ich ihm vertraue, schätzen lernen.<br />

So wird er wirklich ein kostbarer Schatz für<br />

das ganze Leben. Menschen, die sich als<br />

Freunde zur Seite stehen, sind nicht vereinnahmend<br />

o<strong>der</strong> gar besitzergreifend, son<strong>der</strong>n<br />

wollen für den an<strong>der</strong>en Freiheit und<br />

Frieden. Das bedeutet auch, dass sie nicht<br />

Tag für Tag zusammen sein müssen. Freunde<br />

und Freundinnen halten es aufgrund<br />

<strong>der</strong> geistigen Verbundenheit aus, sich über<br />

längere Zeit nicht zu sehen o<strong>der</strong> zu hören.<br />

Ich persönlich habe dann bei <strong>der</strong> nächsten<br />

Begegnung den Eindruck, als wenn wir erst<br />

gestern auseinan<strong>der</strong> gegangen wären. Was<br />

eine Freundschaft beson<strong>der</strong>s auszeichnet,<br />

ist, dass ich diesem Menschen wirklich vertrauen<br />

darf und deshalb mit ihm über alles<br />

reden darf, ohne Angst haben zu müssen,<br />

dass es weitererzählt wird. Wesentlich ist<br />

auch, dass in Gesprächen unter Freunden<br />

unterschiedliche Meinungen Platz haben<br />

dürfen.<br />

Freunde und Freundinnen gibt es nicht in<br />

hoher Zahl. Wir haben vielleicht viele gute<br />

Bekannte. Aber Menschen, die in allen Lebenssituationen<br />

zu uns stehen, sind nicht<br />

so zahlreich. Wie viele sind für uns in Zeiten<br />

des Leids da? Da bleibt oft nur eine sehr<br />

kleine Schar übrig. Wo sind dann die vielen<br />

lieben Bekannten? In schweren Tagen bin<br />

ich einmal auf folgenden Spruch gestoßen:<br />

„Die Menschen sind selten, die an uns glauben<br />

zu einer Zeit, wo wir uns selbst aufgeben.“<br />

Ich habe ihn dann später umformuliert:<br />

„Freunde sind Menschen, die auch dann<br />

noch Ja zu mir sagen, wenn ich bereits zu<br />

mir selbst Nein sage.“<br />

Es geht hier um jene kostbaren Menschen,<br />

die mich in keiner Situation fallen lassen<br />

und Mut machen zum Weiterleben.<br />

Jesus geht sogar noch weiter, indem er<br />

sagt:<br />

„Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer<br />

sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Johannes<br />

15,13)<br />

Er spricht hier von einer Freundschaft, die<br />

bereit ist, ihr Leben für den an<strong>der</strong>en einzusetzen<br />

und sogar zu verlieren. Natürlich<br />

kommt es nicht so oft vor, dass ein Freund<br />

gleich sein Leben für den an<strong>der</strong>en aufs<br />

Spiel setzen muss. Doch für den Freund Opfer<br />

zu bringen und Unangenehmes auf sich<br />

zu nehmen, gehört zu einer Freundschaft<br />

sicher dazu.<br />

Ich persönlich bin für jede einzelne Freundin<br />

und jeden einzelnen Freund dankbar.<br />

Diese Menschen sind für mich ein beson<strong>der</strong>er<br />

Reichtum, denn sie machen mein Leben<br />

lebenswert. Es gibt mir Kraft, zu wissen,<br />

dass es da Leute gibt, die mit mir Freude<br />

und Leid teilen. Missen möchte ich nicht<br />

die vielen schönen und beson<strong>der</strong>en Stunden<br />

mit meinen Freunden. Für mich unvergesslich<br />

ist ein Erlebnis mit einer Freundin, mit<br />

<strong>der</strong> ich inzwischen 42 Jahre freundschaftlich<br />

verbunden bin. Ich besuchte sie, als<br />

sie hochschwanger war. Und wie es so sein<br />

wollte, setzten bei ihr die Wehen ein. Da<br />

ihr Gatte und ihre Eltern bei <strong>der</strong> Arbeit waren,<br />

bat sie mich, sie ins Spital zu bringen.<br />

Als Freund konnte ich ihr diese Bitte nicht<br />

abschlagen. Als ich dann mit ihr vor dem<br />

Kreißsaal stand, begrüßte mich die Hebamme<br />

als Papa und wollte mich mit hinein<br />

nehmen. Ich musste dann klarstellen, dass<br />

ich ein Freund bin und ich dem Papa, den<br />

ich verständigen werde, den Vortritt lasse.<br />

Diese Begebenheit zeigte mir, dass ich als<br />

Freund sogar zum „Geburtshelfer“ werden<br />

kann.<br />

Freundschaft im obigen Sinn macht es möglich,<br />

dass auch Frauen zu meinem Freundeskreis<br />

gehören dürfen. Also ist die Frage<br />

„Warum dürfen Sie keine Freundin haben?“<br />

hinfällig.<br />

3


TEXT: WERNER KÖLLDORFER<br />

Seven seconds<br />

(Youssou N’Dour/Neneh Cherry)<br />

Es braucht nur sieben Sekunden – manche<br />

behaupten, es seien gar nur vier, bis<br />

sich entscheidet, ob „man“ jemanden mag<br />

o<strong>der</strong> ihn/sie (un-)interessant findet, nur<br />

sieben Sekunden, um sich zu verlieben…<br />

Sieben Sekunden genügen <strong>der</strong> Schülerin*,<br />

mit <strong>der</strong> neuen Lehrerin* „warm“ zu werden<br />

(im Anschluss daran sein/ihr Fach zu mögen<br />

und darin „gut“ zu werden o<strong>der</strong> nicht)<br />

– und umgekehrt, wo/wie die Lehrerin* die<br />

neue Schülerin* „einordnet“ und womöglich<br />

die Weichen für Erfolg/Misserfolg ebnet<br />

…<br />

Es ist verdammt viel, was in so kurzer Zeit<br />

– das aber verlässlich! – passiert. Sieben<br />

Sekunden - und ich kann’s vermutlich nicht<br />

einmal benennen, aber „I’ve got the feeling“,<br />

„love at first sight“ ist möglich…<br />

– Begegnungen, „Menschen-Anfänge“: Der<br />

Beginn von Menschen-Beziehungen… Die<br />

ersten 7 (4) Sekunden entscheiden!<br />

Warum gerade diese Zahl(en)? Viel numerologisches,<br />

mystisches, geheimnisvolles<br />

„Wissen“ hat in fast allen Kulturen (und<br />

religiösen Welten) zu vorwissenschaftlichen<br />

Ausdeutungen und zur Beschäftigung<br />

mit Zahlensymbolik geführt – und gerade<br />

die „7“ ist eine ganz beson<strong>der</strong>s häufig<br />

beschriebene Zahl mit real angewandten<br />

Erkenntnissen. Bevor ich weiterschreibe,<br />

möchte ich zumindest andeutungsweise anführen,<br />

wo die „7“, viel geringer auch die<br />

„4“, ihre „Wirkung“ haben:<br />

„4“: 4 Himmelsichtungen; 4 Weltecken; 4<br />

Winde; 4 Jahreszeiten; 4 Mondphasen; 4<br />

Evangelien; Glück (Kleeblatt)…<br />

„7“: 7 Tage Erschaffung <strong>der</strong> Welt; 7 fette<br />

und 7 magere Kühe = Jahre; 7 als Glückszahl<br />

(in Fernost ist die 7 allerdings Unglückszahl!);<br />

7 Weltwun<strong>der</strong>; 7 Sinne; 7 sichtbare<br />

Wandelsterne; 7 Himmel, 7 Farben, 7 Flüsse,<br />

7 Winde, 7 Metalle, 7 Weltteile, 7 Zweige am<br />

Lebensbaum…<br />

7 Zwerge, 7 Raben, 7 Schwaben, 7 Fliegen<br />

(auf einen Streich), 7 Streiche (Max und<br />

Moritz), 7 Berge…<br />

7 Wun<strong>der</strong> Jesu; 7 Bitte des „Vater unser“; 7<br />

letzte Worte am Kreuz; 7 „Ich-bin“-Worte; 7<br />

Gleichnisse vom Himmelreich (bei Matthäus);<br />

Buch mit 7 Siegeln; 7 Posaunen; 7 Plagen;<br />

in <strong>der</strong> Offenbarung des Johannes wird<br />

die „7“ in seiner Rede an die 7 Gemeinden<br />

54 Mal genannt…<br />

7 Tugenden – 7 Laster („Todsünden“); 7 Sakramente;<br />

7 Gaben des Heiligen Geistes -> 7<br />

freie Künste und Wissenschaften, 7 geistliche<br />

Werke <strong>der</strong> Barmherzigkeit; 7 Schmerzen<br />

Mariens – 7 Freuden Mariens; 7 Töne des<br />

Gregorianischen Gesanges…<br />

„Die 7 Samurai“ -> „Die glorreichen 7“; „Das<br />

siebente Siegel“; „Das 7. Kreuz“; „Sieben“;<br />

„7 Leben“; (James Bond) „007“…<br />

Siebenbürgen; Siebengebirge; „7jähriger<br />

Krieg“; Siebenmeter; Siebenschläfer; meine<br />

Siebensachen; Siebenmeilenstiefel; die sieben<br />

Sinne beisammenhalten…<br />

Nach so viel Exkurs aber zurück zum „Thema“:<br />

Sieben Sekunden also entscheiden:<br />

Es sind also oft die Anfänge, die entscheiden,<br />

wie etwas weitergeht, ob überhaupt<br />

etwas beginnt – „Jedem Anfang wohnt ein<br />

Zauber inne, <strong>der</strong> uns beschützt und <strong>der</strong> uns<br />

hilft, zu leben“, schrieb Hermann Hesse.<br />

Wie mit den Menschen, so ist es auch mit<br />

meinem/unserem Lesen: Oft ist’s <strong>der</strong> Anfang<br />

eines Buches, sind es die ersten Zeilen,<br />

die entscheiden, ob wir weiterlesen.<br />

– Buchanfänge: Der Beginn (k)einer Lese-<br />

Beziehung…<br />

Vor den Sommerferien möchte ich daher etwas<br />

„nachhelfen“, Beispiele – subjektiv und<br />

spontan ausgewählt – für Buchanfänge liefern,<br />

die möglicherweise die sofortige Liebe<br />

zum Text (innerhalb von 7 Lese-Sekunden)<br />

wecken können (zumindest bei mir haben<br />

sie alle diesen „7 Sekunden-Wow-Effekt“<br />

hervorgerufen!), hier also meine „Sommer-<br />

Mitgift“, Lese-Empfehlungen:<br />

• „Im nachhinein versuchte er, sich die Sache<br />

in abstrakten Begriffen zu erklären, als Unfall<br />

in einer unfallträchtigen Welt (…) aber<br />

allzu gut gelang es ihm nicht.“ (T.C. Boyle,<br />

„América“)<br />

4 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


• „Jemand musste Josef K. verleumdet haben,<br />

denn ohne dass er etwas Böses getan<br />

hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“<br />

(Franz Kafka, „Der Prozess“)<br />

• „Jetzt ist schon wie<strong>der</strong> was passiert. Und<br />

ob du es glaubst o<strong>der</strong> nicht. Zur Abwechslung<br />

einmal etwas Gutes. Weil erlebst du auf einer<br />

Intensivstation auch nicht jeden Tag, dass<br />

dir ein Hoffnungsloser noch einmal wird.“<br />

(Wolf Haas, „Das ewige Leben“)<br />

• „Meine Großmutter hat immer zu mir gesagt,<br />

wenn du einmal stirbst, muss man das<br />

Maul extra erschlagen. Und da sieht man,<br />

wie ein Mensch sich verän<strong>der</strong>n kann.“ (Wolf<br />

Haas, „Der Brenner und <strong>der</strong> liebe Gott“)<br />

• „Es gab einmal eine Zeit, da wurde im Ort<br />

viel über den Kiontke geredet. Als diese Geschichte<br />

passiert ist. Nicht gleich danach,<br />

(…). Aber nach einer Weile, (…) auch als<br />

<strong>der</strong> Kiontke wie<strong>der</strong> am Beckenrand stand. Als<br />

