gesund Bremen 03

Haarige
Ausstellungsanküdigung
von Jasmin Mickein
GESCHICHTEN
Gemessen an gängigen Schönheitsidealen hat jeder Mensch irgendwo am Körper zu viele
oder zu wenige Haare. So wundert es nicht, dass Umfragen zufolge immer mehr Menschen
ihren Körperhaaren den Kampf ansagen und sich rasieren, epilieren, zupfen, wachsen und
sugarn. Auch in der Kunst findet eine Auseinandersetzung mit Schönheitsvorstellungen statt.
Allerdings oder gerade deshalb werden Körperhaare an gewissen Stellen nur selten dargestellt.
Die Kunstwerke aus der Sammlung der Kunsthalle Bremen sind da keine Ausnahme.
In der Ausstellung „Die Picasso-Connection“ (nach
aktuellem Stand: 16. März bis 29. August 2021) sind
Körperhaare allerdings doch zu finden: in jenen Bildern
von Körperhaaren, die heutzutage vielfach mit
Gefühlen von Scham, Unwohlsein oder Peinlichkeit
besetzt sind. Diese Darstellungen hat die Kunsthalle
zum Anlass für einen Call for Photos zum Thema
„Haarige Geschichten“ genommen. Auf den Aufruf
hin, Fotos von Körperbehaarungen in all ihren Facetten
und damit verbundene Erinnerungen, Gedanken
oder Erfahrungen einzureichen, sind mehr als 1.000
Fotos eingegangen. Die Fotos machen in ihrer überwältigenden
Anzahl nicht nur die Relevanz des Themas
für unterschiedliche Generationen, Geschlechter
und Identitäten deutlich. Sie zeigen zugleich auch die
Vielfalt des Themas: Die Geschichten umfassen humorvolle,
nachdenkliche und traurige Erfahrungen mit
vorhandenen oder fehlenden Haaren auf dem Bauch,
unter den Achseln, an den Beinen, im Gesicht oder auf
dem Kopf.
JAHRE
„Ein Blick hinunter an meinem Körper, nicht viel von dem
zu finden, wonach ich suche. Rasiert, gewachst, blond. Und
dennoch ist klar, dass in dieser Erkenntnis die Relevanz des
Themas liegt. Es ist jedoch viel verlangt, dem tief verinnerlichten
Schönheitsideal meiner Sozialisation entgegen zu
handeln. Zu vergessen, wie mich eine etwas ältere Freundin
mit 12 Jahren angeekelt darauf hinwies, dass eine Frau
kein Haar an ihrem Körper haben dürfe.
Ein Blick in den Spiegel verrät jedoch, ich habe Haare, viele,
lange, blonde auf dem Kopf. Und dazu gibt es fast so
viele Geschichten wie Strähnen. Von Vorurteilen, Unterschätzung,
Reduktion, Projektion, Sexismus, Faszination
und sexueller Anziehung. Nie vergessen werde ich zum
Beispiel den Abend, an dem mich ein Mann, bekennender
Fuß Liebhaber, vor einer Bar einlud, die ersten “blonden
Füße” in seinem Bett zu sein. Und wieder der Blick hinab.
Unverändert. Nicht viel.“
(Ninya Lehrheuer)
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