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Martin Hailer | Elisabeth Maikranz | Friederike Nüssel (Hrsg.): Ökumenische Hermeneutik (Leseprobe)

Ökumenische Hermeneutik wurde und wird sowohl durch programmatische Konzepte wie etwa »Einheit in versöhnter Verschiedenheit«, »Ökumene der Profile« oder »geistliche Ökumene« als auch durch das Ziel der sichtbaren Einheit oder Versöhnung orientiert. Braucht es solche Konzepte oder sind sie eher hinderlich? Die in diesem Band versammelten Beiträge vermessen und reflektieren den Stand der interkonfessionellen und interreligiösen Ökumene. Dabei werden zum einen die Chancen und Grenzen der Lehr- und Konsensökumene und das hermeneutische Potenzial des Postkolonialismus bedacht, zum anderen theologische Perspektiven im jüdisch-christlichen und im muslimisch-christlichen Dialog erörtert. Der Band dokumentiert die akademische Feier und das Symposium zum Gedenken an Dietrich Ritschl (1929–2018), der von 1983 bis 1996 das Ökumenische Institut der Universität Heidelberg geleitet hat.

Ökumenische Hermeneutik wurde und wird sowohl durch programmatische Konzepte wie etwa »Einheit in versöhnter Verschiedenheit«, »Ökumene der Profile« oder »geistliche Ökumene« als auch durch das Ziel der sichtbaren Einheit oder Versöhnung orientiert. Braucht es solche Konzepte oder sind sie eher hinderlich? Die in diesem Band versammelten Beiträge vermessen und reflektieren den Stand der interkonfessionellen und interreligiösen Ökumene. Dabei werden zum einen die Chancen und Grenzen der Lehr- und Konsensökumene und das hermeneutische Potenzial des Postkolonialismus bedacht, zum anderen theologische Perspektiven im jüdisch-christlichen und im muslimisch-christlichen Dialog erörtert. Der Band dokumentiert die akademische Feier und das Symposium zum Gedenken an Dietrich Ritschl (1929–2018), der von 1983 bis 1996 das Ökumenische Institut der Universität Heidelberg geleitet hat.

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Beihefte<br />

zur <strong>Ökumenische</strong>n Rundschau 139<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> | <strong>Elisabeth</strong> <strong>Maikranz</strong> | <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />

<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong><br />

Stand der Dinge, Defizite, Perspektiven


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> und <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong><br />

VORTRAG BEI DER AKADEMISCHEN GEDENKFEIER<br />

Dietrich Ritschl. Theologie im Dialog mit den Neuen Welten. . . . . . . 21<br />

Rudolf von Sinner<br />

ÖKUMENISCHE HERMENEUTIK: STAND DER DINGE<br />

Kann es eine »<strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens« in der<br />

Ökumene geben?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

Die Bedeutung der Lehrdialoge für das Ziel globaler Ökumene. . . . . . 58<br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong><br />

Response<br />

Hermeneutische Reflexionen zum Vollzug der<br />

ökumenischen Begegnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

<strong>Elisabeth</strong> <strong>Maikranz</strong><br />

5


ÖKUMENE, JÜDISCH-CHRISTLICHER DIALOG<br />

UND NAHÖSTLICHER KONTEXT<br />

Implizite Axiome in den ökumenischen und interreligiösen<br />

Beziehungen im Nahen Osten?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

Uwe Gräbe<br />

Christus und Thora in ökumenischer Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

Barbara Meyer<br />

Response<br />

Mit Indiana Jones auf der Suche nach der Wahrheit<br />

impliziter Axiome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

Eine Response auf »Implizite Axiome in den ökumenischen<br />

und interreligiösen Beziehungen im Nahen Osten?«<br />

Achim Hofmann<br />

KONTEXTUELLE HERMENEUTIK IN DER ÖKUMENE.<br />

POSTKOLONIALISMUS ALS INTER-KONTEXTUELLER<br />

HERMENEUTISCHER SCHLÜSSEL IN DER ÖKUMENE<br />

Der fortgesetzte Leib Christi – Kirche in der Welt. . . . . . . . . . . . . . 141<br />

Philip Schaffs Beitrag zur ökumenischen Theologie<br />

Gesine von Kloeden<br />

Das Forschungsfeld der post-colonial studies als inter-kontextueller<br />

hermeneutischer Schlussel in der Ökumene. . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

Fernando Enns<br />

Response<br />

Die De-Kolonialisierung einer ökumenischen Leitmetapher?. . . . . . 166<br />

Response als Spiel<br />

Jonathan Weider<br />

6


ÖKUMENE UND INTERRELIGIÖSER DIALOG. CHRISTEN<br />

UND MUSLIME IN BADEN. THEOLOGISCHE IMPLIKATIONEN<br />

EINES DIALOGPROGRAMMS<br />

Christen und Muslime in Baden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

Theologische Implikationen eines Dialogprogramms<br />

<strong>Elisabeth</strong> Hartlieb<br />

Dialogische Theologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194<br />

Ein interreligiös ausgerichteter Ansatz<br />

Wolfram Weiße<br />

Response<br />

Story und Absolutheitsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211<br />

Überlegungen über die Suche nach neuen Paradigmen<br />

in der interreligiösen Begegnung<br />

Stephen J. Hamilton<br />

»LEHRE« UND EINE KONSENSORIENTIERTE ÖKUMENE<br />

»Konsens ist nicht das höchste Ziel«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231<br />

Überlegungen zu einer Ökumene noch vor der Kircheneinheit<br />

Ulrike Link-Wieczorek<br />

»Freiheit zum seriösen Spiel« (D. Ritschl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247<br />

Lehre – semantisch, grammatisch und pragmatisch<br />

Thomas Wabel<br />

Response<br />

Freiheit zur Improvisation, die Pathik des christlichen Glaubens<br />

und die <strong>Hermeneutik</strong> der Latenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276<br />

Arne Bachmann<br />

7


ANHANG<br />

Angelikas Fragen zum christlichen Glauben. Kurz beantwortet<br />

von Dietrich Ritschl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293<br />

Dietrich Ritschl<br />

Dietrich Ritschl Bibliographie 1949–2015. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299<br />

Akademisches Curriculum Vitae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331<br />

Autorinnen und Autoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333<br />

8


Einleitung<br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> und <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

1.<br />

Kann und soll es ökumenische Programmatiken geben? Einerseits ja, denn<br />

ohne eine Programmformel – etwa »Versöhnte Verschiedenheit«, »Dif -<br />

ferenzierter Konsens«, »Geistliche Ökumene« oder auch »Ökumene der<br />

Profile« – wird an Fortschritt in der Ökumene kaum zu denken sein, weil<br />

sie die Kräfte zu bündeln und klare Perspektiven auszusprechen ver helfen.<br />

Andererseits durchaus nein, denn eine Formel allein kann die komplexe<br />

Verstehens- und Konstruktionsarbeit niemals leisten und wäre wohl<br />

auch immer ideologiegefährdet. Aus diesem Grund sind die in diesem<br />

Band vorgelegten Erwägungen unter dem absichtlich zurückhaltenden<br />

Titel »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>« versammelt worden: Wer die Kunst<br />

des (Fremd-)Verstehens nicht übt, wird kaum auf ökumenischen Fortschritt<br />

hoffen können, und das ganz unbeschadet der Frage, ob und wenn<br />

ja welcher ökumenischen »Programmformel« er oder sie sich verbunden<br />

weiß.<br />

Die Zurückhaltung gegenüber dem Programmatischen hat auch einen<br />

zweiten Grund: Dieser Band der Beihefte zur <strong>Ökumenische</strong>n Rundschau<br />

beruht auf einer Tagung, die in memoriam Dietrich Ritschl stattfand, eines<br />

Ökumenikers, der von schnellen Programmen und ihren Formeln nachgerade<br />

nichts hielt. Es ging ihm vielmehr um das geduldige Befragen unterschiedlicher<br />

Positionen und Traditionen, um das Aufspüren von bei aller<br />

Verschiedenheit doch vorhandenen impliziten Gemeinsamkeiten und dar -<br />

um, bei allem Recht der Verschiedenheit konfessioneller Positionen, eben<br />

das implizite Gemeinsame ans Licht zu heben und zu fragen, wie weit<br />

man denn wohl mit ihm kommen könne.<br />

Auch wenn man so zurückhaltend vorgeht, ist Rechenschaft über das,<br />

was unter »Ökumene« verstanden werden soll, nötig. Das Wort hat einen<br />

9


erheblichen Bedeutungswandel in der Geschichte der Christenheit erlebt.<br />

Bezeichnete es ursprünglich in der Profangräzität die gesamte bewohnte<br />

Erde, so ist es über viele Etappen hinweg zur Bezeichnung der Aufgabe<br />

geworden, nach der Einheit der Christenheit und der Überwindung der<br />

Kirchentrennungen zu streben. Aber diese Bedeutung reichte Dietrich<br />

Ritschl nicht. In dem Teilband zur <strong>Ökumenische</strong>n Theologie, den er für<br />

die Kohlhammer-Reihe Grundkurs Theologie 1994 verfasst hat, 1 schreibt<br />

er, dass es in der <strong>Ökumenische</strong>n Theologie um eine analytisch-kritische<br />

und eine konstruktiv-visionäre Arbeit gehe, bei der die Beziehung der<br />

christlichen Konfessionen zwar im Vordergrund steht, die sich jedoch<br />

nicht auf die Annäherung zwischen den getrennten christlichen Kirchen<br />

beschränken kann, sondern auch die interreligiöse Dimension einbeziehen<br />

muss. Für Ritschl war ein Verständnis von Ökumene im Sinne von »gemeinsam<br />

Christus lernen wollen« 2 zu eng. Für ihn bestand »das ökumenische<br />

Kernproblem per excellence« in der »Trennung zwischen Juden und<br />

Heiden(-christen)«. 3 Entsprechend spielte in seiner Arbeit die Verständigung<br />

mit dem Judentum eine wichtige Rolle, bis dahin, dass er wiederholt<br />

sagte, innerchristliche Verständigungsbemühungen müssten so gestaltet<br />

werden, dass den Diskutierenden dabei ein Rabbiner über die Schulter sehen<br />

könnte. Über diese Betonung des sowohl wichtigsten wie aus Ritschls<br />

Sicht nicht aufzulösenden Problems der Ökumene hinaus nahm er aber in<br />

der weltweiten Ökumene einen noch grundlegenderen Paradigmenwechsel<br />

wahr, den er als Abschied vom Christozentrismus verstand: »Der wirkliche<br />

Abschied vom Christozentrismus bahnt sich erst in einer totalen Erweiterung<br />

des ›religiösen Ökumenebegriffs‹ – wenn man diesen Ausdruck<br />

gebrauchen will – an: Es geht nun nicht mehr um Kirche, oder um Israel<br />

und die Kirche, nicht mehr nur um Kirche und Menschheit, sondern um<br />

die Weltreligionen, um die Frage nach ihrer Wahrheit und damit um die<br />

Frage nach der Wahrheit des biblisch begründeten Glaubens.« 4 Wenngleich<br />

Ritschl selbst seine Arbeit darauf nicht abgestellt hat, so vermittelte<br />

er die Aufgabe, mit diesem Paradigmenwechsel umzugehen, doch in seiner<br />

Schule.<br />

Ritschls spezifischer Zugriff auf die Fragen der Ökumene und der interkonfessionellen<br />

Beziehungen ist durch eine Reflexion auf die komplexe<br />

1<br />

Dietrich Ritschl, <strong>Ökumenische</strong> Theologie, Grundkurs Theologie, Bd. 10,1, Stuttgart<br />

1994.<br />

2<br />

A. a. O., 12.<br />

3<br />

Ebd. Im Original teilweise hervorgehoben.<br />

4<br />

A. a. O., 33.<br />

10


Herausforderung im Umgang mit gegenläufigen Wahrheitsansprüchen bestimmt.<br />

Ritschl war – nicht zuletzt durch seinen Zweitberuf als ausgebildeter<br />

analytischer Psychotherapeut mit eigener Praxis – der Überzeugung,<br />

dass die Aushandlung und Klärung von Wahrheitsansprüchen nicht allein<br />

auf einer aussagenlogischen Ebene bearbeitet werden kann. Ihn interessierte<br />

die »Frage nach dem möglichen Auffinden eines impliziten Konsenses<br />

hinter den historischen Ausformungen konfessioneller Differenzen,<br />

eines Konsenses zumindest im Hinblick auf originale Anliegen (›Ur-Anliegen‹)<br />

oder implizite Themen«. 5 Dieser Frage maß er große ökumenische<br />

Relevanz zu. Seine eigene These war, dass diese Anliegen »nicht verbal<br />

artikuliert oder als ›Sätze‹ oder ›Texte‹ auffindbar sein« müssen, um steuernde<br />

