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Anstifter 1, 2023 der Stiftung Liebenau Österreich

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Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Herr Dr. Szeliga, was hat Sie bewogen, sich mit Humor zu<br />

beschäftigen?<br />

Dr. Roman Szeliga: Das Thema Humor begleitet mich schon<br />

lange. Ich war zum Beispiel immer <strong>der</strong> Klassenkasperl. Als junger<br />

Mediziner dann habe ich von den Spitalclowns in den USA<br />

gehört. Ich war fasziniert, was Humor bewirken kann. Im Jahr<br />

1991 habe ich die CliniClowns gemeinsam mit <strong>der</strong> Schauspielerin<br />

Kathy Tanner in Europa etabliert. Immer wie<strong>der</strong> konnte<br />

ich beobachten, wie Lächeln sogar schwerstkranke Menschen<br />

boostert.<br />

Dass Humor eine heilende Wirkung hat, ist wissenschaftlich<br />

bewiesen...<br />

…ja, Humor ist ein wichtiges Tool, weil es sowohl kommunikativ<br />

als auch therapeutisch wirkt. Der Blutdruck sinkt, Gefäße<br />

werden besser durchblutet und damit die Organe, wir atmen<br />

besser, tiefer. Wenn man gemeinsam lachen kann, lösen sich<br />

schwierige Situationen leichter. Das britische sportmedizinische<br />

Institut hat 2016 herausgefunden, dass eine Minute herzhaftes<br />

Lachen, unser Leben um 20 Minuten verlängert. Humor<br />

ist in all den Wirren unserer Zeit eine wun<strong>der</strong>bare Möglichkeit,<br />

dem Leben positiver zu begegnen.<br />

Was ist Humor eigentlich? Wie lautet Ihre Definition?<br />

Humor ist eine positive Grundhaltung, Doping für die Seele,<br />

Schmiermittel für die Kommunikation, die beste Ergänzung zu<br />

Kompetenz. Und hier noch meine neueste Definition: Humor ist<br />

ein überaus ansteckendes Virus, gegen das es keine Therapie<br />

gibt. Lachen und Humor gehören zusammen, sind aber nicht<br />

das gleiche. Lachen ist ein motorischer Vorgang, Humor ist eine<br />

innere Haltung, die man an<strong>der</strong>en Menschen gegenüber hat.<br />

Optimisten und Pessimisten haben gleich oft recht, doch gehen<br />

Optimisten gesün<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> jeweiligen Situation um. Der Sympathie-<br />

und Erfolgsfaktor ist auf ihrer Seite. In diesem Sinne ist<br />

Humor auch eine Art Heiterbildung. Humor ist schließlich auch<br />

die Erlaubnis, sich wie<strong>der</strong> mehr Leichtigkeit zu geben.<br />

Wie wird eine normale Alltagssituation zu einer humorvollen?<br />

Es genügt jedenfalls nicht, auf ein Lächeln von außen zu warten.<br />

Wenn wir nicht beginnen, dem an<strong>der</strong>en ein Lächeln zu zeigen,<br />

wird nichts passieren. Wir müssen <strong>der</strong>jenige sein, <strong>der</strong> die Initiative<br />

ergreift, selbst aktiv für eine positive Grundhaltung sorgen.<br />

Wir können übrigens viel mehr bewirken, als wir für möglich<br />

halten. Über eine positive Wahrnehmung können wir die Welt<br />

liebevoller und freundlicher machen. Aber das Beste kommt<br />

erst noch: Wenn es dem an<strong>der</strong>en gut geht, geht es auch mir gut.<br />

„Humor ist eine<br />

irrsinnig wichtige Kraftquelle“<br />

Interview mit dem Humorexperten Dr. Roman Szeliga<br />

Humor wirkt: Er stimuliert und kräftigt nicht nur die Lachmuskeln, son<strong>der</strong>n den gesamten Organismus, setzt Emotionen frei, löst<br />

Hemmungen, regt die Fantasie an und steigert das kreative Potenzial. Humor sollte vor allem verbindend und selbststärkend<br />

sein, also nicht auf Kosten an<strong>der</strong>er gehen. Dann verbreitet er sich nämlich ganz von selbst und erfrischt das Gemeinschaftsgefühl.<br />

