Afrika in Mode (Leseprobe)
Ken Kweku Nimo Afrika in Mode – Luxus, Handwerk und textiles Erbe 208 Seiten, Hardcover, Euro (D) 39 | Euro (A) 39.70 | CHF 44 ISBN 978-3-03876-244-7 (Midas Collection) Dieses Buch beleuchtet die Geschichte der Mode Afrikas, feiert die Handwerkskulturen, die die afrikanische Mode seit Jahrhunderten geprägt haben, und fängt die spannenden Geschichten zeitgenössischer afrikanischer Mode-Marken ein.
Ken Kweku Nimo
Afrika in Mode – Luxus, Handwerk und textiles Erbe
208 Seiten, Hardcover, Euro (D) 39 | Euro (A) 39.70 | CHF 44
ISBN 978-3-03876-244-7 (Midas Collection)
Dieses Buch beleuchtet die Geschichte der Mode Afrikas, feiert die Handwerkskulturen, die die afrikanische Mode seit Jahrhunderten geprägt haben, und fängt die spannenden Geschichten zeitgenössischer afrikanischer Mode-Marken ein.
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AFRIKA IN MODE<br />
Luxus, Handwerk und textiles Erbe<br />
Ken Kweku Nimo
AFRIKA IN MODE<br />
Luxus, Handwerk und textiles Erbe<br />
© 2023<br />
Midas Collection<br />
Ich widme dieses Buch drei phänomenalen Frauen:<br />
me<strong>in</strong>er Mutter Obaapany<strong>in</strong>, Adwoa Kwakowa;<br />
me<strong>in</strong>er Gatt<strong>in</strong>, Efua Koufie;<br />
me<strong>in</strong>er Tochter, Ama Kwakowa Nimo.<br />
E<strong>in</strong> Impr<strong>in</strong>t der Midas Verlag AG<br />
ISBN 978-3-03876-244-7<br />
1. Auflage<br />
Übersetzung: Claudia Koch<br />
Korrektorat: Dr. Friederike Römhild<br />
Layout: Ulrich Borstelmann<br />
Herausgeber: Gregory C. Zäch<br />
Midas Verlag AG<br />
Dunantstrasse 3, CH-8044 Zürich<br />
E-Mail: kontakt@midas.ch<br />
www.midas.ch<br />
Englische Orig<strong>in</strong>alausgabe: Africa <strong>in</strong> Fashion<br />
© Ken Kweku Nimo 2022<br />
© 2022 Laurence K<strong>in</strong>g Student & Professional<br />
An impr<strong>in</strong>t of Quercus Editions Ltd, London<br />
Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese<br />
Publikation <strong>in</strong> der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte bibliografische Daten s<strong>in</strong>d im Internet unter<br />
www.dnb.de abrufbar.<br />
Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und<br />
Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung<br />
des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar.<br />
Titel<br />
Mtwana-Halsschmuck <strong>in</strong> Orange, Braun und Gold von<br />
Jiam<strong>in</strong>i. Das Stück aus der Mung’ung’uti (Sp<strong>in</strong>e) Kollektion<br />
von Jiam<strong>in</strong>i besteht aus Leder, das mit e<strong>in</strong>er von der<br />
Wirbelsäule <strong>in</strong>spirierten Skulptur aus 18k vergoldetem<br />
Mess<strong>in</strong>g versehen ist.<br />
Fotografie: Kadara Enyeasi<br />
<strong>Mode</strong>l: Za<strong>in</strong>ab Alade<br />
Vertreten durch 90s <strong>Mode</strong>ls Management, Nigeria<br />
Make-up: Obidike Uchechukwu<br />
Produzent: A Whitespace Creative Agency<br />
Produziert mit Unterstützung der Ethical Fashion Initiative<br />
und Partnerschaften von EU International<br />
Rückseite<br />
Gewebe von Johanna Bramble.
AFRIKA<br />
IN MODE<br />
Luxus, Handwerk und textiles Erbe<br />
Ken Kweku Nimo<br />
MIDAS
Vorwort von Deola Sagoe 6<br />
E<strong>in</strong>führung 9<br />
Kapitel 1:<br />
Die Geschichte der<br />
afrikanischen <strong>Mode</strong> 12<br />
Geschichte – neu erzählt 14<br />
E<strong>in</strong> textiles Erbe 32<br />
Accessoires und Schmuck 52<br />
Kapitel 2:<br />
Das neue <strong>Afrika</strong> 60<br />
Generation Couture 62<br />
E<strong>in</strong>e Oase des Luxus 74
Kapitel 3:<br />
Neue Talente aus <strong>Afrika</strong> 94<br />
Galerie der Designer 96<br />
Lukhanyo Md<strong>in</strong>gi 114<br />
Adele Dejak 120<br />
Thebe Magugu 126<br />
Kat van Du<strong>in</strong>en 132<br />
Peuhl Vagabond 138<br />
Tokyo James 144<br />
Maison ARTC 150<br />
Imane Ayissi 156<br />
Taibo Bacar 162<br />
Johanna Bramble 168<br />
T-Michael 174<br />
Mimi Plange 180<br />
Tongoro Studio 186<br />
Glossar 192<br />
Endnoten und Bibliografie 194<br />
Index 194<br />
Bildnachweise 198<br />
Dank 199
Vorwort<br />
<strong>Afrika</strong> ist immer <strong>in</strong> <strong>Mode</strong>.<br />
Dieses Buch stellt e<strong>in</strong>en besonderen Punkt<br />
unserer Wertschätzung dessen dar, was <strong>Afrika</strong><br />
<strong>in</strong> der <strong>Mode</strong> bedeutet. Wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieses Kont<strong>in</strong>uum<br />
e<strong>in</strong>gewoben, wie Ken <strong>in</strong> dem Unterkapitel<br />
»Gewebte Geschichten und antike Stoffe«<br />
andeutet. Doch wir s<strong>in</strong>d auch souverän; unsere<br />
eigenen Werte wollen def<strong>in</strong>iert, vielleicht sogar<br />
zurückerstattet werden, wie es im Abschnitt<br />
»Kolonialismus« (»Europas großes imperialistisches<br />
Unternehmen <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>«) subtil ankl<strong>in</strong>gt.<br />
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong> ist e<strong>in</strong> ambitioniertes Buch.<br />
Se<strong>in</strong>e Größe mag dies nicht sofort zeigen, aber<br />
gerade <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schlankheit liegt der Ehrgeiz –<br />
gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit auf alles<br />
zu lenken, was dar<strong>in</strong> enthalten ist, wie auch<br />
auf alles, was weggelassen wurde. Dieses Buch<br />
erhebt nicht den Anspruch, die gesamte Geschichte<br />
<strong>Afrika</strong>s <strong>in</strong> der <strong>Mode</strong> zu erzählen – welches<br />
e<strong>in</strong>zigartige Werk würde es wagen, dies als<br />
se<strong>in</strong>e Aufgabe zu erklären?<br />
Was dieses Buch leistet, ist die erfolgreiche<br />
Zusammenführung e<strong>in</strong>er Vielzahl von Informationsströmen<br />
zu e<strong>in</strong>em Fluss des Wissens, nach<br />
dem Sie, liebe Leser<strong>in</strong>, lieber Leser, von Anfang<br />
an gedürstet haben müssen – sonst hätten Sie<br />
dieses Buch nicht aufgeschlagen.<br />
Als ich begann, mich für <strong>Mode</strong> zu <strong>in</strong>teressieren,<br />
war ich zunächst von unseren e<strong>in</strong>heimischen<br />
Stoffen fasz<strong>in</strong>iert. Ich hatte das<br />
Gefühl, dass alle anderen Menschen auf der<br />
Welt herunterspielten und über sahen, dass es<br />
sich dabei offensichtlich um gewebte Magie<br />
handelte! Es überraschte mich, wie selbstverständlich<br />
dieser Schatz an Ressourcen, die<br />
afrikanischen Textilien, wahrgenommen wurde.<br />
Im Laufe der Jahre hat me<strong>in</strong>e Wertschätzung<br />
für diesen Zauber nie nachgelassen. Wenn es<br />
Ihnen also so geht wie mir, lesen Sie direkt im<br />
Abschnitt »E<strong>in</strong> textiles Erbe« mit e<strong>in</strong>em Lächeln<br />
im Gesicht weiter!<br />
Ich b<strong>in</strong> Ken dankbar, dass er im Unterkapitel<br />
»Generation Couture« e<strong>in</strong>ige Helden des<br />
modernen afrikanischen <strong>Mode</strong>designs vorstellt.<br />
Dazu gehören Shade Thomas-Fahm, mit<br />
der ich das Vergnügen hatte, zusammenzuarbeiten,<br />
und Kofi Ansah, mit dem ich so viele<br />
tiefgründige Gespräche darüber geführt habe,<br />
wie es mit dem Design weitergehen soll – leider<br />
wurden wir durch se<strong>in</strong>en Tod um unsere Pläne<br />
gebracht.<br />
Me<strong>in</strong>e Marke war von Anfang an e<strong>in</strong> Synonym<br />
für »Luxus«, was zum Teil an me<strong>in</strong>er Konzentration<br />
auf die Details <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Entwürfen<br />
liegt, aber auch an me<strong>in</strong>em Ethos, dass »Luxus<br />
im Auge des Betrachters liegt«. Und ich b<strong>in</strong> froh,<br />
dass immer mehr Kulturen auf der ganzen Welt<br />
das afrikanische Auge zu schätzen wissen!<br />
Wir stehen uns gerade an e<strong>in</strong>em Wendepunkt<br />
– daher schlage ich vor, dass Ken se<strong>in</strong><br />
nächstes Projekt <strong>Afrika</strong> im Luxus widmet.<br />
Deola Sagoe<br />
7
E<strong>in</strong>führung<br />
Die universelle Anziehungskraft der <strong>Mode</strong><br />
zeigt sich <strong>in</strong> der Geschw<strong>in</strong>digkeit, mit der die<br />
neuesten Stile und Trends die globalen Märkte<br />
durchdr<strong>in</strong>gen. In der heutigen Zeit ist die <strong>Mode</strong>,<br />
angetrieben durch digitale Medien, elektronischen<br />
Handel und <strong>in</strong>tegrierte Lieferketten und<br />
Vertriebskanäle, zu e<strong>in</strong>em der größten Sektoren<br />
der Weltwirtschaft geworden. In <strong>Afrika</strong><br />
stützt sich die <strong>Mode</strong>- und Textil<strong>in</strong>dustrie auf<br />
e<strong>in</strong>e Wertschöpfungskette, die <strong>in</strong> der Lage ist,<br />
das Wirtschaftswachstum und die Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>er<br />
wachsenden jungen Bevölkerung zu fördern und<br />
gleichzeitig die von der Fast Fashion ausgehenden<br />
Gefahren zu m<strong>in</strong>dern.<br />
Bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts<br />
fristete <strong>Afrika</strong> e<strong>in</strong> Schattendase<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
globalen <strong>Mode</strong>wirtschaft und profitierte nur<br />
am Rande als Rohstofflieferant und als Absatzmarkt<br />
für Fertigwaren. Die Bemühungen <strong>Afrika</strong>s<br />
nach der Unabhängigkeit, die e<strong>in</strong>heimische<br />
Textil- und Bekleidungs<strong>in</strong>dustrie für das Wirtschaftswachstum<br />
zu nutzen, haben nur langsam<br />
Früchte getragen. Doch trotz der endemischen<br />
Herausforderungen hat sich die afrikanische<br />
<strong>Mode</strong> entwickelt. Angetrieben von dynamischen<br />
e<strong>in</strong>heimischen Produktions- und Vertriebsnetzen<br />
hat sie Jahrzehnte der Unterwerfung und<br />
Ausbeutung überstanden und e<strong>in</strong>ige der weltbesten<br />
Designer hervorgebracht. Das 21. Jahrhundert<br />
hat <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong>en Aufschwung der<br />
afrikanischen Kreativwirtschaft erlebt, da e<strong>in</strong>e<br />
neue Generation von Designern modernste<br />
Technologien e<strong>in</strong>setzt, um das Potenzial der<br />
e<strong>in</strong>heimischen Produktionstechniken, Medien<br />
und handwerklichen Fähigkeiten zu nutzen.<br />
<strong>Afrika</strong>s reiches kulturelles und handwerkliches<br />
Erbe kann zusammen mit se<strong>in</strong>em Reichtum an<br />
natürlichen und menschlichen Ressourcen und<br />
der relativen sozioökonomischen Stabilität der<br />
letzten Zeit e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heimische Industrie für die<br />
Herstellung hochwertiger und handwerklich<br />
orientierter Luxusgüter fördern.<br />
Dieses Buch ist <strong>in</strong> drei Kapitel unterteilt. In<br />
Kapitel 1 wird die Geschichte der Entwicklung<br />
der afrikanischen <strong>Mode</strong> unter dem E<strong>in</strong>fluss von<br />
Handel, Kultur, Kolonialismus und Globalisierung<br />
untersucht. Anschließend konzentrieren<br />
wir uns auf das reiche Erbe an Textilien, Accessoires<br />
und Verzierungen.<br />
In Kapitel 2 stellen wir die bedeutendsten<br />
afrikanischen Designer vor – beg<strong>in</strong>nend mit der<br />
Generation der Pionierdesigner, deren Arbeit<br />
e<strong>in</strong>e substanzielle und globale afrikanische<br />
<strong>Mode</strong> angeregt hat. Wir erörtern auch die Erfordernisse<br />
der Entwicklung e<strong>in</strong>er wirklich nachhaltigen<br />
<strong>Mode</strong>- und Luxus<strong>in</strong>dustrie mit <strong>in</strong>ternationaler<br />
Reichweite.<br />
Im letzten Kapitel schließlich kommen die<br />
zeitgenössischen Designer zu Wort, die die<br />
kulturelle Renaissance <strong>Afrika</strong>s gestalten. Auf<br />
den ersten Seiten wird e<strong>in</strong>e breite Palette von<br />
Designern aus den Bereichen Herrenmode,<br />
Damenmode und Accessoires wie Lederwaren<br />
und Schmuck vorgestellt. Es folgen Interviews<br />
mit dreizehn bedeutenden zeitgenössischen<br />
Designern. Jede der vorgestellten Marken, ob<br />
etabliert oder aufstrebend, ist Teil des Kaleidoskops<br />
kreativer Talente <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>s aufstrebender<br />
<strong>Mode</strong><strong>in</strong>dustrie.<br />
9
Seite 6<br />
Yana Design aus der<br />
Kollektion Tropical<br />
Galactica Surreal 2020<br />
von Deola Sagoe.<br />
Seite 8<br />
Origami-besetzte Bluse mit<br />
Puffärmeln und Palazzo-<br />
Hosen mit Corsage aus der<br />
Kollektion Season 3, 2021<br />
von Duaba Serwa.<br />
Gegenüber<br />
Paw Pot Zweifarbdesign<br />
von AAKS. Diese beliebte<br />
M<strong>in</strong>itasche wurde aus<br />
gewebtem Raffiabast <strong>in</strong> der<br />
charakteristischen Form<br />
der Marke gefertigt. Sie ist<br />
mit e<strong>in</strong>em Lederbesatz mit<br />
Fransen akzentuiert und<br />
hat e<strong>in</strong>en Le<strong>in</strong>enbeutel.
KAPITEL 1<br />
Die<br />
Geschichte der<br />
afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
<strong>Mode</strong> ist e<strong>in</strong> gesellschaftliches Phänomen, das<br />
Menschen auf der ganzen Welt im Laufe der<br />
Geschichte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Bann gezogen hat. Grob<br />
gesagt, ist sie der unverwechselbare Kleidungsstil<br />
und Schmuck von Menschen aus verschiedenen<br />
Kulturen und sozialen Schichten. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist sie zugleich konstruktiv und subversiv<br />
und das Ergebnis des Strebens der Menschen<br />
nach sozialem Kapital und Status <strong>in</strong> fast jeder<br />
Gesellschaft. Aufgrund des vorherrschenden<br />
Missverständnisses, dass <strong>Mode</strong> ausschließlich<br />
e<strong>in</strong> Mittel der westlichen <strong>Mode</strong>rne ist, haben die<br />
Bekleidungspraktiken vieler Kulturen <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
und se<strong>in</strong>er Diaspora <strong>in</strong> der konventionellen<br />
<strong>Mode</strong>geschichte wenig Beachtung gefunden.<br />
Heute ist das Narrativ vom »unmodischen«<br />
<strong>Afrika</strong> durchaus umstritten und wird allmählich<br />
durch e<strong>in</strong> überzeugendes Gegennarrativ<br />
ersetzt.<br />
In diesem Kapitel wird zunächst die Geschichte<br />
der Entwicklung der afrikanischen<br />
<strong>Mode</strong> unter den Aspekten Handel, Kultur,<br />
Kolonialismus und Globalisierung untersucht.<br />
Anschließend wird erörtert, auf welche Weise<br />
<strong>Afrika</strong> im Laufe der Jahrhunderte die <strong>Mode</strong><br />
»jenseits von <strong>Afrika</strong>« bee<strong>in</strong>flusst hat. Sodann<br />
wird das reiche Erbe des Kont<strong>in</strong>ents <strong>in</strong> Unterkapiteln,<br />
die sich speziell mit Textilien sowie<br />
Accessoires und Verzierungen befassen, näher<br />
beleuchtet.