wäre nichts gewesen. Gerade so, als ginge die<br />

Katastrophe den Kiontke überhaupt nichts an,<br />

die ganze Sauerei. Es war zwar nicht seine<br />

Schuld, schon klar. Aber was, wenn doch?“<br />

(Arno Frank, „Seemann vom Siebener“)<br />

• „In dem Jahr damals hat sich in Mexiko<br />

allerhand ereignet. Unter an<strong>der</strong>em heirateten<br />

Andrés und ich.“ (Angeles Mastretta, „Mexikanischer<br />

Tango“)<br />

• „Haben wir kein Salz, sagt Johannes beim<br />

Abendessen, sagt es genau so. Haben wir kein<br />

Salz, und nicht einmal in Helenes Richtung.<br />

Sie hört das Du in seiner Formulierung, hört:<br />

Hast du es vergessen, hört: Du hast doch gekocht,<br />

hört: Stehst du nochmal auf, und alle<br />

diese Dus schlagen ihr die Kraft aus dem Körper<br />

(…) Sie erhebt sich, und niemand achtet<br />

darauf, weil sie denken: Sie hat es vergessen,<br />

sie hat doch gekocht, weil sie denken: Sie<br />

ist die Mutter. Sie ist mit drei Schritten vom<br />

Abendbrottisch bei <strong>der</strong> Balkontür, öffnet sie,<br />

schaut nicht zurück, macht noch zwei weitere<br />

Schritte. Und dann diesen einen.“ (Mareike<br />

Fallwickl, „Die Wut, die bleibt“)<br />

• „Es soll aufhören. Endlich aufhören. Die<br />

Lügen. Die Fragen, auf die es keine Antworten<br />

gibt. Er schuld war? Wer denn? War Charlotte<br />

schuld? Weil sie jung war? Siebzehn.<br />

Jung und hübsch? Weil sie Kopfhörer trug<br />

und Musik hörte? Und ihr Pferdeschwanz?<br />

War <strong>der</strong> schuld? Er soll still sein. Sei still.“<br />

(Jochen Rausch, „Im toten Winkel“)<br />

• „Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt<br />

kennt <strong>der</strong> Tod auch mich. (…) Was sorgt dafür,<br />

dass ein Leben wird, wie es wird? (…)<br />

Meine Gedanken irren immer weiter in <strong>der</strong><br />

Zeit zurück, ehe sie schließlich bei <strong>der</strong> Katastrophe<br />

landen, die meine Kindheit überschattet<br />

hat.“ (Benedict Wells, „Vom Ende<br />

<strong>der</strong> Einsamkeit“)<br />

• „Es riecht nach Benzin. Das ist das Erste,<br />

was ich merke. Dann die Fesseln. Um meine<br />

Hände ist ein Strick gebunden. Und um<br />

meine Fußgelenke. (…) Ich bin an einen<br />

Stuhl gefesselt, bewegungsunfähig. Bei mir<br />

zu Hause. Die Lichter sind eingeschaltet, <strong>der</strong><br />

Ofen brennt. Und ich bin nicht allein.“ (Michaela<br />

Kastel, „Unsterblich“)<br />

• „In diesem Sommer verliebte ich mich, und<br />

meine Mutter starb.“ (Benedict Wells, „Hard<br />

Land“)<br />

• „Unsere <strong>Stadt</strong> heißt Tal und das ist alles,<br />

was man wissen muss. Ich setze die Kapuze<br />

auf, schiebe Cypress Hill in den Discman und<br />

marschiere los.“ (Angela Lehner, „2001“)<br />

Seven seconds, sieben Sekunden – und los<br />

geht’s! Schönen Sommer!<br />

*Ich verwende die weibliche Form, die männliche<br />

ist natürlich stets mitgemeint!<br />

5


„<br />

Alles so, wie es sein soll<br />

(Warum sollte es auch nicht so sein?).<br />

Das Verbrechen<br />

TEXT: ROMAN WALLNER<br />

05:47<br />

Martin Breitner verlässt seine Wohnung in<br />

<strong>der</strong> Johann-Winter-Gasse und macht sich<br />

auf den Weg zu seinem Delikatessengeschäft<br />

am Hauptplatz Nr. 12. Für heute ist<br />

ein Catering gebucht und es ist noch viel<br />

vorzubereiten. Da startet man lieber zu früh<br />

als zu spät. Er blickt zu den dunklen Wolken<br />

hinauf, die sich am Himmel zusammenschieben.<br />

Wohlweislich hat Breitner den<br />

roten Pocketschirm seiner Lebensgefährtin<br />

mitgenommen (Wo war sein großer?). Heute<br />

wird nichts dem Zufall überlassen.<br />

05:52<br />

An einem Hauseingang lungern drei offensichtlich<br />

betrunkene Männer herum. Breitner<br />

wechselt die Straßenseite, um ihnen aus<br />

dem Weg zu gehen und beschleunigt sein<br />

Tempo. Das Trio schaut ihm missmutig hinterher.<br />

Kurz bevor er in die Adalbert-Stifter-<br />

Straße einbiegt, hört er etwas weiter hinter<br />

sich Schritte, kann aber niemanden sehen,<br />

als er über die Schulter blickt.<br />

06:03<br />

Breitner kommt beim Delikatessengeschäft<br />

an, will es über den Seiteneingang betreten.<br />

Der Lieferant war offensichtlich noch<br />

nicht da, denn es stehen keine Kisten vor<br />

<strong>der</strong> Tür. Er sollte aber jeden Moment eintreffen.<br />

Breitner durchwühlt seine Hosentaschen<br />

nach dem Schlüsselbund. Als er den<br />

passenden Schlüssel ins Loch steckt und<br />

ihn gegen den Uhrzeigersinn dreht, ertönt<br />

eine Straße weiter <strong>der</strong> Alarm eines PKWs.<br />

Breitner öffnet die Tür und betritt das Gebäude.<br />

06:06<br />

Nachdem er das Licht im Verkaufsraum angeknipst<br />

hat, macht Breitner eine Runde<br />

durch das Geschäftslokal. Alles so, wie es<br />

sein soll (Warum sollte es auch nicht so<br />

sein?). Doch dann geschieht es. Ein dumpfer<br />

Knall ertönt. Fieberhaft suchen Breitners<br />

Augen nach Anhaltspunkten. Sein Kopf will<br />

nicht wahrhaben, was die Blicke verraten.<br />

Der geräuschvoll fallengelassene Pocketschirm<br />

rollt langsam über den gewachsten<br />

Laminatboden hin zum Ort des Verbrechens.<br />

06:10<br />

Bei <strong>der</strong> Polizeiinspektion Wieselburg klingelt<br />

das Telefon. Der herzhaft gähnende<br />

Polizeiwachbeamte A. nimmt den Anruf<br />

entgegen. Blitzartig ist seine Müdigkeit<br />

verflogen. „Mhm”, murmelt er einige Male,<br />

während er auf einem karierten Notizblock<br />

das Wichtigste hinkritzelt. Mit den Fingern<br />

schnipsend, erlangt A. die Aufmerksamkeit<br />

seiner Kollegin, <strong>der</strong> Polizeiwachbeamtin S.,<br />

die eben vom Aufenthaltsraum zurückkehrt.<br />

Sofort ist ihr klar, dass die Sache ernst ist.<br />

Am Ohr von A. vernimmt sie Wortfetzen,<br />

die eine heisere Stimme mit Mühe hervorbringt.<br />

A., noch ins Gespräch verwickelt,<br />

hält S. den Notizblock entgegen. Zwischen<br />

den eilig hingeschmierten Worten ist eines<br />

doppelt unterstrichen: Hauptplatz Nr. 12.<br />

06:17<br />

Der Mannschaftsbus <strong>der</strong> Polizei rast mit<br />

Blaulicht durch die Straßen. Sirenengeheul<br />

weckt all jene, die noch zufrieden in ihren<br />

Betten schlummern. Eilig überprüfen die<br />

Insassen ihre Ausrüstung, um die Nerven<br />

zu beruhigen. Muss Verstärkung aus Wien<br />

kommen?<br />

06:21<br />

Die Exekutive trifft am Ziel ein. Vor dem<br />

Delikatessengeschäft Breitner hat sich trotz<br />

<strong>der</strong> frühen Stunde eine schaulustige Menschentraube<br />

gebildet. Sogleich versucht<br />

<strong>der</strong> Polizeiwachbeamte K. die Menge mit<br />

ruhigen, aber bestimmten Worten zum Weitergehen<br />

zu bewegen, während Kollege T.<br />

schon das Absperrband ausrollt. A. und S.<br />

wollen eben den Tatort betreten, da ertönt<br />

im Inneren ein markerschütterndes Geheul.<br />

„Der schreit schon die ganze Zeit so wüd”,<br />

verlautbart einer <strong>der</strong> Umstehenden. „Wos is<br />

denn leicht gschehn?”, fragt eine verunsicherte<br />

Frauenstimme. Noch bevor A. und S.<br />

weitere Schritte setzen können, erscheint<br />

ein kreidebleicher Breitner in <strong>der</strong> Tür. „Saubande,<br />

elendige!”, schimpft er den Einsatzkräften<br />

entgegen.<br />

06:54<br />

Tatort abgesichert, Menge zerstreut, Breitner<br />

beruhigt – kurz: Die Situation ist unter<br />

Kontrolle. So ganz fassen kann es <strong>der</strong> Besitzer<br />

des Delikatessengeschäfts jedoch immer<br />

noch nicht. „Mein armer Bobby! Wer macht<br />

denn sowas?”, stammelt er immer wie<strong>der</strong><br />

vor sich hin. Offenbar handelt es sich hier<br />

am Hauptplatz Nr. 12 um ein Einbruchsdelikt.<br />

Aber seltsamerweise sind Kasse, Tresor<br />

und Waren unversehrt. Nur <strong>der</strong> heißgeliebte<br />

Staubsaugerroboter Bobby wurde entwendet.<br />

Eine Entführung? Lösegeldfor<strong>der</strong>ung ist noch<br />

keine eingelangt. A. und S. befragen den Geschädigten,<br />

