Neurologie-Abteilungsbericht21:22
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Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg - Abteilungsbericht 2021/22
NEUIGKEITEN
AUS DER NEURO-
IMMUNOLOGIE
Relevanz der Blut-Liquor-Schranke
als wichtiges Eintrittstor potentiell
schädlicher aktivierter B-Zellen in den
Liquor bei Patient*Innen mit MS
Die Blut-Liquor-Schranke (BLS) ist ein möglicher Eintrittsort für autoimmune B-Zellen,
die als wichtige Impulsgeber für die Entstehung und Progression der chronischen
Autoimmunprozesse im zentralen Nervensystem (ZNS) bei Multipler Sklerose (MS) gelten.
Die molekularen Mechanismen, die den Übertritt potentiell autoreaktiver B-Zellen
durch die BLS regulieren, sind kaum bekannt. Für dieses Projekt wurde daher ein
Modell des humanen Plexus-choroideus-Epithels verwendet, um die Migration von B-
Zellen aus dem Blut von gesunden Proband*Innen und von MS-Patient*Innen unter
Verwendung eines breiten Methodenspektrums (Durchflusszytometrie, Immunfluoreszenz-/Elektronenmikroskopie,
PCR-Array) zu untersuchen. Diese in vitro Experimente
wurden komplettiert durch die Charakterisierung des Transkriptoms/Oberflächenprofils
intrathekaler B-Zellen von MS-Patient*Innen im akuten Schub. Wir konnten zeigen,
dass sowohl über trans- als auch parazelluläre Diapedese eine durch die Chemokine
CXCl12/CXCL13 angekurbelte selektive B-Zell-Migration über die BLS stattfindet, die zu
einer Anreicherung von B-Zellen mit einem isotype class-switched memory (CSM)-
Phänotyp im Liquor führt. Diese „migratorischen“ B-Zellen sind voraktiviert und durch
eine erhöhte Expression B-Zell-spezifischer Chemokinrezeptoren (CXCR-4, CXCR-5) sowie
ein bei MS-Patient*Innen gegenüber gesunden Proband*Innen potenziertes Migrationsverhalten
gekennzeichnet. Der Umstand, dass phänotypisch analoge CSM-B-
Zellen zum Zeitpunkt akuter MS-Aktivität intrathekal angereichert sind, unterstreicht
die Bedeutung der BLS für die Einwanderung krankheitsrelevanter B-Zellklone in den
Liquorraum und das ZNS. Dies wird unterstützt durch Befunde, wonach die Diapedeserate
„migratorischer“ B-Zellen bei Patienten, die mit Natalizumab - ein Wirkstoff, der
die Einwanderung von Immunzellen über die Blut-Hirn-Schranke in das ZNS effizient
unterbindet - deutlich geringer ausgeprägt ist und Zellen dieses Phänotyps bei Patient*Innen,
die nach Absetzen von Natalizumab einen Schub erleiden, intrathekal akkumulieren
(Haas J, et al. Front Immunol. 2021 Jan 26;11:618544). Aktuell bearbeiten wir
eine – ebenfalls von der Klaus-Tschira-Stiftung geförderte – Folgestudie, die die potentielle
Eignung der CSM-B-Zellen als möglichen prognostischen MS-Marker untersucht.
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