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Geschichte – neu erzählt<br />
Die jüngste Medienberichterstattung und Literatur über afrikanische<br />
<strong>Mode</strong> hat ihre Bedeutung als kulturelles Ausdrucksmedium<br />
hervorgehoben, mit e<strong>in</strong>em Kaleidoskop von Textilien, Accessoires<br />
und Kunstformen, die e<strong>in</strong>en wahrhaft dynamischen <strong>Mode</strong>diskurs<br />
bilden. 1 Die reiche Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong> bleibt<br />
jedoch im Kontext der globalen <strong>Mode</strong> weitgehend unerkannt. Hier<br />
wird sie durch die Faktoren Handel, Kultur, Kolonialismus und<br />
Globalisierung neu erzählt und auf dem gesamten Kont<strong>in</strong>ent und<br />
darüber h<strong>in</strong>aus erkundet.<br />
Handel<br />
Vor der Ankunft der ersten europäischen Schiffe trieben die<br />
Bewohner vieler afrikanischer Reiche wie Ghana, Mali und<br />
Songhai Handel über regionale und territoriale Grenzen h<strong>in</strong>weg.<br />
Das Handelsnetz im vorkolonialen <strong>Afrika</strong> war bemerkenswert<br />
komplex, mit Routen, die durch den Westen, die Mitte und den<br />
Norden <strong>Afrika</strong>s und über das Mittelmeer nach Europa führten. Die<br />
Handelszentren waren durch große Fernstraßen mit Sicherheitskontrollen<br />
und Mautstellen <strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bar unwegsamen Wäldern<br />
und weiten Wüstenlandschaften verbunden.<br />
Die Handelswährung variierte zwar, bestand aber hauptsächlich<br />
aus Goldstaub, Mess<strong>in</strong>g, Eisen, Kupfer, Stoffstreifen und<br />
Elfenbe<strong>in</strong>. Im neunten Jahrhundert prägten die Kalifen Nordafrikas<br />
ihre eigenen Goldd<strong>in</strong>are, um mit Kaufleuten aus Spanien und<br />
anderen Teilen Europas Handel zu treiben.<br />
Zwischen dem 5. und dem späten 19. Jahrhundert förderte der<br />
Handel den Aufstieg wohlhabender Städte und großer Reiche,<br />
wobei die Periode <strong>in</strong>terkultureller Interaktionen die materielle<br />
Kultur <strong>Afrika</strong>s <strong>in</strong> Kunst, Architektur und <strong>Mode</strong> bee<strong>in</strong>flusste. Die<br />
Geschichte der <strong>Mode</strong> im vorkolonialen <strong>Afrika</strong> lässt sich durch die<br />
Brille, des Transsaharahandels und des transatlantischen Handels<br />
konzeptualisieren.<br />
14
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Dieser Schnitt aus dem<br />
17. Jahrhundert, Olfert<br />
Dappers Naukeurige<br />
beschrijv<strong>in</strong>ge der<br />
<strong>Afrika</strong>ensche gewesten,<br />
zeigt e<strong>in</strong>e majestätische<br />
Prozession am Hof des<br />
Königreichs von Ben<strong>in</strong><br />
(heutiges Nigeria).<br />
15
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Transsaharahandel<br />
Der Transsaharahandel, der bereits im 5. Jahrhundert<br />
begann, erreichte se<strong>in</strong>en Höhepunkt<br />
zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert <strong>in</strong>folge<br />
der arabischen Invasion Nordafrikas und der<br />
Begünstigung durch versierte islamische<br />
Kaufleute. Die Transsaharahandelsnetze, die<br />
ihren Ursprung <strong>in</strong> Nordafrika hatten und <strong>in</strong> die<br />
weiter südlich gelegenen Regenwaldgebiete<br />
vordrangen, bestanden aus großen Karawanen<br />
von meist berberischen und andalusischen<br />
Maurenhändlern. Die wichtigsten Waren, Gold<br />
und Sklaven, die durch Stammesfehden und<br />
Kriege erbeutet wurden, waren für die nördlichen<br />
Königreiche, die mit weit entfernten<br />
Zivilisationen wie Levante (Westasien) und<br />
Europa Handel trieben, lebenswichtig. Um den<br />
sicheren Transit von Waren und Händlern zu<br />
gewährleisten, boten Stationen entlang der<br />
Hauptrouten Sicherheit und Erfrischung,<br />
während sie gleichzeitig Zölle und Abgaben<br />
erhoben. Die Hafenstädte Sijilmasa (Marokko)<br />
und Oualata (Mauretanien) wurden immer<br />
reicher und erlebten e<strong>in</strong>en bemerkenswerten<br />
soziokulturellen Wandel.<br />
Neben den Hauptwaren für den Austausch<br />
förderte der Handel die Verbreitung e<strong>in</strong>er<br />
breiten Palette von Luxusgütern wie Seidenfasern,<br />
Brokate, Damaste, Seiden und Kleidung<br />
aus fe<strong>in</strong>em Le<strong>in</strong>en und Baumwolle aus Europa<br />
und Ägypten. Durch den Handel erschlossen<br />
sich den lokalen Herstellern neue Märkte,<br />
verbesserte Technologien, neue Materialien und<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen auch qualifizierte Handwerker,<br />
was die e<strong>in</strong>heimische Textil<strong>in</strong>dustrie stark<br />
vorantrieb. Kofar Mata (heute Nordnigeria) war<br />
die Quelle natürlicher Indigo-Farbstoffe für die<br />
Nomadenstämme Nordafrikas, darunter die<br />
Tuareg und Fulani <strong>in</strong> Mali. Bei den Zazzau<br />
entstand e<strong>in</strong>e Produktionskette für Textilien<br />
und Bekleidung mit Baumwollanbau, Sp<strong>in</strong>nerei,<br />
Weberei, Färberei, Schneiderei und Stickerei.<br />
Die Girken Zazzau und die Yar Madaka, beides<br />
volum<strong>in</strong>öse und üppig bestickte Gewänder,<br />
wurden im gesamten Sokoto-Kalifat und im<br />
Sudan zu beliebten Exportartikeln.<br />
Durch den Handel drangen neue soziokulturelle,<br />
politische und religiöse Ideale <strong>in</strong> die<br />
afrikanischen Gesellschaften e<strong>in</strong>. Der Handel<br />
garantierte auch den Wohlstand der großen<br />
Reiche und die damit e<strong>in</strong>hergehende Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>er materiellen Kultur. Bis <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert<br />
verwandelte die steigende Nachfrage<br />
nach e<strong>in</strong>heimischen Baumwoll- und Textilprodukten<br />
große Handels- und Produktionszentren<br />
wie Kano <strong>in</strong> Nettoexporteure von Textilerzeugnissen<br />
– was sich als profitabler erwies als der<br />
aufkeimende Sklavenhandel. Zu den bedeutenden<br />
Handelsstädten, die bis weit <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> florierten, gehören Djenne und<br />
Timbuktu <strong>in</strong> Mali, Goa <strong>in</strong> Songhai, Kaya bei den<br />
Mossi, Salaga <strong>in</strong> Ghana, Dendi im nördlichen<br />
Dahomey, Ife und Kano <strong>in</strong> Nigeria, von denen<br />
sich viele zu Gesellschaften mit luxuriösem<br />
Lebensstil entwickelten.<br />
Handelskarawanen aus Europa und der<br />
Levante brachten nicht nur Waren zum Tausch<br />
mit, sondern auch kostbare Geschenke wie<br />
reich verzierte Kleidung, persische Seide und<br />
Brokat, königliche Tuniken, prächtigen Schmuck<br />
und Gegenstände wie kunstvoll gravierte<br />
Der Berater des Sultans <strong>in</strong><br />
prächtiger Robe aus schimmerndem<br />
Stoff <strong>in</strong> Indigo.<br />
16
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Dolche. Diese Gegenstände dienten als Geschenke<br />
von Kaufleuten oder Abgesandten der<br />
Könige als Geste des guten Willens. Ihre Qualität<br />
und Exotik <strong>in</strong>spirierten und bee<strong>in</strong>flussten<br />
die Kunst, die <strong>Mode</strong> und das Handwerk der<br />
E<strong>in</strong>heimischen. Berichte aus dem 14. Jahrhundert<br />
über den majestätischen Musa I. von Mali<br />
deuten auf e<strong>in</strong>e Fülle kostspieliger Kleidungsstücke,<br />
die teils importiert, teils vor Ort hergestellt<br />
wurden. In Seide und Brokat gekleidet,<br />
unternahm der extravagante Musa e<strong>in</strong>e Pilgerfahrt<br />
nach Mekka <strong>in</strong> Begleitung von über<br />
tausend Sklaven und Dienern, die wertvolle<br />
Geschenke für die Herrscher der fernen Länder<br />
mitbrachten. Der Seidenbrokat, der sich sowohl<br />
auf das Textil als auch auf die Technik bezieht,<br />
zeichnet sich durch komplexe Muster aus<br />
geprägten floralen Elementen aus, die mit<br />
Gold- und Silberfäden verwoben s<strong>in</strong>d. Diese<br />
Technik und ihre spektakulären Produkte waren<br />
zwar e<strong>in</strong>e Besonderheit der persischen Region,<br />
gelangten aber über den Handel an die Königshöfe<br />
<strong>Afrika</strong>s, wo die Peul oder Fulani von Mali<br />
e<strong>in</strong> lokales Know-how entwickelten.<br />
In den detaillierten Berichten islamischer<br />
Gelehrter übernehmen die Könige von Ghana,<br />
Kaw Kaw und Mali sowie der Adel dieser alten<br />
Königreiche Kleidungsstile aus den am Transsaharahandel<br />
beteiligten Regionen. Die Entwicklung<br />
der Kente (siehe S. 38), die ihre Wurzeln <strong>in</strong><br />
den westafrikanischen Bandweberkulturen hat,<br />
profitierte vom Fluss bunter Seidenstoffe durch<br />
die transsaharischen Handelsnetze, die die<br />
Textilzentren <strong>in</strong> Arabien, Spanien und Fes (im<br />
heutigen Algerien) umfassten. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
gewährleisteten die Karawanen durch die<br />
Sahara e<strong>in</strong>e sichere Durchreise für fahrende<br />
Weber und Handwerker.<br />
Transatlantischer Handel<br />
Der Transsaharahandel florierte bis <strong>in</strong>s späte<br />
16. Jahrhundert. Bis zum frühen 18. Jahrhundert<br />
hatte der transatlantische Handel jedoch<br />
die Handelsnetze im Norden <strong>in</strong> den Schatten<br />
gestellt. Die wichtigsten Handelsgüter waren<br />
Gold, Elfenbe<strong>in</strong>, exotische Felle, Gummi arabicum,<br />
Gewürze und Federn, die gegen Textilien,<br />
Glasperlen, Spirituosen, Musketen, genähte<br />
Kleidung und Luxusgüter e<strong>in</strong>getauscht wurden.<br />
Zuvor hatten die beschwerlichen Karawanenreisen<br />
den Umfang und die Vielfalt der gehandelten<br />
Waren e<strong>in</strong>geschränkt, doch nun garantierte<br />
die bemerkenswerte Schnelligkeit der europäischen<br />
Seehändler den Zugang zu e<strong>in</strong>er größeren<br />
Vielfalt an Produkten, von denen viele <strong>in</strong> den<br />
Zwischenlagern an der westafrikanischen Küste<br />
erworben wurden. Während der Transsaharahandel<br />
die e<strong>in</strong>heimische Handwerks<strong>in</strong>dustrie<br />
förderte, wurde diese durch den transatlantischen<br />
Handel geschwächt, da e<strong>in</strong>heimische<br />
Waren wie Textilien und Kleidungsstücke durch<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Importwaren verdrängt wurden.<br />
Der transatlantische Handel hatte tiefgreifende<br />
Auswirkungen auf das soziokulturelle<br />
und wirtschaftliche Gefüge des subsaharischen<br />
<strong>Afrika</strong>s. Schnell fanden europäische<br />
Waren E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die <strong>in</strong>digenen Gesellschaften.<br />
Es war jedoch der Sklavenhandel, der die<br />
größten Veränderungen im sozioökonomischen<br />
Gefüge der afrikanischen Länder südlich der<br />
Sahara e<strong>in</strong>leitete. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
förderte e<strong>in</strong> sprunghafter Anstieg der<br />
Nachfrage nach Sklaven <strong>in</strong> Amerika und<br />
Britisch-West<strong>in</strong>dien neue Strukturen <strong>in</strong> den<br />
lokalen Handelsnetzen, von denen afrikanische<br />
Zwischenhändler profitierten. Entlang der<br />
»Sklavenküste«, <strong>in</strong> Städten wie Lagos, Ane‘ho,<br />
18
Der Salzbehälter wurde von<br />
Meisterhandwerkern aus<br />
Ben<strong>in</strong> aus Elfenbe<strong>in</strong><br />
geschnitzt. Darauf s<strong>in</strong>d<br />
portugiesische Händler mit<br />
langen Haaren, Bärten und<br />
markanten Nasen abgebildet.<br />
Auf der Skulptur ist e<strong>in</strong><br />
portugiesisches Schiff zu<br />
sehen. Aus Ben<strong>in</strong>, Nigeria,<br />
um 1525–1600, Britisches<br />
Museum, London.<br />
Porto Novo, Anomabo, Cape Coast und Elm<strong>in</strong>a,<br />
verfügten zwischengeschaltete Handelsfürsten<br />
über erheblichen E<strong>in</strong>fluss und Macht. Sie<br />
häuften immensen Reichtum an, nicht nur als<br />
Makler, sondern auch als Grundbesitzer, denen<br />
die europäischen Händler Pacht zahlten und<br />
üppige Geschenke <strong>in</strong> Form von Kleidung und<br />
Luxusgütern machten.<br />
19
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Zu den Waren, die sich auf Tausenden<br />
Bestellsche<strong>in</strong>en aus der Mitte des 18. Jahrhunderts<br />
f<strong>in</strong>den, gehören Textilien wie Ch<strong>in</strong>tz,<br />
Damast, Taft, <strong>in</strong>dische Seide, Brokat und Samt.<br />
Zu den Kleidungsstücken europäischer und<br />
britischer Kaufleute gehörten Admiralsmäntel,<br />
Hüte, Hemden, Jacken, Umhänge, Krawatten,<br />
Gürtel, Handschuhe, Strümpfe, Pantoffeln und<br />
Schuhe. Außerdem gab es Haushalts- und<br />
Hygieneartikel wie Seifen und Parfüms. E<strong>in</strong><br />
erheblicher Teil dieser Waren war für die<br />
Versorgung der europäischen Besatzungen von<br />
Sklavenschiffen oder für den Umlauf nur unter<br />
den elitären »Handelsfürsten« an der Küste<br />
bestimmt – wie Thomas Melvil, Gouverneur der<br />
britischen Siedlungen an der Goldküste<br />
(1751–56), feststellte: »Das Land ist voller<br />
Waren, und es gibt nur sehr wenig Nachfrage.« 2<br />
Kultur<br />
Die genaue Zahl ist nicht bekannt, doch <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
leben mehrere tausend verschiedene Völker und<br />
Ethnien mit unterschiedlichen Kulturen. In<br />
vielen vorkolonialen Gesellschaften wie den<br />
Berbern im Norden, den Mande <strong>in</strong> der Sahelzone<br />
und den Akan <strong>in</strong> den Waldregionen herrschten<br />
soziale Ordnung und Zusammenhalt auf der<br />
Grundlage von Königtum, Gottheit und Geme<strong>in</strong>schaft.<br />
Durch diese Instanzen wurden Bräuche<br />
und Normen geschaffen, die das soziale Leben<br />
und den Übergang von Geburt, Pubertät, Heirat<br />
und Tod regeln. Bei jedem dieser Ereignisse<br />
spielte die Kleidung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, denn sie<br />
unterschied zwischen Alter, Beruf, Familienstand<br />
und sozialer Schicht.<br />
In vielen Kulturen spielt die Kleidung bei<br />
Festen und Übergangsriten nach wie vor e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle. Bei den Ngoni <strong>in</strong> Sambia trägt<br />
der oberste Häuptl<strong>in</strong>g während der N‘cwala-<br />
Zeremonie e<strong>in</strong> Löwenfell, um das Geschenk der<br />
ersten Früchte zu feiern. Se<strong>in</strong>e Krieger ersche<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Leoparden-, Gepardenund<br />
Antilopenfellen, die entweder über der<br />
Brust drapiert oder <strong>in</strong> Streifen um die Hüften<br />
gehängt werden. Das Königreich Swasiland ist<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drucksvolles Beispiel für die Beständigkeit<br />
e<strong>in</strong>er afrikanischen Kultur. Das Swasituch<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Rottönen wird mit Knoten<br />
zusammengehalten und ist auch im heutigen<br />
