Diplomarbeit - E-Beratungsjournal
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gesellschaftliche Einrichtung ist, in welcher ein Ensemble von Darstellern vor einem<br />
Publikum zusammenarbeitet (S.217), dann dürften diese Gegebenheiten wohl erst recht<br />
auch für die Virtualität gelten. Und so ließen sich wohl auch alle weiteren<br />
Betrachtungen Goffmans, beispielsweise zur Fassade, der dramatischen Gestaltung,<br />
Inszenierung etc., auch auf den virtuellen Raum und deren Charaktere übertragen.<br />
Dennoch bleibt die Frage nach dem, was die Virtualität so besonders machen könnte für<br />
die Beratung. Goffman sagt, dass jeder Einzelne in der sozialen Interaktion bestrebt sei,<br />
die tatsächliche Situation zu entdecken, den tatsächlichen Charakter des Gegenübers zu<br />
enthüllen. Dies würde beinhalten, alle relevanten gesellschaftlichen Daten, Resultate<br />
und Endprodukte der Tätigkeit, sowie die innere Einstellung des Gegenübers zu kennen.<br />
Da dies eher unwahrscheinlich und aus konstruktivistischer Sicht sogar unmöglich ist,<br />
bedient sich der Einzelne im Real Life mit Ersatzinformationen (Statussymbole,<br />
ausdrucksvolle Gesten, etc.) als Mittel der Vorhersage (S.228). Und genau hier dürfte<br />
der Knackpunkt liegen, denn diese Ersatzinformationen stehen gerade in der Virtualität,<br />
wenn überhaupt, nur im geringerem Maße zur Verfügung, das Bestreben, die Situation<br />
zu entdecken/zu enthüllen jedoch unvermindert. Unterstützt man weitergehend die<br />
These, dass sich die Nutzer des virtuellen Raumes vor allem als idealisiertes Selbst<br />
bewegen und somit eher dazu neigen, positive Projektionen (in Form von Bildern und<br />
Abbildern) als „Lückenfüller“ zu verwenden, ergibt sich für den Beratungskontext das<br />
Szenario: idealisierter virtueller Berater trifft auf idealisierten virtuellen zu Beratenden<br />
und das in gegenseitiger (Selbst)Inszenierung. Die Geburt der idealisierten Beratung?<br />
Vermutlich nicht, dennoch darf man die Erwartung haben, dass Onlineberatung die<br />
Möglichkeiten bietet, sich einem solchen Zustand anzunähern, eine Situation zu<br />
schaffen, in der Machtverhältnisse ungeklärt sind, Berater und Ratsuchender auf<br />
gleicher Augenhöhe stehen, eine herzliche, warme und respektvolle Atmosphäre besteht<br />
und der Mut zur Offenheit da ist. Berater und Ratsuchende wären dann von Neugier und<br />
Interesse am Gegenüber gekennzeichnet.<br />
Einen weiteren Gesichtspunkt zur Selbstinszenierung könnten aber auch beobachtbare<br />
gesellschaftliche Phänomene liefern, die in ihrer Ausprägung auf den virtuellen Raum<br />
übertragen werden. So könnte das „sich in Szene setzen“ auch ein Ausdruck dafür sein,<br />
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