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BANGERANG_Herbst_2023_IT

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takt, das ist natürlich besonders schön, wenn<br />

dann später die vertraute Hebamme zum Wochenbettbesuch<br />

kommt.<br />

Die ersten ein bis zwei Besuche sollten auch<br />

unbedingt zu Hause erfolgen, damit die Bettruhe<br />

eingehalten wird. Allerdings können wir als<br />

Hebammen auch nicht jeden Betreuungsradius<br />

annehmen, damit wir nicht einen Großteil unserer<br />

Arbeitszeit im Auto verbringen müssen. Dieser<br />

Radius ist idealerweise 2-3<br />

Kilometer, hier in Hamburg<br />

kommt das so einigermaßen<br />

hin, aber auf dem Land nicht.<br />

Drei Wochen nach der Geburt<br />

können die Familien natürlich<br />

gerne hierher in die Ambulanz<br />

kommen. Die Lage ist super<br />

zentral und von allen Stadtteilen<br />

gut erreichbar.“<br />

Über Empowerment und<br />

notwendige Veränderungen<br />

Für Melina Horns ist das Empowerment<br />

der Frau der wichtigste<br />

Teil der Hebammenarbeit:<br />

„Die Frau zu stärken, die<br />

Familie zu bestärken, ihnen zu sagen, dass alles<br />

gut ist. Ruhe auszustrahlen. Zuerst auf alles zu<br />

schauen, was gut ist, ehe man sich dann gegebenenfalls<br />

mit etwas beschäftigt, was vielleicht<br />

noch nicht so gut ist. Zu sagen, du machst das<br />

gut, ihr seid eine tolle Familie. Eine gemeinsame,<br />

tiefe Vertrauensbasis aufzubauen, das ist ungemein<br />

wichtig. Viel mehr gefördert werden sollte<br />

folglich die außerklinische Betreuung und Versorgung<br />

von Schwangeren und Müttern. Von<br />

Hebammen wird die physiologische Schwangerschaft<br />

gesehen – und nicht das medizinische<br />

oder pathologische, der menschliche Aspekt<br />

steht mehr im Vordergrund.“<br />

Bangerang: Jede Frau hat das Recht, über die<br />

Wahl des Geburtsortes frei zu entscheiden. Dennoch<br />

ist es seit vielen Jahrzehnten in Deutschland<br />

völlig normal, dass Frauen fast zu 98 Prozent<br />

zur Entbindung ins Krankenhaus gehen. Ist<br />

das Thema Geburtshäuser zu wenig bekannt?<br />

MH: „Wenn man<br />

sich mal die Studienlage<br />

anschaut,<br />

sieht man, wie viele<br />

Frauen in den<br />

Geburtshäusern<br />

vaginal-spontan<br />

gebären, ohne<br />

verlegt zu werden,<br />

in der Klinik dagegen<br />

bekommen<br />

die Frauen in Hamburg<br />

zu 38 % einen<br />

Kaiserschnitt.<br />

Das ist fast schon<br />

die Hälfte. Es muss<br />

sich etwas an der Einstellung in den Krankenhäusern<br />

und Kreißsälen ändern: Die Hebammen<br />

sind völlig überlastet, auch die Ärzte und Ärztinnen,<br />

da herrscht so viel Stress, da kann nicht jede<br />

Frau individuell betrachtet werden. Ich halte viel<br />

von einer ganzheitlichen Betreuung, wo eine<br />

Hebamme eine Frau die ganze Schwangerschaft<br />

hinweg begleitet und dann auch bei der Geburt<br />

dabei ist. Die Kliniken sind nicht sicherer für Frauen,<br />

eher im Gegenteil, denn im außerklinischen<br />

Bereich hat eine Frau eine 1:1 Betreuung, die<br />

„Den schönsten Moment<br />

der Eltern zu teilen,<br />

löst Glücksgefühle und<br />

Freude aus. Da vergisst<br />

man leicht, dass man<br />

eigentlich zu wenig<br />

bezahlt wird. Weil man<br />

es so gerne macht und<br />

auch weil es sich nicht<br />

so anfühlt wie Arbeit.<br />

Hebamme weicht ihr nicht von der Seite, während<br />

im klinischen Alltag eine Hebamme manchmal<br />

vier Geburten gleichzeitig betreut, klar, dass<br />