Wirkung entfalten zu können. Die genuine Aufgabe ökumenischer<br />

Theologie sah er in der Suche nach den impliziten Axiomen, die der Vielfalt<br />

der Ausformungen von Traditionen und Lehren zugrunde liegen. 6 »Es<br />

kann und darf dabei nicht um eine Vereinheitlichung oder um das voreilige<br />

Programm eines theologisch-ökumenischen Reduktionismus gehen. Vielmehr<br />

ist es das Ziel dieser Aufgabe, differierende Lehraussagen (sowie<br />

Frömmigkeitstraditionen) als verschiedene Artikulationen in einem je anderen,<br />

spezifischen modus loquendi zu erkennen.« 7 In der ökumenischen<br />

Arbeit geht es für Ritschl um das Aufspüren der Gründe für die jeweiligen<br />

Redeweisen. Dieses erschöpft sich nicht in einem Nachzeichnen der<br />

historischen Entwicklung, sondern verlangt eine theologisch-logische Vorgehensweise,<br />

und zwar in der »Analyse der Verschiedenheit der Bedingungen,<br />

innerhalb derer ein ›Ur-Anliegen‹, ein ›Thema‹, verschieden ausgedrückt<br />

und entfaltet werden konnte«. 8 Dies ist für Ritschl die Innenseite<br />

aller ökumenisch-theologischen Arbeit. Auf der Basis der impliziten<br />

Axiome, die es aufzuspüren gilt, ist sodann ein zweiter Schritt nötig, den<br />

Ritschl in der »Überprüfung der Wahrheit dieser Ur-Themen« und der<br />

Erörterung »ihrer möglichen Relevanz für heutige ökumenische Theologie,<br />

Ethik und Diakonie« 9 erblickt. Dabei haben für Ritschl klar die Themen<br />

Vorrang, ohne die die Kirchen heute gar nicht leben können, über die sie<br />

sich aber entzweit haben: »Ihrer Wahrheit und ihrer ökumenisch-ein-<br />

5<br />

A. a. O., 58.<br />

6<br />

Das Konzept wird ausführlich diskutiert in: Wolfgang Huber / Ernst Petzold / Theo<br />

Sundermeier (<strong>Hrsg</strong>.), Implizite Axiome. Tiefenstrukturen des Denkens und Handelns,<br />

Festschrift für Dietrich Ritschl zum 60. Geburtstag, München 1990.<br />

7<br />

Ritschl, <strong>Ökumenische</strong> Theologie (s. Anm. 1), 59.<br />

8<br />

Ebd.<br />

9<br />

A. a. O., 60.<br />

11


trächtigen Neuinterpretation gilt es nachzuforschen.« 10 Der Lehr- und Konsensökumene<br />

schärft er ein: »Die Konsensfindung ist ein gemeinsames<br />

Finden der Wahrheit im Konsens, nicht eine Produktion von Wahrheit<br />

per Konsens.« 11 Wahrheit wird also nicht produziert, sondern muss gefunden<br />

werden. Und das geschieht in der gemeinsamen Suche und im gemeinsamen<br />

Finden.<br />

Damit ist die Grundeinsicht und das Arbeitsprogramm der ökumenischen<br />

Theologie Ritschls in aller Knappheit umrissen. Dieses löst ein, wie<br />

Ritschl selbst seine Arbeit in seiner ›Logik der Theologie‹ beschrieben<br />

hat: »Ich bin weit davon entfernt, eine ›neue Theologie‹ entwerfen zu<br />

wollen, aber ich will in neuer Zeit auf eine neue Weise eine unpolemische,<br />

kritische und gänzlich ökumenische Art des theologischen Fragens und<br />

Argumentierens lernen und lehren.« 12<br />

Die Entwicklungen und Erfahrungen in den ökumenischen Dialogen<br />

geben Ritschl recht: Das Aufspüren der impliziten Axiome, der Ur-Anliegen<br />

und Ur-Themen hinter den kirchlichen Lehraussagen und Lehrgestalten<br />

ist eine Kernfrage ökumenischer <strong>Hermeneutik</strong>. Wo die Methode des differenzierten<br />

Konsenses zu Erfolgen geführt hat, ist diese Frage im Hintergrund<br />

explizit oder implizit gestellt und bearbeitet worden. Ritschl konnte sie in<br />

besonderer Weise bearbeiten, weil er unterstützt durch seine psychotherapeutische<br />

Zusatzausbildung in allen Stationen seiner beruflichen Tätigkeit<br />

als Pfarrer, Theologe, Ökumeniker, während zehn Jahren als Direktor des<br />

Internationalen Wissenschaftsforums der Universität Heidelberg sowie als<br />

medizinethischer Gesprächspartner immer auf die Anliegen von Menschen<br />

und Gruppierungen zu hören vermocht hat. Und so mag es nicht verwundern,<br />

dass er im Rückblick auf seine jahrzehntelange ökumenische Arbeit<br />

feststellen konnte, seine Erfahrungen hätten ihn »im Hinblick auf theologische<br />

und kirchliche Verstehensmöglichkeiten zwischen Angehörigen<br />

verschiedener Traditionen eher optimistisch werden lassen«. 13 Pessimistischer,<br />

ja mutlos sei er hingegen geworden im Blick auf die Möglichkeiten<br />

des Umgangs mit kulturellen und nicht-theologischen Differenzen. Auch<br />

diese Wahrnehmung dürften viele Ökumeniker heute mit ihm wohl teilen.<br />

Ritschl nahm aktiv an der <strong>Ökumenische</strong>n Bewegung teil, insbesondere<br />

in seiner Arbeit bei Faith and Order von 1983 bis 1994 und im Deutschen<br />

10<br />

Ebd.<br />

11<br />

Ebd.<br />

12<br />

Dietrich Ritschl, Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge<br />

theologischer Grundgedanken, München 2 1988, 6.<br />

13<br />

Ritschl, <strong>Ökumenische</strong> Theologie (s. Anm. 1), 51.<br />

12


<strong>Ökumenische</strong>n Studienausschuss, dessen Vorsitz er von 1979 bis 1987<br />

innehatte. Seine Wahl zum Vorsitzenden bedeutete eine Zäsur in der Arbeit<br />

des DÖStA. Er strukturierte die Arbeit neu und brachte neben seinen<br />

engen Kontakten zum Weltrat der Kirchen auch Beziehungen zum Päpstlichen<br />

Einheitsrat des Vatikan und zu den konfessionellen Weltbünden<br />

ein. Er war dabei keineswegs ein euphorisierter Ökumeniker, sondern ein<br />

durchaus kritischer Beobachter der Entwicklungen gerade des <strong>Ökumenische</strong>n<br />

Rates der Kirchen. Mindestens einige der Statements, die die Vollversammlung<br />

des ÖRK 2022 in Karlsruhe verabschiedete, hätte er wohl<br />

viel zu allgemein und nichtssagend gefunden. Dagegen war ihm die Verankerung<br />

ökumenischer Bemühungen im konkreten Leben der Kirchen<br />

stets wichtig. Das zeigte sich nicht zuletzt in seiner Verantwortung für<br />

das <strong>Ökumenische</strong> Wohnheim in Heidelberg, dessen Ephorus er als Direktor<br />

des <strong>Ökumenische</strong>n Instituts wurde: Konkretes Zusammenleben von<br />

Männern und Frauen aus mehreren Konfessionen und Religionen ist gelebte<br />

Ökumene, die der gelehrten Ökumene immer wieder die Fackel vor -<br />

antragen kann.<br />

2.<br />

Zu den Beiträgen des Bandes: Rudolf von Sinner (Curitiba, Brasilien) stellt<br />

Person und Werk Dietrich Ritschls vor. Biographische Stationen werden<br />

benannt, wichtige Themen aus dem Œuvre – Ökumene und Israeltheologie,<br />

Story-Konzept, Theorie der impliziten Axiome, Theologie als seriöses<br />

Spiel u. a., die sämtlich auch in anderen Beiträgen dieses Bandes eine<br />

Rolle spielen – vorgestellt. Vor allem aber entsteht das Lebensbild eines<br />

über viele Jahrzehnte tätigen, weltweit vernetzten und trotz umfangreicher<br />

schriftlicher Produktion aus dem und für das Gespräch lebenden Theologen.<br />

»Schriftliches ersetzt nicht das Mündliche, es gibt Anlaß dazu«,<br />

schrieb Ritschl einmal. 14 Von Sinners Darstellung zeigt pointiert die Verschränkung<br />

dieser beiden Kommunikationsweisen in Ritschls Leben und<br />

Arbeiten.<br />

Den Anfang der Tagungsbeiträge machen Versuche der Standortbestimmung<br />

in Sachen ökumenischer Verständigungsbemühungen. <strong>Martin</strong><br />

<strong>Hailer</strong> (Heidelberg) nimmt sich dafür die Anmutung vor, dass ohne Vertrauen<br />

und damit also ohne einen Verständigungs-»Vorschuss« diese Ver-<br />

14<br />

Ritschl, Logik (s. Anm. 12), 17.<br />

13


Vortrag bei der Akademischen Gedenkfeier


Dietrich Ritschl. Theologie im Dialog mit den<br />

Neuen Welten<br />

Rudolf von Sinner*<br />

Es ist mir eine große Freude und Ehre, den Festvortrag auf dieser Akademischen<br />

Gedenkfeier für Dietrich Ritschl halten zu dürfen. Viele sind<br />

heute hier, die zu dieser Aufgabe in hohem Maße berufen wären – Kolleginnen<br />

und Kollegen, ehemalige Assistentinnen und Assistenten, Schülerinnen<br />

und Schüler. Jede und jeder von Ihnen, von Euch hätte seine eigene<br />

story zu erzählen, und es wäre höchst reizvoll, könnten wir sie nur alle<br />

hören. Die dieser Tage im Internationalen Wissenschaftsforum stattfindende<br />

Gedenktagung über »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong> – Stand der Dinge,<br />

Defizite, Perspektiven« ermöglicht einigen von uns einen solchen polyphonen<br />

Austausch. Da unsere Zeit heute Abend jedoch begrenzt ist, bleibt<br />

mir die Hoffnung, dass der »implizite Ritschl« 1 hinter meinen Worten für<br />

Sie alle wahrnehmbar wird und wiederkennbar ist.<br />

*<br />

Geboren 1967 in Basel. Studium der evangelischen Theologie in Basel, Edinburgh<br />

und Heidelberg (u. a. bei Dietrich Ritschl), Lizentiat in Basel (1994, Abschlussarbeit<br />

bei Dietrich Ritschl), Promotion in Basel (2001), Habilitation in Bern (2010).<br />

2003–19 Professor für Systematische Theologie, Ökumene und interreligiösen<br />

Dialog an der lutherischen theologischen Hochschule (Faculdades EST) in São<br />

Leopoldo, Rio Grande do Sul, Brasilien; ab Februar 2019 Professor für Systematische<br />

Theologie an der Päpstlichen Katholischen Universität von Paraná in Curitiba,<br />

Paraná, Brasilien. Professor Extra-ordinary an der Theologischen Fakultät der<br />

Universität Stellenbosch, Südafrika. – Ich danke Herrn Kollegen Prof. <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

sehr herzlich für seine kritische Durchsicht des Manuskripts und die überaus<br />

hilfreichen Anmerkungen und Korrekturen. Der mündliche Stil des am 18. Januar<br />

2019 in der Alten Aula der Universität Heidelberg anlässlich der Akademischen<br />

Gedenkfeier für Dietrich Ritschl gehaltenen Festvortrags wurde beibehalten.<br />

1<br />

Vgl. schon meine erste theologische Publikation überhaupt Rudolf von Sinner, Der<br />

gemeinschaftliche Gott. Einige Gedanken zur Bedeutung einer sozialen Trinitäts-<br />

21


Sie haben also beschlossen, ausgerechnet einen Schüler vom Ende<br />

der Welt zum Vortrag einzuladen. Das ehrt und verpflichtet mich sehr.<br />

Zugleich gibt es organischerweise das Thema vor: Dietrich Ritschl, gestern<br />

(am 17. Januar 1929) vor 90 Jahren in Basel/Schweiz geboren, aus einer<br />

ursprünglich in Böhmen angesiedelten und von dort vertriebenen Familie,<br />

hat viele seiner Lebens- und Wirkungsjahre in den neuen Welten Nordamerikas,<br />

Australiens und Neuseelands verbracht, Jahre, die ihn als<br />

Mensch, als Denker und Lehrer, aber auch als politischen Zeitgenossen<br />

geprägt haben. Daraus entstand unter anderem ein schönes kleines Büchlein<br />

mit Analysen und Berichten aus Amerika und Australasien unter dem<br />

Titel: »Theologie in den Neuen Welten«, mit dem er »um Verständnis für<br />

die theologische Arbeit in den englisch-sprachigen Ländern zu werben«<br />

suchte. 2 Konsultationen, Vorträge und weitere Kontakte haben Ritschl<br />

noch in weitere neue Welten geführt, so nach Osteuropa (damalige Tschechoslowakei,<br />

UdSSR), nach Südamerika (Brasilien, Mexiko), nach Afrika<br />

(Kamerun), nach Asien (Indien, Sri Lanka, Taiwan, China, Südkorea) sowie<br />

nach Ozeanien (Fidji). 3 Einige dieser tatsächlich alten bis sehr alten, für<br />

die sogenannten Entdecker der Frühen Neuzeit, für das westliche Europa<br />

und auch für Ritschls Entdeckung aber durchaus neuen Welten sind ihm<br />

sehr nahegekommen; andere sind ihm bei allem Interesse fremd geblieben.<br />

Während ihm das Verhältnis zwischen Juden und Christen zum ökumenischen<br />

Thema par excellence wurde, erschienen ihm die semiotischen Systeme<br />

anderer, zumal asiatischer Religionen vom Christentum so verschielehre<br />

und zum ›impliziten Ritschl‹, in: Reinhold Bernhardt et al. (<strong>Hrsg</strong>.), Theologische<br />