nehmen Daten auf, erkundigen<br />

sich nach Personen, die demselben eventuell<br />

schaden wollen (Exfrau?). Als sich die Beamten<br />

nach einer etwaigen Überwachungskamera<br />

erkundigen, greift sich Breitner an<br />

den Kopf. Vor Jahren schon hat er ein Gerät<br />

versteckt, das auf den Kassenbereich zielt.<br />

Gebraucht hat er es noch nie.<br />

6<br />

MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


TEXT: HANNES GLANZ / FOTO: RUDI FERDER<br />

07:22<br />

Gespannt starren A., S., K., T. und Breitner<br />

auf den integrierten Bildschirm <strong>der</strong><br />

Kamera. Letzterer versucht sich zu erinnern,<br />

wie man die automatisch gespeicherten<br />

Aufnahmen abspielen kann.<br />

Schließlich erwacht <strong>der</strong> Apparat doch<br />

noch zum Leben. Im Schnelldurchlauf<br />

wird das pixelige Schwarz-Weiß-Video,<br />

das vergangene Nacht aufgezeichnet<br />

wurde, durchgeschaut. Nichts. Breitner<br />

schwört, dass <strong>der</strong> Staubsaugerroboter<br />

gestern wie gewohnt durch die Gänge<br />

gefahren ist. Also wird die Aufnahme<br />

des gesamten Arbeitstages kontrolliert.<br />

Tatsächlich! Nach vielen bangen Minuten<br />

sieht man Breitner, wie er kurz vor<br />

Ladenschluss an <strong>der</strong> Kassa eine Kundin<br />

bedient. Währenddessen brummt Bobby<br />

schnurstracks an seinem Chef vorbei<br />

und verlässt das Geschäftslokal durch<br />

die offenstehende Tür. Keine Entführung<br />

also. Nicht mal ein Einbruch. Aber<br />

eine Vermisstenanzeige will Breitner<br />

nun aufgeben.<br />

Fortsetzung folgt!<br />

Fenster, Tür<br />

und Straße<br />

Mein Fenster zum Sommer<br />

Steht immer weit offen<br />

Licht, Luft und Wärme<br />

Alles ruft mich hinaus<br />

Meine Tür zum Herzen<br />

Will ich nie mehr verschließen<br />

Sohin mag die Eine<br />

Mich einst wahrhaft erkennen<br />

Meine Straße durchs Leben<br />

Ist gepflastert mit Fülle<br />

Aus Glück und Vertrauen<br />

Folg‘ ich dankbar dem Weg<br />

(aus dem Band „Mein zeitloses Geschenk“,<br />

Gedichte mit Fotos von Rudi Fer<strong>der</strong>, Weishaupt Verlag, Gnas 2021)<br />

Mehr über Hannes Glanz auf www.hannes-glanz.at<br />

Mehr über Rudi Fer<strong>der</strong> auf www.<strong>der</strong>fer<strong>der</strong>.at<br />

7


Altbauradkriterium<br />

TEXT: STEFAN PREININGER<br />

Spaß war nie <strong>der</strong> Antrieb, wenngleich ein positiver Nebeneffekt. Es ging<br />

immer um Weltcuppunkte. Zudem wird dem Erstplatzierten die Ehre zuteil,<br />

einen Wan<strong>der</strong>pokal in Form eines alten Fahrradschlauchs umgehängt<br />

zu bekommen, den er für den Rest des Abends stolz um seinen Hals<br />

tragen darf. Der eigentliche Gewinn, die Kiste Bier, wird sogleich an alle<br />

Teilnehmenden verteilt. Für kurze Zeit sind wir alle Freunde. Bis zum<br />

nächsten Rennen.<br />

Es ist <strong>der</strong> 28. Jänner. Das O‘Carolan‘s, ein kleines Pub im Zentrum von<br />

Graz, öffnet für gewöhnlich in den Abendstunden. Um 13 Uhr ist es<br />

zum Bersten voll. Ecken und Barkanten sind mit Kartons abgedeckt.<br />

Rä<strong>der</strong> versperren beinahe den Weg auf die Toiletten. Das aufmerksame<br />

Barpersonal schaut routinemäßig nach links und rechts, bevor es<br />

die Straße quert. Diese befindet sich heute zwischen Zapfhahn und<br />

Gläsern.<br />

Zorro:<br />

6-facher Weltmeister.<br />

Ehemaliger Four-Cross-Profi. Maximale Rahmengröße<br />

bei minimalem Radstand. Gekürzter Lenker. Helmkamera.<br />

Es wird gemunkelt, er zeichne jede Strecke auf, um sie danach<br />

in einer eigens dafür zur Verfügung stehenden Halle zu<br />

Trainingszwecken nachzubauen.<br />

Zorro und buRn hArD<br />

Um 15 Uhr ist das Training vorbei.<br />

22 Teilnehmende bereiten sich auf den<br />

Start vor. Spannung hängt in <strong>der</strong> Luft,<br />

wenn El Zutterino traditionell als<br />

Erster vor die Startlinie tritt.<br />

El Zutterino ist Herr über das ARKTIK:<br />

das Altbauradkriterium-Timekeeping-<br />

Programm. Er wird nach seinem Lauf<br />

akribisch über seinem Computer neben<br />

<strong>der</strong> Ziellinie verharren, um die Zeiten<br />

<strong>der</strong> Fahrerinnen und Fahrer zu messen,<br />

zu überwachen und zu hierarchisieren.<br />

Wer ein Weltcuprennen ausrichten will,<br />

muss das ARKTIK verwenden.<br />

Es ist das 44. Rennen in Graz und das insgesamt 85.<br />

Rennen in <strong>der</strong> zehnten Weltcupsaison. Rennen fanden mittlerweile<br />

an vielen wichtigen Orten <strong>der</strong> Welt statt: Toronto, London, Amsterdam,<br />

Wien, <strong>Feldbach</strong>. buRn hArD ist Kopf und Erfin<strong>der</strong> des Altbauradkriteriums.<br />

Der Legende nach klebte er Schlauchreifen auf die Felgen eines<br />

altes Rennrades. Da es draußen regnete, testete er das Rad in<br />

seiner Wohnung.<br />

Er bemerkte: Seine Wohnung war fahrbar.<br />

Etwas Großes war geboren.<br />

Das Team Presto:<br />

Das Team Presto:<br />

Der erfolgreichste Rennstall aller<br />

Zeiten.<br />

Der erfolgreichste<br />

5-fache Teamweltmeister.<br />

Rennstall aller<br />

7<br />

Zeiten.<br />

Siege,<br />

5-fache<br />

17 zweite<br />

Teamweltmeister.<br />

Plätze, 14 dritte Plätze.<br />

7 Siege,<br />

Die<br />

17<br />

drei<br />

zweite<br />

Brü<strong>der</strong><br />

Plätze,<br />

Presto<br />

14<br />

Ernesto,<br />

dritte Plätze.<br />

Presto<br />

Die<br />

Christiano<br />

drei Brü<strong>der</strong><br />

und<br />

Presto<br />

Presto<br />

Ernesto,<br />

Stefano<br />

Presto<br />

erinnern<br />

Christiano<br />

an die Daltons<br />

und Presto<br />

aus Maurice<br />

Stefano erinnern<br />

De Beveres<br />

an<br />

Lucky-Luke-Comics.<br />

die Daltons aus Maurice<br />

Und sie<br />

De Beveres<br />

sind auch<br />

Lucky-Luke-Comics.<br />

mindestens so gefährlich.<br />

Und sie sind<br />

Auf <strong>der</strong><br />

auch<br />

mindestens<br />

Rennstrecke.<br />

so<br />

Teamfahrrad:<br />

gefährlich. Auf<br />

Modifiziertes<br />

<strong>der</strong><br />

Rennstrecke.<br />

BMX aus dem<br />

Teamfahrrad:<br />

70er-Jahren,<br />

Modifiziertes<br />

verstärkte<br />

BMX aus<br />

Sattelstange,<br />

dem 70er-Jahren,<br />

gekürzter<br />

verstärkte<br />

Lenker.<br />

Sattelstange,<br />

gekürzter Lenker.<br />

8<br />

MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


Bartekki:<br />

Der Nostalgiker im Rennzirkus.<br />

Sein durchgerostetes Waffenrad<br />

wird einzig und alleine durch<br />

seine bedingungslose Liebe daran<br />

zusammengehalten. Der lange<br />

Radstand und <strong>der</strong> breite Lenker<br />

sind äußerst unvorteilhaft auf den<br />

engen Strecken. Angesichts dessen<br />

muss er als einer <strong>der</strong> besten Fahrer<br />

des Rennzirkus hervorgehoben<br />

werden, fährt er doch<br />

regelmäßig in die<br />

Punkteränge.<br />

Wasilis PEDALopoulos:<br />

Hände am Unterlenker. Tief gebeugte Sitzposition. Maximale Geschwindigkeit auf allen Streckenabschnitten.<br />

Drifts in den Kurven. Seine Teufelsritte sind auch für die Zusehenden ein nervlicher Drahtseilakt. Er kennt die<br />

Höhen und Tiefen des Altbaukriteriums. Als zweifacher Einzelweltcupsieger steht er in ständiger Konkurrenz zu Zorro.<br />

Niemand riskiert so viel wie er. Und er weiß: Wer riskiert macht Fehler,<br />

und die können den Sieg kosten.<br />

(Sou)Verena macht sich bereit. Die Stimmung ist am Kochen. 3-2-1 go! Start durch den Gastraum,<br />

vorbei an <strong>der</strong> Toilette, scharfe Linkskurve, über eine kleine Rampe in das Lager, von dort hinter die Bar, vorbei an den<br />

Gläsern, Flaschen und Zapfhähnen, durch den Bareinlass in den Gastraum, um den Tisch. Der Tisch darf nicht aus <strong>der</strong><br />

Position gebracht werden, sonst Fehler. (Sou)Verena hängt an <strong>der</strong> Rampe fest. Das Publikum brüllt. Konzentration.<br />

Einfach weiterfahren, bis El Zutterino laut „STOP“ ruft. Die Fahrerin ist im Ziel.<br />

