Diplomarbeit - E-Beratungsjournal

Diplomarbeit - E-Beratungsjournal Diplomarbeit - E-Beratungsjournal

e.beratungsjournal.net
von e.beratungsjournal.net Mehr von diesem Publisher
28.12.2012 Aufrufe

wird. Des Weiteren wird das systemtheoretische Modell der Autopoiesis erstmals auf den Hilfekontext lebender (sozialer) Systeme übertragen. Als Autopoiesis wird die Eigenschaft von Systemen beschrieben, sich immer wieder in einem aktiven Prozess selbst zu erzeugen und zu erhalten. Demnach unterliegen diese Systeme einem Autonomiemodell und lassen sich, im Gegensatz zur Funktionsweise eines maschinellen Systems, nicht kontrollieren oder programmieren. Lebende Systeme können nur angeregt, angestoßen oder auch verstört werden. Dies beinhaltet auch die Schlussfolgerung, dass im Vergleich zu früheren Denkansätzen eine gezielte Einflussnahme durch instruktive Interaktionsformen nicht möglich ist. Das, was aus dem Anregen, dem Anstoßen oder auch dem Verstören hervorgeht, ist nicht vorhersehbar. Dies unterstützt die These, der Unmöglichkeit externer objektiver Beeinflussbarkeit von Systemen und dem daraus resultierendem anderen Verständnis zur Rolle des Beraters. Die vermeintliche Expertenposition wird größtenteils aufgegeben und an deren Stelle rückt das Selbstverständnis als kooperativer Begleiter des Klienten beziehungsweise des Klientensystems, der das System bestenfalls anregen, oder irritieren kann und die Verantwortung für eine Veränderung beim Klienten(system) belässt. Damit verbunden ist auch die Aufgabe der vermeintlichen Fähigkeit eines professionellen Helfers, funktionale von dysfunktionalen Systemen unterscheiden und eindeutig pathologische Muster als Ursache der Problementstehung identifizieren zu können. Vielmehr rücken die entsprechenden Wirklichkeitssichten der jeweiligen Beteiligten in den Vordergrund, insbesondere die individuell zugeschriebenen Bedeutungen, die mit dem Problem in Verbindung gebracht werden (Haselmann 2008, S.218-219). Insofern verwundert es auch wenig, dass Haselmann unter Bezugnahme zu Lynn Hoffmann (1996, zitiert nach Haselmann 2008) zu dem Schluss kommt, dass nicht das System das Problem erschafft, sondern das zu Grunde liegende Problem ein System erschafft (S.210). Anders gesagt, die Definition eines Problems als solches, einschließlich der entsprechenden als problematisch empfundenen Verhaltensweisen, erschafft ein System von Bedeutungen und damit verbundener Kommunikation zwischen den Beteiligten Elementen beziehungsweise Personen. Im Sinne des radikalen Konstruktivismus dürfte demnach jedoch davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen Realitäts- und Wirklichkeitssichten, bezogen auf ein problematisches Verhalten beziehungsweise auf die Definition eines Problems, individuell sehr 12

unterschiedlich sein können und aus dieser Perspektive heraus weder als richtig noch falsch, wahr oder unwahr identifizierbar sind. Dies trifft folglich auch auf die Position und Sichtweise des Beraters als professioneller Helfer zu. Alle Annahmen müssen daher als individuelle Konstruktion angesehen werden und sich vordergründig nach ihrer Nützlichkeit für ein erfolgreiches Handeln und Überleben bewerten lassen, nicht nach dem Maß ihres scheinbar objektiven Wahrheitsgehaltes. Insofern lässt sich im Sinne des sozialen Konstruktionismus aus dem Angebot verschiedener Wirklichkeitskonstruktionen auch die Option eröffnen, aus den jeweiligen Problemkonstruktionen eine Vielfalt an aushändelbaren Lösungskonstruktionen zu gestalten. Aus systemisch-konstruktivistischer Sicht wäre auch eine gezielte Intervention durch Instruktion möglich und machbar, allerdings würde ein positive und als hilfreich empfundene Veränderung nur dadurch eintreten, dass der „talentierte“ professionelle Helfer zufallsbedingt etwas gefunden hat, dass von den Klienten angenommen und umgesetzt werden kann. Eine gleiche Intervention in ähnlichem Kontext, nur mit anderen Klienten, könnte jedoch genauso gut gegenteilig verlaufen. Insofern erscheint die Vorstellung instruktiver Intervention als nicht erstrebenswert. 2.2. Eckpfeiler systemisch orientierter Beratung In den folgenden Abschnitten soll versucht werden, praxisrelevante Grundkonstanten für die beraterische Tätigkeit im psychosozialen Arbeitsfeld herauszuarbeiten. Hierbei wird nicht der Versuch unternommen, einen möglichst umfassenden und vollständigen Einblick in alle Facetten des Handlungsfelds Beratung zu geben, sondern es wird versucht, wesentliche Prinzipien, Haltungen und Arbeitsweisen einer systemisch orientierten Beratungspraxis, im Kontext einer systemisch-konstruktivistischen Sichtweise hervorzuheben. Dabei liegt die Betonung ganz bewusst auf systemisch orientiert, weil im Handlungsfeld von Beratung sicherlich nicht immer und in jeder Situation eine systemische Sichtweise sinnvoll und zielführend für die Beteiligten sein dürfte. Innerhalb eines Beratungssettings ist es demnach Aufgabe des professionellen 13