Samenkörner. Dem Lehrer Dietrich Ritschl zum 65. Geburtstag, Münster<br />

1994, 216–222; den Ausdruck »impliziter Ritschl« hat mein Bruder Alex von Sinner<br />

angeregt. In der Tat habe ich immer wieder auf Inspirationen von Ritschl zurückgegriffen<br />

und mich von ihnen leiten lassen, ohne ihn und seine Theologie eigens<br />

zum Gegenstand der Analyse zu machen. Explizite Bezugnahmen gibt es<br />

dennoch immer wieder, etwa in Bioética e esperança cristã [Bioethik und christ -<br />

liche Hoffnung], in: Lothar Carlos Hoch / Karin H. K. Wondracek (<strong>Hrsg</strong>.), Bioética.<br />

Avanços e dilemas numa ótica interdisciplinar. Do início ao crepúsculo da vida: esperanças<br />

e temores, São Leopoldo 2006, 153 –158. Im selben Jahr war Ritschl bei<br />

uns in São Leopoldo als Gastprofessor und sprach vor Pfarrer/innen, Kollegen/innen<br />

und Doktoranden/innen über sein Story-Konzept: Dietrich Ritschl, O conceito<br />

de ›story‹ na ética da saúde [Das ›Story‹-Konzept in der medizinischen Ethik], in:<br />

EsTe 47/1 (2007), 65–82.<br />

2<br />

Dietrich Ritschl, Theologie in den Neuen Welten. Analysen und Berichte aus Amerika<br />

und Australasien, München 1981, 7.<br />

3<br />

Dietrich Ritschl, Dietrich Ritschl: Bibliographie 1949 bis 2016, vervielfältigt, Reigoldswil<br />

2017, 46.<br />

22


den, dass er, außer im Bereich persönlicher Kontakte und in ethischen<br />

Fragen, wenig An näherungsmöglichkeiten sah. 4 Dies hinderte ihn freilich<br />

nicht daran, zu bewundern, dass und wie einige seiner Schüler hier weiter<br />

vorgedrungen sind, als er selber das konnte. 5<br />

Das Schicksal vieler Ökumeniker ist es, zugleich an vielen Orten und<br />

nirgends zu Hause zu sein. Man kann in einer solchen Situation leicht<br />

zwischen alle Stühle fallen. Dietrich Ritschl ist es gelungen, Weite und<br />

Wanderschaft nicht als Problem, sondern als Bereicherung aufzufassen. In<br />

alten und neuen Welten unterwegs, schuf er ein enormes Netzwerk von<br />

Kontakten und Freundschaften, von denen er viele über Jahrzehnte hinweg<br />

pflegte. Dabei kehrte er immer wieder ins Reigoldswiler Heim zurück, in<br />

dem Nahe und Ferne gerne ein- und ausgingen. Ohne diesen ständigen<br />

Dialog, der nicht nur sachliches, sondern stets auch und vor allem per -<br />

sönliches Interesse am Dialogpartner einschloss, ist seine Theologie nicht<br />

denkbar. Auch dort, wo er Vorbehalte hatte, ließ er sich auf andere Positionen<br />

ein und wurde, motiviert von seinem Interesse für die Menschen<br />

in ihren konkreten Lebensumständen, zu einem wahrhaften pontifex,<br />

einem Brückenbauer zwischen Menschen, Kontexten, Konfessionen, zwischen<br />

alten und neuen Welten.<br />

Ritschl konnte Personen verbinden und Aspekte integrieren, die für<br />

viele, vielleicht die meisten anderen Menschen unversöhnlich waren. Mit<br />

dem feudalen, militärischen und ehrwürdigen akademischen Erbe und<br />

den jahrhundertealten Werten des Johanniterordens, dem er als Rechtsritter<br />

angehörte, konnte er ebenso umgehen wie auf der Straße für die Bürgerrechte<br />

der Schwarzen in den USA demonstrieren; mit Honoratioren<br />

verkehrte er ebenso wie mit Personen am Rande der Gesellschaft; er<br />

konnte von Barth lernen, ohne Barthianer zu bleiben. Aus seiner Kindheit<br />

erzählt er: »In der Familie wimmelte es nur so von Professoren. Als kleines<br />

Kind dachte ich, außer dem Milchmann und unserm Nachbarn [...] seien<br />

alle Männer auf der Welt Professoren«. Zugleich lernte er aber von seinem<br />

Vater Hans, Professor der Nationalökonomie in Basel, gelehrte Menschen<br />

4<br />

»Christen, letztlich gemeinsam mit den Juden, leben in einem gänzlich anderen<br />

semiotischen System.« Dietrich Ritschl, Theorie und Konkretion in der <strong>Ökumenische</strong>n<br />

Theologie. Kann es eine <strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens inmitten differierender<br />

semiotischer Systeme geben?, Münster 2003, 27.<br />

5<br />

Siehe vor allem die vielfältigen Arbeiten von Reinhold Bernhardt im Bereich des<br />

interreligiösen Dialogs und der Theologie der Religionen; neustens: Monotheismus<br />

und Trinität: Gotteslehre im Kontakt der Religionstheologie, Zürich 2023. Seine<br />

Dissertation bei Dietrich Ritschl wurde publiziert als Der Absolutheitsanspruch<br />

des Christentums, Gütersloh 1990, ²1993.<br />

23


schöben »die Dinge nur neu hin und her, ordneten sie anders und hätten<br />

ab und zu originelle Einfälle«. Auch im akademischen Bereich seien »Fairness<br />

und der Mut zu Ausnahmen [...] wichtiger [...] als die Paragraphen<br />

der Ordnungen«. 6 In der Tat sollte er später sehr darunter leiden, dass solche<br />

Paragraphen kreative Lösungen in ökumenischer Offenheit zu verhindern<br />

wussten. Ritschl hätte es wohl gleichsam als Martyrium empfunden,<br />

hätte man ihn zum Beauftragten für die Bologna-Reform eingesetzt – er<br />

entkam dieser Gefahr durch rechtzeitige Emeritierung.<br />

Auch auf der Seite seiner in Potsdam aufgewachsenen Frau, Rosemarie<br />

Courvoisier (1926–2014), gab es Professoren. Mit ihr teilte er über 60<br />

Jahre aber vor allem die Liebe. In ihren letzten Jahren nach ihrem Schlaganfall<br />

betreute er »Billy«, wie er sie nannte, rührend – er meinte, das sei<br />

jetzt noch ein letzter Beruf, den er erlerne und praktiziere, nämlich der<br />

des Krankenpflegers. Auf theologisches Schreiben verzichtete er zugunsten<br />

dieser Aufgabe weitgehend. Leben, Liebe und Menschen kamen für Diet -<br />

rich vor allen gelehrten Worten und dicken Büchern. Schon in seiner<br />

Kindheit hatte er für seinen jüngeren Bruder, der mit einem schweren<br />

Herzfehler geboren worden war, tägliche Mitverantwortung übernommen.<br />

Als Psychotherapeut begleitete er später viele Menschen in ihrem Leiden<br />

und Heilungsprozess. 7 Zugleich waren all diese Engagements und Erfahrungen<br />

immer auch Grundlage theologischer Reflexion und flossen in sein<br />

Denken ein und wurden von diesem mit gesteuert. 8<br />

In den Jahren in den USA setzte er sich vor allem mit der Gott-ist-tot-<br />

Theologie und der Prozesstheologie auseinander. Aus diesem Kontext<br />

wurde ihm der anglikanische Theologe Paul van Buren (1924–1998) ein<br />

zeitlebens wichtiger Gesprächspartner, zunehmend in den Fragen der jüdisch-christlichen<br />

Ökumene. Neben der theologischen Auseinander set -<br />

zung war aber der konkrete Einsatz für die Bürgerrechte der Schwarzen<br />

in den USA, für die Studierende wie Lehrende, zudem Pfarrer und Rab -<br />

biner auf der Straße demonstrierten, eine wichtige Bewährung und zu -<br />

gleich Auf gabe für die Theologie. Ritschl war mit <strong>Martin</strong> Luther King, Jr.<br />

(1929–1968) im – durchaus kritischen – Gespräch und schrieb Texte, die<br />

6<br />

Dietrich Ritschl, Dietrich Ritschl, in: Christian Hennig / Karsten Lehmkühler<br />

(<strong>Hrsg</strong>.), Systematische Theologie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Tübingen<br />

1998, 3–23, hier 5.<br />

7<br />

Dazu etwa Dietrich Ritschl und Boris Luban-Plozza, Die Familie. Risiken und Chancen.<br />

Eine therapeutische Orientierung, Basel/Boston/Heidelberg 1987.<br />

8<br />

Vgl. Dietrich Ritschl, Zur Theorie und Ethik der Medizin. Philosophische und<br />

theologische Anmerkungen, Neukirchen-Vluyn 2004.<br />

24


dem europäischen Publikum nahebringen sollten, was Sache war und um<br />

welche Sache es ging. 9 1969 wurde er gemeinsam mit dem schwarzen<br />

Befreiungstheologen James Cone am Union Theological Seminary in New<br />

York in seine Professur eingesetzt. Wie Ritschl ist auch Cone 2018 verstorben<br />

(am 28. April); auch ihm gebührt ein ehrendes Andenken.<br />

In seinem Beitrag zum Sammelband »How Karl Barth changed my<br />

mind« schreibt Ritschl, dass er Barth in einem der letzten ihrer vielen Gespräche<br />

gesagt habe, sein Ehrgeiz sei es, ein guter Musiker im Orchester<br />

der Theologen zu sein. Barth hätte dem energisch widersprochen und ihn<br />

lächelnd ermuntert, als Solist aufzutreten. Ritschl meinte dazu: »Ich denke<br />

heute wie damals, dass die Zeit hierfür vorbei ist.« 10 Theologie ist Gespräch,<br />

ist Dialog, ist außerdem, wie wir gleich sehen werden – Spiel. Solches<br />

Spiel fand etwa in den ökumenischen Dialogen der Kommission für<br />

Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK statt – er hatte wichtigen Anteil<br />

an den Studien zur Apostolizität des Glaubens und der Kirche und zum Filioque<br />

–, wo er zudem nicht nur metaphorisch, sondern auch real mit anderen,<br />

von ihm sehr verschiedenen Personen und Denkern musizierte; so<br />

etwa mit dem brasilianischen, presbyterianischen Befreiungstheologen<br />

Rubem Alves, mit seinem Studienkollegen und reformierten Ökumeniker<br />

Lukas Vischer und mit dem orthodoxen Bischof Michael aus dem damaligen<br />

Leningrad. 11 Ich kann mir vorstellen, dass auch bei gemeinsamer Partitur<br />

die verschiedenen Musikalitäten deutlich zum Vorschein kamen und<br />

das gemeinsame Musizieren dabei nicht nur nicht verhinderten, sondern<br />

bereicherten.<br />

Ritschl war eine Persönlichkeit sui generis in der Akademie, zumal in<br />

der deutschen. Für mich und viele andere, die bei ihm studiert haben – in<br />

meinem Fall war dies Anfang der 1990er Jahre in Heidelberg –, war seine<br />

9<br />

Dietrich Ritschl, <strong>Martin</strong> Luther King, Jr. in: Ders., Konzepte. Ökumene, Medizin,<br />

Ethik. Gesammelte Aufsätze, München 1986, 316–333; ders., Nur Menschen.<br />

Zur Negerfrage in den amerikanischen Südstaaten, Berlin 1962. Wie Ritschl in<br />

seiner Bibliographie vermerkt, wurde »negro« erst später höhnisch wie »Nigger«<br />

verwendet, vgl. Ritschl, Bibliographie (s. Anm. 3), 2.<br />

10<br />

»In one of the last conversations I had with Karl Barth, I told him that my ambition<br />

was to be a good player in the orchestra of theologians. He quite strongly disagreed<br />

and smilingly admonished me to play a solo instrument. I think now, as I did then,<br />

that the time for this is over.« Dietrich Ritschl, How to Be Most Grateful to Karl<br />

Barth Without Remaining a Barthian, in: Donald K. McKim (<strong>Hrsg</strong>.), How Karl Barth<br />

Changed My Mind, Eugene 1986, 86–93, hier 91.<br />

11<br />

Ritschl, Theorie und Konkretion (s. Anm. 4), 11; die Information über Rubem Alves<br />

hat mir Dietrich Ritschl einst bei einem Besuch in Reigoldswil mitgeteilt.<br />

25


Art, Themen anzugehen, Frühregen auf unsere ausgedörrten Seelen. Viele<br />

von uns hungerten nach neuen Welten, nach neuen Horizonten, nach<br />

neuen Zugängen, die das Hergebrachte nicht zurückwiesen oder vernachlässigten,<br />

aber über es hinauszugehen vermochten. Wir sehnten uns nach<br />

einer überzeugenden Verbindung von Theorie und Praxis. Wir fragten in<br />

einem durchaus polemischen Heidelberger Blockseminar in jenen Jahren<br />

nach Gott und der Welt, nach Macht und Politik, nach der Bedeutung der<br />

500 Jahre kolumbianischer sogenannter Entdeckungen. Dietrich hatte an<br />

einigen unserer Radikalitäten Fragezeichen anzubringen und war längst<br />

nicht von allem überzeugt; als Lehrer, väterlicher Freund und Dekan hat<br />

er uns dennoch unterstützt. Er hatte stets großes Interesse an und ebenso<br />

großen Respekt für die Studierenden, war zugewandt, humorvoll und gewinnend.<br />