Die Spannung ist kaum noch zu überbieten.<br />

Nach dem ersten Durchgang geht Der Jaritz<br />

überraschen<strong>der</strong>weise als Führen<strong>der</strong> in den<br />

Finalbewerb. Das Beson<strong>der</strong>e an diesem Fahrer:<br />

Er fährt mit einem Fixie, das ist ein Rad mit<br />

nur einem Gang, starrem Antrieb und ohne<br />

Bremsen. Ein Fixie in einer Bar – eigentlich<br />

unglaublich! Zorro liegt auf Platz zwei und<br />

muss jetzt vorlegen. Er riskiert, er setzt sich<br />

mit einer fehlerfreien Präzisionsfahrt an<br />

die Spitze. Die Nerven liegen blank, als<br />

Der Jaritz vor die Startlinie tritt. Man könnte<br />

eine Stecknadel fallen hören, während <strong>der</strong><br />

Fahrer konzentriert seine Runden zieht.<br />

S-T-O-O-O-O-P. Einige Fahrer laufen vor<br />

El Zutterinos Computer zusammen.<br />

Einer ruft: Zorro ist geschlagen!<br />

Der Rennmodus?<br />

Gefahren wird in Wohnungen,<br />

Bars, Geschäften o<strong>der</strong> Ähnlichem.<br />

Einzelstart, 2 Minuten auf <strong>der</strong><br />

Rennstrecke. Zweiter Durchgang:<br />

Fahrt in die entgegengesetzte<br />

Richtung. Absteigen o<strong>der</strong> an die<br />

Wand greifen: eine Runde Abzug.<br />

Sturz: 10 Runden Abzug. Abbruch:<br />

20 Runden Abzug. Nach Ablauf <strong>der</strong><br />

zwei Minuten wird die aktuelle Runde<br />

fertiggefahren. Der Fahrer o<strong>der</strong> die<br />

Fahrerin mit den meisten Runden aus<br />

zwei Durchgängen und <strong>der</strong> besten<br />

Schlussrundenzeit gewinnt.<br />

Sie verfügen<br />

über eine fahrbare<br />

Wohnungen,<br />

eine Bar o<strong>der</strong><br />

ein Geschäft?<br />

Melden Sie sich,<br />

wir kommen gerne!<br />

altbaukriterium.com<br />

9


„Blinde Flecken“ von Roswitha Dautermann.<br />

Willkürlich geweißte Wörter verbinden sich zu<br />

einem zufälligen Textgefüge. Der Leser versucht,<br />

trotzdem einen „Sinn“ herauszulesen.<br />

Foto: Roswitha Dautermann<br />

Vom Phänomen<br />

blin<strong>der</strong> Flecken in Sätzen<br />

TEXT: ROSWITHA DAUTERMANN<br />

Mit „blinde Flecken“ auf <strong>der</strong> Landkarte<br />

meinte man gemeinhin jene Gegenden,<br />

die noch unerkannt, unerforscht und nicht<br />

vermessen in einer Karte aufschienen. Dies<br />

ist in Zeiten <strong>der</strong> Vermessung und Dauerbeobachtung<br />

aus dem Orbit durch Satelliten<br />

ja kaum noch <strong>der</strong> Fall.<br />

Blinde Flecken in Wortsatzgebilden sind<br />

jedoch ein Phänomen, das neuerdings um<br />

sich greift. Was ist damit gemeint? Kennen<br />

Sie von sich selbst auch, dass Sie bei längeren<br />

Texten, z.B. in <strong>der</strong> Zeitung, den Text<br />

„überfliegen“, um den Inhalt rasch herauszufiltern?<br />

O<strong>der</strong> dem Text nach dem Lesen<br />

<strong>der</strong> Überschrift kaum einen zweiten Blick<br />

gönnen, nachdem Sie beschlossen haben,<br />

das interessiert Sie nicht. Würde man die<br />

Zeit in diesen Entscheidungsprozessen<br />

messen, so wären das nicht einmal ganze<br />

Sekunden. Wir überlesen Wörter, wie z.B.:<br />

also, und, jetzige, das, usw..<br />

Was passiert da und wie funktioniert das?<br />

Es gibt mehrere Gründe, die dieses Verhalten<br />

auslösen:<br />

Faktor Zeit – Die große Vielfalt an Informationen<br />

über diverse Medien ist zeitlich<br />

kaum konsumierbar. Selbst das gründliche<br />

Lesen einer Tageszeitung würde das morgendliche<br />

Frühstück bis Mittag ausdehnen.<br />

Bei Texten, die am Handy o<strong>der</strong> Laptop konsumiert<br />

werden, ist die Lesegeduld noch<br />

kürzer.<br />

Faktor Wahrnehmung – Hier ist ein großer<br />

Unterschied zwischen jüngeren und älteren<br />

Menschen zu beobachten. Die ……<br />

Generation ist bereits trainiert darauf,<br />

visuelle, aber auch akustische Eindrücke<br />

rasch aufzunehmen und zu filtern, in:<br />

interessiert mich, o<strong>der</strong> interessiert mich<br />

nicht! Um gleich mehrere Wahrnehmungen<br />

gleichzeitig zu kanalisieren, ist es notwendig,<br />

das, was wir als wesentlich erkennen,<br />

herauszufiltern. Dabei kommt es zu einer<br />

„Nichtwahrnehmung“ und Aussortierung<br />

von „Unwichtigem“. Was für uns wichtig<br />

ist, ist teilweise persönlich, aber teilweise<br />

auch eine evolutionäre Prägung. So sind<br />

Wahrnehmungen mit Signalwirkung automatisch<br />

wichtiger!<br />

Faktor Bedeutung – Das menschliche Gehirn<br />

ist fähig, Zusammenhänge und Bedeutungen<br />

auch zu erkennen, wenn ein<br />

Teil fehlt. So können wir einen Satz auch<br />

dann verstehen, wenn Wörter fehlen, wie<br />

z.B.: „Bin Urlaub!“ Gerade diese Fähigkeit<br />

ist es, die uns beim SMS- o<strong>der</strong> Emailschreiben<br />

entgegenkommt. Selten bemüht<br />

sich jemand, ausführlich und richtig geschriebene<br />

Sätze einzutippen. Da kommt<br />

uns natürlich das (Bitte durchhalten beim<br />

Lesen dieses Wortes!) Wortvorschlagsprogramm<br />

des Handys entgegen, bei dem ein<br />

passendes Wort, <strong>der</strong> Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit<br />

entsprechend, aufscheint<br />

und mit einem „Tapser“ eingefügt wird.<br />

Um noch kürzere Botschaften mitzuteilen,<br />

die emotional aufgeladen sind, verwenden<br />

wir auch bildliche Zeichen – Icons, Emojis.<br />

Mittlerweile gibt es sogar Bücher, die<br />

mit Emojis verfasst werden, also gar keine<br />

Schriftsprache mehr brauchen, um weltweit<br />

gelesen werden zu können.<br />

Faktor Bild – „Ein Bild sagt mehr als tausend<br />

Worte!“ Befindet sich ein Bild gleichzeitig<br />

mit einem Text auf einer Seite, so<br />

hat das Bild eindeutig die „Nase vorne“,<br />

was unsere Aufmerksamkeit betrifft. Nicht<br />

umsonst sagen wir heute, wir leben in einer<br />

Zeit <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>.<br />

Nie waren Bil<strong>der</strong> ... omnipräsent wie heute.<br />

Fotos, Filme, und Videos sind die Kommunikationsmittel<br />

unserer Zeit.<br />

TEST:<br />

Haben Sie jetzt alle Wörter gelesen?<br />

Haben Sie blinde Flecken auf <strong>der</strong><br />

Landkarte dieses Textes gefunden?<br />

Wenn Sie den Text gründlich gelesen<br />

haben, dann müsste Ihnen aufgefallen<br />

sein, dass zwei Wörter gefehlt<br />

haben. Welche wohl?<br />

10 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


Später-Väter<br />

TEXT: SANDRA PFEIFER<br />

Manche Männer werden‘s früher,<br />

an<strong>der</strong>e gar nicht, manche später … Väter!<br />

Und Väter sagen niemals: „Später.“<br />

Zu allem, in väterlicher Mission, in jedem Bereich,<br />

sagen sie: „Ich komme gleich.“<br />

So eilen sie, nach ihren Möglichkeiten,<br />

sie führen, sie bremsen, sie geben Gas, sie leiten.<br />

Oft brauchen wir nur ihre Anwesenheit und ihre Herzensruhe,<br />

manchmal, zum Nikolaus, Hilfe zum Putzen <strong>der</strong> Schuhe.<br />

Vielleicht hilft grad nur, auf breiten Schultern, ein wil<strong>der</strong> Ritt,<br />

o<strong>der</strong> in den Hintern ein sanfter Tritt.<br />

Papas grillen und chillen,<br />

sie suchen mit uns, am Abend, am Horizont, nach Sternen und Schafen<br />

und bringen uns notfalls mit Zauber zum Schlafen.<br />

Sie holen ab, sie bringen (was auch immer),<br />

sie spielen Packesel<br />

o<strong>der</strong> das fehlende Stück Geduldsfaden,<br />

sie streichen das Zimmer.<br />

Papas sagen einfach: „Pack ma´s!“,<br />

mit Papas klappt was.<br />

Väter machen uns satt,<br />

für uns finden sie in jede <strong>Stadt</strong>,<br />

in jedes Land, zu jedem Fluss,<br />

für sie ist niemals Ladenschluss.<br />

Oft runzeln sie, sicher, über uns Kin<strong>der</strong> die Stirn,<br />

sie schmunzeln über unser Irren.<br />

Sie biegen gerade, bevor wir sehen, wie schief es war,<br />

sie jubeln über uns, als wären wir <strong>der</strong> größte Ski-Star.<br />

Papas sagen niemals später,<br />

drum sagen wir, lieber früher als später:<br />

DANKE, VÄTER.<br />

11


TEXT: FRANZ JURECEK<br />

KI<br />

Künstliche Intelligenz o<strong>der</strong> Killerinstinkt?<br />

Der Satiriker Ephraim Kishon meinte anlässlich<br />

<strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> ersten Schachcomputer:<br />

„Lassen wir doch zwei Computer<br />

gegeneinan<strong>der</strong> spielen und gehen wir inzwischen<br />

was trinken.“ Das waren die Anfänge<br />

<strong>der</strong> sogenannten künstlichen Intelligenz.<br />

Die Schachcomputer waren damals noch<br />

nicht wirklich weit entwickelt. Je<strong>der</strong> mittelmäßige<br />

Schachspieler konnte sie in den<br />

achtziger Jahren schlagen (sogar ich). Doch<br />

die Entwicklung schritt rasch voran. Im<br />

Jahr 1997 unterlag <strong>der</strong> regierende Schachweltmeister<br />

Kasparow in einem Wettkampf<br />

unter Turnierbedingungen dem Schachcomputer<br />

„Deep Blue“ mit 2,5 : 3,5.<br />

Künstliche Intelligenz kann inzwischen<br />

viel mehr. Sie schreibt neuerdings sogar<br />

Politikerreden. Böse Zungen behaupten, es<br />

ist keine Kunst, eine Rede für einen<br />

Politiker zu schreiben, noch<br />

bösere Zungen behaupten,<br />

das Niveau<br />

einer solchen<br />

Rede kann<br />

eigentlich nur steigen. Diese Behauptung<br />

ist natürlich aus <strong>der</strong> Luft gegriffen,<br />

behaupten Politiker. Die Rede<br />

hielt übrigens <strong>der</strong> steirische Neo-Abgeordnete<br />

Niko Swatek. Die Politik hat allerdings<br />

ein zwiespältiges Verhältnis zur<br />

künstlichen Intelligenz. Laut Wikipedia ist<br />

die künstliche Intelligenz „ein Teilgebiet<br />

<strong>der</strong> Informatik, es umfasst alle Anstrengungen,<br />

<strong>der</strong>en Ziel es ist, Maschinen intelligent<br />

zu machen“. Eine politische Partei mit sehr<br />

langer Parlamentserfahrung musste bei <strong>der</strong><br />

Wahl ihres Obmannes feststellen, dass das<br />

offenbar nicht auf Excel-Dateien zutrifft.<br />

Immer wie<strong>der</strong> ist auch abseits <strong>der</strong> Politik<br />