Swasiland e<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>ierendes Element bei<br />
Festen wie dem beliebten Schilftanz. Auch die<br />
zeremonielle Kleidung der Stadtoberhäupter<br />
des nigerianischen Bundesstaates Edo, e<strong>in</strong><br />
spektakuläres rotes Kostüm mit gezackten<br />
Rändern, um die Schuppen des Schuppentiers<br />
zu imitieren, ist e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierendes Schauspiel<br />
am Schnittpunkt von Kultur und Kleidung. E<strong>in</strong><br />
weiteres Beispiel für e<strong>in</strong> reiches kulturelles<br />
Erbe, das bis heute bewahrt wurde, s<strong>in</strong>d die<br />
Dipo-Initiationsriten der Krobo <strong>in</strong> Ghana.<br />
Die zeremonielle Kleidung der Priester und<br />
Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen<br />
bestand aus e<strong>in</strong>fach verfügbaren Materialien<br />
wie R<strong>in</strong>denstoff und Tierhaut. Diese wurden mit<br />
Accessoires aus Elfenbe<strong>in</strong>, Knochen, Kaurischnecken,<br />
Korallenmuscheln und Samen<br />
verziert. Stammesmasken und e<strong>in</strong> Repertoire<br />
an Kopfbedeckungen und Amuletten, denen<br />
mystische Kräfte zugeschrieben werden,<br />
vervollständigten das Ensemble <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />
Kulturen. Die Sumanbrafo-Priester der Ashanti<br />
bedecken sich mit roter Tonerde und schwarzer<br />
Kohle, um die Wildheit ihrer Gottheit abzubilden.<br />
Weiße Umhänge, weiße Kreide und Kaol<strong>in</strong>,<br />
die für Re<strong>in</strong>heit stehen, schmücken die Priester<br />
20
Bewaffneter Palast-Henker<br />
»Abrafour«, der e<strong>in</strong>en<br />
traditionellen Kopfschmuck<br />
aus Kuhfell und<br />
Amuletten trägt. Um se<strong>in</strong>e<br />
Taille ist e<strong>in</strong>e Messerscheide<br />
aus Leopardenfell<br />
geschnallt.<br />
des Orakels <strong>in</strong> vielen afrikanischen Kulturen. In<br />
Simbabwe ist das Retso-Tuch, das wegen se<strong>in</strong>er<br />
mystischen Kräfte verehrt wird, bei traditionellen<br />
Priestern und Wahrsagern immer noch<br />
beliebt. Der rot bedruckte Stoff mit schwarzweißen<br />
Mustern gilt als Tor zur Geisterwelt der<br />
Ahnen. Masken waren e<strong>in</strong> weiteres dom<strong>in</strong>antes<br />
Merkmal der afrikanischen Zeremonien.<br />
Während der anhaltenden Handelsbeziehungen<br />
<strong>Afrika</strong>s mit dem Rest der Welt haben die<br />
Bewohner des Kont<strong>in</strong>ents mit fremden Kulturen<br />
<strong>in</strong>teragiert und bestimmte Normen übernommen.<br />
Diese Assimilierung war jedoch den<br />
E<strong>in</strong>flüssen der Kultur unterworfen. Durch die<br />
Symbolik und die Bedeutungen, die mit Farben<br />
und bestimmten Formen oder Mustern verbun-<br />
den s<strong>in</strong>d, kann e<strong>in</strong> fremder Gegenstand angepasst<br />
werden, se<strong>in</strong>e Bedeutung behalten oder<br />
verlieren. In der Perlenkultur des zentralen und<br />
südlichen <strong>Afrika</strong>s verwenden die Maasai, D<strong>in</strong>ka,<br />
Zulu und Xhosa e<strong>in</strong>e umfangreiche Term<strong>in</strong>ologie,<br />
die sich auf die Farbe des Viehs bezieht, um das<br />
Aussehen und die Verwendung importierter<br />
Perlen zu beschreiben. Bei den Akan <strong>in</strong> Ghana<br />
symbolisiert Rot Verlust und Tragödie und ist für<br />
Trauer geeignet, während Blau und Weiß Re<strong>in</strong>heit<br />
und Sieg darstellen und für Zeremonien zur<br />
Verlobung und Namensgebung verwendet<br />
werden. Diese Symbolik ist <strong>in</strong> vielen Kulturen<br />
von Bedeutung. Die Anpassung fremder Gegenstände<br />
durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heimische kulturelle Sicht<br />
nennen wir »kulturelle Authentifizierung«.<br />
21
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Kolonialismus<br />
Europas großes imperialistisches Unterfangen<br />
<strong>in</strong> <strong>Afrika</strong> vom späten 18. bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhundert<br />
ist nach wie vor e<strong>in</strong> prägendes Phänomen der<br />
afrikanischen Geschichte. Zwar wurden Teile<br />
<strong>Afrika</strong>s bereits durch e<strong>in</strong>e Reihe ausländischer<br />
Mächte kolonialisiert, doch stellt die europäische<br />
Kolonialisierung den dauerhaftesten<br />
E<strong>in</strong>fluss auf das sozioökonomische, politische<br />
und kulturelle Gefüge <strong>Afrika</strong>s dar.<br />
Die Bevölkerung des Kont<strong>in</strong>ents, <strong>in</strong>sbesondere<br />
die <strong>Afrika</strong>ner südlich der Sahara, waren die<br />
Leidtragenden dieser Kolonisierungspolitik, bei<br />
der die traditionellen Monarchien, die Stammesgebiete,<br />
die unterschiedlichen Kulturen und die<br />
natürlichen Grenzen, die seit der Antike bestanden,<br />
nicht berücksichtigt wurden.<br />
Unter den zahlreichen Instrumenten des<br />
Kolonialismus war die Kleidung vielleicht das<br />
wirksamste Medium der Akkulturation, da europäische<br />
<strong>Mode</strong>stile die Kolonien <strong>in</strong> unterschied-<br />
lichem Maße prägten. Neue Bekleidungsnormen<br />
wurden subtil durch die Aktivitäten christlicher<br />
Missionare oder aggressiv durch lokale Strafverfolgungsbehörden<br />
und schädliche politische<br />
Maßnahmen wie den Baumwollimperialismus<br />
e<strong>in</strong>geführt – e<strong>in</strong> politisches Regime, das darauf<br />
abzielte, die Produktionskapazitäten der e<strong>in</strong>heimischen<br />
Textil<strong>in</strong>dustrie zu untergraben und importierte<br />
Textilien zu begünstigen. In Westafrika<br />
machten christliche Pioniermissionen wie die<br />
Basler Mission aus der Schweiz die Übernahme<br />
westlicher Kleidung zur Voraussetzung für die<br />
Teilnahme an christlichen Gottesdiensten und<br />
die E<strong>in</strong>schulung <strong>in</strong> Missionsschulen. Anstand<br />
und Bescheidenheit <strong>in</strong> der Kleidung wurden<br />
zum Leitmotiv aller christlichen Missionen, um<br />
die Abkehr der Konvertiten von »archaischen«<br />
Normen zu symbolisieren. Im französischen<br />
kolonialen <strong>Afrika</strong> stand der Wunsch im Vordergrund,<br />
die kolonialen Untertanen durch<br />
die Macht der Kleidung zu »zivilisieren«. Die<br />
Gegenüber<br />
Ekoko n‘Uteh, Maskenträger<br />
aus der Uteh-Geme<strong>in</strong>schaft,<br />
die mit roten Federn geschmückte<br />
Masken tragen,<br />
tanzen zu Ehren des Oba von<br />
Ben<strong>in</strong>. Sie tragen Raphiaschoten<br />
um die Knöchel, die beim<br />
Tanzen klappern.<br />
Rechts<br />
Herero-Frauen <strong>in</strong> Südwestafrika<br />
(dem heutigen Namibia)<br />
während der deutschen<br />
Kolonialherrschaft im Jahr<br />
1904. Das Gruppenbild, das <strong>in</strong><br />
der Berl<strong>in</strong>er Illustrierten<br />
Zeitung veröffentlicht wurde,<br />
zeigt Frauen <strong>in</strong> langen<br />
Kleidern und Uniformen mit<br />
Kopftüchern.<br />
23
Franzosen führten die strengsten kolonialen<br />
Mechanismen e<strong>in</strong>, die so weit g<strong>in</strong>gen, dass sie<br />
<strong>Afrika</strong>nern, die sich von alten Traditionen lossagten<br />
und französische Ideale annahmen, die<br />
Staatsbürgerschaft zuerkannten. Die Portugiesen<br />
führten ihre Version dieses Verfahrens e<strong>in</strong>,<br />
die als »assimilação« bekannt ist. Die Kleidung<br />
erwies sich jedoch nicht nur als wesentlicher<br />
Bestandteil des Kolonialismus, sondern diente<br />
auch als Mittel zur Anfechtung des kolonialen<br />
Diktats. Durch die Kleidung wurden neue kulturelle<br />
Normen nicht nur assimiliert, sondern<br />
auch verändert oder gänzlich abgelehnt.<br />
Der Widerstand gegen die Assimilierung<br />
fremder Kulturen hat zu e<strong>in</strong>igen überraschenden<br />
Ergebnissen geführt. Die Siswati im südafri-<br />
kanischen Königreich Swasiland beispielsweise<br />
schneiden und nähen importierte Textilien nicht<br />
wie e<strong>in</strong>heimische Felle und Leder, sondern<br />
halten sie mit Knoten oberhalb der Schulter<br />
zusammen. In bestimmten Teilen Südafrikas<br />
trugen die Männer nur e<strong>in</strong> Hemd mit Knopfleiste<br />
oder e<strong>in</strong>e Hose getrennt, aber nie zusammen,<br />
sehr zum Leidwesen der britischen nonkonformistischen<br />
Mission. Junge Männer aus Kongo-<br />
Brazzaville trugen ihre Hemden ebenfalls nicht<br />
zugeknöpft, weil das zugeknöpfte Hemd e<strong>in</strong>e<br />
Konvention des weißen Mannes war. In den<br />
1950er-Jahren entfachte das Bestreben, den<br />
Hidschab <strong>in</strong> der französischen Kolonie Algerien<br />
abzuschaffen, den heftigsten Aufstand unter der<br />
Führung unsche<strong>in</strong>barer »Konformist<strong>in</strong>nen«, die
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Gegenüber<br />
Die Sapeure aus dem Kongo<br />
schlendern <strong>in</strong> zweiteiligen<br />
Anzügen, Lederstiefeln und<br />
W<strong>in</strong>terschals durch e<strong>in</strong><br />
Township <strong>in</strong> Brazzaville. Sie<br />
adaptieren das Lexikon des<br />
europäischen Stils, um das<br />
erschütternde Erbe des<br />
Kolonialismus anzufechten<br />
und zu unterlaufen.<br />
Rechts<br />
Schüler und Lehrer tanzen<br />
Zaire während e<strong>in</strong>es Festes<br />
<strong>in</strong> Kimpese, e<strong>in</strong>er Stadt <strong>in</strong><br />
der Demokratischen Repu -<br />
blik Kongo. Sie tragen<br />
afrikanischen Wachsdruck,<br />
der <strong>in</strong> vielen afrikanischen<br />
Ländern allgegenwärtig ist.<br />
vor den Augen der örtlichen Behörden Waffen<br />
versteckten und damit handelten. Ironischerweise<br />
nutzen die Sapeurs (aus dem Französischen<br />
»La Sape«, Slang für »schick gekleidet«<br />
und e<strong>in</strong> Akronym für »Société des Ambianceurs<br />
et des Personnes Élégantes«) von K<strong>in</strong>shasa und<br />
Brazzaville, e<strong>in</strong>e Subkultur, die im Widerstand<br />
gegen die <strong>Afrika</strong>nisierungspolitik von Präsident<br />
Mobutu Sese Seko entstanden ist, genau das<br />
Objekt der kolonialen Unterwerfung für ihren<br />
Protest und sozialen Aktivismus. Die Sapeurs<br />
mit ihren schnittigen Anzügen, verschnörkelten<br />
Accessoires, Tabakspfeifen und Taschenuhren<br />
waren alles andere als e<strong>in</strong>e Ode an den Kolonialismus,<br />
sondern e<strong>in</strong>e Frage der Identität und der<br />
Freiheit der Kleidung.<br />
Durch die <strong>in</strong>tensiven Begegnungen mit den<br />
Europäern zeigten sich die Westafrikaner am<br />
empfänglichsten für neue <strong>Mode</strong>n. Die Übernahme<br />
vieler westlicher Ideale war jedoch <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>heimischen<br />
Traditionen verankert. Der Erfolg der<br />
importierten Textilien aus dem 19. Jahrhundert –<br />
vor allem der Wachsimitationen (siehe oben sowie<br />
S. 26 und 50) – lässt sich beispielsweise auf die<br />
Vorliebe der Westafrikaner für farbenfrohe<br />
Insignien wie das Kentetuch zurückführen (siehe<br />
S. 38). Darüber h<strong>in</strong>aus hat die demografische<br />
Verschiebung von der älteren und konservativeren<br />
Bevölkerung h<strong>in</strong> zu jungen Erwachsenen, die unter<br />
dem E<strong>in</strong>fluss der Missionare und der Kolonialmasch<strong>in</strong>erie<br />
aufgewachsen waren, die rasche<br />
Übernahme fremder Kleidungsstile begünstigt.<br />
25
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Globalisierung<br />
Der Mann, der bald der erste Präsident Ghanas<br />
werden sollte, proklamierte die Unabhängigkeit<br />
von der britischen Kolonialherrschaft <strong>in</strong> Fugu<br />
(e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heimischen Kleidungsstück aus dem<br />
Norden Ghanas) und war sich der Semiotik der<br />
<strong>Mode</strong> sehr bewusst. Während der vielbeachteten<br />
Amtse<strong>in</strong>führung griff Dr. Kwame Nkrumah<br />
auf e<strong>in</strong>e Vielzahl traditioneller Textilien und<br />
Kleidungsformen wie das Kente-Tuch (siehe<br />
S. 38) zurück, um <strong>in</strong> fesselnder Prosa zu verkünden,<br />
was er als die Geburt e<strong>in</strong>es neuen<br />
<strong>Afrika</strong>s bezeichnete. Zweifelsohne stärkten<br />
Nkrumahs Kleider-Ouvertüren die Entschlossenheit<br />
se<strong>in</strong>er Regierung und anderer führender<br />
Persönlichkeiten <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>, gefährdete<br />
Traditionen und e<strong>in</strong> Erbe, das durch die verheerenden<br />
W<strong>in</strong>de der Globalisierung bedroht ist.<br />
Im Laufe der Geschichte der umfangreichen<br />
Interaktion <strong>Afrika</strong>s mit fremden Kulturen haben<br />
die Auswirkungen der Globalisierung den Kont<strong>in</strong>ent<br />
durchdrungen, <strong>in</strong>sbesondere die Textil- und<br />
Bekleidungs<strong>in</strong>dustrie. Am deutlichsten wurden<br />
diese Auswirkungen im 20. Jahrhundert, und<br />
zwar nicht nur wegen der Integration von Kultu-<br />
ren durch Reisen, Medien und Technologie,<br />
sondern auch wegen der Entstehung e<strong>in</strong>er<br />
globalen Lieferkette, <strong>in</strong> der Waren und Arbeitskräfte<br />
schnell zirkulieren. Infolgedessen s<strong>in</strong>d das<br />
T-Shirt und Kleidungsstücke wie der zweiteilige<br />
Anzug zu festen Bestandteilen der afrikanischen<br />
Kleidungslandschaft geworden und e<strong>in</strong> dauerhaftes<br />
Zeugnis für die Macht der Globalisierung.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Beispiel ist der imitierte »afrikanische«<br />
Wachsdruck, der von e<strong>in</strong>heimischen<br />
Kulturen <strong>in</strong>spiriert ist, aber überwiegend aus<br />
Asien und Europa stammt. Die Geschichte der<br />
Wachsimitation, die an der Schnittstelle von<br />
Globalisierung, kultureller Aneignung und<br />
Kolonialisierung entstanden ist, sorgt für zwiespältige<br />
Gefühle.<br />
Obwohl Mitte der 1960er-Jahre europäische<br />
Stile <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong> allgegenwärtig waren, ermöglichte<br />
das Zusammentreffen westlicher Formen und<br />
lokalen Geschmacks e<strong>in</strong>e Vermischung afrikanischer<br />
und europäischer Ästhetik: Hemden,<br />
Kleider und Abendkleider aus Wachsimitatdrucken<br />
(siehe S. 38) und e<strong>in</strong>heimischen Textilien<br />
ersetzten mühelos fade Baumwollhemden und<br />
-blusen. Da es ke<strong>in</strong>e professionellen <strong>Mode</strong>desig-<br />
L<strong>in</strong>ks<br />
M<strong>in</strong>ister der Ghanaischen<br />
Regierung. In der Mitte sitzt<br />
Osagyefo Dr. Kwame<br />
Nkrumah, Ghanas erster<br />
Präsident, 17. Juli 1956.<br />
Gegenüber<br />
Osibisa, die legendäre<br />
afro-karibische Rockband,<br />
bee<strong>in</strong>druckte die Welt mit<br />
ihrer gefühlvollen und<br />
ekstatischen Musik und<br />
ihrer <strong>Mode</strong>.