Im Unterricht war er erfrischend ehrlich, viele Besonderheiten<br />

und Absurditäten des akademischen Betriebs zugebend, ja kritisierend,<br />

wobei er mit Selbstironie nicht sparte. Er war erfrischend zugänglich und<br />

flößte uns doch hohen Respekt vor seinem umfassenden Wissen und<br />

seiner Diskussionskompetenz ein. Er wusste auf Erfahrung ebenso wie auf<br />

Erkenntnis zurückzugreifen. Er wusste, und darauf möchte ich im Folgenden<br />

etwas ausführlicher eingehen, drei Dimensionen zu verbinden, deren Verbindung,<br />

wie ich meine, unmittelbar einleuchtend und doch keineswegs<br />

selbstverständlich ist. Die erste Dimension überschreibe ich mit Loyalität:<br />

das Drinstehen in der »Megastory«, wie er sie nennen konnte, das Vertrauen<br />

in den Christus praesens, das Verankertsein in der Kirche, der Vorrang der<br />

Doxologie und des Gebets vor der Rationalität. Er hat aber, und dies ist die<br />

zweite Dimension, deswegen gerade nicht auf Rationalität verzichtet, sondern<br />

diese zur eingehenden, philosophisch orientierten und in der Theologiegeschichte<br />

verankerten Analyse unserer theologischen Rede, zur Entdeckung<br />

der Logik der Theologie mit ins Spiel gebracht. In diesem Zu -<br />

sammenhang konnte Theologie dann eine »theologia ludens« sein, eine<br />

Theologie im Spiel. Darum überschreibe ich diese Dimension mit Spiel.<br />

Die dritte Dimension schließlich überschreibe ich mit Bewährung: Theologie<br />

bewährt sich in Ökumene der Welt und in der Praxis der Kirche.<br />

1. Loyalität<br />

Dietrich Ritschl war durch und durch Lehrer, in allem immer aber auch<br />

Pfarrer. In seiner Selbstdarstellung als systematischer Theologe berichtet<br />

er, dass er am Ende der Studienzeit den klaren Wunsch verspürte: »[I]ch<br />

wollte nun wirklich Pfarrer werden. Hier konnte sich meine Theologie<br />

26


<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>:<br />

Stand der Dinge


Kann es eine »<strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens«<br />

in der Ökumene geben?<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

Ich hoffe,<br />

die klassische theologische Konzentration auf das Intellektuelle könnte auch<br />

den anderen Dimensionen Raum geben, die ebenfalls zum ›komplexen System‹<br />

gehören: innere Bilder, Frömmigkeit, Solidarität, Loyalität und – ein<br />

Schlüsselwort […] – Vertrauen. Manchmal träume ich von einer ökumeni -<br />

schen Theologie und Zusammenarbeit, in der nicht nur über Gott und Jesus<br />

Christus geredet, sondern in der Gottes Wirken im Geist für möglich gehalten<br />

und ernstgenommen wird. 1<br />

So Dietrich Ritschl im Vorwort seines Sammelbandes mit Studien zur ökumenischen<br />

Theologie. Das eben genannte »Schlüsselwort« steht im Untertitel<br />

des Buches: »Kann es eine <strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens inmitten<br />

differierender semiotischer Systeme geben?« Eben das ist es, was ich wissen<br />

– oder doch anzielen – möchte. Bei der Bearbeitung ging und geht es<br />

mir dann so, wie der emeritierte Erlanger Ethiker Hans Ulrich einmal<br />

sagte: »Da hat der Dietrich Ritschl eine gute Idee – und wir dann jahrelang<br />

die Arbeit damit!« Denn der Appell ist ja ohne Zweifel richtig: Theologie,<br />

die ihren Namen verdient, räsoniert nicht nur über Gott und Christus, sie<br />

stellt sich vielmehr in den Dienst ihrer Wirklichkeit. Das ist schon wahr,<br />

aber was heißt es denn des Näheren? Genauso wird kaum jemand<br />

bezweifeln, dass es gelingende Kommunikation und Annäherung nicht<br />

ohne Vertrauen wird geben können. Was aber genauer im Spiele ist, wenn<br />

man wissen möchte, ob es eine <strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens geben könne,<br />

1<br />

Dietrich Ritschl, Theorie und Konkretion in der <strong>Ökumenische</strong>n Theologie. Kann<br />

es eine <strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens inmitten differierender semiotischer Systeme<br />

geben?, Münster 2003, 1.<br />

39


ist nicht einfach zu ergründen. Noch einmal Dietrich Ritschl dazu: Es<br />

geht, schreibt er, um »Vorschuß-Interesse«, um »neugierige Bereitschaft,<br />

Gedankengänge zu denken und bei praktischem Ausdruck der Frömmigkeit<br />

mitzutun, auch wenn sie einem fremd sind«. 2 Das<br />

schließt für reformatorische Christen das Mitdenken naturrechtlicher<br />

Gedanken ein, das Einfühlen in die Geheimnisse und Freuden einer Pro -<br />

zession, das Ernstnehmen des Sakramentalen bis hin zum Nachspüren, was<br />

Marien- und Heiligenverehrung bedeuten, wenn es um Kontakt mit römischkatholischen<br />

Christen geht. Und im Hinblick auf die Orthodoxie schließt die<br />

neugierige Liebe die innere Offenheit für eine primär, ja fast ausschließlich<br />

doxologische Grundhaltung gegenüber allen Glaubensfragen ein, verbunden<br />

mit einem nahezu unerklimmbar hohen Verständnis für Symbole. Und<br />

umgekehrt werden die Gläubigen dieser Teile der Kirche in ihrer neugierigen<br />

Liebe aufs höchste gefordert, wenn sie nachvollziehen sollen, daß unsere<br />

schulstundenhaften Gottesdienste mit mäßiger und überlanger Predigt, künstlich<br />

gewollter Liturgie, wahre Anbetung Gottes sein sollen. 3<br />

Im Folgenden wird erst ein allgemeines Vorverständnis von »Vertrauen«<br />

skizziert und auf seine theologischen Implikationen hin befragt. Zumindest<br />

im Ansatz ist auch ein Blick auf die Gegenseite nötig: Gibt es Grenzen des<br />

(ökumenischen) Vertrauens? Den Abschluss machen dann einige thetische<br />

Überlegungen zur Rolle des Vertrauens in der ökumenischen Herme neutik.<br />

1. Vertrauen – ein Vorbegriff<br />

Wer schon ernstlich das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern<br />

anderer Konfessionen suchte und sie als solche wahrnahm, die Gott suchen,<br />

anbeten und feiern, wird wissen, worum es geht. Vertrauen ist in dieser<br />

ersten Näherung mit etwas verbunden, was ich ›vergrößernde Wahrnehmung‹<br />

der anderen Person nennen will: Er oder sie steht nicht nur für satzförmig<br />

artikulierte Überzeugungen, sondern für damit unlösbar verbundene<br />

Metaphern, Bilder, Gewohnheiten und Handlungsvollzüge. Verstehen kann<br />

und muss sich auf artikulierte Positionen beziehen, also den oft berufenen<br />

2<br />

Dietrich Ritschl, Wege ökumenischer Entscheidungsfindung, in: Wolfgang Huber<br />

/ Dietrich Ritschl / Theo Sundermeier (<strong>Hrsg</strong>.), <strong>Ökumenische</strong> Existenz heute<br />

1, München 1986, 11–48, 12.<br />

3<br />

A. a. O., 12f.<br />

40


›Literalsinn‹ von Äußerungen in den Blick nehmen. Diese aber sind gar<br />

nicht ablösbar zu denken von einem ganzen Netz von Bildern, Metaphern<br />

und Praxen. Das Sprachliche ist im Vorsprachlichen verankert. Kein Zweifel,<br />

das ist eine Wittgenstein’sche Einsicht mit weitreichenden Folgen<br />

für Ritschls Theoriebildung, die aber an anderer Stelle zu erläutern ist.<br />

Zur hier interessierenden Frage. Wenn Vertrauen dies impliziert: Das<br />

Gegenüber vergrößernd wahrzunehmen, gleichsam mit dem Halo des<br />

Mitgemeinten, das sich sprachlich nicht adäquat ausdrücken lässt, was ist<br />

Vertrauen denn dann eigentlich? Beteiligte Disziplinen sind sich zunächst<br />

einmal einig, dass es sich um ein universelles menschliches Phänomen<br />

handelt: Niemand kann nicht vertrauen. Sozialer Zusammenhalt ist ohne<br />

Vertrauen undenkbar: Unter Vertrauen wird, schreibt Jan Philipp Reemtsma<br />

in seiner einschlägigen Studie, »etwas wie ein soziales Äquivalent zum<br />

Äther älterer Physik verstanden: ein schwer bestimmbarer Stoff als Trägersubstanz<br />

aller Erscheinungen«. 4 Bedenkt man, wie die Karriere der Äthertheorie<br />

später verlief, wäre das für das Phänomen des Vertrauens keine beglückende<br />

Aussicht, aber das Bild ist wohl einigermaßen klar: Vertrauen<br />

ist unhintergehbare Basis intersubjektiver Austauschprozesse, gleich<br />

welcher Art auch immer sie sein mögen. Es ist schon richtig: Im Vertrauen<br />

werden die entscheidenden Wir-Konstruktionen gebildet, erhalten und<br />

gegebenenfalls modifiziert: Wer sind wir – wer bin ich? 5 Man kann dann<br />

weitergehen und verschiedene Bereiche und/oder Formen unterscheiden,<br />

etwa das Vertrauen im sozialen Nahbereich – Familie, Freunde – vom sozialen<br />

Vertrauen in größeren Rahmen unterscheiden. 6 In historischer Perspektive<br />

ist vielfach untersucht worden, ob die Modi des Vertrauens sich<br />

in den Übergangskrisen einer vormodernen, stratifizierten zu einer modernen,<br />

funktional ausdifferenzierten Gesellschaft geändert haben: Die<br />

Umbrüche zu modernen Gesellschaftsformen lassen sich dann als Vertrauenskrisen<br />

in zuvor als sakrosankt erachtete Strukturen lesen. 7<br />

Gut möglich, dass man so beschreiben kann, zumal immer wieder untersucht<br />

wurde, welche Rolle Kirchen und ihre Theologien in den genannten<br />

Umstellungskrisen gespielt haben mögen. 8 Der Vorgang des Vertrauens<br />

4<br />

Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation<br />

der Moderne, o. O. [München] 2009, 31.<br />

5<br />

A. a. O., 55.<br />

6<br />

A. a. O., 47.<br />

7<br />

A. a. O., 84.<br />

8<br />

Reemtsmas Untersuchung ist trotz ihres beeindruckenden Perspektivreichtums<br />

leider kein Beitrag dazu. Er erklärt allein das, was er als vormoderne Form des<br />

Christentums mit nicht ausgewiesener <strong>Hermeneutik</strong> der Schrift erkennt, für »theo-<br />

41


selbst und auch damit verbundene Desiderate sind damit freilich noch<br />

nicht in den Blick geraten. Was also tut, wer vertraut? Hier ist zunächst<br />

an eine klassisch gewordene Studie des jungen Niklas Luhmann zu erinnern.<br />

Sie stammt aus dem Jahr 1968 und heißt so wie das Thema: Vertrauen.<br />

Seine Antwort geht, was wohl kaum verwundern kann, auf die<br />

spezifische Funktion des Vertrauens. Sie lautet: Wer vertraut, greift einerseits<br />

zu einer »riskanten Vorleistung«. 9 Er entlastet jedoch – primär sich,<br />

mittelbar aber auch andere – von überbordender Komplexität in einer gegebenen<br />

Situation. Würden wir in jeder Situation alle handlungsrelevanten<br />

Faktoren erkennen und beurteilen müssen, dann wäre es niemandem<br />

möglich, auch nur irgendwie zu handeln, weil die überbordende Komplexität<br />

niemanden zu einem wirklich überlegten Handlungsentschluss kommen<br />

lassen könnte. Ohne Vertrauen würden gleichsam alle zu Iwan<br />

Gontscharows bekannter Romanfigur Oblomow werden, der sich bei den<br />

Gedanken an all das, was er tun könnte oder sogar müsste, über zweihundert<br />

Romanseiten nicht dazu entschließen kann, morgens aus dem Bett<br />

aufzustehen. 10 Dieses Vorgehen – diese unfassbare Vorgehensverweigerung<br />

– funktioniert offenbar nicht, und der Roman zeigt in genialer Weise,<br />

warum. Das systemtheoretisch verstandene Heilmittel namens Vertrauen<br />

greift hier kompensierend ein: Wer vertraut, weiß, dass er oder sie an gravierenden<br />

Informationsmängeln leidet. Er etabliert aber System-Umwelt-<br />

Grenzen, die genau diese lähmende Informationsfülle reduzieren: Vertrauen<br />

ist nichts anderes als eine strategische Reduktion der lähmenden<br />

Unübersichtlichkeit der Welt. Vertrauen ist ein »Mittel der Absorption<br />

von Komplexität«, die der Vertrauende anders nicht ertragen kann. 11 Luhmann<br />

bezeichnet das ausdrücklich und schon im Untertitel des Buches als<br />

einen »Mechanismus«. Systeme können anders nicht funktionieren und<br />

sie werden durch die System-Umwelt-Grenze mit ihrer komplexitätsreduzierenden<br />

Funktion allererst gebildet. Das gilt ausdrücklich nicht nur für<br />

menschliche Systeme, sondern etwa auch für Kräfte des Waren- und Geldmarktes.<br />