von künstlicher Intelligenz die Rede. Das<br />

Gegenstück ist logischerweise die natürliche<br />

Intelligenz, diese wird auch als biologische<br />

Intelligenz bezeichnet (offenbar ohne<br />

chemische Zusätze). Natürliche Intelligenz<br />

ist rar, künstliche Intelligenz gibt es <strong>der</strong>zeit<br />

im Überfluss. So etwas nennt man wohl<br />

Ungleichgewicht. Eine beliebte Abkürzung<br />

für künstliche Intelligenz lautet bekannterweise<br />

KI, die weiteren Abkürzungen lauten<br />

daher NI und BI (natürliche und biologische<br />

Intelligenz).<br />

Künstliche Intelligenz macht keine Fehler,<br />

o<strong>der</strong> sie macht doch Fehler. Schuld ist<br />

12<br />

MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


dann immer <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sie programmiert<br />

hat. Also darf die KI Fehler machen, doch<br />

sie trägt keine Verantwortung. Eigentlich<br />

spielt es keine Rolle, wenn die KI Verantwortung<br />

tragen würde, die Konsequenzen<br />

daraus sind ihr nämlich egal. Denn wie<br />

soll man die KI bestrafen? Mit Hausarrest,<br />

Lohnkürzung o<strong>der</strong> Gefängnisstrafen kann<br />

man <strong>der</strong> KI nicht wirklich beikommen. Es<br />

gibt für sie nicht einmal die Hölle im Jenseits,<br />

die KI glaubt nicht an das Jenseits,<br />

nur an den Schrottplatz. Daher soll sie ruhig<br />

Verantwortung tragen, es macht ihr nichts.<br />

Zugegeben, bei manchen Menschen mit natürlicher<br />

Intelligenz ist das genauso, aber<br />

die sind die Ausnahme.<br />

Was kann die KI alles besser? Ein österreichisches<br />

Nachrichtenmagazin hat dazu<br />

u.a. folgende Fragen gestellt: „Kann die KI<br />

besser schreiben als Jelinek, besser komponieren<br />

als Dylan, besser entscheiden als<br />

Merkel?“ Auf die Entscheidungsfreudigkeit<br />

<strong>der</strong> Frau Merkel soll hier nicht näher eingegangen<br />

werden. Aber vielleicht kann Dylan<br />

besser schreiben als Jelinek, schließlich hat<br />

er auch den Nobelpreis erhalten. Und wenn<br />

die KI besser schreiben kann als Jelinek,<br />

kann sie dann so schreiben wie Franz Kafka?<br />

Kann künstliche Intelligenz einen Roman<br />

wie folgt beenden: „… mühselig sprach sie,<br />

man hatte Mühe sie zu verstehen, aber was<br />

sie sagte.“ (Das Schloss)? Dazu fehlt <strong>der</strong> KI<br />

wahrscheinlich die NI.<br />

Die Filmindustrie hat sich schon vor Jahrzehnten<br />

dem Thema künstliche Intelligenz<br />

gewidmet. Bereits im Jahr 1968 drehte<br />

Stanley Kubrick den Film „2001 – Odyssee<br />

im Weltraum“. In diesem Film versucht ein<br />

Computer, die Herrschaft über die Besatzung<br />

eines Raumschiffs zu übernehmen. Der Computer<br />

hieß übrigens HAL – in Anlehnung an<br />

IBM (wenn man die Buchstabenreihenfolge<br />

im Alphabet vergleicht, weiß man warum).<br />

Jedenfalls wusste man damals, dass es nie<br />

gut ist, wenn die KI übermächtig wird. KI<br />

baut in <strong>der</strong> Phantasiewelt des Filmes auch<br />

Killermaschinen. Die berühmteste ist wohl<br />

<strong>der</strong> „Terminator“, gespielt von Arnold<br />

Schwarzenegger. Er reist durch die Zeit in<br />

die Vergangenheit, um mit Waffengewalt zu<br />

verhin<strong>der</strong>n, dass sein ärgster Wi<strong>der</strong>sacher<br />

überhaupt geboren wird. Es stellt sich schon<br />

die Frage, ob KI in diesem Fall für künstliche<br />

Intelligenz steht o<strong>der</strong> doch für Killerinstinkt.<br />

In den weiteren Folgen <strong>der</strong> Filmreihe entwickelt<br />

<strong>der</strong> Terminator so etwas wie Gefühle,<br />

das ist für einen Killer gar nicht gut. Am<br />

Ende „stirbt“ er immer. Das kommt davon.<br />

Um einiges friedlicher ist da schon eine gewisse<br />

Alexa. Es handelt hier um eine intelligente<br />

Sprachassistentin, die alles befolgt,<br />

was man ihr befiehlt, sofern es in ihrer<br />

Macht steht. Auch bei unsinnigsten Befehlen<br />

bleibt Alexa höflich. So antwortet sie<br />

auf die Anweisung „Alexa, schenk ma o a<br />

Viertl ei“ meistens mit „Ich kann dich nicht<br />

verstehen“ anstatt mit dem Götzzitat. Sie<br />

spielt auch fünfmal hintereinan<strong>der</strong> „Ganz in<br />

Weiß“, ohne die Nerven zu verlieren. KI hat<br />

eben doch keine Gefühle, o<strong>der</strong> es fehlt ihr<br />

einfach an Geschmack.<br />

Was ist jetzt eigentlich <strong>der</strong> bessere Umgang<br />

für den Menschen? Die KI o<strong>der</strong> die NI bzw.<br />

BI? Der Milliardär Charlie Munger soll auf<br />

die Frage, was er von <strong>der</strong> KI halte, geantwortet<br />

haben: „Wir haben so schon Intelligenz<br />

genug.“ Diese Aussage darf bezweifelt<br />

werden.<br />

„<br />

„Wir haben so schon<br />

Intelligenz genug.“<br />

13


TEXT: ERNEST J. KLEINSCHUSTER<br />

Anton Faist und die<br />

Kirchenmusik in <strong>der</strong> Steiermark<br />

Zum 90. Todestag des Komponisten<br />

Anton Faist, von 1899 bis 1933 Professor<br />

und Regenschori am Bischöflichen Gymnasium<br />

in Graz, För<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Kirchenmusik<br />

in <strong>der</strong> Steiermark und als Priesterkomponist<br />

Schöpfer zahlreicher volksnaher und ehedem<br />

weit verbreiteter Werke <strong>der</strong> Sakralmusik.<br />

Wie verlief nun <strong>der</strong> Weg jenes Mannes<br />

vom Kind einfacher steirischer Bauersleute<br />

zum Leiter kirchenmusikalischer Institutionen<br />

und Komponisten zahlreicher im Inund<br />

Ausland bekannter Kirchenmusikwerke?<br />

Geboren am 26. Jänner 1864 in Stang, Pfarre<br />

Riegersburg in <strong>der</strong> Oststeiermark, erhielt er<br />

bereits als Knabe musikalischen Unterricht<br />

durch Andreas Strempfl, damals dort Kaplan<br />

und einer <strong>der</strong> Erneuerer <strong>der</strong> steirischen<br />

Kirchenmusik im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Die anfänglichen<br />

Schuljahre im Stift Heiligenkreuz<br />

machten Faist mit <strong>der</strong> Kirchenmusik von<br />

Haydn, Mozart und Schubert vertraut und<br />

die Unterweisungen durch Johann Weiß,<br />

Domkapellmeister und später Professor an<br />

<strong>der</strong> Grazer Universität, vertieften während<br />

<strong>der</strong> restlichen Gymnasialzeit in Graz Faists<br />

Neigung zur Kirchenmusik. Strempfl und<br />

Weiß waren als Kirchenmusiker Anhänger<br />

einer neuen Richtung: Der in Bayern durch<br />

Franz Xaver Witt ins Leben gerufene Allgemeine<br />

Cäcilienverein sagte den verflachten<br />

Landmessen, den Einflüssen <strong>der</strong> profanen<br />

Musik, den liturgisch-textlich unvollständigen<br />

Aufführungen und einem allgemeinen<br />

Nie<strong>der</strong>gang den entschiedenen Kampf<br />

an. Die Ideen dieser Erneuerungsbewegung<br />

gelangten schon bald in die Steiermark,<br />

wo Strempfl und Weiß zu <strong>der</strong>en frühesten<br />

Verfechtern zählten. Dieser Cäcilianismus<br />

setzte sich rasch völlig durch, obwohl die<br />

weiter geübte Pflege <strong>der</strong> österreichischen<br />

Orchestermessen einen starken Kontrapunkt<br />

darstellte. Die stilistische Orientierung <strong>der</strong><br />

Werke Faists war damit vorgegeben: Der<br />

grundlegende Unterricht durch Strempfl<br />

und Weiß sowie den nachmaligen Domkapellmeister<br />

Johann Georg Meuerer prägte<br />

ihn in entscheidendem Maße, wobei ihm die<br />

Art <strong>der</strong> bodenständigen orchesterbegleiteten<br />

Messkomposition vor allem durch den<br />

zuletzt genannten Komponisten vermittelt<br />

wurde.<br />

Das Theologiestudium absolvierte Faist an<br />

<strong>der</strong> Grazer Universität, im Juli 1886 wurde<br />

er zum Priester geweiht und seine erste Anstellung<br />

als Kaplan führte ihn nach Hatzendorf,<br />

unweit seiner Heimatpfarre gelegen.<br />

Im <strong>August</strong> des Jahres 1889 berief ihn das<br />

Ordinariat als Präfect und Regenschori an<br />

das Diöcesan-Knabenseminar Carolineum-<br />

<strong>August</strong>ineum, wobei ihm aufgetragen war,<br />

vor allem dem kirchlichen Choral, wie auch<br />

dem figurierten, polyphonen Gesang des 16.<br />

und <strong>der</strong> folgenden Jahrhun<strong>der</strong>te eine vorzügliche<br />

Sorgfalt zuzuwenden. Gleichzeitig mit<br />

dieser neuen Tätigkeit in Graz begann Faist<br />

sein Lehramtsstudium an <strong>der</strong> Universität in<br />

den Fächern Philosophie, Mathematik und<br />

Physik, das er 1899 mit <strong>der</strong> Absolvierung<br />

des Probejahres abschloss. Die weitere Fortsetzung<br />

des Studiums endete im Juni 1901<br />

mit <strong>der</strong> Promotion zum Dr. phil. aufgrund<br />

einer Dissertation auf dem Gebiet <strong>der</strong> Tonpsychologie<br />

zum Thema Hören und Empfinden<br />

von Konsonanzen und Dissonanzen, die<br />

er bei dem bekannten Philosophieprofessor<br />

Alexius von Meinong, dem Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Gegenstandstheorie, verfasst hatte.<br />

