Diplomarbeit - E-Beratungsjournal

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ewusst sind und daher eher bereit, über Probleme und Themen mit unangenehmen oder schambesetzten Inhalten zu reden. Unterstützt wird dies durch die als geringer empfundene Verbindlichkeit in virtuellen Beratungssituationen (Knatz 2007, S.4). Einzig die Rolle des Beraters gerät schnell ins Wanken, wenn es ihm nicht gelingt, die Erzählung des Klienten als Inszenierung zu verstehen und als beraterische Szene zu deuten. Nur auf den Text (hier als Beispiel der E-Mail Beratung) angewiesen, verführt der zu Beratende den Berater dazu, sich in die Geschichte einzuweben, oder gar zu verstricken und damit seine beraterische Freiheit aufzugeben. Insofern stößt der Berater dann auch schnell an seine eigenen Werte- und Moralvorstellungen, Normen, Ideale und Weltanschauungen mit der Konsequenz, den Ratsuchenden aus dem Blick zu verlieren und eher an der „Echtheit“ der Erzählung zu arbeiten, um sie gegebenenfalls als Fake zu entlarven (Knatz 2007, S.7). Und genau diese zu recht erhobene Befürchtung lässt sich durch eine systemisch-konstruktivistische Haltung seitens des professionell tätigen Beraters vermeiden. 5.4. Lebensraum virtuelle Welt Will man sich darüber klar werden, inwieweit virtuelle Orte zu tatsächlichen Lebensräumen werden, so muss man sich zunächst die Frage stellen, warum Menschen eigentlich solche Räume entwerfen, aufsuchen und nutzen. Prinzipiell unterscheiden sich reale und virtuelle Orte hinsichtlich der Motivation ihrer Nutzer (User) erstaunlicherweise nicht wirklich signifikant. In beiden Fällen strebt der Mensch nach Orten der Anerkennung seiner Leistung, nach Beachtung und Geselligkeit. Es sind Orte des Auslebens von Aggression, Dominanz und sozialer Ängstlichkeit, der Risikovermeidung und Hilfsbereitschaft (Chlanda 2001, S.74-76). 46

Bei der Suche nach individueller Sinngebung können virtuelle Orte zu Ersatz- und Ergänzungsräumen der Identitätsbildung werden. Die in diesem Prozess innewohnende Kommunikation, Unterstützung und soziale Lernerfahrung ist zwar anfangs immer mit einem hohen Maß an Anonymität und Distanz verbunden, jedoch ermöglichen gerade die virtuellen „Spielräume“ durch den intensiven Beziehungsaufbau der Nutzer einen Aktivierungsprozess, der es den Nutzern ermöglicht, wiederum mehr Themen aus dem „Real Life“ einzubringen und zu bearbeiten (Benke 2007, S.104). Da Beratung ein in erster Linie kommunikativer Prozess ist, zeigt sich an Hand der vielfältigen Plattformen und daraus resultierenden Möglichkeiten, dass die Online Kommunikation mehr Potential, hinsichtlich Variabilität des Settings und Anonymität des zu Beratenden bietet, als die Face-to-Face Kommunikation im Real Life. Die fehlende Kopräsenz der Teilnehmer ermöglicht zudem auch den Wegfall psychosozialer körpergebundener Daten und direkter Sinnesmodalitäten, sowie die Entkontextualisierung der Kommunikation (Misoch 2006, S.62). Dabei stellen sich die Möglichkeiten virtueller Beratungsangebote nicht zwingend als Ersatz für die Real Life Beratung dar, sondern eher als Ergänzung des Repertoires, welches dann durch die differenzierten Abstufungen kommunikativer und sozialer Präsenz an Reichhaltigkeit gewinnt. Somit ermöglicht die Virtualität einen auch für Beratung zusätzlichen Raum, der durch seine vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten ein echter Lebensraum ist. Lebensraum letztlich auch deshalb, weil die sogenannte Virtualität nicht fiktiv, sondern sehr real ist. Sie ist zwingend geprägt von den individuellen Erfahrungen, Emotionen, Mustern und Verhaltensstrategien der Lebenswirklichkeit der Nutzer, die diese in den virtuellen Raum transferieren. Und genau wie auch in realen Räumen, wirken die so entstandenen virtuellen Räume wiederum auch auf den Nutzer. Virtualität ist also durch Realität bedingt und daher auch Teil dieser und kein Nutzer betritt Virtualität ohne Bezug zur Realität zu haben (Benke und Schwarz 2007, S.3). 47

ewusst sind und daher eher bereit, über Probleme und Themen mit unangenehmen oder<br />

schambesetzten Inhalten zu reden. Unterstützt wird dies durch die als geringer<br />

empfundene Verbindlichkeit in virtuellen Beratungssituationen (Knatz 2007, S.4).<br />

Einzig die Rolle des Beraters gerät schnell ins Wanken, wenn es ihm nicht gelingt, die<br />

Erzählung des Klienten als Inszenierung zu verstehen und als beraterische Szene zu<br />

deuten. Nur auf den Text (hier als Beispiel der E-Mail Beratung) angewiesen, verführt<br />

der zu Beratende den Berater dazu, sich in die Geschichte einzuweben, oder gar zu<br />

verstricken und damit seine beraterische Freiheit aufzugeben. Insofern stößt der Berater<br />

dann auch schnell an seine eigenen Werte- und Moralvorstellungen, Normen, Ideale und<br />

Weltanschauungen mit der Konsequenz, den Ratsuchenden aus dem Blick zu verlieren<br />

und eher an der „Echtheit“ der Erzählung zu arbeiten, um sie gegebenenfalls als Fake zu<br />

entlarven (Knatz 2007, S.7). Und genau diese zu recht erhobene Befürchtung lässt sich<br />

durch eine systemisch-konstruktivistische Haltung seitens des professionell tätigen<br />

Beraters vermeiden.<br />

5.4. Lebensraum virtuelle Welt<br />

Will man sich darüber klar werden, inwieweit virtuelle Orte zu tatsächlichen<br />

Lebensräumen werden, so muss man sich zunächst die Frage stellen, warum Menschen<br />

eigentlich solche Räume entwerfen, aufsuchen und nutzen. Prinzipiell unterscheiden<br />

sich reale und virtuelle Orte hinsichtlich der Motivation ihrer Nutzer (User)<br />

erstaunlicherweise nicht wirklich signifikant. In beiden Fällen strebt der Mensch nach<br />

Orten der Anerkennung seiner Leistung, nach Beachtung und Geselligkeit. Es sind Orte<br />

des Auslebens von Aggression, Dominanz und sozialer Ängstlichkeit, der<br />

Risikovermeidung und Hilfsbereitschaft (Chlanda 2001, S.74-76).<br />

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