12<br />

logisch durchaus nachzuvollziehen« und meint, dass ein Christentum im Streit<br />

der Interpretation sich selbst überflüssig mache (a. a. O., 85). Das ist schon deswegen<br />

falsch, weil ja argumentativ – und das heißt: im Streit – auszumachen wäre,<br />

was denn ›theologisch durchaus nachzuvollziehen‹ sein könnte.<br />

9<br />

Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität,<br />

Konstanz/München 5 2014, 27, im Original hervorgehoben.<br />

10<br />

Iwan Gontscharow, Oblomow. Neu übersetzt von Vera Bischitzky, München 3 2015.<br />

11<br />

Luhmann, Vertrauen (s. Anm. 9), 24.<br />

12<br />

Vgl. Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1998, 382–386.<br />

42


Ist mit dieser Überlegung für die ökumenische <strong>Hermeneutik</strong> etwas zu<br />

gewinnen? Ja und nein. Ja, denn anders als mit dem Mechanismus der<br />

Komplexitätsreduktion ist auch im ökumenischen Gespräch schlicht keinerlei<br />

Verständigung denkbar. Der ökumenische Gesprächspartner steht<br />

pars pro toto für sehr viel mehr, als er selbst ist, und Verständigungen<br />

oder Dissense finden stellvertretend und dabei scharf komplexitätsreduzierend<br />

über einen nur sehr kleinen Zeichenbestand statt. Es geht nicht<br />

anders. Zugleich gibt es hier aber auch eine Grenze, und zwar eine störende:<br />

Luhmanns Theorie kann nicht erklären, warum und zu wem es<br />

sich lohnt, Vertrauen aufzubauen. Genauer: Sie will dies auch nicht tun. 13<br />

Luhmann reklamiert den Standpunkt des externen Beobachters, dem es<br />

gleichwohl möglich ist, auf sein eigenes Beobachten noch selbst reflektieren<br />

zu können. Dies soll einen Standpunkt von Neutralität auch denjenigen<br />

Ent scheidungen gegenüber ermöglichen, die andere als normativ aufgeladen<br />

reklamieren: Moralische Entscheidungen – etwa die, wem ich denn<br />

nun zu Recht Vertrauen schenke und wem nicht – lassen sich für Luhmann<br />

als Zuteilung oder Entzug von Achtung beschreiben. Das Ziel ist nichts<br />

weniger, als »daß es gelingt, das Faktum Moral mit moralfreien Begriffen<br />

zu begreifen«. 14<br />

Ich bezweifle, dass das gelingt. Es ist sicher möglich, auch die Beobachterperspektive<br />

auf Moral als Gewährung und Entzug von Achtung einzunehmen.<br />

Der Anspruch jedoch, objektiver zu sprechen als im moralischen<br />

Code, ist eine Setzung. 15 Luhmanns Gesprächspartner Stephan<br />

H. Pfürtner hat das pointiert formuliert. Wer auf Funktionsgesetze allein<br />

13<br />

Die Darstellung bei Rainer Strunk, Vertrauen I. Ethisch, in: TRE 35, 71–73, 72,<br />

bleibt bei dieser Feststellung stehen, gibt aber auf die Argumente bei Luhmann,<br />

warum es sich so verhalten solle, keinen Hinweis mehr. Bei Luhmann selbst ist<br />

das in der Darstellung der Genese persönlichen Vertrauens zu sehen, die dies als<br />

riskante Investition versteht, nicht aber als dialogischen Prozess (Luhmann, Vertrauen<br />

[s. Anm. 9], 47–60).<br />

14<br />

Niklas Luhmann, Soziologie der Moral, in: Ders./Stephan H. Pfürtner, Theorietechnik<br />

und Moral, Frankfurt/M. 1978, 8–116, 43. Zum Motiv Achtung bes. 48–<br />

57. Freilich gibt Luhmann dann doch eine in ethischer Hinsicht freilich fundamentale<br />

Grenze seines Raisonnements zu: »Auch sie [die Systemtheorie, M. H.]<br />

kann dem Handelnden letztlich nicht sagen, wie er handeln soll und ob er vertrauen<br />

soll oder nicht.« Luhmann, Vertrauen (s. Anm. 9), 125.<br />

15<br />

Der Verweis auf epistemische Schwierigkeiten moralischer Raisonnements, mit<br />

dem Luhmann seinen Beitrag beendet (Luhmann, Soziologie [s. Anm. 14], 95), genügt<br />

nur dann, wenn schon im Vorherein feststeht, dass die Unabwägbarkeiten<br />

innerhalb des moralischen Raisonnements es diskreditieren – und genau darin besteht<br />

die unausgewiesene Setzung.<br />

43


Die Bedeutung der Lehrdialoge für das Ziel<br />

globaler Ökumene<br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong><br />

1. Sichtbare Einheit als Ziel der ökumenischen Bewegung<br />

In der Christentumsgeschichte ist das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert<br />

der <strong>Ökumenische</strong>n Bewegung geworden. Sie begann mit der ersten Weltmissionskonferenz<br />

in Edinburgh 1910, die ihrerseits aus den Missionsbewegungen<br />

im 19. Jahrhundert und den problematischen Erfahrungen aus<br />

den weltweiten Missionen erwuchs. Gegenüber den konkurrierenden Missionen,<br />

die die westlichen Kirchentrennungen in die ganze Welt trugen,<br />

propagierte die Missionskonferenz in Edinburgh, es sei »the aim of all<br />

missionary work to plant in each non-Christian nation one undivided<br />

Church of Christ«. 1 Im Vorfeld der Konferenz hatte man sich darauf verständigt,<br />

die Fragen der praktischen Zusammenarbeit in das Zentrum zu<br />

stellen und die Trennung der Kirchen und die Frage nach der Einheit<br />

nicht zum Gegenstand zu erheben. Auf der Konferenz selbst allerdings<br />

zeigte sich bald, dass sich die Problematik der Trennungen nicht ausblenden<br />

ließ. Und so rief auf der Abschlussveranstaltung der Konferenz der<br />

Missionsbischof der Protestant Episcopal Church in den Philippinen<br />

Charles Brent dazu auf, sich in Zukunft auch den Fragen von Glauben und<br />

Kirchenverfassung zuzuwenden. In der Folge entstand aus den Impulsen<br />

der Weltmissionsbewegung die Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung<br />

(Faith and Order). Sie bildet neben der internationalen Missionsbe-<br />

1<br />

World Missionary Conference 1910. To consider Missionary Problems in relation<br />

to the Non-Christian World, 9 Bände, Edinburgh/New York, Bd. 7, 83. Vgl. zur<br />

ersten Weltmissionskonferenz Jutta Koslowski, Die Einheit der Kirche in der ökumenischen<br />

Diskussion. Zielvorstellungen kirchlicher Einheit im katholisch-evangelischen<br />

Dialog (SSThE 52), Münster 2008, 46–50.<br />

58


wegung und der Bewegung für Praktisches Christentum (Life and Work),<br />

die ebenfalls in den 1920er Jahren entstand, den dritten Pfeiler der globalen<br />

ökumenischen Bewegung. Die erste Weltkonferenz von Faith and Order<br />

fand 1927 in Lausanne statt und widmete sich als erstem Verhandlungsgegenstand<br />

dem »Ruf zu Einheit«. 2 Auf diese Weise wurde die<br />

Einheitsthematik in ihrer globalchristlichen Bedeutung festgeschrieben<br />

und institutionell verankert. Schon hier wurde auch die große Heraus -<br />

forderung thematisiert, die mit dem Ruf zur Einheit verbunden war und<br />

bis heute ist. Es war der lutherische Theologe und Delegierte Werner<br />

Elert, der ausgehend von Joh 18,37 einerseits verdeutlichte, dass die Einheit<br />

der Christen nur in der Wahrheit des Glaubens gefunden werden<br />

könne, und andererseits zur Geltung brachte, dass die historisch gewachsenen<br />

Kirchen im Streben nach Einheit selbst als Einheiten zu respektieren<br />

seien. So wünschte Elert in seiner Rede dem »Konzil«, »daß die große<br />

Einheit, die es erstrebt, die schon vorhandenen Einheiten nicht zerstöre,<br />

sondern wie eine Mutter ihre reif und selbständig gewordenen Kinder in<br />

ihr Haus aufnehme«. 3 Zugleich hoffte er aber, »daß die Verschiedenheit<br />

der Verfassungen und Riten kein Hindernis bilden möge, die Einheit, die<br />

wir in der Wahrheit erstreben, zu bejahen«. 4 Die Sympathie werde dabei<br />

»allerdings vor allem denjenigen Formen gehören, die auch äußerlich den<br />

Zusammenhang mit der alten Kirche zum Ausdruck bringen«. 5 Mit diesen<br />

Worten unterstrich Elert zum einen die zentrale Bedeutung der Frage<br />

nach der Einheit und stellte zum anderen erste und – wie sich ex post zeigen<br />

sollte – durchaus wegweisende Überlegungen zur Einheit der getrennten<br />

Kirchen an.<br />

Bei der Gründung des <strong>Ökumenische</strong>n Rates der Kirchen (ÖRK) 1948<br />

in Amsterdam ist die Einheit der Kirchen als Ziel ihrer Verbindung im<br />

<strong>Ökumenische</strong>n Rat nicht näher charakterisiert worden. 6 Durch die Zusammenführung<br />

der Bewegungen Life and Work und Faith and Order unter<br />

dem Dach des ÖRK spielten die Vorarbeiten von Faith and Order für<br />

2<br />

Vgl. Hermann Sasse (<strong>Hrsg</strong>.), Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung.<br />

Deutscher amtlicher Bericht über die Weltkirchenkonferenz zu Lausanne,<br />

3.–21. August 1927, Berlin 1929, 91–113.<br />

3<br />

A. a. O., 104, im Original kursiv.<br />

4<br />

Ebd.<br />

5<br />

Ebd.<br />

6<br />

Willem Visser’t Hooft (<strong>Hrsg</strong>.), Die erste Vollversammlung des Oekumenischen<br />

Rates der Kirchen in Amsterdam vom 22. August bis 4. September 1948, Zürich<br />

1948, 168. Die Einheit wird als Gabe Gottes bestimmt, der die Mitgliedskirchen<br />

als Werkzeuge in Leben und Arbeit Ausdruck verleihen sollen.<br />

59


die weitere Reflexion auf das Ziel des ÖRK eine wichtige Rolle. Die Weltkonferenz<br />

von Faith and Order 1927 in Lausanne hatte in der Sektion VII<br />

über »Die Einheit der Christenheit und das Verhältnis der bestehenden<br />

Kirchen zu ihr« 7 sechs Merkmale der geeinten Kirche bestimmt: (1) den<br />

gemeinsamen Glauben und die eine gemeinsame Botschaft an die Welt;<br />

(2) die Taufe als den Aufnahme-Ritus der einen Kirche; (3) das heilige<br />

Abendmahl als den Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft und als die<br />

Krönung des gemeinsamen gottesdienstlichen Lebens; (4) das eine Amt,<br />

das in allen Teilen der Kirche vorhanden und von der Gesamtkirche anerkannt<br />

ist; (5) die Freiheit für alle Kirchen, die sich zusammenschließen,<br />

hinsichtlich ihres Verständnisses der Sakramentsgnade, des Amtes und<br />

der kirchlichen Autorität; (6) den Spielraum für die Auswirkungen der<br />

prophetischen Geistesgabe. 8<br />

Auf der zweiten Weltkonferenz von Faith and Order 1937 in Edinburgh<br />

wurde dann explizit von der sichtbaren Einheit als dem Ziel der<br />

ökumenischen Arbeit gesprochen 9 Als Verwirklichungsformen der sichtbaren<br />

Einheit wurden dabei praktische Zusammenarbeit, Abendmahlsgemeinschaft<br />

und körperschaftliche Vereinigung bestimmt. Mit dieser Beschreibung<br />

der sichtbaren Einheit nahm man Abstand von dem Modell<br />

der organischen Union, das in der United Church of Canada, in der Kirche<br />

Christi in Japan und in der Kirche von Südindien realisiert worden war<br />

und das im Rekurs auf die anglikanische Tradition die Sichtbarkeit der<br />

Einheit in dem historischen Bischofsamt verankerte. 10 Denn gegenüber<br />

7<br />

Sasse, Weltkonferenz (s. Anm. 2), 381–511.<br />

8<br />

A. a. O., 459.<br />

9<br />

Leonhard Hodgson / Ernst Staehlin (<strong>Hrsg</strong>.), Das Glaubensgespräch der Kirchen.<br />

Die zweite Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung abgehalten in Edinburgh<br />

vom 3.–18. August 1937, Zollikon/Zürich 1940, 320.<br />

10<br />

Sowohl die Weltmissionskonferenz in Edinburgh wie auch die ersten Weltkonferenzen<br />

von Faith and Order waren von angloamerikanischer Beteiligung und einer<br />

starken Präsenz der Anglikaner geprägt. Entsprechend trägt auch der Dialog über<br />

die Einheit der Kirche deutlich anglikanische Züge. Maßgeblich für das anglikanische<br />

Ökumeneverständnis wiederum war das Chicago-Lambeth-Quadrilateral<br />

(CLQ) von 1888, das auf der Lambeth Conference 1998 erneut bekräftigt wurde.<br />