Die Position als Chorleiter am Knabenseminar<br />

brachte für Faist die Verpflichtung mit<br />

sich, für die musikalische Gestaltung <strong>der</strong><br />

Sonntagsmessen zu sorgen und bei festlichen<br />

Anlässen mit Konzerten des Chores<br />

an die Öffentlichkeit zu treten. Bald ging<br />

er daran, für liturgische Anlässe und verschiedene<br />

Feiern eigene Kompositionen zu<br />

schreiben. Erste Werke sind eine Lauretanische<br />

Litanei op.1, die Vier Marianischen Antiphonen<br />

op.2 und die Erste Messe in C op.3.<br />

Diese und die folgenden Messen stehen in<br />

<strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Orchestermessen, die eine<br />

Besetzung mit Soli, Chor und Orchester vorsehen,<br />

das in späterer Zeit auch durch die<br />

Orgel allein ersetzt werden konnte. Diese<br />

an <strong>der</strong> Aufführungspraxis orientierten variablen<br />

Besetzungen hatten denn auch an<br />

<strong>der</strong> Verbreitung <strong>der</strong> Werke wesentlichen<br />

Anteil. Außerdem waren die zuweilen hart<br />

geführten Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen<br />

<strong>der</strong> ersten Generation puristischer Cäcilianer<br />

und den Befürwortern <strong>der</strong> Orchestermessen<br />

(vor allem Johann E. Habert) zur Zeit Faists<br />

bereits Geschichte geworden. Eine neue<br />

Generation von Kirchenkomponisten war in<br />

den Vor<strong>der</strong>grund getreten, Ignaz Mitterer,<br />

Peter Griesbacher, Johann Georg Meuerer<br />

sowie Vinzenz Goller mit einem Teil seiner<br />

Werke sind ihr zuzurechnen. Diese Komponisten<br />

setzten das Orchester im Stil <strong>der</strong><br />

musikalischen Romantik ein, meist die Linie<br />

eines Joseph Gabriel Rheinberger o<strong>der</strong> <strong>August</strong><br />

Weirich fortführend. In diesem Umfeld<br />

stehen die kirchlichen Werke Anton Faists,<br />

die aus <strong>der</strong> Praxis für die Praxis entstanden<br />

sind.<br />

In <strong>der</strong> Zeit um 1900 war nun Faist jener geworden,<br />

als <strong>der</strong> er Generationen von Schülern<br />

des Seminars und späteren Priestern in<br />

Erinnerung geblieben ist: Professor für die<br />

Fächer Mathematik, Philosophie und Ge-<br />

14 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


Msgr. Prof. Dr. Anton Faist (1866-1933)<br />

sang sowie als Regenschori Leiter <strong>der</strong> musikalischen<br />

Aufführungen im liturgischen und<br />

profanen Bereich. Da er bei <strong>der</strong> kirchenmusikalischen<br />

Fortbildung eine im Rahmen <strong>der</strong><br />

Diözese wichtige Funktion innehatte und<br />

auch als Komponist schon bekannt war,<br />

wurde er im Jahre 1905 zum Präses des<br />

Diöcesan-Cäcilien-Vereins gewählt. Damit<br />

fiel ihm die Aufgabe zu, sich <strong>der</strong> Kirchenmusik<br />

in <strong>der</strong> ganzen Diözese anzunehmen.<br />

Es galt, die jährlichen Generalversammlungen<br />

an jeweils verschiedenen Orten mit den<br />

dazugehörigen Musikaufführungen beispielhafter<br />

Art zu betreuen, die Kurse des Vereins<br />

für Sänger, Chorleiter und Organisten<br />

zu veranstalten: Heiligkeit und Güte <strong>der</strong><br />

Form, Allgemeinheit und <strong>der</strong> Charakter<br />

wahrer Kunst wurden von <strong>der</strong> Kirchenmusik<br />

gefor<strong>der</strong>t, freilich in <strong>der</strong> Überzeugung, dass<br />

das kirchen-musikalische Erbgut des Volkes<br />

<strong>der</strong> Heimat beson<strong>der</strong>s hinsichtlich <strong>der</strong> Instrumentalmusik<br />

durchaus nicht mit Stumpf<br />

und Stiel ausgerottet werden dürfe (zit. bei<br />

Faists Nachfolger Johann Walter, 1934).<br />

Der Einfluss des Cäcilienvereins erstreckte<br />

sich auf die meisten Pfarren <strong>der</strong> Diözese, im<br />

Repertoire befanden sich Werke von Michael<br />

Haller, Joseph G. Rheinberger, Peter Griesbacher,<br />

Vinzenz Goller, Johann G. Meuerer,<br />

Kaspar Aiblinger, Franz X. Witt, Ignaz Mitterer<br />

und immer wie<strong>der</strong> Faists Messen, Requien,<br />

Litaneien, Antiphonen, Offertorien,<br />

Tantum ergo-Kompositionen und an<strong>der</strong>e<br />

Stücke. Sehr bekannt wurden seine Deutschen<br />

Singmessen (Kommet, Christen, anzubeten,<br />

Singt dem Herrn im Heiligtume und<br />

Herr, wir kommen schuldbeladen) und viele<br />

seiner Lie<strong>der</strong> zu zahlreichen liturgischen Gelegenheiten<br />

(Wenn die Osterglocken klingen<br />

o<strong>der</strong> das Pfingstlied Komm, heiliger Geist,<br />

auf uns herab op. 22, dieses als Nr. 846<br />

noch im Gesangbuch Gotteslob von 2013).<br />

Höhepunkte waren die Aufführung seiner<br />

Neunten Messe in B op.50 beim Steirischen<br />

Katholikentag 1922 und eine Darbietung<br />

<strong>der</strong> Dritten Messe in Es op.8 beim Eucharistischen<br />

Kongress in Chicago (USA) im Jahre<br />

1926. Den Cäcilienverein vertrat Faist bei<br />

mehreren Konferenzen in Frankfurt, Salzburg<br />

und Wien (Eucharistischer Kongress<br />

1912). Eine beson<strong>der</strong>e Ehre bedeutete es<br />

für ihn, bei <strong>der</strong> Generalversammlung des<br />

Allgemeinen Cäcilienvereins 1926 in Innsbruck<br />

zum Zweiten Vizepräses gewählt zu<br />

werden. Als eine große Tat für die Kirchenmusik<br />

<strong>der</strong> Diözese verfasste er 1931 einen<br />

Großteil <strong>der</strong> Liedsätze und Orgelbegleitungen<br />

für das Diözesan-Gesangbuch Lobet den<br />

Herrn!, das bis in die Fünfziger Jahre in<br />

Verwendung stand. Am Ende seines Lebens<br />

konnte er auf eine lange Reihe von Kompositionen<br />

zurückblicken: zwölf lateinische<br />

Messen, zwei Requien, zahlreiche an<strong>der</strong>e lateinische<br />

Kirchenmusikwerke, drei Deutsche<br />

Singmessen, mehrere Gruppen kirchlicher<br />

Lie<strong>der</strong> und weitere weltliche Stücke, insgesamt<br />

etwa sechsundsechzig Opera.<br />

In diesem Jahr beendete er auch seine Tätigkeit<br />

als Regenschori am Knabenseminar,<br />

im neunundsechzigsten Lebensjahr trat er<br />

im Juni 1933 auch als Professor in den Ruhestand.<br />

Am 12. <strong>August</strong> 1933 verstarb Anton<br />

Faist während eines Kuraufenthaltes in<br />

Hall in Tirol. Der Weg eines Mannes, dem die<br />

steirische Diözese und vor allem die heimische<br />

Kirchenmusik viel zu verdanken hatten,<br />

war zu Ende gegangen. Wenn auch die<br />

Zeit über seine kirchenmusikalischen Werke<br />

hinweg gegangen sein mag, so kann doch<br />

gesagt werden, dass er in seiner Epoche den<br />

Kirchenmusikern und dem gläubigen Volk<br />

das schenkte, was gewünscht und überall<br />

aufführbar war: den liturgischen Ansprüchen<br />

folgende, sangbare und eingängige<br />

Werke kirchlicher Musik, die auf Grund ihrer<br />

Volkstümlichkeit Anton Faist zusammen mit<br />

seinen Verdiensten um das kirchenmusikalische<br />

Leben in <strong>der</strong> Diözese einen ehrenvollen<br />

Platz in <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> großen Männer<br />

<strong>der</strong> Steiermark sichern.<br />

(Ein Artikel Anton Faist findet sich in <strong>der</strong><br />

Wikipedia-Enzyklopädie, ungedruckte Werke<br />

sind bei IMSLP und ChoralWiki veröffentlicht.)<br />

15


TEXT: JOSEF KIRCHENGAST<br />

Triest o<strong>der</strong> ...<br />

Die erträgliche Flüchtigkeit des Seins<br />

„Fällt dir etwas auf?“, fragte mich meine<br />

Frau.<br />

Ich sah mich um. Mir fiel nichts auf, außer<br />

dass an den Tischen des Schanigartens lebhaft<br />

gesprochen o<strong>der</strong> still genossen wurde.<br />

„Niemand schaut in sein Handy, nirgends<br />

liegt eines auf dem Tisch.“<br />

Ich schaute mich noch einmal um. Tatsächlich.<br />

Dafür aber stand bei jedem Teller ein<br />

Glas mit Wein. Wir saßen mit Freunden im<br />

„Roby“, einem typischen Triestiner Buffet<br />

(wird im Italienischen genauso ausgesprochen)<br />

am oberen Ende des Borgo Teresiano,<br />

des Theresianischen Viertels, nahe <strong>der</strong> Piazza<br />

Oberdan. Solide Mittelmeer-Karst-Küche,<br />

eine große Auswahl lokaler und regionaler<br />

Weine zu mo<strong>der</strong>aten Preisen, freundliche<br />

Kellner. Es ist zu einem unserer Lieblingslokale<br />

in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>der</strong> Winde geworden. Am<br />

Abend freilich gibt es nur kalte Kleinigkeiten.<br />

Da nimmt man bei Roby den Aperitif.<br />

Das Mittagessen aber ist den Triestinern<br />

heilig. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis.<br />

Man trifft sich mit Freunden o<strong>der</strong> Bekannten<br />

im Lokal um die Ecke. Länger als drei Minuten<br />

muss im engeren urbanen Bereich niemand<br />

für einen Kaffee, ein Glas Wein, einen<br />

Imbiss o<strong>der</strong> ein Menü gehen. Und da Triest<br />

nicht das eine Zentrum hat, son<strong>der</strong>n viele<br />

Brennpunkte des wirtschaftlichen, sozialen<br />

und gastronomischen Lebens, wirkt die <strong>Stadt</strong><br />

weit größer, als sie von <strong>der</strong> Einwohnerzahl<br />

her tatsächlich ist. Es ist fast paradox: Man<br />

fühlt sich in einer Großstadt und gleichzeitig<br />

in einem Provinzstädtchen.<br />

Das hat natürlich auch mit <strong>der</strong> Geschichte zu<br />

tun, auf die wir hier nicht näher eingehen<br />

wollen. Sie ist im <strong>Stadt</strong>bild ohnedies stets<br />

präsent. Jüngstes Beispiel: <strong>der</strong> Theresien-<br />

Thaler am Canal Grande, in Erinnerung daran,<br />

dass die <strong>Stadt</strong> unter <strong>der</strong> österreichischen<br />

