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VdK-RhPfalz_JuliAug_2023

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8 Zeitung Juli/August <strong>2023</strong><br />

Gesundheit<br />

Mehr als nur Regelschmerzen<br />

Endometriose – Aufklärung, Beratung und gute Versorgungsstrukturen können betroffenen Mädchen und Frauen helfen<br />

Endometriose ist eine Schmerzerkrankung<br />

und gehört zu den<br />

häufigsten Unterleibserkrankungen<br />

bei Frauen. Dennoch vergehen<br />

oft Jahre bis zur Diagnose.<br />

Natascha L.* war 13 Jahre alt, als<br />

sie ihre Menstruation bekam. Auf<br />

die Schmerzen war sie nicht vorbereitet.<br />

Ihre Gynäkologin verschrieb<br />

die Pille. Aber die Beschwerden<br />

wurden mit den Jahren trotzdem<br />

schlimmer. Immer häufiger erbrach<br />

sie sich, litt unter Krämpfen, Blutungen<br />

und auch Depressionen.<br />

Deshalb setzte sie die Pille nach<br />

zehn Jahren ab und erlebte bei der<br />

Regelblutung Schmerzen wie nie<br />

zuvor. „So etwas wollte ich nie<br />

wieder erleben“, sagt die 30-Jährige<br />

heute. Sie wandte sich an ihre<br />

Hausarztpraxis und hatte Glück.<br />

Denn ein junger Assistenzarzt dort<br />

erkannte die Symptome und wusste:<br />

Das ist Endometriose.<br />

Langes Leiden<br />

Mädchen und Frauen wie Natascha<br />

L. warten im Schnitt zehn<br />

Jahre auf eine Diagnose. „Das ist<br />

nicht akzeptabel“, sagt Professor<br />

Sylvia Mechsner. Sie leitet das Endometriose-Zentrum<br />

an der Charité<br />

in Berlin. Jedes Jahr behandeln<br />

sie hier rund 1500 Frauen, pro<br />

Woche gehen 200 Terminanfragen<br />

ein. In Deutschland sollen insgesamt<br />

zwei bis vier Millionen Frauen<br />

betroffen sein. Genauere Zahlen<br />

gibt es nicht.<br />

Starke Schmerzen: Die Endometriose bestimmt den Alltag.<br />

Bei einer Endometriose siedelt<br />

sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut<br />

ähnelt, außerhalb der<br />

Gebärmutter an. Die Ursache ist<br />

noch nicht geklärt. Mechsner verfolgt<br />

den Forschungsansatz, dass<br />

bei den betroffenen Frauen die<br />

Gebärmutter während der Menstruation<br />

besonders intensiv kontrahiert.<br />

Dies führt zu kleinen Verletzungen.<br />

Heilen diese ab, können<br />

Zellen in die Muskelwand der Gebärmutter<br />

oder durch die Eileiter in<br />

den Bauchraum gelangen und sich<br />

zu sogenannten Endometrioseherden<br />

entwickeln. Hier können Verklebungen,<br />

Verwachsungen, Entzündungen<br />

und Zysten entstehen.<br />

Manche Betroffene spüren davon<br />

kaum etwas. Andere hingegen<br />

leiden vor allem während der Regelblutung<br />

oder nach dem Geschlechtsverkehr<br />

unter großen<br />

Schmerzen, die in den Unterbauch,<br />

den Rücken oder die Beine ausstrahlen.<br />

Oft haben sie auch mit<br />

Krämpfen, Übelkeit, Erbrechen<br />

und Durchfall zu kämpfen.<br />

Die Beschwerden wirken sich<br />

massiv auf die Leistungsfähigkeit<br />

und Lebensqualität der Mädchen<br />

und Frauen aus. Zudem fühlen sich<br />

viele von ihren Ärztinnen und Ärzten<br />

nicht verstanden, wenn diese<br />

von psychischen oder psychosomatischen<br />

Ursachen ausgehen.<br />

Foto: picture alliance/dpa-tmn/Christin Klose<br />

