Neurologie-Abteilungsbericht21:22
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Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg - Abteilungsbericht 2021/22
Multizenter-Studie zum Liquorprofil
bei Patient*Innen mit COVID-19 und
neurologischen Symptomen (J Neuroinflammation)
Umfassende Daten zum Liquorprofil bei Patient*Innen mit COVID-19 und neurologischer
Beteiligung aus groß angelegten multizentrischen Studien fehlen bislang. Die
Arbeitsgruppe Neuroimmunologie hatte während der zweiten Amtszeit von Brigitte
Wildemann als Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Liquordiagnostik und Klinische
Neurochemie (DGLN) die Möglichkeit, federführend die von 17 DGLN- und assoziierten
schweizerischen, österreichischen und italienischen Zentren gesammelten
Daten systematisch auszuwerten. Insgesamt gingen in die Auswertung die Ergebnisse
von 150 Lumbalpunktionen bei 127 Patient*Innen mit PCR-positiver COVID-19 und neurologischen
Symptomen ein. Der häufigste pathologische Befund war eine BLS-Dysfunktion
(erhöhter QAlb), die bei 58/116 (50 %) Proben von Patient*Innen ohne vor-/
koexistierende ZNS-Erkrankungen (Gruppe I) nachweisbar war. QAlb blieb auch >14
Tage (47,6%) und sogar >30 Tage (55,6%) nach Beginn der neurologischen Symptomatik
erhöht. Das Liquor-Gesamtprotein war in 54/118 (45,8%) der Proben erhöht und korrelierte,
wie erwartet, hochsignifikant mit QAlb. Die Leukozytenzahl im Liquor war bei
nur 14/128 (11 %) erhöht (meist lymphomonozytär; Median 10 Zellen/µl, > 100 nur bei
4). Eine albuminozytologische Dissoziation (AZD) wurde bei 43/115 (37,4%) gefunden.
L-Laktat im Liquor war bei 26/109 (24%) erhöht. Eine intrathekale IgG, IgA und IdM-
Synthese lag nur ausnahmsweise vor. In 58/103 Proben (56%) waren - kompatibel mit
einer systemischen Entzündung - identische oligoklonale Banden (OCB) im Serum und
Liquor (Pattern 4) vorhanden, dagegen liquorspezifische OKB nur in 2/103 (1,9 %). Die
SARS-CoV-2-PCR im Liquor war in 76/76 Proben negativ. Alle Routine-Liquorparameter
waren in 35 % normal. Die Zytokinspiegel im Liquor (oft in Verbindung mit einer BLS-
Dysfunktion) und im Serum waren häufig erhöht und blieben teilweise über Wochen/
Monate positiv bei hohen Spiegeln (939 Tests, Serumwerte für das proinflammatorische
Zytokin Interleukin-6 [IL-6] von 63 Patient*Innen). Bei 2/19 (10,5%) Patient*Innen
lag ein positiver SARS-CoV-2-IgG-Antikörper-Index (AI) vor, der bei beiden mit einer ungewöhnlich
hohen Pleozytose und in einem der beiden Fälle mit einem stark erhöhten
IL-6-Index einherging (nicht getestet in dem anderen der beiden Fälle). Anti-neuronale/anti-gliale
Autoantikörper waren im Liquor und im Serum meist nicht nachweisbar
(1509 Tests). In Proben von Patient*Innen mit prä-/koexistierenden ZNS-Erkrankungen
(Gruppe II [N=19]; einschließlich MS, JC-Virus-assoziiertes entzündliches Immunrekonstitutionssyndrom,
HSV/VZV-Enzephalitis/Meningitis, ZNS-Lymphom, Anti-Yo-Syndrom,
SAB) waren Liquorbefunde meist repräsentativ für die jeweilige Erkrankung.
Zusammenfassend gilt: Das Liquorprofil bei Neuro-COVID-19 ist – mit einer zerebrospinalen
Endotheliopathie vereinbar – hauptsächlich durch eine BLS-Disruption
ohne intrathekale Entzündung gekennzeichnet und mutmaßlich indirekt Folge systemischer
(z.B. Hypoxie) und infektiös toxischer Einflüsse. Anhaltende BLS-Dysfunktion
und erhöhte Zytokinspiegel könnten sowohl zu akuten Symptomen als auch zu „long
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