Monarchin einen ungeheuren Aufschwung<br />

erlebte, <strong>der</strong> sich seit einigen Jahren zu<br />

wie<strong>der</strong>holen scheint. Und ein paar hun<strong>der</strong>t<br />

Meter weiter die Piazza Oberdan, benannt<br />

nach Guglielmo Oberdan (eigentlich Wilhelm<br />

Oberdank), dem Mann, <strong>der</strong> Kaiser Franz Joseph<br />

ermorden wollte und 1882 hingerichtet<br />

wurde.<br />

Wie meistens reisten wir auch diesmal im<br />

Auto über Opicina an. Und trauten unseren<br />

Augen nicht: Eine Straßenbahn stand an <strong>der</strong><br />

Endstation und fuhr an uns vorbei, als wir<br />

beim Obelisken standen, um das Panorama<br />

zu genießen. Doch wir freuten uns zu früh.<br />

„Solo prova“, sagte uns ein Bauarbeiter.<br />

Wann werde sie, nach den vielen Jahren Stillstand,<br />

wie<strong>der</strong> normal verkehren?<br />

„Natale, forse“, meinte er lachend.<br />

Zu Weihnachten, vielleicht. Hatten wir etwas<br />

an<strong>der</strong>es erwartet, in Triest?<br />

Nicht weit davon, in Conconello/Ferlugi,<br />

waren wir freilich froh, dass sich nichts geän<strong>der</strong>t<br />

hatte. Gleiches Ambiente mit prächtigem<br />

Blick über die <strong>Stadt</strong>, gleich gute Küche,<br />

handschriftliche Rechnung von Patron Dimitri.<br />

In Triest än<strong>der</strong>e sich in hun<strong>der</strong>t Jahren<br />

nichts, meinte er zu unserem Lob für die<br />

Kontinuität seines Lokals. Und dann brach-<br />

16 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


Foto 1: Die berühmte Tramway von Triest nach<br />

Opicina fährt wie<strong>der</strong> – vorerst aber nur probehalber.<br />

Foto 2: Das San Marco, einzigartige Mischung<br />

von Café und Buchhandlung.<br />

Foto 3: Maria-Theresien-Taler am Canal Grande<br />

zum Gedenken an die große För<strong>der</strong>in <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>.<br />

te er uns in seinem Kombi hinunter in die<br />

<strong>Stadt</strong>. Die Busfahrer streikten von vier bis<br />

acht. Auch das nichts Neues.<br />

Im berühmten San Marco, dieser einzigartigen<br />

Mischung von Kaffeehaus und Buchhandlung,<br />

saßen wir am Nachmittag fast allein.<br />

Aber <strong>der</strong> Vortrag in <strong>der</strong> Buchhandlung<br />

war gut besucht: „Der Maria-Theresien-Thaler<br />

und <strong>der</strong> Silberhandel im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t“.<br />

Der von Maria Theresia geför<strong>der</strong>te Handel<br />

zog viele jüdische Familien aus <strong>der</strong> ganzen<br />

Monarchie und darüber hinaus in die <strong>Stadt</strong>.<br />

Sie bereicherten nicht nur das wirtschaftliche,<br />

son<strong>der</strong>n auch das kulturelle Leben. Die<br />

imposante Synagoge, eine <strong>der</strong> größten Europas,<br />

steht gleich um die Ecke des San Marco.<br />

Im renovierten Deckenfries des Cafés kann<br />

man die fratzenhaft verzerrten Gesichter Hitlers<br />

und Mussolinis erkennen. Das San Marco<br />

wurde vor einigen Jahren renoviert wie<strong>der</strong>eröffnet,<br />

vor allem auf Initiative von Claudio<br />

Magris, dem großen mitteleuropäischen<br />

Schriftsteller. Lange Zeit war das San Marco<br />

Magris‘ zweites Arbeitszimmer. Heute ist er,<br />

inzwischen 83, dort nur noch äußerst selten<br />

anzutreffen.<br />

Am nächsten Tag genehmigten wir uns einen<br />

Campari Soda im Stella Polaris am oberen<br />

Canal Grande, einem an<strong>der</strong>en berühmten<br />

Triestiner Café. An einem <strong>der</strong> Nachbartische<br />

saß ein älterer Herr, vertieft in ein altes<br />

Buch. Neben ihm eine Gehhilfe plus Stock.<br />

Zwischendurch schaute er auf und beobachtete<br />

beinahe verschämt das Geschehen um<br />

sich herum. Er schien seinen Stil auch ein<br />

bisschen zu pflegen. Eine typische Triestiner<br />

Szene, so wie die älteren Damen, elegant gekleidet<br />

und teils mit einem Hündchen an <strong>der</strong><br />

Leine, alleine o<strong>der</strong> mit Freundin, beim Aperitif<br />

o<strong>der</strong> einem Kaffee. Wie überhaupt sehr<br />

viele Triestiner, ob jung o<strong>der</strong> alt, auf lässige<br />

Eleganz einigen Wert legen. Und dann wie<strong>der</strong><br />

an den zahlreichen Stränden draußen in<br />

Barcola und weiter Richtung Miramare dem<br />

Sonnenbad frönen, sobald es nur einigermaßen<br />

temperiert ist. Die Dame, die an einem<br />

<strong>der</strong> zahlreichen Kioske ein Schwätzchen mit<br />

einer Bekannten hielt, trug mit <strong>der</strong> größten<br />

Selbstverständlichkeit ihren sehr knappen<br />

Bikini. Wir treten ihr hoffentlich nicht zu<br />

nahe, wenn wir ihr Alter auf nicht viel unter<br />

achtzig schätzen.<br />

In „Triest – Eine literarische Hauptstadt in<br />

Mitteleuropa“ (1993 auf Deutsch erschienen)<br />

zitiert Claudio Magris den Triestiner<br />

Lyriker Scipio Slataper (1888-1915), um<br />

das Wesen <strong>der</strong> „Triestinität“ zu erklären. Die<br />

triestinità sei ein gegebenes, aber nicht definierbares<br />

An<strong>der</strong>ssein, „authentisch, wenn es<br />

in <strong>der</strong> schamhaften Innerlichkeit des Gefühls<br />

gelebt, und verfälscht, sobald es verkündet<br />

und zur Schau gestellt wird“. Triest hat sich<br />

dieses undefinierbare An<strong>der</strong>ssein trotz aller<br />

Zugeständnisse an Zeitgeist und Modeströmungen<br />

bewahrt. Lebensfreude im Wissen<br />

um das Flüchtige und das Bleibende, um die<br />

Vorläufigkeit des Lebens, das man deshalb<br />

umso mehr genießen muss – die erträgliche<br />

Ungewissheit des Seins.<br />

17


TEXT: MICHAEL MEHSNER<br />

Wind<br />

Nun, bei uns, da gibt es keine Winde.<br />

Das heißt, es gibt sie natürlich schon, bloß<br />

hat es bis dato niemand <strong>der</strong> Mühe wert gefunden,<br />

ihnen Namen zu geben. (1) Richtige<br />

Namen halt, nicht nur jene <strong>der</strong> Himmelsrichtung,<br />

aus <strong>der</strong> sie gerade blasen. Es gibt<br />

ihn im Grunde nur ganz profan: den Wind.<br />

Nicht einmal im Plural. Was irgendwie bedeutet:<br />

Eigentlich ist er, sind sie uns egal,<br />

sie haben keine Bedeutung für uns. Wir sind<br />

nicht per du, mit ihm (bleiben wir gleich in<br />

<strong>der</strong> Einzahl), er ist nicht unser Bru<strong>der</strong>, soll<br />

er doch tun und lassen wie er will, stören<br />

soll er uns halt nicht.<br />

Eine Ausnahme macht da einzig und allein<br />

<strong>der</strong> Föhn. (2) Dieser bringt – abgesehen von<br />

Kopfweh – ein wenig Abwechslung in kältere<br />

Wintertage. Womit er sich zurecht einen<br />

Namen verdient hat. In jüngeren Jahren ist<br />

da noch diese „Südströmung“ dazu gekommen,<br />

die gelegentlich unsere blauen Himmel<br />

mit einem diffusen, gelblichen Schleier<br />

überzieht (3), und – aus tatsächlich 2.000<br />

km Entfernung – diesen Saharastaub bis zu<br />

uns bringt, <strong>der</strong> unsere Autos und was immer<br />

noch ein paar Tage lang schmutzig macht.<br />

Für einen richtigen Namen hat es halt auch<br />

in dieser Causa nicht gereicht, zu sehr<br />

waren und sind wir mit dem Ärgernis <strong>der</strong><br />

Reinigungsarbeiten beschäftigt. (4) Noch<br />

seltener bringt – wohl eine ähnliche „Strömung“<br />

– den Duft des Meeres bis in unsere<br />

Breiten. (Das gibt es tatsächlich!) Wenn<br />

man das Glück hat, einen solchen raren Moment<br />

zu erwischen, dann schließt man am<br />

besten die Augen und lässt seinen Träumen<br />

freien Lauf.<br />

Nicht bei uns, an<strong>der</strong>swo halt, da gibt es<br />

schon Namen für den Wind, eigentlich: für<br />

die Winde. Am Meer etwa, wo man das alles<br />

ein wenig an<strong>der</strong>s sieht, wo man an<strong>der</strong>s lebt,<br />

tiefer in <strong>der</strong> Natur verwurzelt ist als bei uns,<br />

und wo gelegentlich, etwa beim Fischfang,<br />

sogar das Leben davon abhängt. Mit dem<br />

Meer bin ich schon in meiner Kindheit in Berührung<br />

gekommen, und seither trage ich es<br />

in meinem Inneren, unbewusst, dank meiner<br />

Vorfahren, wohl schon länger. Ausgelöst hat<br />

das Ganze damals R., von dem es heißt, er<br />

sei in den 50er Jahren nach F. gekommen,<br />

und er hätte nur so viel bei sich gehabt, wie<br />

auf dem Gepäcksträger seines Fahrrades,<br />

verstaut in einer „Bananenschachtel“, eben<br />

Platz gehabt hätte. An<strong>der</strong>e verfügten materiell<br />

wohl über mehr, dennoch war es R., dem<br />

es gelang, mit seinem Charisma eine ganze<br />

Schar von Menschen als Gruppe zusammen zu<br />

bringen und zu halten. Mein Vater etwa sah<br />

in R. einen Mentor und Freund, und er gab<br />

ihm eine beson<strong>der</strong>e Rolle in seinem Leben,<br />

wie nur einigen wenigen, was man immer<br />

spürte, wenn er von ihm sprach. Mir selbst<br />

ist als Andenken an R., den ich stets als beson<strong>der</strong>en<br />

Menschen empfand und als solchen<br />

in Erinnerung behalten habe, herb und herzlich<br />

zugleich, mystisch so und so, ein von<br />

ihm gemaltes Aquarell eines Schiffs geblieben,<br />

das, angetrieben von einem seltenen,<br />

geheimnisvollen Wind, mit offenem Segel<br />

durch die mon<strong>der</strong>leuchtete Nacht fährt. Dass<br />

ich damals, mit meinen Eltern, die Sommer<br />

an <strong>der</strong> Adria verbrachte, hatte R. initiiert,<br />

denn er hatte einen an sich einfachen, und<br />

dennoch höchst beson<strong>der</strong>en Platz entdeckt,<br />

wohin ihm so einige aus F. nachfolgten.<br />

Die Winde dort hatten ganz wun<strong>der</strong>bare Namen.<br />

Sobald sie halt außerhalb des Gewöhnlichen<br />

bließen, denn bei Schönwetter gab es<br />

am Vormittag selbst dort nur den „Südostwind“,<br />

<strong>der</strong> am früheren Nachmittag drehte<br />

und in den ebenso harmlosen „Westwind“<br />

überging. Beide sorgten für wohlige Abkühlung<br />

an Land und bescheidene Wellenbewegungen<br />

auf See. An<strong>der</strong>s ging es bei schlechterem<br />

Wetter zur Sache, wenn <strong>der</strong> Himmel<br />

sich verfinsterte, die Wolken sich in Fronten<br />

o<strong>der</strong> Türmen aufbauten, o<strong>der</strong> gleich den gesamten<br />