Hier werden vier Grundbedingungen der Einheit bestimmt: Die Schrift als »rule<br />

and ultimate standard of faith«, das Apostolische Glaubensbekenntnis als Taufsymbol,<br />

die stiftungsgemäße Feier der Sakramente der Taufe und des Abendmahls und<br />

der historische Episkopat »locally adapted in the methods of its administration to<br />

the varying needs of the nations and peoples called of God into the Unity of His<br />

Church« (zitiert aus: Called to be One. The Report to the Lambeth Conference<br />

1998, London 1998, 12f.). Der historische Episkopat für die sichtbare Einheit der<br />

60


solcher Konzentration auf das Amt bzw. Bischofsamt wurde von vielen<br />

Mitgliedern in Faith and Order die Auffassung vertreten, »daß Kirchen<br />

verschiedener Form des Kirchenregiments Seite an Seite nebeneinander<br />

existieren könnten, und daß innerhalb des in festere Formen geordneten<br />

Kirchentums oder neben demselben Raum für freiere Gemeinschafts -<br />

bildungen wie die der Quäker oder der Heilsarmee sein müßte«. 11 Schon<br />

in dieser frühen Debatte zeichneten sich die Differenzen zwischen den<br />

Kirchen in Bezug auf den Stellenwert der Amtsfrage für das Ziel der sichtbaren<br />

Einheit ab.<br />

In den ersten beiden Jahrzehnten nach der Gründung des ÖRK gewann<br />

die Rede von der sichtbaren Einheit als zusammenfassende Formulierung<br />

für das Ziel der ökumenischen Bewegung zunehmend an Bedeutung.<br />

Auf der dritten Vollversammlung des ÖRK in Neu Delhi 1961 wurde<br />

im Kommentar zur Revision der Basis-Formel 12 das Konzept der sichtbaren<br />

Einheit ausdrücklich thematisiert:<br />

Wir glauben, dass die Einheit, die zugleich Gottes Wille und seine Gabe an<br />

seine Kirche ist, sichtbar gemacht wird, indem alle an jedem Ort, die in Jesus<br />

Christus getauft sind und ihn als Herrn und Heiland bekennen, durch den<br />

Heiligen Geist in eine völlig verpflichtete Gemeinschaft geführt werden, die<br />

sich zu dem einen apostolischen Glauben bekennt, das eine Evangelium<br />

verkündigt, das eine Brot bricht, sich im gemeinsamen Gebet vereint und ein<br />

gemeinsames Leben führt, das sich in Zeugnis und Dienst an alle wendet. Sie<br />

Kirche gehört dabei zu den Identitätsmerkmalen des anglikanischen Kirchenverständnisses,<br />

insbesondere in seiner hochkirchlichen Auslegung, das im Gegenüber<br />

zu Liberalen und Evangelikalen im 19. Jahrhundert ausgebildet wurde. Vgl.<br />

zur Entwicklung der verschiedenen Richtungen anglikanischer Ekklesiologie im<br />

19. Jahrhundert die Studie von Anna Schneider, Dimensionen der Einheit. Ekklesiologische<br />

Konzeptionen der Kirche von England im 19. Jahrhundert (TBT 166),<br />

Berlin/New York 2014. Das Interesse an diesem amtstheologisch profilierten Einheitskonzept<br />

gründet nach Ingolf U. Dalferth in dem Bestreben, die Trennung von<br />

Rom zu überwinden, siehe Ingolf U. Dalferth, Auf dem Weg der Ökumene. Die<br />

Gemeinschaft evangelischer und anglikanischer Kirchen nach der Meissener Erklärung,<br />

Leipzig 2002, 211.<br />

11<br />

Hodgson/Staehlin, Glaubensgespräch (s. Anm. 9), 320.<br />

12<br />

Die Basisformel lautet 1961: »Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die<br />

den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen<br />

und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre<br />

Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes« (Selbstverständnis und<br />

Vision des ÖRK, URL: http://www.oikoumene.org/de/about-us/self-understanding-vision/basis,<br />

Stand: 11. 11. 2022).<br />

61


ist zugleich vereint mit der gesamten Christenheit an allen Orten und zu<br />

allen Zeiten in der Weise, dass Amt und Glieder von allen anerkannt werden,<br />

und dass alle gemeinsam so handeln und sprechen können, wie es die<br />

gegebene Lage im Hinblick auf die Aufgaben erfordert, zu denen Gott sein<br />

Volk ruft. Wir glauben, dass wir für solche Einheit beten und arbeiten<br />

müssen. 13<br />

Der ÖRK gelangte mithin zu der Einsicht, dass die Kirchen ihren zentralen<br />

Auftrag der Evangeliumsverkündigung nicht angemessen erfüllen (können),<br />

wenn sie der Einheit der Kirche, die sie bekennen und verkündigen,<br />

keinen sichtbaren Ausdruck verleihen. 14 Neben dem gemeinsamem<br />

Bekenntnis, der einen Taufe und der einen Eucharistie werden in den<br />

ÖRK-Dokumenten seit der Vollversammlung in Neu Delhi dabei stets auch<br />

das eine Amt und die Strukturen für einen gemeinsamen Entscheidungsprozess<br />

als Grundbedingungen der Einheit genannt. Auf der Vollversammlung<br />

des ÖRK in Nairobi 1975 wurde dann noch energischer aufgerufen<br />

»zu dem Ziel der sichtbaren Einheit im einen Glauben und der einen eucharistischen<br />

Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im<br />

gemeinsamen Leben in Christus findet, und auf diese Einheit zuzugehen,<br />

damit die Welt glaube«. 15 Die Vollversammlung 1998 in Harare schließlich<br />

formulierte:<br />

Das Hauptziel der Gemeinschaft der Kirchen im <strong>Ökumenische</strong>n Rat der<br />

Kirchen besteht darin, einander zur sichtbaren Einheit in dem einen Glauben<br />

und der einen eucharistischen Gemeinschaft aufzurufen, die ihren Ausdruck<br />

im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet, durch Zeugnis<br />

und Dienst an der Welt, und auf diese Einheit zuzugehen, damit die Welt<br />

glaube. 16<br />

13<br />

Vgl. Focko Lüpsen (<strong>Hrsg</strong>.), Neu-Delhi-Dokumente. Berichte und Reden auf der<br />

Weltkirchenkonferenz in Neu Delhi 1961, Witten 1962, 66.<br />

14<br />

Vgl. dazu Dalferth, Auf dem Weg der Ökumene (s. Anm. 10), 197.<br />

15<br />

Selbstverständnis und Vision des ÖRK, URL: https://www.oikoumene.org/de/<br />

about-the-wcc/self-understanding-and-vision (Stand: 11. 11. 2022).<br />

16<br />

Ebd.<br />

62


Hermeneutische Reflexionen zum Vollzug der<br />

ökumenischen Begegnung<br />

<strong>Elisabeth</strong> <strong>Maikranz</strong><br />

Während das 20. Jahrhundert vom ökumenischen Aufbruch gekennzeichnet<br />

war, scheint am Beginn des 21. Jahrhunderts »die Ökumene an Fahrt<br />

verloren [zu haben …] oder gar zum Stillstand gekommen« 1 zu sein. In<br />

dieser Situation werden unter dem Begriff »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>«<br />

neue Leit- und Zielperspektiven für die Fortsetzung des ökumenischen<br />

Prozesses diskutiert. Die hermeneutische Reflexion steht dabei nicht nur<br />

vor der Aufgabe, als »Theorie des Verstehens und seiner Methoden […]<br />

sowohl die Bedingungen für gelingendes Verstehen als auch die Gründe<br />

für das Nichtverstehen« 2 zu reflektieren, sondern sie bleibt auch mit der<br />

Frage nach einer Theorie der Ökumene sowie den Auseinandersetzungen<br />

um die Beweggründe und das Ziel der ökumenischen Begegnungen verbunden.<br />

Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass nicht immer<br />

klar ist, ob »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>« die Haltung im Dialog oder eine<br />

wissenschaftliche Methode meint. 3 Hinzu kommt, dass sowohl auf der<br />

Theorie- als auch auf der Praxisebene Paradigmenwechsel ausgerufen wer-<br />

1<br />

Michael Weinrich, Ist der Weg das Ziel? Zur aktuellen Debatte um die ökumenische<br />

<strong>Hermeneutik</strong>, in: ThLZ 136 (2011), 831–847, 831.<br />

2<br />

Ulrich H. J. Körtner, Offene Fragen einer ökumenischen <strong>Hermeneutik</strong> der Verschiedenheit.<br />

Zur Diskussion über eine <strong>Hermeneutik</strong> der Symbole, Riten und Bräuche,<br />

in: KuD 51 (2005), 230–252, 235.<br />

3<br />

Vgl. Maria Wernsmann, Praxis, Probleme und Perspektiven ökumenischer Prozesse<br />

(ÖR.B 107), Leipzig 2016, 72: Die Begriffsunklarheit zeige sich insbesondere daran,<br />

»dass der Begriff der <strong>Hermeneutik</strong> häufig als eine Art Haltung im Dialog verstanden<br />

wird, die in der Begegnung mit Anderen zum Tragen kommt, was sich an<br />

Begriffen wie <strong>Hermeneutik</strong> des Vertrauens, des Verdachts, der Kohärenz etc. zeigt.<br />

Gleichzeitig gilt sie als wissenschaftliche Methode für die <strong>Ökumenische</strong> Theologie.<br />

Beides ist durchaus anzunehmen und wichtig, aber es wird kaum voneinander getrennt.«<br />

78


den, die das ökumenische Vorhaben neu bestimmen: Auf der praktischen<br />

Ebene lenkt der Ruf nach Zusammenarbeit den Fokus auf gemeinsames<br />

Handeln und fordert eine sozial-ethisch und diakonisch ausgerichtete Ökumene.<br />

4 »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>« in diesem Zusammenhang ist stärker<br />

an der Begegnung mit anderen Konfessionen orientiert. Auf der theoretischen<br />

Ebene stellt sich die Frage, was eine ökumenische <strong>Hermeneutik</strong> für<br />

die Vermittlung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten leisten kann:<br />

Braucht es eine eher von römisch-katholischer Seite vertretene Konsens -<br />

ökumene oder muss sich die Ökumene vielmehr an den Differenzen orientieren,<br />

wie es evangelische Stimmen fordern? 5 An dieser kurzen Skizze<br />

wird deutlich, in welchen vielschichtigen Bezügen »<strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>«<br />

gegenwärtig verhandelt wird. Dies spiegeln auch die Beiträge<br />

von <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> und <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong>, die sich zum einen auf die Bedeutung<br />

der Dialogökumene für den ökumenischen Prozess (<strong>Nüssel</strong>) als<br />

4<br />

Vgl. Dorothea Sattler, Vertrauen. Konturen einer ökumenischen <strong>Hermeneutik</strong><br />

(nicht nur) für heute, in: Christine Büchner et al. (<strong>Hrsg</strong>.), Kommunikation ist möglich.<br />

Theologische, ökumenische und interreligiöse Lernprozesse, Ostfildern 2013,<br />

164–183, 170. Dieser Paradigmenwechsel zeige sich u.a. auch daran, dass sich<br />

die »Werte des Evangeliums« Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung<br />

im <strong>Ökumenische</strong>n Rat der Kirchen als handlungsleitend etabliert haben, wie Dagmar<br />

Heller betont. Sie verweist ebenso darauf, dass auch das Einheitsverständnis<br />

in der multilateralen Ökumene aktionsorientiert gedacht wird, vgl. Dagmar Heller,<br />

Was ist erreicht und wie geht es weiter? Zur Zukunft der multilateralen ökumenischen<br />

Dialoge, in: US 140 (2015), 171–181, 176. Ein genereller Umschwung<br />

kann mit Henning Theißen konstatiert werden, der in der Charta Oecumenica einen<br />

»Paradigmenwechsel […] von der Wahrheit der Lehre zur Wirklichkeit des<br />

Lebens« (Henning Theißen, Konsens nach der Konsensökumene. Hermeneutische<br />

Erwägungen anhand der Charta Oecumenica, in: NZSTh 51 [2009], 76–91, 85)<br />

sieht.<br />

5<br />

Vgl. Weinrich, Ist der Weg das Ziel? (s. Anm. 1), 832–842. Als exemplarische<br />

Positionen für römisch-katholisches Festhalten an der Orientierung am Konsens,<br />

siehe Wolfgang Thönissen, Dogma und Symbol. Eine ökumenische <strong>Hermeneutik</strong>,<br />

Freiburg im Breisgau 2008; Christoph Böttigheimer, <strong>Ökumenische</strong> <strong>Hermeneutik</strong>.<br />

Vom Theoriedefizit der ökumenischen Bewegung, in: SdZ 131 (2006),<br />

392–406. Für an der Differenz orientierte evangelische Positionen sei auf Ingolf<br />

U. Dalferth, Auf dem Weg der Ökumene. Die Gemeinschaft evangelischer und<br />

anglikanischer Kirchen nach der Meissener Erklärung, Leipzig 2002, und Ulrich<br />

H. J. Körtner, Wohin steuert die Ökumene? Vom Konsens- zum Differenz modell,<br />

Göttingen 2005, verwiesen. Allerdings sind damit nur Tendenzen gezeigt.<br />

Gerade unter dem Begriff des »differenzierenden Konsenses« wird nach wie vor<br />

versucht, Konsens und Differenzen zusammenzudenken, siehe z. B. Theodor<br />

Dieter, Zu einigen Problemen ökumenischer <strong>Hermeneutik</strong>, in: US 140 (2015),<br />