Für Mechsner ist es erschreckend,<br />

dass Schmerzen bei der Regelblutung<br />

noch immer als normal gelten.<br />

Rund 400 Mädchen aus ganz<br />

Deutschland habe sie behandelt,<br />

die so starke Schmerzen wie bei<br />

einer Geburt hatten. „Man muss<br />

diese Schmerzen nicht aushalten.<br />

Sie sind nicht normal“, betont sie.<br />

Bisher lässt sich Endometriose<br />

nicht vollständig heilen. Sie wird<br />

mit Hormonen behandelt, oder das<br />

Gewebe wird in einer Operation<br />

verödet oder entfernt. Natascha L.<br />

hat bereits zwei Operationen hinter<br />

sich, weil sich die Herde immer<br />

wieder neu bilden. Der letzte Eingriff<br />

erfolgte im Jahr 2021, weil sie,<br />

auch unabhängig von der Menstruation,<br />

an Schmerzen beim Wasserlassen<br />

und Abführen sowie an<br />

Magen-Darm-Problemen litt.<br />

Konservativ behandeln<br />

Mechsner weiß, dass eine Operation<br />

langfristig nicht hilft. Doch<br />

Medizinerinnen und Mediziner<br />

setzen viel zu oft auf diese Lösung,<br />

weil sich das in den derzeitigen Versorgungsstrukturen<br />

rechnet. An der<br />

Charité verzeichnen sie gute Ergebnisse,<br />

wenn sie konservativ vorgehen:<br />

Hier wird die hormonaktive<br />

Behandlung begleitet von Schmerz-,<br />

Psycho- und Physiotherapie sowie<br />

Ernährungsempfehlungen.<br />

Zudem ist Mechsner überzeugt,<br />

dass die Aufklärung über die Erkrankung<br />

schon früh in den Schulen<br />

beginnen muss. Aber auch<br />

niedergelassene Ärztinnen und<br />

Ärzte brauchen Fortbildungen und<br />

Qualifizierungskurse, um die Patientinnen<br />

endlich gut beraten und<br />

begleiten zu können.<br />

Bis diese davon profitieren, rät<br />

Natascha L., die sich in der Endometriose-Vereinigung<br />

Deutschland<br />

engagiert: „Hab Vertrauen in dich<br />

und deinen Körper, du kennst dich<br />

selbst am besten. Lass dich nicht<br />

abweisen oder unter Druck setzen.<br />

Und hol dir Unterstützung, zum<br />

Beispiel in einer Selbsthilfegruppe.“<br />

Kristin Enge<br />

*Name der Redaktion bekannt<br />

www.endometriosevereinigung.de<br />

Foto: picture alliance/Bildagentur-online/Tetra-Images<br />

Schlaf-Ratgeber jetzt<br />

auch barrierefrei<br />

Der Patientenratgeber „Ein- und<br />

Durchschlafstörungen“ der Deutschen<br />

Gesellschaft für Schlafforschung<br />

und Schlafmedizin (DGSM)<br />

ist jetzt auch barrierefrei erhältlich.<br />

Der Arbeitskreis Schlafapnoe<br />

Niedersächsischer Selbsthilfegruppen<br />

kritisiert, dass es in der Schlafmedizin<br />

noch zu wenig barrierefrei<br />

zugängliche Informationen gibt.<br />

Deshalb hat er ein barrierefreies<br />

Dokument des DGSM-Patientenratgebers<br />

erstellt. Er hat zudem<br />

Informationen zur Schlafapnoe in<br />

Leichter Sprache erarbeitet. Beide<br />

können als PDF von der Webseite<br />

heruntergeladen werden. Zudem<br />

soll es ab Oktober auch ein Nachschlagewerk<br />

zur Schlafapnoe als<br />

barrierefreie PDF und als Hörbuch<br />

geben.<br />

ken<br />

www.schlafapnoeselbsthilfegruppe.de<br />

Guter Schlaf ist wichtig.<br />

Medikamente mit dem E-Rezept<br />

Ab 1. Juli können Versicherte E-Rezepte über ihre Gesundheitskarte einlösen<br />