Himmel vereinnahmten, die Wellen<br />

immer höher und höher schlugen, sich auf<br />

offener See und erst recht an <strong>der</strong> Mole brachen,<br />

die Gischt fontänenartig in die Höhe<br />

rauschte, das Weiß <strong>der</strong> Schaumkronen längst<br />

das Blaugrau des Wassers übertraf – alles das<br />

angetrieben von Winden, die mit einem Mal<br />

nur noch zügellos erschienen, vom Meeresgott<br />

persönlich ausgesandt, um seinem, wodurch<br />

auch immer, entfesselten Zorn ein geeignetes<br />

Antlitz zu geben. Diese Winde, nun,<br />

die hatten allesamt sehr wohl Namen.<br />

Der „Scirocco“, o<strong>der</strong> „Jugo“, <strong>der</strong> mit dem<br />

Regen aus dem Süden kam, und 3 Tage<br />

o<strong>der</strong> 30 Tage zu bleiben pflegte, genaueres<br />

wusste man von ihm nicht. Möglicherweise<br />

gleich gefolgt vom „Lebic“, ein Tiefdruckgebiet<br />

im Schlepptau. Die „Bora“, die bei<br />

Gewittern über dem Land aufkam, sich vom<br />

Küstengebirge herunter stürzte, weiter im<br />

Norden noch verstärkt durch den Düseneffekt<br />

des Kvarner, und <strong>der</strong> man besser einige<br />

Tage aus dem Weg ging. Der „Mistral“,<br />

<strong>der</strong> es auch bis hierher schaffte, aus dem<br />

Westen, und für Ehrfurcht vor <strong>der</strong> Seefahrt<br />

18 MAGAZIN „LEBENSKULTUR“ - STADT FELDBACH


„<br />

Entfernt denke ich an die Möglichkeit,<br />

dass es bei uns vielleicht doch Namen<br />

für die Winde gibt, und einige wenige<br />

diese kennen.<br />

sorgte. Wie auch <strong>der</strong> „Tramontana“, <strong>der</strong> die<br />

Kälte aus dem Norden mit sich führte. Für<br />

je<strong>der</strong>mann galt es, diesen Winden zu gehorchen,<br />

und sie in ihrem Tun einfach gewähren<br />

zu lassen. Selbst für R., den ich einmal<br />

in einer stürmischen Nacht beobachtete, als<br />

er mit allem Mut versuchte, dem Tosen Einhalt<br />

zu gebieten, mit wehrhaft erhobenem<br />

Arm, einem spöttischen Grinsen im Gesicht<br />

und einigen mutigen Worten, dem Kapitän<br />

Ahab gleich, doch auch er vermochte da<br />

nicht ein bisschen etwas auszurichten. Alle<br />

diese Winde nahm ich mit mir, samt ihren<br />

Namen, und vielleicht ist das <strong>der</strong> Grund,<br />

warum mich das Meer wohl auf immer in<br />

seinen Bann ziehen wird.<br />

Dem Mistral sollte ich an einem an<strong>der</strong>en<br />

Ort eines Tages wie<strong>der</strong> begegnen. Marseille,<br />

die älteste <strong>Stadt</strong> Frankreichs, ein beson<strong>der</strong>er<br />

Ort in vielerlei Hinsicht, jedenfalls auch<br />

ein Ort, wo die Winde Namen tragen. Im<br />

neuen Museum unweit des Hafens (MuCEM)<br />

gibt es eine Dauerausstellung, welche die<br />

Rolle <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> als Zentrum am Mittelmeer<br />

schil<strong>der</strong>t, und gleich die ganze Geschichte<br />

dieses Kulturraumes und seiner Völker, die<br />

natürlich zur See fuhren, von frühen Zeiten<br />

an. (5) Bei unserem Besuch sollte es außerdem<br />

noch per Schiff zu den vorgelagerten<br />

Inseln gehen. Der stattliche Mistral verhin<strong>der</strong>te<br />

gleich einmal das Anlaufen <strong>der</strong> Insel<br />

d’If, wo Alexandre Dumas seinen Grafen von<br />

Montechristo im Chateau einsitzen ließ. Die<br />

vorgelagerten größeren Inseln sorgten da<br />

nur für einen bescheidenen Ersatz. Ein anschließendes<br />

Getränk wollten wir selbstverständlich<br />

am alten Hafen genießen. Dabei<br />

schien uns das klassische „La Samaritaine“<br />

<strong>der</strong> aktuellen Situation nicht gerecht zu<br />

werden, weiter ging es zu einem <strong>der</strong> Cafes<br />

den Quais hinunter, dorthin, wo sich gerade<br />

alle trafen, um sich aus gesicherter Entfernung<br />

– bei einem Expresso, einer Cervisia<br />

(6) o<strong>der</strong> einem Pastis – den Mistral um die<br />

Ohren blasen zu lassen, und dabei das Geschehen<br />

am Hafen zu beobachten. Freilich,<br />

ein halb ausgetrunkenes Glas durfte man<br />

in diesen Momenten ebenso wenig unbeobachtet<br />

lassen wie eine Mütze, eine Serviette<br />

o<strong>der</strong> gar einen leeren Sessel, denn<br />

alles das und mehr konnte ein Opfer einer<br />

<strong>der</strong> mächtigen Böen und durch die Luft geschleu<strong>der</strong>t<br />

werden. Wir ergatterten einen<br />

Tisch, und ließen den Tag, und mehr, durch<br />

unsere Gedanken schweifen. Die Picasso-<br />

Ausstellung, ebenfalls im Museum zu sehen<br />

gewesen, war beeindruckend zusammengestellt.<br />

Es waren vor allem die späten Bil<strong>der</strong>,<br />

von denen man meinen konnte, ein Kind<br />

hätte sie gemalt, wären sie nicht mit dem<br />

Timbre, und freilich auch mit <strong>der</strong> Signatur,<br />

dieses wohl größten Malers aller Zeiten versehen,<br />

Bil<strong>der</strong>, die einen innehalten ließen,<br />

und vor Augen führten, dass sich ein je<strong>der</strong><br />

Kreis irgendwann schließt. „Le vent nous<br />

portera“, könnte man da noch hinzufügen,<br />

ohne gleich die gesamt tragische Geschichte<br />

des B.C. und seiner „Schwarzen Sehnsucht“<br />

daran zu hängen. (7) Freilich, die<br />

Kraft hätte <strong>der</strong> Wind, uns eines Tages davon<br />

zu tragen. O<strong>der</strong> man sucht sich beizeiten<br />

ein Schiff, um durch die Nacht zu segeln.<br />

Am Meer muss man dann halt sein, im richtigen<br />

Moment. Und den Wind nach seinem<br />

Namen benennen.<br />

Nachsatz<br />

Entfernt denke ich an die Möglichkeit, dass<br />

es bei uns vielleicht doch Namen für die<br />

Winde gibt, und einige wenige diese kennen.<br />

Eingeweihte wohl, die zwischen den Dingen<br />

suchen. Wenn’s so wäre, erzählt mir bitte bei<br />

Gelegenheit davon.<br />

Fußnoten<br />

(1) Nicht einmal in Wien, wo es ja, wie wir<br />

wissen, immer windig ist.<br />

(2) Der mit „h“, bei dem ohne selbiges<br />

handelt es sich um einen Markennamen für<br />

ein Haartrocknungsgerät; dessen Name sich<br />

vom Föhn mit „h“ ableiten soll; Fazit: Zuerst<br />

war <strong>der</strong> Föhn, dann <strong>der</strong> Fön. Spätere Rechtschreibreformen<br />

seien hier außen vorgelassen.<br />

(3) Der britische Maler William Turner hätte<br />

seine Freude gehabt.<br />

(4) Wesentlich länger dauerten etwa die<br />

Auswirkungen des Ausbruchs des Tambora-<br />

Vulkans in Indonesien 1815, des Krakatau<br />

1883 o<strong>der</strong> des Meteoriteneinschlages in Tunguska<br />

1908 an; ersterer bescherte <strong>der</strong> Welt<br />

immerhin zwei verdunkelte Sommer.<br />

(5) Der kürzlich verstorbene, großartige Pianist<br />

Ahmad Jamal hat sein 2016 erschienenes<br />

Album dieser <strong>Stadt</strong> gewidmet. Im titelgebenden<br />

Lied heißt es: „Marseille … deine<br />

See, mit ihrer Pracht und ihrer Trauer … deine<br />

Geheimnisse, die <strong>der</strong> menschliche Geist<br />

nicht begreifen kann … wird ewig sein.“<br />

(6) Ich verwende hier bewusst und gerne das<br />

„gallische“ Wort.<br />

(7) Falls Ihnen das jetzt nichts sagt, recherchieren<br />

Sie es besser nicht.<br />

19


„Zweiheit“<br />

Unter dem Titel „Zweiheit“ lud Andreas Stern zum Cocktail<br />

mit Maximilian Prüfer (Jhg. 1986). Der Künstler arbeitet<br />

interdisziplinär, unter an<strong>der</strong>em erforscht er die Verhaltensmuster<br />

von Fliegen, Schnecken o<strong>der</strong> Faltern und setzt diese<br />

bei seinen Arbeiten gezielt ein. Beim hier zu sehenden<br />

Bild vermeint man, einen Sternenhimmel zu erkennen.<br />

Tatsächlich sind es Regentropfen, die ihre Abdrücke auf<br />

einem speziell vorbereiteten Papier hinterlassen haben.<br />

Nichts desto trotz ein Hauch von Poesie und Ewigkeit in<br />

den ohnehin schon ehrwürdigen Mauern des Kieslinger-<br />

Hauses. (Näheres unter: www.andreas-stern.at). Eine weitere<br />

Ausstellung von Maximilian Prüfer („Fruits of Labour“)<br />

läuft bis 9. Juli 2024 im Weltmuseum Wien. Diese thematisiert<br />

anhand des Bienensterbens in <strong>der</strong> Provinz Sichuan<br />

menschliche Eingriffe in die Natur und <strong>der</strong>en Folgen.<br />

Rainpicture 14.12.22, 2022,<strong>2023</strong> (Naturantypie on paper,<br />

meteorite stain, american walnut, archival board, hardboard)

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