163–170.<br />

79


auch auf grundlegende Haltungen in den ökumenischen Begegnungen<br />

(<strong>Hailer</strong>) beziehen.<br />

Nach einer Auseinandersetzung mit den Vorschlägen von <strong>Friederike</strong><br />

<strong>Nüssel</strong> und <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> soll die Vieldimensionalität der ökumenischen<br />

Verständigung in den Blick kommen. Dabei sollen Denkanstöße gegeben<br />

werden, welche Vollzugsmomente des ökumenischen Gesprächs im Hinblick<br />

auf eine ökumenische <strong>Hermeneutik</strong> bedacht werden müssen.<br />

1. Zu den Beiträgen von <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> und <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> zeigt in ihrem Beitrag, wie die Einheitsthematik die verschiedenen<br />

ökumenischen Dialoge von Anfang an bestimmte. Als Ziel der<br />

ökumenischen Arbeit auf Weltebene formulierte die Bewegung für Glauben<br />

und Kirchenverfasssung bereits 1937 die Verwirklichung sichtbarer<br />

Einheit durch praktische Zusammenarbeit, Abendmahlsgemeinschaft und<br />

körperschaftliche Vereinigung. Damit rückten die Fragen nach dem Amt,<br />

die Feier der Sakramente und die ekklesiologischen Grundstrukturen ins<br />

Zentrum der Dialogökumene. Gerade an diesen Themen wird deutlich,<br />

dass eine sichtbare Einheit der Kirchen nur erzielt werden kann, wenn<br />

die Kirchen auch ihre identitätsstiftenden Prinzipien zur Debatte stellen<br />

oder, wie <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> schreibt, gar davon »abrücken«. Die multilaterale<br />

Dialogökumene führte damit weniger zur sichtbaren Einheit als vielmehr<br />

zu sichtbaren Unterschieden. Gerade weil die Dialogökumene mehr<br />

Differenzbewusstsein hervorbrachte, verlagerte sich das Ziel der sichtbaren<br />

Einheit auf Formen der sichtbaren Gemeinschaft in praktischer Zusammenarbeit.<br />

An dieser Stelle lässt sich mit Blick auf den beobachtbaren<br />

Umschwung von einer Lehrökumene zu einer praktischen Ökumene fragen,<br />

welche Funktion die Dialoge innerhalb der ökumenischen Bewegung<br />

weiterhin einnehmen können und auch müssen.<br />

Während die multilaterale Ökumene damit heute ihre Stärken auf der<br />

Ebene der weltweiten Vernetzung und praktischen Zusammenarbeit hat,<br />

sieht <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> für die bilateralen Dialoge größere Verständigungspotenziale.<br />

Hier werden nicht nur die Ergebnisse der multilateralen Ökumene<br />

rezipiert, sondern es könne eine ganz eigene Form der Versöhnungsarbeit<br />

stattfinden, da sich auf die konkreten, historisch gewachsenen<br />

Differenzen zwischen zwei Konfessionskirchen bezogen und diese aufgearbeitet<br />

werden könnten. In der bilateralen Ökumene scheint also eine<br />

andere Begegnung und Auseinandersetzung möglich zu sein als im multilateralen<br />

Kontext. Daher überrascht es nicht, dass auch die multilaterale<br />

80


Ökumene von der bilateralen bereichert und gefördert wird, wie <strong>Nüssel</strong><br />

am Beispiel der Leuenberger Konkordie und der »Gemeinsamen Erklärung<br />

zur Rechtfertigungserklärung« verdeutlicht. Die in bilateralen Dialogen<br />

gewonnenen Übereinkünfte können als eine Keimzelle gesehen werden,<br />

die die weiteren Bestrebungen zur Überwindung von Trennungen stützen<br />

oder von anderen Kirchen auch rezipiert werden und so Verbundenheit<br />

stiften.<br />

Auch wenn <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> hier ein Zusammenspiel der verschiedenen<br />

Dialogebenen ausmacht und konstatiert, dass sie ein »Instrument<br />

auf dem Weg zur Erneuerung der Beziehung« seien, so wird in ihrem Beitrag<br />

doch deutlich, dass die Dialogökumene alleine nicht zu Versöhnung<br />

und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den Kirchen führen<br />

kann. Die Dialoge scheinen vielmehr zunächst Orte zu sein, an denen Beziehungen<br />

überhaupt erst aufgenommen und ausgelotet werden. Erst<br />

durch die Lehrökumene kommt so eine Zusammenarbeit zustande, die<br />

<strong>Nüssel</strong> als »Medium für die sichtbare Einheit« bezeichnet. Solch ein neu<br />

konstituiertes Miteinander wurde zuletzt deutlich an Versöhnungsgesten<br />

zwischen Lutheranern und Mennoniten 2010 sowie im gemeinsamen<br />

Bußgottesdienst von Katholiken und Lutheranern am Reformationstag in<br />

Lund 2016. Diese Versinnbildlichungen der neu gewonnenen Wahr -<br />

nehmungs- und Begegnungskultur in Zeichen und Gesten transportiert<br />

das im Dialog Erreichte auf eine öffentlich sichtbare Ebene. Zugleich kann<br />

dabei die Komplexität des Trennenden aufscheinen, weil z. B. der gemeinsame<br />

Gottesdienst selbst die unterschiedlichen konfessionellen Traditionen<br />

sichtbar macht. So bleibt die gemeinsame Geste stets eine Geste im Angesicht<br />

des Trennenden.<br />

<strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> betont, dass Versöhnung immer Gabe sei, was in<br />

der Weiterführung für Versöhnungsgesten bedeutet, dass es auch Gabe<br />

ist, ob sie zu wirkungsvollen Zeichen werden. Mit der Gabeperspektive<br />

stellt sich die Frage nach dem Geber und damit nach Gottes Wirken im<br />

Versöhnungsprozess. Der ökumenegeschichtliche Durchgang und die verschiedenen<br />

Dialogebenen im Verhältnis zum Ziel der sichtbaren Einheit<br />

zeigen die Komplexität und das Netzwerk der ökumenischen Bewegung.<br />

Eine ökumenische <strong>Hermeneutik</strong> kann nicht umhin, die für das ökumenische<br />

Gespräch spezifische Situation genauer in den Blick zu nehmen und<br />

die Verzahnungen und Interessens divergenzen auch zwischen den Gesprächsebenen<br />

zu berücksichtigen.<br />

Während <strong>Friederike</strong> <strong>Nüssel</strong> die ökumenische Bewegung und ihre Dialogstrukturen<br />

auf der Makroebene in den Blick nimmt, fragt <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

in Anknüpfung an Dietrich Ritschl nach einer »<strong>Hermeneutik</strong> des Vertrau-<br />

81


ens« auf der ökumenischen Mikroebene. Für Ritschl bedeute Vertrauen<br />

zunächst »Vorschuß-Interesse« 6 sowohl im Hinblick auf fremde Gedanken<br />

als auch ungewohnte Frömmigkeitspraktiken. Diese Neugier auf das<br />

Fremde nimmt <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> unter dem Begriff der »vergrößernden Wahrnehmung<br />

der anderen Person« auf und verweist damit auf die Dimension<br />

des sprachlich Unartikulierten, das in jeder Begegnung mitschwingt. Von<br />

hier aus fragt er weiter, was Vertrauen eigentlich sei, und beschreibt eine<br />

»Phänomenologie des Vertrauens«. Er betrachtet Vertrauen im Rahmen<br />

von sozialen Beziehungen, in denen es die Grundlage für Zusammenhalt<br />

bilde. Mit Niklas Luhmann reflektiert er auf die »riskante Vorleistung«, 7<br />

die im Prozess des Vertrauens dann geleistet werde, wenn trotz Informationsmängel<br />

oder Komplexität vertraut werde. Während Luhmann die<br />

ethische Dimension von Vertrauen ausblende, betont <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong>, dass<br />

Vertrauen als eine solche gerade »kontrafaktisch und innovatorisch« 8 sei.<br />

Das kontrafaktische und innovatorische Element des Vertrauens sucht<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> im Anschluss an Knud Ejler Løgstrup zu vermessen. Vertrauen<br />

sei ein intersubjektives Geschehen, in dem sich ein Mensch einem<br />

anderen ausliefere und so allein durch die darin ausgedrückte Haltung<br />

eine Schutzforderung stelle. 9 Gerade diese auch irritierende Forderung,<br />

6<br />

<strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong> bezieht an dieser Stelle den Vertrauensbegriff auf Ausführungen,<br />

die Ritschl über ökumenische Neugier und Liebe macht, vgl. Dietrich Ritschl, Wege<br />

ökumenischer Entscheidungsfindung, in: Wolfgang Huber / Dietrich Ritschl / Theo<br />

Sundermeier (<strong>Hrsg</strong>.), <strong>Ökumenische</strong> Existenz heute 1, München 1986, 11–48, 11f.,<br />

mit Dietrich Ritschl, Konsens ist nicht das höchste Ziel. Gründe für eine <strong>Hermeneutik</strong><br />

des Vertrauens in den Christus praesens, in: Konrad Raiser / Dorothea Sattler (<strong>Hrsg</strong>.),<br />

Ökumene vor neuen Zeiten. Für Theodor Schneider, Freiburg im Breisgau 2000,<br />

531–547, 545. Dabei geht verloren, dass Ritschl 1986 von einer ökumenischen<br />

Neugier ausgeht, die Vorschuss-Interesse begründe; der Vertrauensbegriff spielt bei<br />

Ritschl selbst in diesem Zusammenhang keine Rolle. Erst 2000 spricht Ritschl von<br />

Vorschussvertrauen, das sich auf Selbstaussagen des ökumenischen Partners über<br />

die Erfüllung bestimmter kirchlicher Merkmale und im Vertrauen auf den Christus<br />

praesens in den Kirchen gründe. Vgl. auch Fußn. 36.<br />

7<br />

Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität<br />

(Soziologische Gegenwartsfragen N.F. 28), Stuttgart 1968, 21.<br />

8<br />

Im Rückgriff auf Niklas Luhmann / Stephan H. Pfürtner (<strong>Hrsg</strong>.), Theorietechnik<br />

und Moral (stw 206), Frankfurt am Main 1978, 244, wo thetisch festgehalten ist:<br />

»Ethisches Denken ist schöpferisches Denken auf größere Humanität hin. Es ist<br />

daher von seinem Ansatz her kontrafaktisch und innovatorisch.«<br />

9<br />

Vgl. Knud E. Løgstrup, Die ethische Forderung, Tübingen 1959, 16f.: »Die Selbstauslieferung<br />

besteht darin, daß man handelt in einer Erwartung an den anderen.<br />

[…] So gewiß wie ein Mensch mit dem Vertrauen, das er erweist oder verlangt,<br />

mehr oder weniger von seinem Leben in die Hand des anderen legt, so gewiß ge-<br />

82


Ökumene, jüdisch-christlicher Dialog<br />

und nahöstlicher Kontext


Implizite Axiome in den ökumenischen und<br />

interreligiösen Beziehungen im Nahen Osten? 1<br />

Uwe Gräbe<br />

1. Die »Spitze des Eisbergs«<br />

Ohne Zweifel besteht im Konzept der »impliziten Axiome« ein Kern<br />

des theologischen Vermächtnisses Dietrich Ritschls. Dabei mag man Michael<br />

Welker zustimmen, der 1990 einmal feststellte, dass es »Leserinnen<br />

und Leser(n), die von kontinentalen Traditionen geprägt worden sind«<br />

wohl einiges abverlangt, »sich ›Aussagen‹, ›regulative Sätze‹ oder ›regu -<br />

lative Gedanken‹ vorzustellen, die nicht notwendig sprachlich ausformuliert<br />

sind«. Diese Leserinnen und Leser müssen darüber hinaus nämlich<br />

»nachvollziehen können, dass noch nicht versprachlichte ›implizite<br />

Axiome‹ gleichwohl unser Denken, Sprechen und Erfahren ›regulieren‹<br />

können«. 2<br />

Das Ziel der vorliegenden Erwägungen ist, mich einem exemplarischen<br />

Feld dieser »regulativen Gedanken«, die sozusagen in den Untiefen<br />

unter der Oberfläche eines Ozeans wabern und somit kaum zu greifen<br />

sind, quasi von einer »Spitze des Eisbergs« her zu nähern. Dieses Unternehmen<br />

möchte ich zugleich in einen Erfahrungskontext des Nahen Ostens<br />

stellen, der mich beschäftigt, seit ich einst bei Dietrich Ritschl studieren<br />

durfte.<br />

Dietrich Ritschl schreibt in seiner »Logik der Theologie«:<br />

1<br />

Ausführlichere Berichte und Reflexionen zum Thema in: Uwe Gräbe, Jerusalem,<br />

Muristan – und andere Wege in Nahost. Grenzgänge und Begegnungen im politischen<br />

und religiösen Spannungsfeld, Berlin u. a. 2018.<br />

2<br />

Michael Welker, Implizite Axiome. Zu einem Grundkonzept von Dietrich Ritschls<br />

»Logik der Theologie«, in: Wolfgang Huber / Ernst Petzold / Theodor Sundermeier<br />

(<strong>Hrsg</strong>.), Implizite Axiome. Tiefenstrukturen des Denkens und Handelns, Festschrift<br />

für Dietrich Ritschl zum 60. Geburtstag, München 1990, 30–38; hier: 30.<br />

103


Ausformulierte Credos oder auf sie bezogene regulative, theologische Sätze<br />

sind nicht […] der Anfang oder die Basis persönlichen Glaubens, Vertrauens<br />

und Wollens. Vielmehr sind sie Kristallisation und Endprodukt kommunikativen<br />

