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Todd Clouser, USamerikanischer, in Mexico City lebender Gitarrist, Sänger und Songwriter von Weltformat, kommt für zwei Konzerte nach Klagenfurt. Bei den DonnerSzenen spielt er im Duett mit dem Bassisten Aaron Cruz Lieder seines aktuellen Solo- Albums »Time is a Healer«, am darauffolgenden Tag ist er mit seinem Jazz-Rock- Trio »A love Electric« zu erleben. Ein Gespräch über die Wurzeln, die man in fremden Städten schlägt, und Musik, die immer ein Teil von einem bleibt. Wilde ZEITEN, intime MOMENTE Fangen wir mit Deinem brandneuen Album »The Mexico City Experiment« an, das für mich nach alldem klingt, was man positiv mit »Fusion Jazz« verbindet. Würdest Du das unterschreiben? Ja, das könnte schon eine Referenz für diese Platte und die Serie an Veröffentlichungen auf dem Label Rope A Dope sein. Es ist irgendwo zwischen Groove, Jazz und den Sounds von Mexico City angesiedelt. Man könnte es schon Fusion Jazz nennen. Wie kam es dazu? Ich lebe jetzt seit zehn Jahren in Mexico City und habe hier viele verschiedene Projekte am Laufen. Meine Bands, aber auch Bands, in denen ich bloß mitspiele. Ich wollte eine neue Gruppe zusammenbringen: MusikerInnen, die ich kenne und mit denen ich schon gearbeitet habe. Einzigartige Musiker, einzigartige Stimmen. Es ging also auch darum, ein Bild der lebhaften Musikszene dieser Metropole zu zeichnen? Exakt. Es gibt so viele wirklich gute Musik hier, viele Leute schaffen gerade den internationalen Durchbruch. Einen kleinen Teil davon zu dokumentieren, was in dieser Stadt derzeit alles los ist – darum ging es mir. TEXT MARKUS DEISENBERGER Todd Clouser ist als Künstler schwer zu fassen. Erleben kann man ihn mit seinen Bands A love Electric und den Magnet Animals, als Solo-Künstler oder in unzähligen Kooperationen. Er ist auch als Buchautor tätig (»Musicians in Mexico City«) und hat in Minnesota das Non-Profit-Projekt Music Mission Philanthropy ins Leben gerufen, das Stipendien für junge MusikerInnen in den USA und Mexiko vergibt und Instrumente bereitstellt. Er lebt in Mexico City, wo er das Label Rope a Dope Sur betreibt, auf dem sich von der argentinischen Singer-Songwriterin Loli Molina bis hin zu Alt-Star Bill Laswell so einiges entdecken lässt. 10 interview_todd_clouser
Wie hat es dich nach Mexico City verschlagen? Du hast deinen Jazz-Abschluss am Berkley College gemacht und in Minnesota gelebt, bevor Du nach Mexico City gingst. Dazu kommt eine intensive New-York-Connection zu John Zorn und anderen. Das ist alles nur schwer zusammenzukriegen. (lacht) Ja, das klingt, wenn man es so hört, ziemlich zufällig, aus musikalischer Sicht aber macht es Sinn: Ich bin in Minneapolis aufgewachsen, ging dann an die Ostküste, um in Boston zu studieren, verbrachte danach einige Zeit in New York City, ging aber wieder zurück nach Minneapolis und dann nach Mexiko, um dort zu spielen. Einmal dort, habe ich mich aber in die Stadt verliebt und ein kleines Appartement angemietet, um ein paar Monate zu bleiben. Und es wurden Jahre daraus. Ich schlug Wurzeln, geriet in alle möglichen Projekte und traf all diese tollen Musiker. Wenn wir hierzulande etwas über Mexiko hören, dann ist es meistens über Drogenkrieg und Blutvergießen. Du hast einen Song geschrieben, in dem es heißt: »The Mexico I know is not the Mexico you know.« Wie sieht Dein Mexiko aus? Mit dem Bild über Mexiko hast du natürlich Recht. Genau das hatte ich auch abgespeichert, bevor ich das erste Mal hierherkam. Ich wurde aber, seitdem ich hier bin, ständig überrascht und inspiriert. Wir glauben immer, das sei ein Ding, eine Kultur. Aber es gibt hier einen schier unfassbaren Reichtum an Kulturen und musikalischen Stilen, an Essen, an Arten sich zu unterhalten etc. Ich war naiv, kam ohne jedes tiefere Wissen und ohne wirkliche Wertschätzung hierher und dann kam ich an all diese Plätze, traf all diese Leute... Ich bin sehr dankbar dafür, was mit mir geteilt wurde, und ich versuche ein bisschen was von meinen Erfahrungen weiterzugeben. Die positive Seite. Viele Mexikaner wollen aus wirtschaftlichen Gründen in die USA, das vermeintlich gelobte Land, um dort ihren American Dream zu leben. Gibt es Leute, die Deinem Beispiel folgen und den umgekehrten Weg gehen? Es kommen mehr und mehr Amerikaner und auch Europäer, speziell in der Kunstszene, ja. Und ich erzähle meine Geschichte gerne, aber es ist kompliziert, denn natürlich gibt es auch Gewalt und andere Probleme. Aber auf der