ner gab, spezialisierten sich die von den Missionaren<br />
ausgebildeten Näher<strong>in</strong>nen auf das Ausbessern<br />
alter Kleidung und auf Maßanfertigun -<br />
gen auf der Grundlage trendiger <strong>Mode</strong>magaz<strong>in</strong>e.<br />
Die postkolonialen Jahrzehnte <strong>Afrika</strong>s brachten<br />
e<strong>in</strong>e Fülle von <strong>Mode</strong>stilen hervor, die stark von<br />
der westlichen Popkultur, der Unterhaltungs<strong>in</strong>dustrie<br />
und den euphorischen politischen und<br />
sozialen Bewegungen bee<strong>in</strong>flusst waren – von<br />
den Jackson 5 und ihren charakteristischen Afro-<br />
Haaren und Schlaghosen bis h<strong>in</strong> zu den supercoolen<br />
Beatles und dem raff<strong>in</strong>ierten Look von<br />
Präsident John F. Kennedy war die modische<br />
Inspiration überall zu f<strong>in</strong>den. Die Afro-Rockband<br />
Osibisa eroberte die Welt mit ihrer Gute-Laune-<br />
Musik und ihren farbenfrohen Gewändern: e<strong>in</strong>e<br />
Verschmelzung von Stilen, v. a. e<strong>in</strong>heimischer<br />
afrikanischer Textilien.<br />
Die Globalisierung wirkte sich auch auf den<br />
Stil der afrikanischen Pioniere aus, von denen<br />
viele an renommierten <strong>Mode</strong>schulen <strong>in</strong> Europa<br />
ausgebildet wurden (siehe S. 64–72).<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus wurde der Standort für die<br />
E<strong>in</strong>ordnung des afrikanischen Designers unwichtig,<br />
da »das Leben <strong>in</strong> der Diaspora e<strong>in</strong>ige<br />
Designer näher an ihr afrikanisches Erbe heran-<br />
27
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
führen kann«. 3 E<strong>in</strong> typisches Beispiel ist Yves Sa<strong>in</strong>t<br />
Laurent, der <strong>in</strong> Algerien geborene französische<br />
Designer, der se<strong>in</strong>e nordafrikanische Herkunft<br />
romantisierte. Als Wunderk<strong>in</strong>d des 20. Jahrhunderts<br />
scheute Sa<strong>in</strong>t Laurent nicht davor zurück, <strong>Afrika</strong> <strong>in</strong><br />
den Vordergrund zu stellen, und präsentierte<br />
fasz<strong>in</strong>ierende Kollektionen wie die von Andy Warhol<br />
<strong>in</strong>spirierte African Collection (1967), Safari (1968)<br />
und Moroccan (1970). Er verbrachte e<strong>in</strong>en Großteil<br />
se<strong>in</strong>er letzten Jahre <strong>in</strong> Marokko, wo se<strong>in</strong> Vermächtnis<br />
im Musée Yves Sa<strong>in</strong>t Laurent weiterlebt.<br />
Sechs Designs von Yves<br />
Sa<strong>in</strong>t Laurent <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Hommage an die Haute-<br />
Couture-Kollektion<br />
Bambara art. SS 67 Haute<br />
Couture Collection. Centre<br />
Pompidou, Paris, 22. Januar<br />
2002.<br />
28
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Aus <strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> die Welt<br />
<strong>Afrika</strong> leidet unter dem paradoxen »Ressourcenfluch«:<br />
Es ist die Heimat fast aller bekannten<br />
M<strong>in</strong>eralien und Edelmetalle und hat dennoch<br />
e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres Wirtschaftswachstum als<br />
Regionen, die mit weniger natürlichen Ressourcen<br />
gesegnet s<strong>in</strong>d. Rohstoffe wie landwirtschaftliche<br />
Erzeugnisse, Holz und Kautschuk,<br />
die für die globale Luxuswirtschaft unverzichtbar<br />
s<strong>in</strong>d, gibt es auf dem Kont<strong>in</strong>ent im Überfluss.<br />
Der Okoumé-Baum zum Beispiel war<br />
trotz se<strong>in</strong>er Robustheit das beste Holz für die<br />
Herstellung von Louis-Vuitton-Koffern im<br />
19. Jahrhundert. Im Schmuckbereich kann<br />
<strong>Afrika</strong>s Beitrag zur Wertschöpfungskette der<br />
Luxus<strong>in</strong>dustrie gar nicht hoch genug e<strong>in</strong>geschätzt<br />
werden. Seit den Anfängen des Transsaharahandels<br />
hat das Gold aus den M<strong>in</strong>en im<br />
westlichen und südlichen <strong>Afrika</strong> die Weltmärkte<br />
beliefert und alles von Thronen über Gewänder<br />
bis h<strong>in</strong> zu kostbarem Schmuck und erlesenen<br />
Möbeln <strong>in</strong> der westlichen Zivilisation<br />
geschmückt.<br />
Jutta Wimmlers Werk aus dem Jahr 2017,<br />
The Sun K<strong>in</strong>g‘s Atlantic, untersucht die selten<br />
erforschten Handelsaktivitäten zwischen<br />
Westafrika und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert.<br />
4 Sie stellt fest, dass das Angebot und<br />
die Menge an Materialien wie Elfenbe<strong>in</strong>, Harthölzer,<br />
Farbstoffe und Gummiarabikum, die<br />
während des reichen Zeitalters der französischen<br />
Kultur und Kunst nach Frankreich<br />
importiert wurden, das lokale Kunsthandwerk<br />
beflügelten und das Wachstum der Luxus<strong>in</strong>dustrie<br />
<strong>in</strong> Europa förderten. Sonnenkönig Ludwig<br />
XIV. (reg. 1643–1715) leitete mithilfe se<strong>in</strong>es<br />
treuen M<strong>in</strong>isters Jean-Baptiste Colbert, nach<br />
dem das Comité Colbert, e<strong>in</strong> Zusammenschluss<br />
französischer <strong>Mode</strong>schöpfer, benannt ist, die<br />
umfangreichste <strong>in</strong>ternationale Handels- und<br />
Kulturpolitik, die es je <strong>in</strong> Europa gab. Damals<br />
wurde Frankreich zu e<strong>in</strong>em Zentrum der <strong>Mode</strong>.<br />
Diese Renaissance der französischen Kultur<br />
und Kunst unter Ludwig XIV. profitierte <strong>in</strong><br />
hohem Maße von den Waren aus dem atlantischen<br />
Handel, <strong>in</strong>sbesondere aus Senegambia,<br />
der Region zwischen dem Senegalfluss im<br />
Norden und dem Gambiafluss im Süden.<br />
Von der afrikanischen Küste erhielten<br />
Frankreich und das übrige Europa Gummiarabikum,<br />
e<strong>in</strong> Textilharz, das als wesentliches<br />
Verdickungsmittel diente und <strong>in</strong> der französischen<br />
Textil<strong>in</strong>dustrie zusammen mit Beizmitteln<br />
und Farbstoffen verwendet wurde. Dieser<br />
lebenswichtige Inhaltsstoff half Frankreich und<br />
Europa beim Übergang zu e<strong>in</strong>er breiteren<br />
Palette künstlicher Farbstoffe. Gummiarabikum<br />
war auch wichtig für die Leder<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong><br />
Senegambia, wo es auf Ziegenfelle aufgetragen<br />
wurde, um deren Qualität und Glanz zu verbessern,<br />
was vermutlich die französischen Gerber<br />
bee<strong>in</strong>flusste, die es <strong>in</strong> ähnlicher Weise anwendeten,<br />
um e<strong>in</strong>en brillanten Lederglanz zu<br />
erzielen. Lederarbeiter <strong>in</strong> Frankreich behandelten<br />
auch beschädigte Häute mit Gummiarabikum,<br />
um kle<strong>in</strong>ere Mängel und Löcher auszubessern.<br />
Wimmler ist der Me<strong>in</strong>ung, dass leicht<br />
verfügbare natürliche Ressourcen wie Gold,<br />
Diamanten, Elfenbe<strong>in</strong>, Leder, Ambra, Zibet (zur<br />
Herstellung von Moschus), Holz und das e<strong>in</strong>st<br />
unentbehrliche Gummiarabikum die Produktivität<br />
und die <strong>in</strong>dustriellen Kapazitäten <strong>in</strong> Europa<br />
stark verbesserten und damit die Demokratisierung<br />
von Produkten vorantrieben, die zuvor den<br />
Reichen vorbehalten waren.<br />
29
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
<strong>Afrika</strong>nische Ästhetik <strong>in</strong> der<br />
globalen <strong>Mode</strong><br />
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, als die erste<br />
Generation ambitionierter afrikanischer <strong>Mode</strong>designer<br />
die Couture-Welt im Sturm eroberte<br />
(siehe S. 62), tauchte die kuriose und exotische<br />
Ästhetik <strong>Afrika</strong>s <strong>in</strong> der europäischen <strong>Mode</strong> nur<br />
sporadisch auf. Zu den frühen Trends gehört die<br />
»<strong>Mode</strong> à la girafe«, e<strong>in</strong> <strong>Mode</strong>trend, der 1827<br />
nach der Präsentation e<strong>in</strong>er Giraffe durch den<br />
ägyptischen Vizekönig Muhammad Ali bei König<br />
Karl X. von Frankreich <strong>in</strong> Paris E<strong>in</strong>zug hielt.<br />
Die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun<br />
1922 und die anschließende Welttournee<br />
der Grabbeigaben lösten e<strong>in</strong>en weltweiten<br />
Trend aus, der als »Tutmania« bekannt wurde.<br />
Im Bereich der Haute Couture war Paul Poirets<br />
Tanger aus dem Jahr 1920, e<strong>in</strong>e Kreation der<br />
Belle Epoque, dem Akhnif, e<strong>in</strong>em Mantel aus<br />
der marokkanischen Region des Hohen Atlas,<br />
sehr ähnlich. Poiret fängt die Exotik <strong>Afrika</strong>s<br />
auch durch e<strong>in</strong>e Reihe von Textilien e<strong>in</strong>, die er<br />
bei Rodier, e<strong>in</strong>em französischen Textilhersteller,<br />
<strong>in</strong> Auftrag gibt. Weitere Designer, die sich mit<br />
afrikanischer <strong>Mode</strong> beschäftigten, waren<br />
Marie-Louise Carvens Kollektionen der 1950er-<br />
Jahre mit Kleidern, Badeanzügen und Tüchern<br />
aus Wachsdrucken, Batik- und Raffiastoffen,<br />
der <strong>in</strong> Algerien geborene Yves Sa<strong>in</strong>t Laurent, der<br />
1967 e<strong>in</strong>e Kollektion von Bambara-Kleidern<br />
herausbrachte, und Missoni mit se<strong>in</strong>er Kollektion<br />
Africa di Missoni <strong>in</strong> den 1990er-Jahren. 5<br />
Die afrikanische <strong>Mode</strong> durchdrang die westliche<br />
Kultur durch Migration und <strong>in</strong>formelle<br />
Handelsnetze. Das Dashiki, e<strong>in</strong>e locker sitzende<br />
Tunika aus gewebten oder bedruckten Stoffen,<br />
kam mit dem Gepäck von Freiwilligen des<br />
Friedenskorps, die aus <strong>Afrika</strong> zurückkehrten, <strong>in</strong><br />
die Vere<strong>in</strong>igten Staaten. Das Dashiki wurde durch<br />
Filme, Afro-Pop und Rockmusik weiter popularisiert<br />
und symbolisierte die Respektlosigkeit gegenüber<br />
orthodoxer <strong>Mode</strong> <strong>in</strong> der Hippie-Ära. Das<br />
Dashiki und e<strong>in</strong> breites Repertoire an Kleidern mit<br />
Ankara-Pr<strong>in</strong>t, bestickten Boubous und Afro-Haaren<br />
wurden identitätsstiftend für die schwarzen<br />
nationalistischen Bewegungen der 1960er-Jahre.<br />
Bis heute s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> vielen afroamerikanischen<br />
Communities <strong>in</strong> den USA zu f<strong>in</strong>den.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus durchdr<strong>in</strong>gt der immerwährende<br />
Trend zu Tiermotiven, <strong>in</strong>spiriert von den<br />
Hautkostümen afrikanischer Könige, die weltweite<br />
<strong>Mode</strong>. Leopardenkleider, die Streifen des<br />
Zebras und des Tigers und sogar die Flecken der<br />
Hyäne s<strong>in</strong>d nach wie vor en vogue.<br />
30
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Gegenüber<br />
<strong>Mode</strong> à la girafe – die von<br />
der Giraffe <strong>in</strong>spirierte <strong>Mode</strong><br />
im Frankreich der späten<br />
1820er-Jahre. Die Ankunft<br />
des neugierigen exotischen<br />
Tieres <strong>in</strong>spirierte<br />
Tausende von Drucken,<br />
Spielzeugen, Flugblättern,<br />
Keramikwaren, <strong>Mode</strong> und<br />
sogar Lebensmitteln. Diese<br />
Episode war jedoch nicht<br />
die erste. Bereits 1749 gab<br />
es e<strong>in</strong>e mode au rh<strong>in</strong>océros<br />
und 1786 e<strong>in</strong>e mode au<br />
zèbre. Aus Le journal des<br />
dames et des modes,<br />
25. Juni 1827.<br />
Rechts<br />
Marie-Louise Carven,<br />
Design für die Sommerkollektion<br />
1949. Dieses<br />
Design für e<strong>in</strong> Kleid heißt<br />
»Afrique«.<br />
31
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
E<strong>in</strong> textiles Erbe<br />
Im Laufe der Geschichte dienten Textilien als Medium für die<br />
Vermittlung und Bewahrung der afrikanischen Kultur und<br />
Traditionen. Weit über ihren Nutzen h<strong>in</strong>aus stellen Textilien e<strong>in</strong><br />
Handwerk und e<strong>in</strong>e Kunstform dar: Durch die e<strong>in</strong>drucksvollen<br />
Muster, Symbole und Motive zahlreicher afrikanischer Textilien<br />
wurden entscheidende Ereignisse festgehalten, Legenden<br />
verewigt, religiöse Überzeugungen und Bräuche sowie Familienerbschaften<br />
verankert.<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl e<strong>in</strong>heimischer Textilien und Kleidungsstücke<br />
aus Baumwolle, Raffiabast, Seide und Wolle s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong> seit<br />
der Antike weit verbreitet. Bei Ausgrabungen wurden <strong>in</strong> Nubien<br />
Baumwolltextilien aus dem 1. bis 7. Jahrhundert gefunden,<br />
während Berichte aus dem 11. Jahrhundert über das Königreich<br />
Takrur im Norden Senegals von e<strong>in</strong>er lebhaften Textilwirtschaft<br />
zeugen, <strong>in</strong> der viele Häuser ihren eigenen »Baumwollbaum«<br />
besaßen. Kle<strong>in</strong>e Keramiksp<strong>in</strong>nwirtel <strong>in</strong> Gebieten wie Mauretanien,<br />
Senegal, Gu<strong>in</strong>ea, Mali und Nordghana weisen auf die<br />
Weberei <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong> h<strong>in</strong>.<br />
<strong>Afrika</strong>s Textilwirtschaft ist weitreichend und vielfältig und<br />
wird durch e<strong>in</strong> Netz von Webern, Verbrauchern und Händlern aus<br />
dem In- und Ausland gefördert. Auf den Textilmärkten <strong>in</strong> den<br />
kosmopolitischen Zentren f<strong>in</strong>det der neugierige Verbraucher<br />
e<strong>in</strong>e große Auswahl an gewebten, gefärbten, gestempelten und<br />
bedruckten Stoffen, von denen e<strong>in</strong>ige handgewebt und andere <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>dustriellen Fabriken bedruckt werden. Die Textilien unterscheiden<br />
sich je nach den verwendeten Fasern, dem Färbeverfahren<br />
und der Zusammensetzung der Farbstoffe. In jüngster<br />
Zeit haben fortschrittliche Drucktechniken zu e<strong>in</strong>er großen<br />
Vielfalt bei der Oberflächengestaltung und -veredelung geführt,<br />
sodass Designern e<strong>in</strong>e Reihe afrikanischer oder afrikanisch<br />
<strong>in</strong>spirierter Stoffe aus Seide, Chiffon und Organza angeboten<br />
werden. Trotz der Bedrohung durch billige Textilimporte haben<br />
sich viele handgewebte e<strong>in</strong>heimische Textilien durchgesetzt.<br />
32
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Kuba-Tänzer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewebten Raffia-<br />
Rock <strong>in</strong> der Demokratischen Republik<br />
Kongo. Die von Häuptl<strong>in</strong>gen oder Männern<br />
hohen Ranges getragenen Kuba-Stoffe<br />
zeigen ihren Status <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Kuba-Community.<br />
33
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Gewebte Geschichten und alte<br />
Stoffe<br />
Die Geschichte der afrikanischen Textilien ist<br />
so <strong>in</strong>teressant und vielfältig wie die Textilien<br />
selbst. Zu den frühesten Bekleidungsformen im<br />
prähistorischen <strong>Afrika</strong> gehörten Materialien<br />
wie Baumr<strong>in</strong>de, Lederhäute von Wildtieren und<br />
Hüftgürtel aus Fasern der Raffiapalme. In den<br />
Königsgräbern des alten Ägypten s<strong>in</strong>d Schürzen,<br />
Umhänge, Penishüllen und Sandalen aus<br />
Leder, Papyrus, Le<strong>in</strong>en und Palmfasern erhalten<br />
geblieben.<br />
Le<strong>in</strong>en aus Flachs war das vorherrschende<br />
Textil für Kleidung, Bettdecken und Mumienhüllen.<br />
Die fe<strong>in</strong>sten Garne ergaben e<strong>in</strong>e üppigere<br />
Textur für die Herstellung von Hemden, Kleidern,<br />
Gewändern und Tuniken. Le<strong>in</strong>entuniken wurden<br />
mit geometrischen Motiven bedruckt oder mit<br />
goldenen Accessoires und Halbedelste<strong>in</strong>en<br />
verziert, um den Status ihrer Träger zu kennzeichnen.<br />
Auch im nubischen Königreich,<br />
unmittelbar südlich von Ägypten, wurde Leder<br />
für die Herstellung von Lendenschurzen, Röcken,<br />
Gürteln, Sandalen und Hüten verwendet.<br />
Historiker haben festgestellt, dass es <strong>in</strong><br />
