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Anstifter 1, 2023 der Stiftung Liebenau Österreich

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Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

„Mit Humor<br />

geht alles leichter“<br />

Drei Mitarbeiterinnen im Gespräch zum<br />

Thema Humor<br />

Wie können Pflege- und Betreuungskräfte einen humorvolleren<br />

Umgang lernen?<br />

Humor sollte nicht dazu genutzt werden, um Probleme zu ba ­<br />

ga tellisieren. Aber wenn ich erkannt habe, dass Humor zur<br />

Lösung beitragen könnte, sollte ich ihn einsetzen. Die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

besteht darin, ihn in einer sehr achtsamen und<br />

reflektierten Weise zu verwenden. Manchmal braucht es nur<br />

die richtige Berührung im richtigen Moment. Als Clown muss<br />

ich aber auch Mut zum Scheitern haben. Das ist das Wesen des<br />

Worüber haben Sie zuletzt so richtig herzhaft lachen müssen?<br />

Es ist noch gar nicht so lang her, da ist mir kurz nach dem<br />

Beginn meines Vortrags vor einem elitären Publikum in <strong>der</strong><br />

Schweiz bei einem Sprung von <strong>der</strong> Bühne zuerst <strong>der</strong> Gürtel und<br />

dann die Hose selbst gerissen. Damit die Hose nicht rutscht,<br />

habe ich 50 Minuten mit Angstschweiß festgeklemmt bei meinem<br />

Stehtisch verbracht und so meinen Vortrag gehalten. Alles<br />

ist gut gegangen und danach konnten wir über die schräge<br />

Panne herzhaft lachen.<br />

Wie lässt sich eine Alltagssituation in <strong>der</strong> Pflege o<strong>der</strong><br />

Betreuung aufheitern? Was tun, wenn Bewohnerinnen<br />

o<strong>der</strong> Klienten morgens mürrisch sind? Und: Wie<br />

bringt man Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen<br />

zum Lächeln? Drei in ihren Teams als beson<strong>der</strong>s<br />

humorvoll bekannte Pflege- und Betreuungspersonen<br />

– Doris Humer, Heimhelferin im Sozialzentrum<br />

Kloster Nazareth, Verena Huber, Pflegeassistentin<br />

in <strong>der</strong> Lebenswelt St. Antonius, und Michaela<br />

Sporer, Wohnbereichsleiterin im Klaraheim – haben<br />

sich dazu via Teams ausgetauscht.<br />

Astrid, Klientin in <strong>der</strong> Lebenswelt St. Antonius, mit ihrer Puppe.<br />

Links: Pflegeassistentin Verena Huber.<br />

Clowns: Er fällt, steht wie<strong>der</strong> auf, fällt nochmal, steht wie<strong>der</strong><br />

auf. Je<strong>der</strong> bewun<strong>der</strong>t den Clown für diese Fähigkeit. Deshalb<br />

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Szeliga!<br />

Die drei Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> sind sich schon<br />

rate ich: Einfach mal ausprobieren.<br />

nach den ersten Minuten einig: „Mit Humor geht alles leichter“,<br />

sagt Michaela Sporer, „Mit Humor erreicht man mehr“, pflich­<br />

… und die Führungskräfte?<br />

tet ihr Verena Huber bei und Doris Humer kann nur bestäti­<br />

Wie für uns alle gilt: Vorbild sind wir oft, aber Beispiel nur sel­<br />

gen: „Die Bewohnerinnen und Bewohner reagieren gleich ganz<br />

ten. Heißt: Wenn die leitende Person positiv eingestellt ist, wird<br />

an<strong>der</strong>s, wenn man ihnen mit einem Lächeln begegnet.“<br />

sich das auf an<strong>der</strong>e übertragen. Hier ein paar Tipps:<br />

• Freuen Sie sich auch über kleine Fortschritte, loben Sie<br />

mit einem Lächeln.<br />

Wenn die Puppe müde ist<br />

Doch wie schaut das ganz konkret im Alltag aus? Verena Huber<br />

erzählt von einer Klientin, die morgens oft schlecht gelaunt<br />

Jaga Sparber, Bewohnerin im Klaraheim, mit <strong>der</strong> verkehrt angezogenen<br />