Kurz: Lachen ist die beste Medizin – für Körper, Geist und Gesellschaft. Aber: Wie bringt man Menschen mit Demenz o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

kognitiven Beeinträchtigungen zum Lachen? Was gilt es zu beachten? Wo genau verläuft die Grenze zwischen Lachen und<br />

Auslachen? Und: Lässt sich Humor lernen? Antworten auf diese und weitere Fragen rund um das Thema Humor gibt Dr. Roman<br />

Szeliga, Facharzt für Innere Medizin, Mitbegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> CliniClowns Europa und laut Medien „<strong>Österreich</strong>s Humorexperte Nr. 1“.<br />

Die Fragen stellte Elke Benicke<br />

Gibt es Tabuthemen? Worüber o<strong>der</strong> in welchen Situationen<br />

sollte nicht gelacht werden?<br />

Tabu ist Humor immer dann, wenn es um Hass, Neid und verbale<br />

Gewalt geht – wenn auf Kosten an<strong>der</strong>er gelacht wird. Da<br />

verstehe ich im wahrsten Sinne des Wortes keinen Spaß mehr.<br />

Wo genau verläuft die Grenze zwischen Lachen und Auslachen?<br />

Wie erkennt man sie?<br />

Wenn ich jemandem mit einer offenen Gesinnung begegne,<br />

wenn die Freundlichkeit aus mir herausbricht, brauche ich<br />

keine Bedenken haben. Wenn jemand das Lachen jedoch dazu<br />

nutzt, um eine an<strong>der</strong>e Person zu degradieren, ist das eine starke<br />

Waffe und eindeutig ein No-Go.<br />

Verstehen Menschen mit Demenz o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en kognitiven<br />

Beeinträchtigungen Humor an<strong>der</strong>s? Was gilt es zu beachten?<br />

Humor ist eine irrsinnig wichtige Kraftquelle für hochbetagte<br />

Menschen, aber auch für ihre Angehörigen. Als CliniClowns<br />

thematisieren wir das Annehmen <strong>der</strong> jeweiligen Situation,<br />

nicht das Ha<strong>der</strong>n mit verfehlten Chancen. Humor verän<strong>der</strong>t<br />

sich bei Demenz, wird kindlich, albern, zum Teil auch rücksichtslos.<br />

Doch das Herz wird nicht dement. Das ist eine wichtige<br />

Erkenntnis. Viele Menschen mit Demenz mögen Verballhornungen,<br />

also wenn ihnen bekannte Gedichte o<strong>der</strong> Lie<strong>der</strong><br />

humorvoll umgedeutet werden. Sie erinnern sich an den wahren<br />

Wortlaut und freuen sich, dass sie die verän<strong>der</strong>te Bedeutung<br />

verstehen. Ein No-Go ist es, sich über Fehler o<strong>der</strong> Irrtümer<br />

von Menschen mit Demenz o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Beeinträchtigungen<br />

lustig zu machen.<br />

Bitte erzählen Sie, wie Sie ältere Menschen o<strong>der</strong> Menschen mit<br />

Beeinträchtigungen zum Lachen gebracht haben.<br />

Einmal gab es eine Situation, da wollte eine ältere Dame nicht<br />

aufstehen. Auch nicht, als mehrere Physiotherapeuten versucht<br />

haben, sie zu motivieren. Wir wussten, sie war früher Opernsängerin<br />

und Tänzerin und da hatten wir die Idee, sie mit Musik<br />

aus dem Bett zu holen. Meine Kollegin hat Gitarre gespielt und<br />

ich habe ihr die Hand gereicht. Schließlich hat sie Walzer mit<br />

mir getanzt. Ein wun<strong>der</strong>bares Erlebnis. O<strong>der</strong>: Als CliniClown<br />

habe ich mal einer älteren Dame den Blutdruck gemessen.<br />

Zuerst habe ich kritisch auf das Messgerät geschaut und dann<br />

mit einem Lächeln gesagt: ‚Sie haben den Blutdruck einer<br />

17-Jährigen.‘ Sie hätten sie sehen sollen.<br />

4 anstifter ÖSTERREICH 1 | <strong>2023</strong><br />

anstifter ÖSTERREICH 1 | <strong>2023</strong><br />

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