<strong>Afrika</strong> e<strong>in</strong>e vollständig e<strong>in</strong>heimische Textil<strong>in</strong>dustrie<br />
gibt, wenn auch mit erheblichen E<strong>in</strong>flüssen<br />
von Kulturen aus dem Mittelmeerraum. In<br />
Nordafrika haben die e<strong>in</strong>fallenden Weltmächte,<br />
darunter die Perser, Griechen, Phönizier, Römer<br />
und Araber, das textile Erbe der Region stark<br />
geprägt. In Westafrika förderte die vergleichsweise<br />
ger<strong>in</strong>ge Interaktion mit anderen Kulturen<br />
die Entwicklung e<strong>in</strong>er dynamischen und unabhängigen<br />
Textilwirtschaft. Unter den zahlreichen<br />
Webtechniken hat die Bandweberei die längste<br />
Geschichte, die <strong>in</strong> den Tellem-Höhlen <strong>in</strong> Mali<br />
nachgewiesen wurde. Die auf e<strong>in</strong>fachsten<br />
Webstühlen mit e<strong>in</strong> oder zwei Blättern gewebten<br />
Stoffstreifen wurden entweder zu e<strong>in</strong>em breiteren<br />
Stück Stoff zusammengenäht oder als<br />
Tauschobjekt für Waren verwendet. Während die<br />
Ursprünge und die historische Entwicklung der<br />
afrikanischen Webstühle und Webtechniken<br />
unklar s<strong>in</strong>d, haben Historiker e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen afrikanischen und asiatischen oder<br />
nahöstlichen Webstühlen hergestellt, da diese<br />
e<strong>in</strong>e auffällige Ähnlichkeit aufweisen. Es ist<br />
jedoch wahrsche<strong>in</strong>lich, dass viele afrikanische<br />
Webstühle erheblich modifiziert wurden, um sich<br />
den lokalen Erfordernissen anzupassen.<br />
Über Jahrhunderte h<strong>in</strong>weg waren die Zentren<br />
der Textilproduktion durch den Handel<br />
mite<strong>in</strong>ander verbunden. Das ausgedehnte Netz<br />
alter Produktions- und Handelszentren erstreckte<br />
sich über Sanga und Kumbi-Saleh <strong>in</strong><br />
Mali, Tegdaoust <strong>in</strong> Mauretanien, Ogo im Königreich<br />
Takrur im heutigen Senegal, Kano <strong>in</strong><br />
Nigeria und Niani <strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea. In jeder Region<br />
wurden Materialien wie Flachs, Wolle, Wildseide,<br />
Baumwolle, Raffiabast und Bastfasern<br />
gekonnt e<strong>in</strong>gesetzt. Während zum Beispiel die<br />
Baumwollweberei weit verbreitet war, beschränkte<br />
sich die e<strong>in</strong>heimische Produktion von<br />
gewebter Seide hauptsächlich auf Nigeria, wo<br />
das Seidengarn von e<strong>in</strong>er wilden Mottenart, der<br />
Anaphe, gewonnen wurde. In Mali belegen<br />
Grabbeigaben am Bandiagara-Steilhang die<br />
Verwendung von Baumwolle als bevorzugtes<br />
Material für Tuniken, Hüte und Lendenschurze.<br />
Die Kuba im Kongo, e<strong>in</strong> Verbund von rund 20<br />
Ethnien, s<strong>in</strong>d für ihre Kunstfertigkeit im Umgang<br />
mit der Raffiafaser bekannt.<br />
Durch den Handel und die Wanderweber<br />
wurde die Textil<strong>in</strong>dustrie sowohl von e<strong>in</strong>heimi-<br />
34
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
E<strong>in</strong> Kente-Weber mit<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen<br />
Webstuhl.<br />
schen als auch von fremden Kulturen stark<br />
bee<strong>in</strong>flusst. Die Peul oder Fulani <strong>in</strong> Mali beherrschten<br />
die komplizierte Technik des Brokatierens,<br />
e<strong>in</strong>e der wichtigsten Techniken der<br />
andalusischen Mauren. Importierte Kleidungsstücke<br />
mit aufwendigen Stickereien und bunten<br />
Brokatmotiven waren nicht nur wertvolle<br />
Geschenke für die Monarchen, sondern auch e<strong>in</strong><br />
Bezugspunkt für die lokale Handwerkskunst. Ab<br />
dem 17. Jahrhundert wurden die Seidentextilien<br />
der Ashanti- und Ewe-Stämme hergestellt,<br />
<strong>in</strong>dem die Fäden des Seidenstoffs aufgedreht<br />
wurden. Trotz der e<strong>in</strong>fachen Webstühle wurden<br />
komplizierte Textilien wie das Shoowa-Tuch, das<br />
Kente, das Aso-oke und das Akotifahana<br />
gewebt.<br />
35
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Shoowa<br />
Die Menschen im alten Anziku-Königreich, das<br />
sich über das heutige Gabun, die Republik<br />
Kongo und die Demokratische Republik Kongo<br />
erstreckte, fertigten kunstvolle Stoffe aus<br />
Raphiafasern, Schmuck und besondere Insignien,<br />
die die Zugehörigkeit zu angesehenen<br />
Familien kennzeichneten. Europäische Reisende<br />
staunten über die Qualität und die<br />
hervorragende Verarbeitung der Raphiastoffe<br />
und verglichen sie mit Samt, Taft, Sat<strong>in</strong> und<br />
Damast. Der spektakuläre Shoowa-Stoff (nach<br />
dem Kuba-Königreich auch als Kuba-Stoff<br />
bekannt) wird traditionell sowohl von Männern<br />
als auch von Frauen hergestellt. Der Webprozess<br />
beg<strong>in</strong>nt mit dem Ernten, Abstreifen,<br />
Trocknen und Schlagen der Raffiapalme, um die<br />
Fasern zu gew<strong>in</strong>nen. Anschließend wird gesponnen<br />
und gewebt, wobei die Vorbereitungsund<br />
Webarbeiten hauptsächlich von Männern<br />
durchgeführt werden. Das fertige Textil kann<br />
durch Applikationen, Patchwork oder Lackfärbung<br />
weiter veredelt werden, bevor es zu<br />
Taschen, Kleidungsstücken und Dekorationsgegenständen<br />
verarbeitet wird. Die aufwändigen<br />
sekundären Arbeitsschritte werden von<br />
Frauen ausgeführt, die e<strong>in</strong> hohes Maß an<br />
Geschicklichkeit bei der Stickerei, beim Tuften<br />
und beim Patchwork zeigen. Das Ergebnis s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>zigartige Textilien <strong>in</strong> kräftigen, erdigen<br />
Farben mit e<strong>in</strong>em samtigen Griff.<br />
36
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
E<strong>in</strong>e Reihe verschiedener<br />
handgewebter Kuba-Stoffe.<br />
Die traditionelle Webtechnik<br />
wird mit geometrischen<br />
Mustern und e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />
von haptischen Effekten<br />
versehen, die durch<br />
verschiedene Flor- und<br />
Schnitttechniken entstehen.<br />
37
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
E<strong>in</strong>e Variante des komplizierten<br />
königlichen<br />
Ashanti-Kente-Stoffes,<br />
gewebt mit aufgetrennten<br />
Fäden aus importiertem<br />
Seidenstoff, ca. 1920er–<br />
1940.<br />
Kente<br />
Der meisterhaft gewebte Kente-Stoff des<br />
präkolonialen westafrikanischen Königreichs<br />
Ashanti ist weltweit bekannt. Se<strong>in</strong> Ursprung ist<br />
geheimnisvoll, und der Volksmund schreibt<br />
se<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung dem Versuch e<strong>in</strong>es Jägers zu,<br />
das Muster e<strong>in</strong>es Sp<strong>in</strong>nennetzes zu imitieren.<br />
Archäologische Funde führen se<strong>in</strong>e Ursprünge<br />
auf die westafrikanischen Bandweberkulturen<br />
aus dem 11. Jahrhundert zurück, und es wird<br />
angenommen, dass es durch den Zugang zu<br />
Rohstoffen, geschickten Handwerkern und<br />
verbesserter Technologie unter dem E<strong>in</strong>fluss<br />
des Handels entstanden ist.<br />
Kente dient als prestigeträchtiger Zeremonialstoff<br />
und wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl von Ausführungen<br />
für die hochgradig strukturierte Ashanti-Gesellschaft<br />
hergestellt. Um se<strong>in</strong>e Anziehungskraft<br />
aufrechtzuerhalten, unterlag Kente <strong>in</strong> der alten<br />
Ashanti-Gesellschaft bis <strong>in</strong>s 18. Jahrhundert<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Gesetzen, die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung<br />
des Stoffes verh<strong>in</strong>derten. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus wurde die exklusivste Variante des Kente-<br />
Stoffes, bekannt als adweneasa (der Gipfel der<br />
Kreativität), von den Meisterhandwerkern für den<br />
König hergestellt. Die Anforderungen an das<br />
Weben waren hoch und erforderten die Aufsicht<br />
der vom König speziell ernannten Kente-Chiefs,<br />
auch bekannt als Kentehene.<br />
Die Technik zur Herstellung des exklusiven<br />
Stoffes des Königs wurde geheim gehalten. Es<br />
stand unter Strafe, wenn e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Bürger<br />
das gleiche exklusive Design wie der König trug<br />
oder öffentlich zur Schau stellte. Unter der<br />
Schirmherrschaft des prom<strong>in</strong>enten Königs<br />
Opoku Ware I. (1700–1750) erlebte die Kente-<br />
Weberei e<strong>in</strong> goldenes Zeitalter, da er die Leistungen<br />
der Kente-Weberzunft <strong>in</strong> Bonwire förderte.<br />
Se<strong>in</strong> Hof umfasste e<strong>in</strong>e Gilde geschickter Weber,<br />
die mit e<strong>in</strong>er verwirrenden Vielfalt an farbenfrohen<br />
Seiden- und Taftgarnen arbeiteten, wobei<br />
importierte Seiden aus Fezzan und rote Taftstoffe<br />
aus Italien und Frankreich die Grundlage<br />
der Ashanti-Streifenwebkultur bildeten.<br />
38
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
E<strong>in</strong>e zeitgenössische<br />
Adaption des Yoruba<br />
aso-oke von Kenneth Ize,<br />
die 2019 während der Arise<br />
Fashion Week <strong>in</strong> Lagos,<br />
Nigeria, vorgestellt wurde.<br />
In der Antike erfolgte die Aufnahme <strong>in</strong> die<br />
Weberzunft von Bonwire durch Abstammung,<br />
sodass sichergestellt war, dass die Handwerker<br />
von e<strong>in</strong>er vorangegangenen Generation angesehener<br />
Handwerksmeister gefördert wurden. Trotz<br />
steigender Umsätze <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />
hat das Handwerk heute immer mehr an Qualität<br />
und Prestige e<strong>in</strong>gebüßt. Die elastischen und<br />
glänzenden Seidengarne wurden durch Viskose<br />
ersetzt, was zu e<strong>in</strong>em geschmeidigeren und<br />
leichter zu beschaffenden Produkt geführt hat.<br />
Der Kente-Stoff wurde demokratisiert und ist<br />
nicht mehr der Ashanti-Elite vorbehalten.<br />
Dennoch hat Kente <strong>in</strong> der ghanaischen und<br />
afrikanischen Kultur nach wie vor e<strong>in</strong>en hohen<br />
Stellenwert. Es wird für wichtige Anlässe wie<br />
Hochzeitszeremonien, Feste und prunkvolle<br />
Veranstaltungen verwendet. Bei Festen und<br />
großen traditionellen Zeremonien werden<br />
prom<strong>in</strong>ente Häuptl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Sänften getragen, die<br />
Kente tragen und mit prächtigen goldenen<br />
Insignien wie Armbändern, Fußkettchen, Hals-<br />
ketten, Sandalen und Stäben geschmückt s<strong>in</strong>d.<br />
Über die Grenzen Ghanas h<strong>in</strong>aus ist Kente <strong>in</strong> der<br />
afrikanischen Diaspora e<strong>in</strong> beständiges Symbol<br />
für Selbstbestimmung und Identität. Die symbolische<br />
Geste der demokratischen Kongressmitglieder,<br />
die aus Solidarität mit der Black-Lives-<br />
Matter-Bewegung vor dem US-Kapitol mit<br />
Kente-Stolen um den Hals knieten, ist <strong>in</strong> diesem<br />
Ideal verwurzelt.<br />
Aso-oke<br />
Geschneidert und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl von Kleidungsstücken<br />
getragen oder als Kopfbedeckung<br />
(gele) verwendet, ist Aso-ilu-oke e<strong>in</strong> Merkmal der<br />
nigerianischen Elite und wird von der wachsenden<br />
Mittelschicht angestrebt. Das alte handgewebte<br />
Textil, das im Volksmund als Aso-oke<br />
bekannt ist, wurde ursprünglich im 15. Jahrhundert<br />
im Yorubaland <strong>in</strong> Westafrika e<strong>in</strong>geführt. Aso<br />
ist e<strong>in</strong> Yoruba-Wort für Stoff und symbolisiert<br />
den Respekt und die Würde, die e<strong>in</strong>er gut gekleideten<br />
Person entgegengebracht werden. Die<br />
39
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Yoruba-Kultur ist reich an Textilhandwerk, wie z.<br />
B. dem sanyan (aus e<strong>in</strong>heimischer Seide), dem<br />
alaari baba aso, e<strong>in</strong>em zart strukturierten, rot<br />
gewebten Stoff, und dem etu aso agba (tiefblauer,<br />
<strong>in</strong>digo-gefärbter Stoff), doch der Aso-oke,<br />
der »Spitzenstoff«, ist der prestigeträchtigste<br />
von allen.<br />
Wie Kente-Stoffe verdankt auch Aso-oke se<strong>in</strong><br />
Ansehen den symbolischen Farben und den<br />
kunstvollen Mustern von kultureller Bedeutung.<br />
Der Prozess des Webens beg<strong>in</strong>nt mit der Ernte<br />
und dem Sp<strong>in</strong>nen der Baumwolle zu Garnen,<br />
dann werden die Garne gefärbt und <strong>in</strong> Streifen<br />
auf e<strong>in</strong>er Doppelhecke gewebt, bevor sie zu<br />
großen Stoffen zusammengenäht werden.<br />
Aso-oke wird zu besonderen Anlässen verwendet<br />
und hat unter den nigerianischen Millennials<br />
e<strong>in</strong>en neuen Aufschwung als beliebtes Textil für<br />
traditionelle Hochzeitszeremonien erlebt. Auch<br />
durch Musik und Film, <strong>in</strong>sbesondere durch<br />
Nollywood – Nigerias milliardenschwere Film<strong>in</strong>dustrie<br />
– hat der Stoff e<strong>in</strong>e große Verbreitung<br />
gefunden. Aso-oke ist bei den Yoruba sehr<br />
beliebt, und für viele Nigerianer <strong>in</strong> der Diaspora<br />
ist es als Träger kultureller Identität und kulturellen<br />
Erbes von ständiger Bedeutung. Kenneth<br />
Ize, LVMH-F<strong>in</strong>alist 2019 (siehe S. 38), dessen<br />
Werk e<strong>in</strong>e erstaunliche Bandbreite an Aso-oke-<br />
Kleidungsstücken umfasst, gehört zu e<strong>in</strong>er<br />
Generation von kulturbewussten und ethisch<br />
orientierten Designern auf dem globalen Markt.<br />
Akotifahana<br />
Im Gegensatz zu den gut dokumentierten<br />
Textilkulturen Westafrikas und Nordafrikas s<strong>in</strong>d<br />
gewebte Textilien im südlichen <strong>Afrika</strong> kaum<br />
erforscht. E<strong>in</strong> besonderes Beispiel ist die<br />
spannende Textilkultur des Mer<strong>in</strong>a-Volkes im<br />
Varianten des Akotifahana,<br />
gewebt vom Volk der Mer<strong>in</strong>a im<br />
zentralen Hochland von<br />
Madagaskar. Die detailreiche<br />
Verarbeitung zeugt von der<br />
Geschicklichkeit der Meister<strong>in</strong>nen<br />
bei der Verwendung von<br />
Baumwolle, Wildseide, Hanf und<br />
Weberbanane. Diese Tücher s<strong>in</strong>d<br />
alle aus Seide gewebt.<br />
40
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
zentralen Hochland der Insel Madagaskar, das<br />
fast dreizehn bekannte Sorten von lokal angebauter<br />
Seide beheimatet. Die Mer<strong>in</strong>a-Weber<br />
stellen e<strong>in</strong>e Vielzahl von Textilien her, von<br />
Luxusseiden bis h<strong>in</strong> zu gewöhnlichen Bast- und<br />
Lendentüchern. Die prestigeträchtigste Sorte ist<br />
akotofahana/akotifahana, e<strong>in</strong> kunstvoll gewebter<br />
Seidenbrokat, dessen Ursprünge im frühen<br />
18. Jahrhundert liegen. Das Gewebe, das <strong>in</strong> der<br />
Regel aus importierter Seide gewebt wird, war<br />
den Königen und dem Adel vorbehalten und e<strong>in</strong><br />
verehrtes Geschenk für hochrangige Beamte und<br />
ausländische Würdenträger. Europäische<br />
Händler und Kolonialbeamte, die von se<strong>in</strong>er<br />
luxuriösen Textur fasz<strong>in</strong>iert waren, verglichen es<br />
mit schönem antiken Kaschmir. 6 Akotifahana<br />
wurde von den <strong>in</strong>novativen Mer<strong>in</strong>a-Frauen<br />
gewebt, die e<strong>in</strong>e bemerkenswerte Geschicklichkeit<br />
im Umgang mit Baumwolle, Wildseide, Hanf,<br />
Weberbanane und ch<strong>in</strong>esischer Seide an den Tag<br />
legten, und verkörpert E<strong>in</strong>flüsse aus Indien und<br />
dem südlichen Teil der arabischen Halb<strong>in</strong>sel, die<br />
enge Handelsbeziehungen mit der Insel unterhielten.<br />
Die komplexe Musterung der Textilien<br />
zeigt die tiefe Vermischung der multikulturellen<br />
Bewohner der Insel, zu denen <strong>in</strong>donesische,<br />
bantuistische, suahelische, <strong>in</strong>dische, arabische<br />
und europäische Migranten gehören. Wie andere<br />
afrikanische Textilien wurde auch Akotifahana<br />
von e<strong>in</strong>er Fülle importierter Fasern, Farbstoffe<br />
und Muster bee<strong>in</strong>flusst.<br />
Weitere angesehene Webkunst<br />
