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Neurologie-Abteilungsbericht21:22

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Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg - Abteilungsbericht 2021/22

VERFLECHTUNGEN

DES LEBENS –

NETZWERKE

Das Nervensystem ist gut bekannt für seine bemerkenswerte Fähigkeit zur Informationsverarbeitung,

und zur Steuerung unzähliger biologischer Vorgänge. Grundlage

hierfür ist die Verflechtung einzelner Nervenzellen zu einem kommunizierenden

Netzwerk. Anders gesagt: nur eine Nervenzelle, die in ein funktionales Netzwerk mit

anderen Nervenzellen sowie weiteren Zelltypen eingebunden ist, kann eine sinnvolle

Funktion erfüllen. Und ist gegen Untergang geschützt – während der frühen Entwicklung

sterben alle Nervenzellen, die nicht Teil eines Netzwerkes geworden sind. Diese

Erfahrung von Sinn-Gebung und von maximaler Effizienz und Widerstandsfähigkeit

in Netzwerken ist nicht auf das Nervensystem beschränkt: in unseren sozialen Netzwerken

mit anderen Menschen erfahren wir ganz ähnliches jeden Tag. Vernetzung

hilft und stellt oftmals erst sinnvolle Funktionen her; Isolation schadet und führt

zum Funktionsverlust. Dies gilt genauso für die Welt der Medizin und der Wissenschaft

– durch regelmäßigen Austausch in klinischen und in Forschungs- Netzwerken

schaffen wir es, wichtige Schritte nach vorne zu machen. Daher denken wir heute vor

allem zunächst an Positives, wenn wir über Vernetzung reden. Und wissen gleichzeitig

aber auch, daß es durchaus bösartige Netzwerke auf der Welt gibt, in denen

Unheil seinen Lauf nimmt.

Leider finden sich diese schädlichen, widerstandsfähigen und auswachsenden Netzwerke

auch bei verschiedenen Tumorerkrankungen, vor allem bei bisher unheilbaren

Gehirntumoren. Heidelberger Wissenschaftler aus der Neurologischen Klinik haben

dies vor 10 Jahren entdeckt, und verfolgen diesen Forschungsbereich seither konsequent.

Denn: Tumorzellen von Glioblastomen und anderen unheilbaren Gliomen

bilden sehr lange Membran-Tunnel Verbindungen zu anderen Tumorzellen aus, die

dann zusammen ein lebhaft kommunizierendes Netzwerk bilden. Sie tun das, indem

sie Signalwege der frühen Nervensystem-Entwicklung nutzen – oder eigentlich:

mißbrauchen. Tumorzellen, die Teil dieses Netzwerkes werden, können erfolgreich

im Gehirn wachsen, und bilden durch die Möglichkeit, Probleme im Netzwerk

zu kommunizieren und zu „verteilen“, eine große Widerstandsfähigkeit gegen alle

heute wirksamen Therapien aus. Strahlentherapie und Chemotherapie töten daher

nur solche Tumorzellen effektiv, die isoliert sind – das Tumorzell-Netzwerk dagegen

bleibt größtenteils intakt, und bildet so das resistente Rückgrat der Erkrankung. Von

dem wir immer schon wußten, daß es bei unseren Patienten*Innen existieren muß;

jetzt kennen wir die genauen Ursachen. Die Tumor-Netzwerke sind sogar fähig zur

Erkenntnis von Schaden, und zur Selbst-Reparatur – was z.B. nach chirurgischer Entfernung

des Tumors geschieht.

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