anderen Seite gibt es diesen gewaltigen Reichtum, der oft vom dominierenden Narrativ zugedeckt wird. Bevor ich hierherkam, spielte ich zwar viele Gigs, konnte aber meinen Weg nicht finden. Erst in Mexiko wurde mir klar, dass ich alles, was ich mir erträumt hatte, auch realisieren konnte: Mit meiner Rockband zu touren, Solo-Alben zu machen und zu den Leuten in die Berge zu gehen, um mit ihnen traditionelle mexikanische Musik spielen. Andererseits hatte ich halt Glück, und meine Erfahrungen sind nicht mit denen von Leuten vergleichbar, die hier in bestimmten Regionen aufgewachsen sind. Du veröffentlichst auf Rope A Dope Sur auch spannende Musik mexikanischer Künstler. Ich habe meine erste Platte auf Rope A Dope vor zwölf, dreizehn Jahren releast, bevor ich nach Mexiko ging, und wir hatten immer eine tolle, respektvolle Beziehung. Als ich herkam, begann ich verschiedene Szenen zu erkunden – Jazz, Freejazz, traditionelle Musik – und sah plötzlich eine Möglichkeit, diesen Welten mit der Welt, aus der ich kam, zu verbinden. Dadurch eröffneten sich auf beiden Seiten neue Möglichkeiten. Wir haben ja nicht nur Musik releast, wie haben auch Touren organisiert, US-Bands nach Mexiko geschickt und umgekehrt mexikanische Acts in die USA. Deine Bandbreite ist enorm. Du hast mehrere Bands, unzählige Kooperationen, Buchprojekte, das Label etc. Bei vielen würde das wie eine verzweifelte Suche wirken, bei Dir wirkt es natürlich. Danke. Eine Zeit lang hab´ ich schon mit mir gekämpft, ob es nicht besser wäre, mich für einen Weg zu entscheiden, für den Singer Songwriter oder den Fusion- Typen. Aber ich kann es einfach nicht, also erlaube ich mir, all diese unterschiedlichen Sachen zu entdecken. Wichtig ist nur, in jedem dieser Projekte bewusst und aufrichtig zu sein. Ich wuchs damit auf, Bob-Dylan- und Blues-Songs zu spielen. Nur weil ich dann Jazz studierte und Musik von Monk spielte, kann ich doch nicht verleugnen, dass das andere noch immer ein Teil von mir ist. Es gibt eine Menge, was ich da am Leben halten und dem ich Raum geben muss, damit es sich weiterentwickeln kann. Oft suche ich nach dem einen Gedanken, der alles umfasst, nach dem einen Projekt, das alles abdeckt, aber solange ich all diese Dinge weiterbetreibe, von denen ich fühle, dass ich sie tun muss, wird sich das mit der Zeit schon ergeben... Dein letztes Solo-Album »Time is a Healer«, das mich an Lou Reed und Willy Deville erinnert, zeigt eine intimere Seite von Dir, oder? Ja, offener und ungeschützter geht es nicht mehr. Da hab´ ich alles rausgelassen. Die Songs habe ich währen der Pandemie geschrieben. Ich war damals in Mexico City allein in meinem Appartement, zog dann in eine kleine Küstenstadt, verliebte mich, und es fegte mich weg. Die Songs erwischten mich in so rauen wie verletzlichen Momenten. Wir nahmen sie ganz schnell, in nur ein paar Tagen auf. Es wird mir schwerfallen, zu etwas Vergleichbaren zurückzukehren, so direkt und so ehrlich ist das, was dabei rauskam. Lass uns zum Abschluss über die beiden kommenden Konzerte in Klagenfurt sprechen. Einmal spielst Du bei den Donnerszenen gemeinsam mit Aaron Cruz. Ja, dem Bassisten von Love Electric. Wir werden hauptsächlich Nummern von »Time is a Healer« spielen, aber auch ein paar andere. Ich hatte erst ein paar Release-Shows, und es fühlte sich gut an, das Album vorzustellen, diese wilde Zeit meines Lebens auf so intime Weise zu teilen. Und tags darauf mit Love Electric, Deiner Jazzrock-Combo. Ich würde es eher als Rockband sehen, die auch gern mal jazzy improvisiert. Die Klagenfurter können also an zwei Tagen zwei sehr unterschiedliche Versionen Deines Schaffens erkunden. John Zorn hat mich mit seiner Art, sehr unterschiedliche Musik in ganz spezifischen Konzepten zu präsentieren, inspiriert. Und ich würde gerne öfter eine gewisse Zeit an einem Ort verbringen. Das ist viel inspirierender als das übliche In and Out. So kann man Leute kennenlernen, Beziehungen knüpfen. Vielen Dank für das Gespräch. LIVE TODD CLOUSER & AARON CRUZ Do, 03. 08. <strong>2023</strong> (im Rahmen der Donnerszenen) Todd Clouser (Stimme, Gitarre) Aaron Cruz (Bass) Spielort: Palais Orsini-Rosenberg, Altes Rathaus, Alter Platz 1 Beginnzeiten: 17.15 | 19.15 | 21.15 Uhr Regenspielort: Heiligengeistkirche, Heiligengeistplatz 10 TODD CLOUSER’S A LOVE ELECTRIC Fr, 04. 08. <strong>2023</strong> Beginnzeit: 20.00 Uhr Ort: Villa For Forest, Viktringer Ring 21, Klagenfurt 11
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