Die Weberei und das Textilhandwerk <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
s<strong>in</strong>d so vielfältig und komplex wie die Kulturen<br />
des Kont<strong>in</strong>ents, sodass es fast unmöglich ist, sie<br />
alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Buch zu erfassen. Dennoch<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige besondere und fasz<strong>in</strong>ierende<br />
Textiltraditionen erwähnenswert. Da ist zunächst<br />
das Tuch der Manjak, e<strong>in</strong>es Stammes, der über<br />
Gambia, Senegal und Gu<strong>in</strong>ea-Bissau verstreut<br />
lebt. Die Manjak sollen die Kunst des Webens <strong>in</strong><br />
der Gefangenschaft auf der Insel Kap Verde<br />
erlernt haben. Der Manjak-Stoff hat e<strong>in</strong> ausgeprägtes<br />
geometrisches Muster, das dem Kente-<br />
Stoff ähnelt, ist jedoch geschmeidig und vielseitig<br />
verwendbar. Die zeitgenössischen Designer<br />
Adama Paris und Aissa Dione setzen sich für die<br />
Neubelebung und Erhaltung dieses Stoffes e<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> weiteres Textil ist der Gonja-Stoff, e<strong>in</strong> streifenförmig<br />
gewebtes Textilhandwerk, das <strong>in</strong> der<br />
nördlichen Region von Ghana verbreitet ist.<br />
Gonja-Stoff wird für die Herstellung von Kitteln<br />
(die dem Rang und dem Prestige ihrer Träger<br />
entsprechen), Batakari oder Fugu (Kittel, die nur<br />
für Könige, traditionelle Führer und Priester der<br />
Sahelzone hergestellt werden) verwendet. Trotz<br />
se<strong>in</strong>er weiten Verbreitung <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Regionen und Religionen <strong>in</strong> Westafrika ist das<br />
Gonja-Tuch zum Synonym für den Islam geworden.<br />
E<strong>in</strong> weiteres wertvolles Textilhandwerk, das<br />
aus dem Igboland (im heutigen Südosten Nigerias)<br />
stammt und als so alt wie die Igbo-Nation<br />
gilt, ist das Akwete-Textil. Im Gegensatz zu Kente<br />
und Aso-oke wird Akwete auf vertikalen, breiten<br />
Webstühlen, den Nkwe, hergestellt, was die<br />
Produktion breiter Stoffe ermöglicht. Es wird<br />
vermutet, dass dieses Textil mit se<strong>in</strong>en auffälligen<br />
und e<strong>in</strong>drucksvollen Motiven und Mustern<br />
wie viele andere über den Transsaharahandel <strong>in</strong><br />
die nordafrikanischen Kulturen gelangte und von<br />
dem Zufluss neuer Materialien profitierte. Die<br />
markanten Muster und leuchtenden Farben der<br />
Akwete-Stoffe s<strong>in</strong>d symbolisch und unterlagen <strong>in</strong><br />
der Antike strengen Bekleidungsvorschriften. So<br />
war beispielsweise das Schildkrötenmotiv (ikaki)<br />
41
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Manjak<br />
Oben nach unten<br />
Quittah -Stoff von Manjako<br />
<strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea-Bissau. Aus<br />
Seide und Baumwolle.<br />
Manjaka-Wickeltuch für<br />
Frauen (Seru Njaago).<br />
Akwete-Stoff im ikaki<br />
Schildkrötenmuster.<br />
Er wird von Igbo <strong>in</strong> Nigeria<br />
hergestellt und aus<br />
Baumwolle gewebt.<br />
42
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
der königlichen und adligen Klasse vorbehalten und für das<br />
e<strong>in</strong>fache Volk verboten. Auch das rätselhafte Ebe-Motiv war<br />
Kriegern, Jägern und schwangeren Frauen vorbehalten, da es<br />
Muster trug, die böse Geister abwehren sollten. Seit den<br />
1990er-Jahren ist Akwete durch die Schirmherrschaft von<br />
Persönlichkeiten und Königen – <strong>in</strong>sbesondere Pr<strong>in</strong>z Charles<br />
und Diana, Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> von Wales – populär geworden.<br />
Das Gonja-Tuch, e<strong>in</strong> Muss<br />
für die überwiegend<br />
muslimischen Geme<strong>in</strong>schaften<br />
<strong>in</strong> der Sahel-Sahara-Region<br />
<strong>in</strong> Westafrika.<br />
43
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Färben und Drucken<br />
Das Färben als spezielles Handwerk war e<strong>in</strong><br />
wesentlicher Bestandteil der afrikanischen<br />
Textiltraditionen. Lokal produzierte oder<br />
importierte Textilien wurden mit e<strong>in</strong>er Reihe<br />
von organischen und pflanzlichen Farbstoffen<br />
gefärbt, die aus Pflanzen und Baumr<strong>in</strong>den<br />
gewonnen wurden. Die regionalen Unterschiede<br />
<strong>in</strong> den Färbetechniken wurden durch e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl von Faktoren untermauert, von denen<br />
der E<strong>in</strong>fallsreichtum der e<strong>in</strong>heimischen Handwerker<br />
und der Zugang zu importierten Farbstoffen<br />
zu Beg<strong>in</strong>n des transatlantischen<br />
Handels die wichtigsten waren. Zu den beliebtesten<br />
Färbe- und Drucktechniken gehören das<br />
Resistfärben, das Stempeln, der Siebdruck und<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten der <strong>in</strong>dustrielle<br />
Wachsimitationsdruck.<br />
Resistfärben<br />
Das Resistfärben ist bei weitem die beliebteste<br />
Färbetechnik <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>. Diese Technik ist sowohl<br />
e<strong>in</strong>fach als auch <strong>in</strong>tuitiv und bietet selbst<br />
Anfängern viel Raum für Experimente und<br />
Erfolg. Bei der <strong>in</strong> anderen Teilen der Welt beliebten<br />
Technik werden Teile des Textils durch<br />
B<strong>in</strong>den, Stempeln und Zeichnen mit Resistmedien<br />
wie Stärke und Wachs an der Aufnahme von<br />
Farbstoffen geh<strong>in</strong>dert. Zu den Stoffen, die mit<br />
dieser Technik hergestellt werden, gehören<br />
Adire, Boglanf<strong>in</strong>i, Batik und Ad<strong>in</strong>kra-Stoffe.<br />
Adire In Westafrika s<strong>in</strong>d die Yoruba im Südwesten<br />
Nigerias für e<strong>in</strong>e traditionelle Resistfärbetechnik<br />
bekannt, mit der Indigostoffe aus Adire hergestellt<br />
werden. Adire wird traditionell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong><br />
organischen Verfahren hergestellt, das mit der<br />
Ernte und Verarbeitung der <strong>in</strong>digobehafteten<br />
Elu-Pflanze beg<strong>in</strong>nt. Die Färbelösung wird aus<br />
der Asche getrockneter Kakaoschalen hergestellt,<br />
<strong>in</strong> die die getrockneten und zerstampften<br />
Elu-Blätter getaucht werden. Der nächste Schritt<br />
– die Vorbereitung des Gewebes für das Färben –<br />
bestimmt die Art des hergestellten Adire: Wenn<br />
als Hilfsmittel Raffiabast, Iko sowie B<strong>in</strong>de- und<br />
Nahtmuster verwendet werden, entsteht Adire<br />
oniko. Die Verwendung von Stärke oder Wachs<br />
ergibt die Variante Adire eleko. Die Adire-Technik<br />
44
Gegenüber<br />
Muster im Adire-Stoff, mit<br />
Wachsbatik hergestellt.<br />
Gegenüber l<strong>in</strong>ks<br />
Adire oniko, hergestellt<br />
durch Zusammenb<strong>in</strong>den<br />
oder -nähen, um Muster zu<br />
erzeugen.<br />
Gegenüber rechts<br />
Adire eleko, hergestellt,<br />
<strong>in</strong>dem Wachsmuster auf<br />
Baumwollstoff gestempelt<br />
wurden.<br />
Oben<br />
Die Färbegruben von Kofar<br />
Mata, e<strong>in</strong>er antiken<br />
Färbe-Community <strong>in</strong> Kano<br />
im nördlichen Nigeria.<br />
ähnelt dem Färbeverfahren, das von Textilhandwerkern<br />
<strong>in</strong> vielen westafrikanischen Ländern wie<br />
Ghana, der Elfenbe<strong>in</strong>küste und dem Senegal<br />
angewandt wird. Während jedoch synthetische<br />
Farbstoffe <strong>in</strong> der Batik und der Krawattenfärberei<br />
alltäglich geworden s<strong>in</strong>d, zeichnet sich die<br />
traditionelle Adire-Technik nach wie vor durch<br />
die Verwendung von organischen Indigo- und<br />
Elu-Farbstoffen aus.<br />
Die organische Indigofärbung, die Technik,<br />
mit der Adire hergestellt wird, erfordert e<strong>in</strong>e<br />
hohe Kunstfertigkeit, da sie sich auf lebende<br />
Bakterien stützt, um Pigmente aus den Blättern<br />
45
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
der Indigopflanze zu gew<strong>in</strong>nen. Adire mit se<strong>in</strong>en<br />
leuchtenden blauen Farbtönen und fasz<strong>in</strong>ierenden<br />
Motiven war jahrhundertelang e<strong>in</strong> Statussymbol,<br />
das bei den Tuareg-Nomaden sehr<br />
geschätzt wurde. Das Textil, das im Transsaharahandel<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielte, stammt<br />
aus den Färbegruben von Kofar Mata im Norden<br />
Nigerias, wo es seit fast fünf Jahrhunderten<br />
hergestellt wird. Die Handwerker <strong>in</strong> Kofar Mata<br />
haben die Verwendung von organischen Farbstoffen<br />
beibehalten und s<strong>in</strong>d der alten Technik<br />
des Indigofärbens treu geblieben. Auch <strong>in</strong> der<br />
Sahelzone von Mali und Gu<strong>in</strong>ea ist die Indigofärberei<br />
weit verbreitet, e<strong>in</strong>e Tradition, die unter<br />
der Schirmherrschaft des weltweit geschätzten<br />
Textilkünstlers und Designers Aboubakar<br />
Fofana e<strong>in</strong>e Wiederbelebung erfahren hat.<br />
Bogolanf<strong>in</strong>i, wörtlich übersetzt »Schlammtuch«,<br />
wird hergestellt, <strong>in</strong>dem zahlreiche Streifen aus<br />
handgesponnener Baumwolle zu e<strong>in</strong>em Tuch<br />
zusammengefügt werden. Das Baumwolltuch<br />
wird mit e<strong>in</strong>em Pflanzenfarbstoff und e<strong>in</strong>er<br />
Schlammlösung gefärbt. Die Resistfärbetechnik<br />
der Bamana ist jedoch ungewöhnlich. Traditionell<br />
wird das Baumwolltuch zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Mulch aus Blättern e<strong>in</strong>geweicht, wodurch es e<strong>in</strong>e<br />
tiefgelbe Farbe erhält. Mithilfe von Schlamm, der<br />
vom Grund der Flüsse gesammelt und e<strong>in</strong> Jahr<br />
oder länger gelagert wurde, um se<strong>in</strong>e Wirkung zu<br />
verstärken, werden komplizierte Muster gezeichnet.<br />
Nach dem Trocknen des Stoffes kommt es<br />
zu e<strong>in</strong>er chemischen Reaktion zwischen dem<br />
Eisenoxid im Schlamm und der Gerbsäure der<br />
Blätter, wodurch e<strong>in</strong> tiefer schwarzer Farbton<br />
entsteht, der den H<strong>in</strong>tergrund des Musters<br />
bildet. Der Schlamm wird abgewaschen und die<br />
gelbe Beize wird mit Natronlauge entfernt.<br />
Oben<br />
E<strong>in</strong> Schlammtuch, auch<br />
Bogolanf<strong>in</strong>i genannt,<br />
ent wickelt vom Volk der<br />
Mande aus Mali. Dieses<br />
Tuch wurde von den<br />
Bamana geschaffen.<br />
Gegenüber<br />
E<strong>in</strong> Meister malt Schlammmuster<br />
mit der Hand auf<br />
e<strong>in</strong>heimische Baumwolle.<br />
Dieses sorgfältige und arbeits<strong>in</strong>tensive Verfahren<br />
beruht auf der Oxidation der m<strong>in</strong>eralischen<br />
Ablagerungen im Schlamm, wodurch e<strong>in</strong>e<br />
robuste Oberfläche mit e<strong>in</strong>zigartigen Schattierungen<br />
von Braun, Goldgelb und Off-White<br />
entsteht. Die geometrischen Muster der<br />
46
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Bogolanf<strong>in</strong>i und das natürliche Färbeverfahren<br />
sollen dem Kleidungsstück besondere Schutzkräfte<br />
verleihen. Der Aberglaube hat die<br />
Verwendung des Bogolanf<strong>in</strong>i bei Jägern und<br />
traditionellen Führern <strong>in</strong> Mali und Gu<strong>in</strong>ea populär<br />
gemacht. Der malische Pionier und Designer<br />
Chris Seydou, der Mitte der 1970er-Jahre<br />
wesentlich dazu beitrug, den Bogolanf<strong>in</strong>i auf<br />
die Weltbühne zu br<strong>in</strong>gen, fand es aus Ehrfurcht<br />
vor der Bedeutung des Stoffes schwierig,<br />
ihn zu schneiden.<br />
Batik Die Technik des Batikens wird <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
seit über e<strong>in</strong>em Jahrhundert praktiziert. Ihre<br />
Ursprünge wurden im Nahen Osten, <strong>in</strong> Zentralasien<br />
und Indien nachgewiesen, wobei am<br />
wahrsche<strong>in</strong>lichsten ist, dass die Technik über<br />
den Mittelmeerraum durch die Kanäle des<br />
Transsaharahandels e<strong>in</strong>geführt wurde. Beim<br />
Batiken werden Muster mit Wachs oder Maniokstärke<br />
als Resist auf die Baumwolle gestempelt,<br />
bevor diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Farbstofflösung<br />
getaucht wird. Im Gegensatz zu Adire, das auf<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>farbiges Muster beschränkt ist, ermöglicht<br />
Batiken das mehrfache Stempeln und<br />
Färben. Mit der E<strong>in</strong>führung synthetischer<br />
Farbstoffe im 20. Jahrhundert erhielt die Batik<br />
e<strong>in</strong>en Aufschwung; die Popularität des ursprünglichen<br />
Handwerks hat jedoch durch das<br />
Vordr<strong>in</strong>gen fabrikgefertigter Varianten des<br />
Wachsimitatdrucks und durch Importe aus<br />
Ch<strong>in</strong>a seit dem 19. Jahrhundert nachgelassen.<br />
47
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Gestempelter Stoff<br />
Obwohl das Stempeln als Technik beim Resistfärben<br />
e<strong>in</strong>gesetzt wird, ist es auch als eigenständiges<br />
Verfahren bei der Herstellung von<br />
Textilien anwendbar. Stempeln und Drucken<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Fall direkte Mittel, mit denen<br />
Farbstoffe und Farben auf Textilien aufgebracht<br />
werden. Dabei wurden die Motive auf Stempeln,<br />
die aus Alltagsgegenständen wie Kürbissen und<br />
Holzstücken improvisiert wurden, im Relief<br />
e<strong>in</strong>geritzt. Vor der E<strong>in</strong>führung des <strong>in</strong>dustriellen<br />
Textildrucks gehörten zu den beliebtesten<br />
gestempelten und bedruckten Textilien die<br />
L<strong>in</strong>ks<br />
Gestempelter Ad<strong>in</strong>kra-<br />
Stoff mit fe<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>ien.<br />
Rechts<br />
Beim Stempelverfahren<br />
wird der Stoff mit Orig<strong>in</strong>alfarbe<br />
e<strong>in</strong>gefärbt und mit<br />
geprägten Holzstempeln<br />
verziert.<br />
Ad<strong>in</strong>kra-Stoffe der Akan <strong>in</strong> Ghana, die Huronko-<br />
Stoffe <strong>in</strong> Sierra Leone und e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
gestempelten Stoffen <strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea und Mali.<br />
Ad<strong>in</strong>kra-Stoff ist der e<strong>in</strong>zige, der nach dem<br />
Kente-Stoff e<strong>in</strong> hohes Ansehen genießt. Se<strong>in</strong><br />
Prestige beruht jedoch weder auf den komplizierten<br />
Mustern noch auf der aufwendigen<br />
Verarbeitung, sondern se<strong>in</strong>er besonderen<br />
zeremoniellen Bedeutung. Ad<strong>in</strong>kra-Stoffe<br />
wurden mit e<strong>in</strong>er Paste-Resist-Technik hergestellt,<br />
mit heiligen Symbolen bedruckt und<br />
dienten <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Trauerkleidung. Das<br />
älteste bekannte Ad<strong>in</strong>kra-Tuch, das sich im<br />
British Museum bef<strong>in</strong>det, wurde vermutlich<br />
1817 hergestellt. Namensgebend ist e<strong>in</strong>e<br />
Sammlung alter und heiliger Symbole aus dem<br />
Ahnenkult. Ursprünglich war Ad<strong>in</strong>kra den<br />
Königen und dem Adel vorbehalten und wurde<br />
48
Trauernde tragen Ad<strong>in</strong>kra<br />
während e<strong>in</strong>er Beisetzung.<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er begrenzten Anzahl von Farben hergestellt,<br />
wobei jedes Farbschema se<strong>in</strong>en Zweck<br />
bestimmte. Schwarz und Rot symbolisierten<br />
Verlust und Trauer und waren für Trauer- und<br />
Beerdigungszeremonien am besten geeignet.<br />
Weiß h<strong>in</strong>gegen symbolisierte Sieg oder Freude<br />
und wurde für Initiationsriten oder Namensgebungszeremonien<br />
verwendet. Bei der Herstellung<br />
von Ad<strong>in</strong>kra-Stoff wird das Grundgewebe<br />
gefärbt und anschließend werden die Symbole<br />
mit Kürbisstempeln aufgetragen. Ähnlich wie<br />
beim traditionellen Adire werden für Ad<strong>in</strong>kra<br />
ausschließlich organische Farbstoffe verwendet,<br />
die aus der R<strong>in</strong>de des Bade 3 (e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heimischen<br />
Baumart) und der Wurzel des Kuntunkuni-Baums<br />
gewonnen werden. Traditionell<br />