dabei auch manchmal etwas untergeht.“<br />

FB ergänzt: „Es werden auch immer mehr<br />

Kreißsäle geschlossen, weil sich Geburten in<br />

finanzieller Hinsicht nicht lohnen. Das System an<br />

sich ist nicht auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet.<br />

In Hamburg gibt es drei Geburtshäuser,<br />

eines in Altona, seit vergangenem Jahr eines<br />

in Hamm und eines auf der anderen Elbseite in<br />

Harburg. Die innerstädtische Versorgung mit<br />

Hebammen ist gut, doch in den Randbezirken,<br />

wo auch viele sozial benachteiligte Familien leben,<br />

ist die Versorgungslage wirklich nicht gut.“<br />

MH gibt zu bedenken: „Die Geburtshäuser<br />

haben übrigens auch in Hamburg, obwohl es<br />

natürlich prinzipiell mehr sein sollten, in einzelnen<br />

Monaten durchaus noch freie Kapazitäten.<br />

Frauen können ja wie beschrieben die Schwangerschaftsvorsorge<br />

als ganze Vorsorge bei Hebammen<br />

machen bis auf die Ultraschalluntersuchungen.<br />

Oft will aber der oder die Gynäkologin<br />

nicht mitmachen, was viele Frauen natürlich<br />

verunsichert. Eine ganzheitliche Betreuung wäre<br />

sowohl für die Frauen als auch für die Hebammen<br />

attraktiver, aber es wird von der Gesellschaft<br />

oder auch von ärztlicher Seite noch nicht<br />

so gesehen. Es wäre viel besser zusammenzuarbeiten,<br />

statt eine Rivalität mit Gyn-Praxen zu<br />

haben.<br />

Auch wenn eine Frau eine außerklinische Geburt<br />

plant, wird ihr von ärztlicher Sicht eher davon<br />

abgeraten. Als Frau ist man oft, gerade im<br />

medizinischen Bereich, machtlos - dabei sollte<br />

eine Frau, die eine Dienstleistung in Anspruch<br />

nimmt, die Chefin sein. Ein Nachsorgetermin<br />

Weitere Infos zum Thema Hebammen:<br />

Ca. 800.000 Babys kommen in Deutschland jährlich zur Welt – und<br />

Hebammen sind dafür unverzichtbar. Bei jeder Geburt muss eine Hebamme<br />

anwesend sein – aber nicht unbedingt ein Arzt. Oftmals wird<br />

nach Ansicht des Hebammenverbandes aber zu früh interveniert, so<br />

dass Frauen nicht das Gefühl haben, ihre Geburt selbstbestimmt erleben<br />

zu dürfen.<br />

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt folgendes zur<br />

normalen Geburt: Jede Frau habe ein grundlegendes Recht auf eine<br />

umfassende Betreuung in der Schwangerschaft und sollte bei allen<br />

Aspekten dieser Betreuung im Mittelpunkt stehen und an der Planung,<br />

Durchführung und Beurteilung der Vorsorgemaßnahmen teilnehmen.<br />

Neben der medizinischen Vorsorge seien soziale, emotionale und psychische<br />

Faktoren entscheidend für eine umfassende Betreuung in der<br />

Schwangerschaft.<br />

Weiter rät die WHO:<br />

· Die Ausbildung der Hebammen und aller Berufsgruppen, die die<br />

Frau und das Kind rund um die Geburt betreuen, müssen gefördert<br />

werden.<br />

· Die Betreuung einer normalen Schwangerschaft, bei der Geburt und<br />

im Wochenbett gehört zum Aufgabenbereich der Hebammen und<br />

der angrenzenden Berufe.<br />

· Alle Krankenhäuser sollten den schwangeren Frauen Informationen<br />

über die von ihnen praktizierte Geburtshilfe (z.B. die Höhe ihrer Kaiserschnittrate)<br />

frei zugänglich machen.<br />

· Es gibt keinerlei Rechtfertigung für eine Kaiserschnittrate über 10 bis<br />

15 %.<br />

Mehr dazu auf: www.quag.de, der Gesellschaft für Qualität in der<br />

außerklinischen Geburtshilfe e.V. oder beim<br />

hebammenverband-hamburg.de<br />

6 www.bangerang.de

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