Jacke. Rechts: Wohnbereichsleiterin Michaela Sporer.<br />

• Sehen Sie das Positive und seien Sie dankbar dafür.<br />

Sagen Sie „Danke!“<br />

ist, we<strong>der</strong> aufstehen noch ihrer Arbeit in <strong>der</strong> Kreativwerkstatt<br />

nachgehen will. „Diese Klientin hat immer eine Puppe bei sich,<br />

über die sie ihre Emotionen und Bedürfnisse äußert. Wenn<br />

„Humor muss nicht verbal sein“<br />

Und wie bringt man Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen<br />

zum Lächeln? Auch zu dieser Frage sind sich die drei einig:<br />

• Bringen Sie jeden Tag mindestens einen Menschen zum<br />

Lachen.<br />

• Teilen Sie humorvolle Geschichten aus Ihrem (persönlichen)<br />

Alltag.<br />

die Puppe müde ist, meint sie damit eigentlich sich selbst. Ich<br />

ziehe also einfach die Puppe an, mache sie schick, übertreibe<br />

ein wenig, bis die Klientin schmunzeln muss. Dann beginnt<br />

<strong>der</strong> Tag gleich besser für sie.“ Doris Humer kennt einen Bewohner,<br />

<strong>der</strong> schlecht zu Fuß ist: „Wenn’s irgendwohin gehen soll,<br />

Man muss die Person und ihre Biografie kennen, individuell auf<br />

sie eingehen. „Je<strong>der</strong> ist an<strong>der</strong>s – das gilt ja für alle Menschen“,<br />

merkt Verena Huber an. „Humor muss nicht verbal sein“, wirft<br />

Michaela Sporer ein, „auch über Berührungen kann man sich<br />

gegenseitig necken.“ Außerdem gelte auch in diesem Zusam­<br />

• Schätzen Sie den Humor Ihres Gegenübers richtig, das<br />

heißt sensibel ein.<br />

• Lassen Sie lustige Situationen aus dem Pflegealltag aufschreiben<br />

und ans Schwarze Brett hängen o<strong>der</strong> in einem<br />

Buch sammeln.<br />

• Würzen Sie (schriftliche) Anweisungen – wenn möglich –<br />

Buchtipp<br />

„Hirn mit Herz hat Hand und<br />

Fuss – Wie Humor und gute<br />

Gefühle Ihr Leben verän<strong>der</strong>n“,<br />

von Dr. Roman Szeliga, 2020,<br />

Amalthea Signum Verlag,<br />

Wien, ISBN 978-3-99050-169-6.<br />

schnapp ich ihn, und wir machen ein Tänzchen, bewegen uns<br />

tänzelnd fort. So fällt es gar nicht auf, dass ich ihn stütze. Außerdem<br />

haben wir beide viel Spaß dabei.“ Michaela Sporer berichtet<br />

von Bewohnerinnen und Bewohnern, die mehr Ressourcen<br />

haben, als sie nutzen. Um sie aus <strong>der</strong> Reserve zu locken, zieht<br />

sie ihnen ein Kleidungsstück verkehrt herum an. „Die Bewohner<br />

lachen dann und sagen: ‚Du kannst es ja auch nicht besser!‘<br />

Die Situation ist aufgelockert, <strong>der</strong> Bewohner motiviert.“ Wichtig<br />

menhang, dass sich das eigene Fröhlichsein auf an<strong>der</strong>e übertrage.<br />

„Was immer geht, ist Musik“, sagt Doris Humer. „Über Musik<br />

erreiche ich auch Menschen, die nicht mehr sprechen.“ Ins Sozialzentrum<br />

Kloster Nazareth kommen daher regelmäßig Musikanten,<br />

um gemeinsam mit den älteren Menschen zu singen,<br />

im Klaraheim macht ein Alleinunterhalter Stimmung und in <strong>der</strong><br />

Lebenswelt St. Antonius gibt es alle 14 Tage einen Tanznachmittag.<br />

„Musik motiviert, macht Laune, spricht wirklich jeden an“,<br />

mit einer kleinen Prise Humor.<br />

sei vor allem auch, über sich selbst lachen zu können.<br />

bestätigt Verena Huber. (eb)<br />

6 anstifter ÖSTERREICH 1 | <strong>2023</strong><br />

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