wird. Des Weiteren wird das systemtheoretische Modell der Autopoiesis erstmals auf<br />

den Hilfekontext lebender (sozialer) Systeme übertragen. Als Autopoiesis wird die<br />

Eigenschaft von Systemen beschrieben, sich immer wieder in einem aktiven Prozess<br />

selbst zu erzeugen und zu erhalten. Demnach unterliegen diese Systeme einem<br />

Autonomiemodell und lassen sich, im Gegensatz zur Funktionsweise eines<br />

maschinellen Systems, nicht kontrollieren oder programmieren. Lebende Systeme<br />

können nur angeregt, angestoßen oder auch verstört werden. Dies beinhaltet auch die<br />

Schlussfolgerung, dass im Vergleich zu früheren Denkansätzen eine gezielte<br />

Einflussnahme durch instruktive Interaktionsformen nicht möglich ist. Das, was aus<br />

dem Anregen, dem Anstoßen oder auch dem Verstören hervorgeht, ist nicht<br />

vorhersehbar. Dies unterstützt die These, der Unmöglichkeit externer objektiver<br />

Beeinflussbarkeit von Systemen und dem daraus resultierendem anderen Verständnis<br />

zur Rolle des Beraters. Die vermeintliche Expertenposition wird größtenteils<br />

aufgegeben und an deren Stelle rückt das Selbstverständnis als kooperativer Begleiter<br />

des Klienten beziehungsweise des Klientensystems, der das System bestenfalls anregen,<br />

oder irritieren kann und die Verantwortung für eine Veränderung beim Klienten(system)<br />

belässt. Damit verbunden ist auch die Aufgabe der vermeintlichen Fähigkeit eines<br />

professionellen Helfers, funktionale von dysfunktionalen Systemen unterscheiden und<br />

eindeutig pathologische Muster als Ursache der Problementstehung identifizieren zu<br />

können. Vielmehr rücken die entsprechenden Wirklichkeitssichten der jeweiligen<br />

Beteiligten in den Vordergrund, insbesondere die individuell zugeschriebenen<br />

Bedeutungen, die mit dem Problem in Verbindung gebracht werden (Haselmann 2008,<br />

S.218-219). Insofern verwundert es auch wenig, dass Haselmann unter Bezugnahme zu<br />

Lynn Hoffmann (1996, zitiert nach Haselmann 2008) zu dem Schluss kommt, dass nicht<br />

das System das Problem erschafft, sondern das zu Grunde liegende Problem ein System<br />

erschafft (S.210). Anders gesagt, die Definition eines Problems als solches,<br />

einschließlich der entsprechenden als problematisch empfundenen Verhaltensweisen,<br />

erschafft ein System von Bedeutungen und damit verbundener Kommunikation<br />

zwischen den Beteiligten Elementen beziehungsweise Personen. Im Sinne des radikalen<br />

Konstruktivismus dürfte demnach jedoch davon ausgegangen werden, dass die<br />

jeweiligen Realitäts- und Wirklichkeitssichten, bezogen auf ein problematisches<br />

Verhalten beziehungsweise auf die Definition eines Problems, individuell sehr<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!