hergestellte Ad<strong>in</strong>kra-Stoffe werden immer<br />
seltener verwendet. Der Siebdruck hat das<br />
Stempeln und die Farbstoffe durch Acrylfarben<br />
auf Wasserbasis ersetzt. Und <strong>in</strong>dustriell<br />
bedruckte Varianten verdrängen die alten<br />
Verfahren.<br />
49
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Niedergang und Aufblühen<br />
Viele Textilhandwerke <strong>Afrika</strong>s haben seit der<br />
Kolonialzeit an Popularität e<strong>in</strong>gebüßt. Ende des<br />
19. Jahrhunderts befand sich die Kente-Webkunst<br />
mit anderen produktiven Webkulturen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em steilen Niedergang. Die florierende<br />
Wirtschaft des Textilhandwerks wurde e<strong>in</strong>er<br />
systematischen De<strong>in</strong>dustrialisierung unterworfen,<br />
die zur Auslöschung bestimmter Textilien<br />
und zum Niedergang wichtiger Webereizentren<br />
führte.<br />
Als Grenzmarkt für den Westen erwiesen<br />
sich die afrikanischen Märkte als lebenswichtig<br />
für den Fortbestand der jungen europäischen<br />
Bekleidungs- und Textil<strong>in</strong>dustrie und rechtfertigten<br />
die Durchsetzung e<strong>in</strong>er schädlichen<br />
Politik, die die e<strong>in</strong>heimische Textilwirtschaft<br />
zugunsten von Importen aus dem Westen<br />
untergrub. Im postkolonialen <strong>Afrika</strong> geht der<br />
Versuch, Importe durch die Herstellung eigener<br />
Wachsimitate zu ersetzen, auf Kosten des<br />
e<strong>in</strong>heimischen Textilhandwerks.<br />
Die Auswirkungen waren paradox: So haben<br />
technologische Fortschritte im Textildruck dazu<br />
geführt, dass Kente-Imitate zu erschw<strong>in</strong>glichen<br />
Preisen auf dem lokalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Markt angeboten werden können, was die Popularität<br />
dieser Produkte <strong>in</strong> der ganzen Welt<br />
weiter erhöht hat. Als Folge der Demokratisierung<br />
hat das e<strong>in</strong>heimische Gewebe jedoch se<strong>in</strong>e<br />
Exklusivität und Anziehungskraft verloren.<br />
Ebenso haben ausländische Fälschungen von<br />
»afrikanischen Drucken« die lokalen und<br />
<strong>in</strong>ternationalen Märkte überschwemmt und die<br />
Bemühungen um e<strong>in</strong>e Wiederbelebung der<br />
lokalen Textil<strong>in</strong>dustrie untergraben. Andererseits<br />
hat die Globalisierung e<strong>in</strong>ige kränkelnde<br />
Textilhandwerkskulturen wiederbelebt, <strong>in</strong>dem<br />
sie sie auf dem Weltmarkt bekannt gemacht<br />
hat. So hat sie beispielsweise die Verbreitung
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
L<strong>in</strong>ks<br />
Die renommierte Textildesigner<strong>in</strong><br />
und Künstler<strong>in</strong><br />
Chief Nike Davies-Okundaye<br />
hat sich um die<br />
Erhaltung der e<strong>in</strong>heimischen<br />
Traditionen des<br />
Indigofärbens <strong>in</strong> Nigeria<br />
verdient gemacht.<br />
Gegenüber<br />
Indigostangen, e<strong>in</strong><br />
Konzeptwerk des malischen<br />
Kalligrafen und<br />
Färbermeisters Aboubakar<br />
Fofana. Fofana kreiert e<strong>in</strong>e<br />
Reihe von Stoffen mit re<strong>in</strong><br />
pflanzlichem Indigo und<br />
m<strong>in</strong>eralischen Schlammfärbungen.<br />
Er ist e<strong>in</strong>er der<br />
wenigen Hüter der<br />
langsamen und wirklich<br />
luxuriösen Färbetradition.<br />
des Kente-Stoffes auf neuen Märkten erleichtert<br />
und den echten gewebten Stoff anspruchsvollen<br />
Verbrauchern auf der ganzen Welt näher<br />
gebracht, wodurch das bedrohte Handwerk<br />
erhalten werden konnte.<br />
<strong>Afrika</strong>nisches Textilhandwerk ist zunehmend<br />
<strong>in</strong>s Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt,<br />
oft als Objekt unaufhörlicher Aneignung. Was<br />
Aneignung und was Wertschätzung ist, wird oft<br />
heftig diskutiert. So musste Stella McCartney<br />
für ihre Frühjahrskollektion 2018 Kritik e<strong>in</strong>stecken,<br />
die <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Vlisco, e<strong>in</strong>er<br />
niederländischen Gruppe, die für ihre afrikanischen<br />
Wachsdruckstoffe bekannt ist, entstand.<br />
E<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>heimische Textilien haben von dieser<br />
globalen Aufmerksamkeit profitiert. Der <strong>in</strong> Mali<br />
geborene und <strong>in</strong> Paris lebende multidiszipl<strong>in</strong>äre<br />
Künstler Aboubakar Fofana legt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit<br />
den Schwerpunkt auf die Erhaltung und Neu<strong>in</strong>terpretation<br />
der traditionellen Indigo-Färbetechniken<br />
<strong>in</strong> Mali und Gu<strong>in</strong>ea. In Nigeria ist die<br />
Künstler<strong>in</strong> Nike Davies-Okundaye für die<br />
Wiederbelebung der traditionellen Adire- und<br />
Indigo-Färbetechniken bekannt. Designer wie<br />
Chris Seydou, Kofi Ansah, Ly Dumas und Adebayo<br />
Agbelekale haben durch ihre Arbeit<br />
e<strong>in</strong>heimische Textilformen angepasst, weiterentwickelt<br />
und gefördert. <strong>Afrika</strong>nische Textilien<br />
werden auch <strong>in</strong> zeitgenössischen visuellen<br />
Kunstformen wie Fotografie, Druckgrafik, aber<br />
auch <strong>Mode</strong> und Architektur gefeiert.<br />
51
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Accessoires und Schmuck<br />
Accessoires und Schmuck spielen <strong>in</strong> den afrikanischen Kleidungskulturen<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Selbst <strong>in</strong> antiken Kulturen, <strong>in</strong> denen die<br />
Bestandteile der Kleidung m<strong>in</strong>imal waren, gab es e<strong>in</strong>e Fülle von<br />
Schmuck und anderen Accessoires für ästhetische und nützliche<br />
Zwecke. Da der Zugang zu natürlichen und künstlichen Materialien<br />
unbegrenzt war, kannten die kreativen Impulse zur Gestaltung von<br />
Accessoires ke<strong>in</strong>e Grenzen. Die Archäologie hat mit der Entdeckung<br />
der 75 000 Jahre alten Perlen aus der Blombos-Höhle und der 45 000<br />
Jahre alten Halskette aus Straußenmuscheln, die <strong>in</strong> Südafrika bzw.<br />
Kenia gefunden wurden, die ganze Pracht des afrikanischen Erbes<br />
ans Licht gebracht. Diese und viele andere Entdeckungen unterstreichen<br />
das Wissen um alte Techniken und handwerkliche Fertigkeiten,<br />
die nach wie vor die Grundlage der afrikanischen Schmucktradition<br />
bilden.<br />
In der Blombos-Höhle<br />
östlich von Kapstadt wurde<br />
e<strong>in</strong>e 75.000 Jahre alte<br />
Halskette gefunden, die<br />
aus ane<strong>in</strong>andergereihten<br />
Nassarius-Schneckenhäusern<br />
besteht.<br />
Gegenüber<br />
E<strong>in</strong>e reiche Symbolik, die <strong>in</strong><br />
den Insignien des Oba<br />
festgehalten ist. Artefakte<br />
aus Mess<strong>in</strong>g, die die<br />
Vorfahren, verstorbene<br />
Obas, tapfere Krieger und<br />
Staatsmänner verewigen.<br />
Accessoires wie kunstvoll<br />
gefertigte Armbänder und<br />
Anhänger spielen e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle.<br />
52
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Schmuck<br />
In fast allen afrikanischen Gesellschaften ist<br />
Schmuck e<strong>in</strong> wesentlicher Bestandteil e<strong>in</strong>es<br />
vollständigen Kleidungsstils. In der Gesamtkonstellation<br />
von Identität, kulturellem Erbe,<br />
Politik, Status und persönlichem Geschmack<br />
ist die Rolle des Schmucks am stärksten<br />
ausgeprägt. Seit der Antike werden <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong><br />
leicht verfügbare Materialien wie Samen,<br />
Muscheln, Korallen, Federn, Knochen, Zähne,<br />
Kaurischnecken, Elfenbe<strong>in</strong>, Hörner und e<strong>in</strong><br />
großes Repertoire an Edel- und Halbedelste<strong>in</strong>en<br />
zur Schmuckherstellung verwendet. Die<br />
Produktion war traditionell von mühsamen<br />
Prozessen geprägt, die die Umsicht erfahrener<br />
Handwerker<strong>in</strong>nen oder die Geschicklichkeit<br />
von Goldschmiedemeistern und Kunsthandwerkern<br />
erforderten.<br />
Die verschiedenen Stämme <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong> tragen<br />
unterschiedliche Formen von Schmuck. Schmuck<br />
e<strong>in</strong> sehr sichtbares Zeichen von Reichtum und<br />
Status und unterscheidet den Adel vom e<strong>in</strong>fachen<br />
Volk. Im alten Ägypten, wo der Gebrauch<br />
von Schmuck weit verbreitet war, trug der Adel<br />
die teuersten Stücke aus Edel- und Halbedelste<strong>in</strong>en.<br />
Der Pharao trug den aufwändigsten<br />
Schmuck: breite Halsketten, Armbänder, Ohrr<strong>in</strong>ge<br />
und Armb<strong>in</strong>den aus Gold und Halbedelste<strong>in</strong>en.<br />
Die Schmuckstücke zeigten ikonografische<br />
Motive wie Hieroglyphen und Insignien von<br />
Gottheiten; man glaubte, dass sie mystische<br />
Kräfte besaßen, die den obersten Herrscher<br />
schützen konnten. Durch die Fähigkeiten der<br />
Handwerker wurde die Schmuckherstellung zu<br />
e<strong>in</strong>er Kunstform erhoben. Auch die Pharaonen<br />
von Kusch trugen e<strong>in</strong>e reiche Auswahl an fe<strong>in</strong>em<br />
Schmuck, darunter Armbänder und Fußkettchen.<br />
Seltene Darstellungen der Kriegerkönig<strong>in</strong><br />
Kandake Amanirenas, die berühmt dafür ist,<br />
dass sie die Armee von Cäsar Augustus besiegte,<br />
zeigen e<strong>in</strong>e weibliche Figur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kunstvoll<br />
verzierten Tunika, die mit goldenen Quasten<br />
gesäumt ist. Um den Hals und die Schultern trägt<br />
sie volum<strong>in</strong>ösen Schmuck.<br />
In Nigeria bestätigte die Entdeckung der Igbo<br />
Ukwu, die e<strong>in</strong>e Schatzkammer mit Hunderten von<br />
Bronzegegenstände und über 63.000 Glas- und<br />
Ste<strong>in</strong>perlen aus dem 9. Jahrhundert umfasste,<br />
den Wert, den Schmuck <strong>in</strong> der alten afrikanischen<br />
Gesellschaft hatte. Bei den Edo des Großen<br />
Ben<strong>in</strong>-Königreichs waren rote Korallenperlen e<strong>in</strong><br />
Statussymbol. E<strong>in</strong>er alten Legende zufolge erhielt<br />
Oba Ewuare der Große, der Herrscher aus dem<br />
15. Jahrhundert, von Olokun, dem Gott der Flüsse<br />
und des Meeres, die wertvolle Krone und Halskette<br />
aus Korallenperlen.<br />
53
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Gegenüber<br />
Pomp und Prunk beim<br />
25-jährigen Jubiläum des<br />
Asantehene (Ashanti-König).<br />
Der Oberste Schwertträger<br />
trägt e<strong>in</strong>en Amulett-<br />
Kopfschmuck, der aus<br />
e<strong>in</strong>em Widderhorn und<br />
Federn besteht, die mit<br />
vergoldetem Schmuck<br />
verziert s<strong>in</strong>d.<br />
Oben<br />
E<strong>in</strong>e sorgfältig gearbeitete<br />
Goldarmb<strong>in</strong>de, die von e<strong>in</strong>heimischen<br />
senegalesischen<br />
Metallarbeitern für die<br />
Signares hergestellt wurde.<br />
Der <strong>in</strong> den 1920er-Jahren<br />
beliebte Armbandstil wurde<br />
von den Armbändern<br />
römischer Gladiatoren<br />
<strong>in</strong>spiriert. Diese besondere<br />
Manschette wurde jedoch <strong>in</strong><br />
den 1940er- oder 50er-Jahren<br />
hergestellt, als der Stil zu<br />
Ehren von Lam<strong>in</strong>e Guèye,<br />
e<strong>in</strong>em Politiker, der sich für<br />
das Frauenwahlrecht<br />
e<strong>in</strong>setzte, wieder aufkam.<br />
Rechts<br />
Stich aus dem Jahr 1879, der<br />
als zweites von l<strong>in</strong>ks e<strong>in</strong>en<br />
Signare aus Sa<strong>in</strong>t Louis,<br />
Senegal, zeigt.<br />
In den Kulturen Nordafrikas, wo der islamische<br />
E<strong>in</strong>fluss stark war, wurde Silber wegen<br />
se<strong>in</strong>er Re<strong>in</strong>heit und se<strong>in</strong>es bescheidenen<br />
Aussehens dem Gold vorgezogen. Bei den Akan<br />
<strong>in</strong> Westafrika war Gold das bevorzugte M<strong>in</strong>eral,<br />
während die Bronzegilden von Ben<strong>in</strong> wegen<br />
ihrer F<strong>in</strong>gerfertigkeit im Umgang mit Mess<strong>in</strong>g<br />
bekannt wurden. Darüber h<strong>in</strong>aus gab es bestimmte<br />
Handwerke, denen die gesamte<br />
Existenz des Handwerkers gewidmet war. Dies<br />
war beim Stamm der Mande <strong>in</strong> Gu<strong>in</strong>ea und Mali<br />
der Fall, wo die Schmiede e<strong>in</strong>en besonderen,<br />
fast mythischen Status hatten. Der Schmied<br />
stellte se<strong>in</strong> Leben und se<strong>in</strong> Handwerk <strong>in</strong> den<br />
Dienst der Götter und des Königs. Sie wurden<br />
für ihr zerstörerisches Wissen und ihre Macht<br />
verehrt und waren auf die Randgebiete der<br />
Geme<strong>in</strong>schaft beschränkt.<br />
55
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Im Senegal des 18. Jahrhunderts übte e<strong>in</strong>e<br />
besondere Kaste von Handwerksmeistern ihr<br />
Handwerk unter der Schirmherrschaft wohlhabender<br />
Frauen aus, die als signares (vom<br />
portugiesischen »senhora« für »Dame«) bekannt<br />
waren. Die Geschichte dieser mächtigen<br />
Damen, die sich die Semiotik des Schmucks zu<br />
eigen machten, um Prestige und Ruhm zu<br />
erlangen, grenzt an die prachtvolle Dynamik des<br />
Luxus <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>. Die Goldschmiede fertigten e<strong>in</strong>e<br />
Vielzahl prächtiger Stücke an, die <strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierenden<br />
Formen und w<strong>in</strong>zigen, fast unmöglichen<br />
Filigrandraht-Effekten akribisch bearbeitet<br />
wurden. Die wohlhabendsten Signares richteten<br />
im Erdgeschoss ihrer Häuser Ateliers für<br />
Goldschmiede und Näher<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>, um ihre<br />
Wünsche zu erfüllen.<br />
Perlenstickerei<br />
Die Perlenstickerei ist tief <strong>in</strong> der Geschichte<br />
<strong>Afrika</strong>s verwurzelt. Vor der E<strong>in</strong>führung von<br />
Glasperlen wurden verschiedene Arten von<br />
gewebten Textilien, R<strong>in</strong>denstoffen und Fellen<br />
mit Perlen aus Straußeneierschalen, Samen,<br />
Obsidian oder Meeresmuscheln verziert. In<br />
Nordafrika f<strong>in</strong>den sich auf altägyptischen<br />
Grabmalereien, datiert auf 4000 v. Chr. , H<strong>in</strong>weise<br />
auf Fayence-Perlen (ges<strong>in</strong>terter Quarz), die<br />
vollständig von Hand hergestellt wurden. In<br />
prädynastischen ägyptischen Grabstätten<br />
wurden Kleidungsstücke gefunden, die reichlich<br />
mit Straußeneierschalen verziert waren.<br />
Während dieses Erbe auf dem gesamten<br />
Kont<strong>in</strong>ent fortbesteht, beherrschen e<strong>in</strong>ige<br />
Kulturen das Handwerk besonders gut. Beispiele<br />
hierfür s<strong>in</strong>d die Zulu, die Ndebele, die<br />
Sotho und Tsonga im südlichen <strong>Afrika</strong>, die<br />
Maasai, D<strong>in</strong>ka und Kuba <strong>in</strong> Ostafrika sowie die<br />
Yoruba, Igbo, Edo, Ashanti und Krobo <strong>in</strong> Westafrika.<br />
In all diesen Kulturen hat die große Vielfalt<br />
an Perlen unterschiedliche Techniken und e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>zigartige Ästhetik hervorgebracht.<br />
Zu den Perlen als Statussymbolen gehörten<br />
auch Halbedelste<strong>in</strong>e wie Lapislazuli, Quarz,<br />
Achat, Elektrum, Türkis, Steatit und Amazonit<br />
(Feldspat). In Nigeria deuten die Terrakotten aus<br />
Ille-Ife auf e<strong>in</strong>e ausgefeilte Perlenkultur h<strong>in</strong>. Die<br />
Herstellung von Glasperlen sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Ille Ife e<strong>in</strong><br />
wichtiger Wirtschaftszweig gewesen zu se<strong>in</strong>,<br />
denn bei Ausgrabungen <strong>in</strong> der Stadt wurden<br />
Fragmente von Schmelztiegeln gefunden, die bei<br />
diesem Verfahren verwendet wurden. Im südlichen<br />
<strong>Afrika</strong> war Perlenstickerei gang und gäbe,<br />
unterschied sich aber von Stamm zu Stamm <strong>in</strong><br />
Bezug auf Form, Textur, Motive, Farben und die<br />
Materialien. Die früheste dokumentierte Perlentradition<br />