Austausches innerhalb der Gruppe der Gläubigen und sind daher eher<br />

mit der Spitze eines Eisberges als mit dem Fundament eines Gebäudes zu vergleichen.<br />

Man ist nicht ein Jude, weil man Dtn 6 für richtig hält, oder ein<br />

Christ, weil man das Apostolische oder das Nicänische Glaubensbekenntnis<br />

oder die chalcedonensische christologische Formulierung akzeptiert hat.<br />

Freilich wird man [...] als Christ, wenn man über seinen Glauben Rechenschaft<br />

geben soll, ein Credo zitieren können. Aber das bedeutet nicht, dass<br />

im persönlichen Glauben, Vertrauen, Fühlen, Hoffen und Denken diese Texte<br />

am Anfang stehen. 3<br />

Also nicht am Anfang: zum Beispiel die »chalcedonensische christologische<br />

Formulierung« vom Christus »in zwei Naturen: unvermischt, ungewandelt,<br />

ungetrennt, ungeschieden«. Oder auch plakativ kurzgefasst: unvermischt<br />

und ungetrennt. Hier soll es nunmehr darum gehen, hinter dieser<br />

»geronnenen« Formulierung, unter der verfestigten Spitze des Eisbergs,<br />

einige der regulativen Sätze bzw. impliziten Axiome »aufzuspüren«, die<br />

möglicherweise in den Untiefen darunter mitschwingen und im Nahen<br />

Osten bis heute wirksam sind.<br />

Aus geographischer Perspektive betrachtet, haben wir es beim »Gerinnen«<br />

dieser Formulierungen mit ganz und gar »nahöstlich« geprägten<br />

Vorgängen zu tun: Chalzedon, wenn auch heute Teil der Zwei-Kontinente-<br />

Stadt Istanbul, liegt (wie die Konzilsstädte Nicäa und Ephesus) in Kleinasien.<br />

Zwar kam es hier im Jahr 451 zur Trennung der Reichskirche von<br />

jenen anderen Christen des Orients, den Miaphysiten, die vor allem in<br />

den mächtigen Kirchen Ägyptens und Syriens wirksam waren, und gegen<br />

die der »Westen« in Gestalt von Papst Leo massiv Position bezogen hatte.<br />

Dennoch wäre es eine unzulängliche Interpretation, wollte man sagen,<br />

dass sich hier im christologischen Streit der »Westen« gegen den »Osten«<br />

durchgesetzt habe. Vielmehr stammte der allergrößte Teil der Bischöfe in<br />

Chalzedon ja gerade aus dem östlichen Christentum – und man war unter<br />

den Christen des Ostens hier gar so gut aufgestellt, dass es in Form des<br />

28. Kanon quasi handstreichartig gelang, den 381 festgelegten Ehrenvorrang<br />

Roms vor Konstantinopel zu beseitigen.<br />

3<br />

Dietrich Ritschl, Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge<br />

theologischer Grundgedanken, München 2 1988, 77.<br />

104


Eine Debatte vor allem unter den ostkirchlichen Geschwistern also –<br />

mit subtilen Unterscheidungen, wie sie im Nahen Osten ebenso in ganz<br />

anderen Lebensbereichen stets mitschwingen. Denn auch gegen den bereits<br />

431 verurteilten Nestorianismus ist das ja gesagt: Man braucht nicht<br />

Dinge zu »teilen«, nur weil man sie nicht »vermischen« will. Und nun<br />

also gegen den Miaphysitismus: Man braucht nicht alles in einer einzigen<br />

Kategorie oder »Natur« zusammenzumischen, nur weil man nicht teilen<br />

will. Vielmehr geht es um die subtile Kunst des Unterscheidens, die im<br />

Nahen Osten bis heute geradezu zur Perfektion entwickelt werden konnte.<br />

Und da mag unter seiner Spitze in der Tat der Eisberg hervortreten: Unterscheiden,<br />

aber nicht Scheiden und auch nicht Vermischen, als nah -<br />

östliche Lebensrealität.<br />

2. »Unterscheiden, aber nicht scheiden« als nahöstliche<br />

Lebensrealität<br />

Es ist wohl Andreas Feldtkeller zu verdanken, erstmals in der Missionstheologie<br />

auf die Bedeutung der »segmentierten Gesellschaften« des Nahen<br />

Ostens hingewiesen zu haben. 4 Ähnlich wie etwa in einem arabischen<br />

Haus zwischen männlichen und weiblichen bzw. öffentlichen und privaten<br />

Bereichen unterschieden wird, und ähnlich wie sich diese Unterscheidung<br />

auch zwischen dem Haus und den öffentlichen Bereichen des Dorfes fortsetzt,<br />

so sieht er innerhalb des Raumes, welcher nach muslimischem Verständnis<br />

zum »Haus des Islam« zählt, die gleiche subtile Unterscheidung<br />

zwischen dem öffentlichen, im eigentlichen Sinne »muslimischen« Bereich<br />

einerseits und den darin befindlichen, besonders geschützten Räumen der<br />

Christen (und weiteren Buchreligionen) andererseits. Also: Auf der einen<br />

Seite das Männliche, Öffentliche, Muslimische – und auf der anderen Seite<br />

das Weibliche, Private, Christliche, wobei das Zweite unter dem Schutz<br />

des Ersten steht.<br />

In der Tat lässt sich das von Feldtkeller beobachtete Prinzip in zahl -<br />

reichen weiteren Lebensbereichen des Nahen Ostens wiederentdecken.<br />

Niemand würde bestreiten, dass traditionelle arabische Zentren wie Damaskus,<br />

Aleppo oder Jerusalem jeweils eine Stadt sind: Die Bevölkerungs-<br />

4<br />

Andreas Feldtkeller, Die ›Mutter der Kirchen‹ im ›Haus des Islam‹. Gegenseitige<br />

Wahrnehmung von arabischen Christen und Muslimen im West- und Ostjordanland<br />

(MWF.NF 6), Erlangen 1998, 237–273.<br />

105


gruppen – idealerweise Muslime, Juden und Christen – interagieren hier<br />

miteinander, treiben auf dem Markt Handel und Wandel, existieren also<br />

»ungetrennt«. Zugleich gibt es aber traditionell christliche, jüdische und<br />

muslimische Stadtviertel nebeneinander, man lebt folglich »unvermischt«:<br />

Man wohnt gemeinhin da, wo auch der Nachbar dieselbe Religion hat<br />

und damit dieselbe Lebensweise verfolgt wie ich, und man heiratet tunlichst<br />

nicht zwischen den Religionen. Auch auf dem Lande gibt es ein Nebeneinander<br />

von christlichen, muslimischen und jüdischen Dörfern. Wenn<br />

ich heute im Libanon oder in Palästina über Land fahre, dann weiß ich, ob<br />

das Dorf, welches ich durchquere, christlich oder muslimisch ist, noch<br />

bevor ich den Kirchturm oder das Minarett gesehen habe: Es fühlt sich<br />

einfach anders an. Wenn der moderne Staat Israel heute versucht, den<br />

nichtjüdischen Zuzug in jüdische Ortschaften gesetzlich zu erschweren<br />

oder gar zu verunmöglichen, dann ist das in diesem Sinne überhaupt<br />

nichts Neues. Und auch in den modernen arabischen Staaten spiegelt sich<br />

hier und da dieses Prinzip wider: In Dubai etwa, wo das Herrscherhaus<br />

auf dem Jabal Ali einen Compound ausschließlich für die Christen zur<br />

Verfügung gestellt hat. Hier stehen die klotzigen modernen Kathedralen<br />

der Anglikaner, Lateiner, Griechisch-Orthodoxen und Syrisch-Orthodoxen<br />

wie in einer Reihenhaussiedlung nebeneinander. Auf dem Gelände<br />

herrscht Religionsfreiheit – und wenn z. B. ein evangelischer das Bedürfnis<br />

verspüren sollte, einen orthodoxen Christen zum Konfessionswechsel zu<br />

ermutigen, so ist ihm dies freigestellt. Aber wehe, er würde es versuchen,<br />

außerhalb dieser schützenden Mauern, beispielsweise in der Öffentlichkeit<br />

von Dubai City, auch nur ein christliches Gebet zu sprechen oder eine Bibel<br />

weiterzureichen! In ähnlicher Weise hat auch das jordanische Königshaus<br />

an der Jordantaufstelle Grundstücke für alle offiziell anerkannten Kirchen<br />

des Haschemitischen Königreiches zur Verfügung gestellt, die dort<br />

ebenso eine Art Reihenhaussiedlung von modernen Kapellen, Kirchen<br />

und Klöstern errichtet haben. Nun gibt es selbstverständlich in einigen<br />

kosmopolitischen Großstädten des Nahen Osten auch gemischtreligiöse<br />

Wohnviertel. Aber da sollten wir uns nicht täuschen lassen: Als etwa in<br />

Beirut Downtown nach dem Bürgerkrieg direkt neben der maronitischen<br />

Georgskathedrale, finanziert vom damaligen Ministerpräsidenten Rafiq<br />

Hariri, eine Moschee errichtet wurde, da fanden wohl nur wir westlichen<br />

Dialogfreunde dieses Nebeneinander von Kirche und Moschee wunderschön<br />

und haben Fotos davon auf unsere Dialogbroschüren gedruckt. Die<br />

Christen vor Ort haben jedoch so lange damit gehadert, von den Minaretten<br />

der Moschee überragt zu werden, bis sie 2016 endlich einen neuen<br />

Kirchturm errichtet haben – einen Campanile, der nun wiederum die Mi-<br />

106


narette deutlich überragt. Damit war der christliche Charakter des Viertels<br />

wiederhergestellt.<br />

Ähnlich der sorgfältigen Unterscheidung zwischen dem, was ein muslimischer<br />

und was ein christlicher Raum ist, gibt es auch eine räumliche<br />

Differenzierung zwischen den Geschlechtern – und zwar nicht allein in<br />

der Architektur traditioneller arabischer Häuser: Die Schneller-Schulen<br />

im Nahen Osten etwa, die in ihren Internaten christliche und muslimische<br />

Kinder vom Rande der Gesellschaft aufnehmen, damit sie gegenseitigen<br />

Respekt und zudem die Fähigkeit erwerben, »ihr eigen Brot« zu verdienen,<br />

waren nach 1948 über Jahrzehnte hinweg reine Jungenschulen. Die Unterstützer<br />

dieser Arbeit in Deutschland waren stolz darauf, als hier ab<br />

2010 sukzessive die Koedukation von Jungen und Mädchen eingeführt<br />

wurde. Dies ging so lange gut, wie es sich nur um die Grundschuljahrgänge<br />

handelte. Aber die Kinder, die hier aufgenommen worden waren, wurden<br />

älter – und spätestens ab der Pubertät der Kinder ist das Personal vor Ort<br />

angestrengt damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass sich nach der letzten<br />

Schulstunde die Kinder aus dem Jungeninternat und dem Mädcheninternat,<br />

die ja beide auf dem Gelände leben, nicht mehr begegnen. Selbst an<br />

der Near East School of Theology (NEST) in Beirut, der wichtigsten evangelisch-theologischen<br />

Ausbildungsstätte des Nahen Ostens (mit Ausnahme<br />

Ägyptens), wird im Wohnheim säuberlich unterschieden zwischen den<br />

Männer- und Frauenstockwerken. Und oft sind es unsere deutschen Gaststudierenden<br />

dort, die unter Androhung drakonischer Strafen davon abgehalten<br />

werden müssen, gegengeschlechtliche Besuche auf dem falschen<br />

Stockwerk zu praktizieren. Man lebt zusammen im selben Gebäude, ungetrennt,<br />

ja, aber eben auch unvermischt! Ein junger Mann oder eine<br />

junge Frau im Nahen Osten haben gar keine Chance, im Miteinander mit<br />

dem anderen Geschlecht die Grenzen und Möglichkeiten selbst auszuloten.<br />

Man mag sich den Schock vorstellen, der einen jungen arabischen<br />

Mann überkommt, wenn er erstmals das scheinbar völlig grenzenlose Miteinander<br />

der Geschlechter in Europa erlebt, welches zur Grenzüberschreitung<br />

ja geradezu einzuladen scheint.<br />

Zur Perfektion wurde das Prinzip des feinen Unterscheidens übrigens<br />

durch das osmanische Millet-System geführt: Alle offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften<br />

– also »Millets« – erhielten nach innen eine riesige<br />

Autonomie: eine eigene Zivilgesetzgebung, beispielsweise ein je eigenes<br />

Erbrecht, eigene Gerichtshöfe usw. Das jeweilige Religionsoberhaupt ist<br />

damit niemals nur geistliche Autorität, sondern stets auch so etwas wie<br />

ein Ethnarch seiner Gemeinschaft. Bis heute fahren diese Oberhäupter in<br />

Israel, dem Libanon, Syrien und Jordanien mit Hoheitszeichen wie Stander<br />

107


Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

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Coverbild: Detail vor dem Ritschl-Haus in Reigoldswil © <strong>Martin</strong> <strong>Hailer</strong><br />

Satz: Steffi Glauche, Leipzig<br />

Druck und Binden: Hubert & Co., Göttingen<br />

ISBN 978-3-374-07407-5 // eISBN (PDF) 978-3-374-07408-2<br />

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