im südlichen <strong>Afrika</strong> wird auf die Ornamentik<br />
der San-Stämme zurückgeführt, die Artefakte<br />
aus Straußeneierschalen herstellten, die<br />
mit Sehnen von den Schultern von Ziegen und<br />
Kühen zusammengebunden wurden. Archäologen<br />
haben das Netzwerk des Perlenhandels von<br />
Arikamedu <strong>in</strong> Süd<strong>in</strong>dien bis zur Ostküste <strong>Afrika</strong>s<br />
bis <strong>in</strong>s Jahr 200 v. Chr. zurückverfolgt. 7<br />
Im südlichen <strong>Afrika</strong> gewannen Glasperlen<br />
jedoch ab dem 11. Jahrhundert an Bedeutung,<br />
als sie von den Häfen entlang der Küste von<br />
Mogadischu, Pemba, den Sansibar-Inseln,<br />
Kilwa, Sofala und der Delagoa-Bucht <strong>in</strong> Mosambik<br />
<strong>in</strong> Umlauf gebracht wurden. Glasperlen<br />
wurden wegen ihrer e<strong>in</strong>heitlichen Größe und<br />
ihrer leuchtenden Farben zum Erfolg und lösten<br />
bei den Stämmen, die bereits e<strong>in</strong>e Vorliebe für<br />
dieses Handwerk hatten, e<strong>in</strong>e Revolution im<br />
Bereich des Körperschmucks aus. Über den<br />
56
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Oben<br />
Sotho-Frauen mit perlenbesticktem<br />
Halsschmuck,<br />
Bustiers und Röcken.<br />
Unten l<strong>in</strong>ks<br />
Massai-Frau mit perlenbesetzter<br />
Scheibenkette und<br />
perlenbesetztem Stirnband.<br />
Akzentuiert wird das<br />
Ensemble durch gewundene<br />
Armbänder aus<br />
Mess<strong>in</strong>g und Eisen.<br />
Unten rechts<br />
E<strong>in</strong> Edo-Häuptl<strong>in</strong>g, der bei<br />
der Igue-Zeremonie sitzt,<br />
trägt e<strong>in</strong>en Kragen aus<br />
Achatperlen. Korallenhalsketten<br />
und Kürbisarmbänder<br />
vervollständigen das<br />
Ensemble.<br />
57
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
58
Kapitel 1<br />
Die Geschichte der afrikanischen <strong>Mode</strong><br />
Handel h<strong>in</strong>aus wurde die Verbreitung der<br />
Glasperlen auch durch die Aktivitäten der<br />
Kolonialmächte, darunter die Niederländer,<br />
Portugiesen und Engländer, gefördert.<br />
Ab dem 16. Jahrhundert florierte der Perlenhandel<br />
unter der Schirmherrschaft der Bantu-<br />
Häuptl<strong>in</strong>ge, die die Verteilung unter ihren<br />
Frauen, Adligen und Untertanen kontrollierten.<br />
Das Monopol machte die Perlen selten und<br />
kostbar, doch um die Jahrhundertwende wurde<br />
ihr Vertrieb durch die Aktivitäten europäischer<br />
Händler demokratisiert. Ihre weite Verbreitung<br />
und ihre immense soziokulturelle und wirtschaftliche<br />
Bedeutung haben sie zu e<strong>in</strong>em<br />
wesentlichen Bestandteil des kulturellen Erbes<br />
der Region gemacht. Bei den Zulus benutzten<br />
die umworbenen Jugendlichen Perlenanhänger,<br />
um emotionale und esoterische Botschaften zu<br />
übermitteln, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> den Mustern und der<br />
Anordnung der Perlen Botschaften zum Ausdruck<br />
ihrer Zuneigung verschlüsselten. Xhosa-<br />
Paare schmückten sich mit kunstvollen Perlentextilien,<br />
die durch Perlenaccessoires wie<br />
Stirnbänder, Fransenhalsketten, Armbänder<br />
und Halsbänder ergänzt wurden. Bei den<br />
Ndebele waren außergewöhnliche Arten von<br />
Perlenarbeiten, die mit besonderer Etikette<br />
getragen wurden, e<strong>in</strong> Zeichen für die Reife der<br />
Frau. So kennzeichnet beispielsweise die<br />
lighabi, e<strong>in</strong>e mit Perlen besetzte Schürze mit<br />
Fransen, die um die Hüften getragen wird, e<strong>in</strong><br />
sehr junges Mädchen, während e<strong>in</strong> älteres,<br />
pubertierendes Mädchen e<strong>in</strong>e isiphephetu<br />
trägt, e<strong>in</strong>e rechteckige Schürze aus Leder oder<br />
Le<strong>in</strong>en, die mit geometrischen Perlenmustern<br />
verziert ist.<br />
Viele Perlentraditionen haben unter der<br />
Obhut <strong>in</strong>digener Stämme überlebt, die trotz des<br />
überwältigenden E<strong>in</strong>flusses moderner Kleidungsstile<br />
weiterh<strong>in</strong> Perlenstickereien <strong>in</strong><br />
Kleidungsstücke für Übergangsriten, Feste und<br />
Hochzeitszeremonien e<strong>in</strong>bauen. Vollständig mit<br />
Perlen besetzte Kostüme werden bei festlichen<br />
Anlässen getragen und s<strong>in</strong>d zu wertvollen<br />
Gegenständen für Museen und den Tourismusmarkt<br />
geworden. Das Volk der Ndebele hat mit<br />
se<strong>in</strong>em traditionellen Perlenschmuck, se<strong>in</strong>er<br />
Kleidung und se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigartigen Wandmalereien<br />
e<strong>in</strong>e der bekanntesten Perlenkulturen<br />
<strong>Afrika</strong>s. Die Kunst und die traditionellen Perlenarbeiten<br />
der Ndebele haben durch e<strong>in</strong>e Generation<br />
von Meister<strong>in</strong>nen wie Südafrikas führende<br />
Kulturvermittler<strong>in</strong>, Dr. Esther Mahlangu, überlebt,<br />
die seit den 1990er-Jahren mit zahlreichen<br />
globalen Marken zusammenarbeitet, um die<br />
Ndebele-Kultur zu fördern.<br />
Ndebele-Frau mit geometrisch<br />
gemustertem, perlenbesetztem<br />
Kopfschmuck<br />
und Halskette. Außerdem<br />
trägt sie e<strong>in</strong>e halsverlängernde<br />
Spiralhalskette und<br />
Basotho-Decke.<br />
59
KAPITEL 3<br />
Neue<br />
Talente<br />
aus <strong>Afrika</strong><br />
Die afrikanische <strong>Mode</strong>, e<strong>in</strong>st an den Rand der<br />
Weltwirtschaft gedrängt, hat seit der Wende<br />
zum 21. Jahrhundert e<strong>in</strong>en seismischen Wandel<br />
vollzogen. Die zeitgenössische afrikanische<br />
<strong>Mode</strong>szene ist vielschichtig und dynamisch und<br />
bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> ständigem Wandel. Im vorangegangenen<br />
Kapitel haben wir das Potenzial<br />
der jungen afrikanischen Luxusgüter<strong>in</strong>dustrie<br />
aufgezeigt und gleichzeitig ihre Herausforderungen<br />
aufgezählt. Trotzdem gibt es e<strong>in</strong>e neue<br />
Welle zeitgenössischer Designer, die neue<br />
Wege beschreiten und die Aufmerksamkeit der<br />
globalen Medien auf sich ziehen. Sie verstehen<br />
es, die <strong>in</strong>digenen afrikanischen Kulturen zu<br />
bewahren und zu fördern. Dies gel<strong>in</strong>gt ihnen<br />
durch hervorragende Handwerkskunst und<br />
Qualitätsstandards, die bei Luxuskonsumenten<br />
<strong>in</strong> aller Welt Anklang f<strong>in</strong>den. Die umfangreiche<br />
Liste kreativer Talente umfasst die Designer, die<br />
<strong>in</strong> der Designer-Galerie (S. 96–113) und <strong>in</strong> den<br />
Fallstudien dieses Kapitels vorgestellten Designer,<br />
aber auch viele andere, die auf <strong>in</strong>novative<br />
Weise mit e<strong>in</strong>heimischen Textilien, Kunstformen,<br />
Materialien und Ästhetik die Welt <strong>in</strong> ihren<br />
Bann gezogen haben. Ihr Erfolg beruht auch auf<br />
ihrem Geschick, lokale Materialien und Textilien<br />
<strong>in</strong> kommerziell verwertbare globale Luxusgüter<br />
zu verwandeln.<br />
Im Folgenden f<strong>in</strong>den Sie e<strong>in</strong>e sorgfältige<br />
Auswahl von Marken, die die Vielfalt der zeitgenössischen<br />
afrikanischen Luxusmode widerspiegeln<br />
– e<strong>in</strong>e Vielfalt, die sowohl moderne<br />
als auch traditionelle Praktiken und Produktionstechniken<br />
sowie Geschlecht, Geografie,<br />
Kultur und Erbe umfasst. Die Erforschung der<br />
Weltanschauung dieser Marken gibt uns nicht<br />
nur e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Herausforderungen,<br />
denen sie sich stellen müssen, sondern auch <strong>in</strong><br />
ihr Ethos und ihre Ethik. Es ist e<strong>in</strong> Fest für das<br />
Beste, was <strong>Afrika</strong> zu bieten hat.
Galerie der Designer<br />
Imbokodo-Kampagne von<br />
MmusoMaxwell. »Imbokodo«<br />
ist e<strong>in</strong> Zulu-Wort für<br />
Ste<strong>in</strong>. Es wird allegorisch<br />
für den Mut südafrikanischer<br />
Frauen im Angesicht<br />
von Widrigkeiten verwendet,<br />
von der Unterdrückung<br />
durch das Apartheidregime<br />
bis h<strong>in</strong> zu anhaltender Geschlechterungleichheit<br />
und<br />
geschlechtsspezifischer<br />
Gewalt (siehe Zitat von<br />
MmusoMaxwell S. 103).<br />
97
Kapitel 3<br />
Neue Talente aus <strong>Afrika</strong><br />
Gegenüber<br />
Besticktes Bubu-Kleid von<br />
Adama Paris. Adama Paris<br />
wendet sich an die moderne<br />
und elegante Frau,<br />
für die der größte Luxus dar<strong>in</strong><br />
besteht, sich die D<strong>in</strong>ge<br />
zu eigen zu machen. Die<br />
L<strong>in</strong>ie der Marke spiegelt<br />
dieses H<strong>in</strong> und Her, diesen<br />
Austausch zwischen dem<br />
Westen und <strong>Afrika</strong> wider.<br />
Die Stücke der Kollektion<br />
s<strong>in</strong>d aus Bio-Baumwolle,<br />
handgewebt und kunstvoll<br />
bestickt von senegalesischen<br />
Kunsthandwerkern.<br />
Rechts<br />
Federhalsband (Tigrette)<br />
mit antikem Mess<strong>in</strong>gbesatz<br />
vom Tuareg-Stamm von Kapoeta<br />
by Ambica. Kapoeta<br />
ist e<strong>in</strong>e Öko-Marke, die<br />
Federn und andere organische<br />
und anorganische<br />
Materialien, Edelste<strong>in</strong>e und<br />
Halbedelste<strong>in</strong>e zu s<strong>in</strong>nlichem<br />
Schmuck verarbeitet.<br />
Die Marke setzt auch<br />
fesselnde Symbole und<br />
ungewöhnliche Materialien<br />
e<strong>in</strong>, um die Konventionen<br />
von Schönheit und Luxus<br />
<strong>in</strong>frage zu stellen.<br />
99
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
L<strong>in</strong>ks<br />
Tüll-Bik<strong>in</strong>i-Set mit handgesäumten<br />
Wolldetails aus<br />
der SS21-Kollektion »Land<br />
of Gods« von I.AM.ISIGO.<br />
Der zwischen Lagos, Nairobi<br />
und Accra pendelnde Designer<br />
Bubu OgIsi von<br />
I.AM.ISIGO verkörpert die<br />
Energie e<strong>in</strong>es reisenden<br />
Kreativen. Durch die alten<br />
Handwerkstechniken des<br />
Färbens und Webens<br />
<strong>in</strong>terpretiert die Marke die<br />
Beziehung zwischen Materialien,<br />
Handwerkskunst,<br />
Kultur und Spiritualität neu.<br />
Sie steht an der Spitze der<br />
weltweiten Slow-Fashion-<br />
Bewegung und br<strong>in</strong>gt jedes<br />
Jahr e<strong>in</strong>e Kollektion heraus,<br />
die den Konventionen der<br />
Branche widerspricht.<br />
Gegenüber<br />
Bauch- und Gürteltaschen<br />
der Marke Rebel Fanny von<br />
Reform Studio. Die Kollektion<br />
wird aus Plastex hergestellt,<br />
e<strong>in</strong>em firmeneigenen<br />
umweltfreundlichen<br />
Textil, das aus recycelten<br />
Plastiktüten und Polyesterfäden<br />
besteht. Die recycelbaren<br />
Plastex-Garne<br />
werden auf traditionellen<br />
ägyptischen Webstühlen<br />
gewebt, um die alte Technik<br />
und die Lebensgrundlage<br />
der lokalen Handwerker zu<br />
erhalten.<br />
100
Kapitel 3<br />
Neue Talente aus <strong>Afrika</strong><br />
Gegenüber<br />
Toni Africa Mantel aus<br />
SS 2020 von MmusoMaxwell.<br />
MmusoMaxwell, gegründet<br />
von Maxwell Boko<br />
und Mmuso Potsane, ist<br />
e<strong>in</strong>e Konfektionsmarke für<br />
Damenmode. Sie entwirft<br />
ethische Kleidungsstücke,<br />
die vom afrikanischen Erbe<br />
und der zeitgenössischen<br />
Kultur <strong>in</strong>spiriert s<strong>in</strong>d, mit<br />
besonderem Schwerpunkt<br />
auf Schneiderei: Struktur,<br />
Passform und Details. Dem<br />
Duo zufolge durchdr<strong>in</strong>gt<br />
das afrikanische Erbe der<br />
Marke durch die altehrwürdige<br />
Handwerkskunst, die<br />
an die alten Handwerker<br />
er<strong>in</strong>nert.<br />
Rechts<br />
Hemd mit Chiffondruck<br />
aus der Kollektion Exclusive<br />
Pieces von Allëdjo.<br />
»Allëdjo«, was auf Yoruba<br />
»Reisende« bedeutet,<br />
wurde für Reisen und Freizeit<br />
entworfen, wobei jede<br />
Kollektion e<strong>in</strong>em Reiseziel<br />
und se<strong>in</strong>er Kultur gewidmet<br />
ist. Die Marke ist<br />
bestrebt, unter ethischen<br />
Gesichtspunkten und mit<br />
größter Rücksicht auf die<br />
kulturellen Werte der E<strong>in</strong>heimischen<br />
zu entwerfen<br />
und dabei die sche<strong>in</strong>bare<br />
E<strong>in</strong>fachheit komplexer<br />
Designs zu betonen.<br />
103
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
Rechts<br />
Mit Perlen besetztes und<br />
<strong>in</strong> Couture-Manier gefertigtes<br />
Brautkleid aus<br />
der Nuptials- Kollektion<br />
von Pistis. Seit 2008 steht<br />
Pistis an der Spitze der<br />
Entwicklung von maßgeschneiderten<br />
Kostümen<br />
und Brautkleidern <strong>in</strong> <strong>Afrika</strong>.<br />
Gegenüber<br />
Zweifarbige Tasche aus<br />
Leder und exotischer Haut<br />
von Zashadu. Das Stück<br />
aus der Hero-Kollektion<br />
besteht aus nachhaltig<br />
gewonnenem Krokodilleder<br />
und Leder aus e<strong>in</strong>heimischer<br />
Produktion, das gefärbt<br />
und von Hand glasiert<br />
wird. Die Hero-Kollektion<br />
»entstand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit großer<br />
Dunkelheit <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />
Leben«, sagt die Designer<strong>in</strong><br />
Za<strong>in</strong>ab Ashadu.
Kapitel 3<br />
Neue Talente aus <strong>Afrika</strong><br />
Gegenüber<br />
Volum<strong>in</strong>öse Cr<strong>in</strong>kle-Bluse<br />
und Jumpsuit mit weitem<br />
Be<strong>in</strong> und Korsett<br />
von Christie Brown SS20.<br />
Der Cr<strong>in</strong>kle-Stoff und der<br />
Polyester-Jersey s<strong>in</strong>d mit<br />
e<strong>in</strong>em Wachsimitatdruck<br />
verziert. Das 2008 gegründete<br />
Unternehmen Christie<br />
Brown würdigt die reiche<br />
Kultur und das textile Erbe<br />
Ghanas und setzt die kühne<br />
westafrikanische Ästhetik<br />
<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierende Stücke<br />
und kantige Silhouetten<br />
um, die bei modernen<br />
Frauen auf der ganzen Welt<br />
Anklang f<strong>in</strong>den.<br />
Rechts<br />
Die Hana M<strong>in</strong>i Blue aus der<br />
Season 5 Kollektion von<br />
AAKS. Zweifarbig gewebter<br />
Raffia mit Lederdetails.<br />
AAKS handgewebte Raffia-<br />
Taschen werden im Norden<br />
Ghanas gefertigt. Jedes<br />
Stück wird von hochqualifizierten<br />
Handwerksmeister<strong>in</strong>nen<br />
hergestellt, die<br />
mit viel Können und <strong>in</strong>timer<br />
Kenntnis der lokalen<br />
Raffia-Garne sorgfältig<br />
arbeiten.<br />
107
<strong>Afrika</strong> <strong>in</strong> <strong>Mode</strong><br />
L<strong>in</strong>ks<br />
Das gestufte Trio: Die<br />
Maxikleider Rudo, Alizeti<br />
und Lune aus der Kollektion<br />
Christ<strong>in</strong>e von Sika‘a.<br />
Sika‘a ist e<strong>in</strong>e moderne<br />
Luxusmarke für Damenmode,<br />
die von der Schönheit,<br />
Tradition und Kultur<br />
<strong>Afrika</strong>s <strong>in</strong>spiriert ist. Die<br />
Marke komb<strong>in</strong>iert Texturen,<br />
Farben und Muster, um<br />
die afrikanische Form zu<br />
betonen und aufzuwerten.<br />
Die Stücke von Sika‘a s<strong>in</strong>d<br />
mutig, lebendig und vielseitig<br />
e<strong>in</strong>setzbar.<br />
Gegenüber<br />
Masii Clutch und Yatta Ohrr<strong>in</strong>ge<br />
aus der Mung‘ung‘uti<br />
Kollektion von Jiam<strong>in</strong>i. Die<br />
Clutch besteht aus handgewebtem<br />
Sisal und Wolle<br />
und ist mit weißen und<br />
schwarzen Perlen verziert.<br />
Die Ohrr<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d aus Glasperlen<br />
geflochten, die an<br />
Wirbeln aus 18-karätigem,<br />
vergoldetem Mess<strong>in</strong>g befestigt<br />
s<strong>in</strong>d. Die Kollektion<br />
Mung‘ung‘uti (was so viel<br />
wie »Wirbelsäule« bedeutet)<br />
ist <strong>in</strong>spiriert von dem<br />
weit verzweigten Netz von<br />
Wegen, die die aufe<strong>in</strong>anderfolgenden<br />
Generationen<br />
verb<strong>in</strong>den. Die angewandten<br />
Verfahren verkörpern<br />
die drei wichtigsten<br />
Gründungspr<strong>in</strong>zipien der <strong>in</strong><br />
Kenia ansässigen Luxusmarke<br />
Jiam<strong>in</strong>i: Tradition,<br />
Handwerkskunst und Erbe.<br />
108
Kapitel 3<br />
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