Apotheken nehmen das E-Rezept<br />

bereits über die E-Rezept-App auf<br />

dem Smartphone oder einen ausgedruckten<br />

Code auf dem Papier<br />

entgegen. Ab 1. Juli soll dies auch<br />

über die elektronische Gesundheitskarte<br />

möglich sein.<br />

Dann rufen Apotheken das Rezept<br />

über ein Lesegerät ab, in das<br />

die Versicherten ihre Gesundheitskarte<br />

einstecken – so wie bei<br />

der Kartenzahlung im Geschäft.<br />

Im Laufe des Monats Juli sollen<br />

dann voraussichtlich flächendeckend<br />

alle Apotheken darauf vorbereitet<br />

sein, so der Deutsche<br />

Apothekerverband auf seiner<br />

Webseite.<br />

Bereits seit 1. September 2022<br />

verarbeiten Apotheken E-Rezepte<br />

entweder über eine App auf dem<br />

Smartphone oder über einen Code<br />

auf dem Papier. Der Weg über die<br />

Gesundheitskarte soll die Digitalisierung<br />

im Gesundheitswesen<br />

endlich weiter voranbringen.<br />

Sicher codiert<br />

Das E-Rezept, das die Ärztin<br />

oder der Arzt ausstellt, enthält eine<br />

digitale Signatur, wird verschlüsselt<br />

und gilt als fälschungssicher.<br />

Das Rezept selbst wird nicht auf<br />

dem Smartphone oder der Gesundheitskarte<br />

gespeichert, sondern auf<br />

einem zentralen Server, dem sogenannten<br />

„E-Rezept-Fachdienst“.<br />

Apothekerinnen und Apotheker<br />

benötigen den Code des E-Rezepts<br />

Auch auf dem Papier: das E-Rezept.<br />

als eine Art Schlüssel, um das Rezept<br />

aus der Datenbank abrufen zu<br />

können.<br />

Mit dem E-Rezept sollen Abläufe<br />

einfacher werden. Wer zum<br />

Beispiel Medikamente gern online<br />

bestellt, muss das Originalrezept<br />

nicht mehr per Post versenden. Bei<br />

der Apotheke vor Ort können benötigte<br />

Arzneimittel digital angefordert<br />

werden, um sie sich liefern<br />

zu lassen. Braucht es ein Folgerezept,<br />

kann die Ärztin oder der<br />

Arzt dieses digital versenden.<br />

„Menschen, die nicht so mobil<br />

sind, können sich mit dem E-Rezept<br />

Wege sparen“, sagt <strong>VdK</strong>-Präsidentin<br />

Verena Bentele. Zudem<br />

sei es gut, dass es über den Weg der<br />

elektronischen Gesundheitskarte<br />

eine Alternative zur App gibt. „Davon<br />

profitieren all jene, die nicht<br />

Foto: picture alliance/dpa/David Inderlied<br />

in der digitalen Welt zu Hause sind<br />

oder sich kein modernes Handy<br />

leisten können“, so Bentele. „Aber<br />

natürlich muss auch das Verfahren<br />

in allen Apotheken und Arztpraxen<br />

funktionieren.“<br />

Auf Papier<br />

Wer weder die Gesundheitskarte<br />

noch die App nutzen kann oder<br />

möchte, kann sich das E-Rezept<br />

auch in der Arztpraxis ausdrucken<br />

lassen. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen<br />

der Gesundheitskarte<br />

(Gematik) weist auf ihrer<br />

Webseite darauf hin, dass das<br />

rosa Rezept als „Ersatzverfahren<br />

für apothekenpflichtige Arzneimittel<br />

und für sonstige Verordnungszwecke<br />

weiterhin verwendet wird“.<br />

Kristin Enge<br />

Blutdruckdaten mit<br />

App selbst erfassen<br />

Bluthochdruck lässt sich gut erkennen<br />

und kontrollieren, wenn die<br />

Werte regelmäßig ermittelt werden.<br />

Dabei können digitale Helfer<br />

unterstützen. Die Deutsche Hochdruckliga<br />

hat die Blutdruckdaten-<br />

App mit dem Prüfsiegel „Digitaler<br />

Gesundheitshelfer“ zertifiziert.<br />

Wer unter Bluthochdruck leidet,<br />

braucht optimal eingestellte Medikamente.<br />

So lässt sich auch das<br />

Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

senken. Ärztinnen und<br />

Ärzte benötigen für die Therapie<br />

in der Regel Blutdruckwerte, die<br />

über einen längeren Zeitraum gemessen<br />

werden und Verläufe sowie<br />

Schwankungen anzeigen.<br />

Als Alternative zum Blutdruckpass<br />

in Papierform, in den Messwerte,<br />

Medikamente, Körpergewicht<br />

oder Puls eingetragen werden, eignet<br />

sich die digitale Blutdruckdaten-<br />

App, wie die Deutsche Hochdruckliga<br />

berichtet. Hier können Patientinnen<br />

und Patienten ihre Blutdruckwerte<br />

erfassen. Zudem erinnert<br />

die App an Messtermine. Die<br />

Daten sind auf dem Smartphone<br />

und dem PC verfügbar. Sie könnten<br />

sogar per Schnittstelle zur Arztpraxis<br />

übertragen werden.<br />

Bei der Zertifizierung von Apps<br />

prüft die Deutsche Hochdruckliga,<br />

ob diese dem medizinischen Stand<br />

der Wissenschaft entsprechen.<br />

Zudem müssen sie sich leicht nutzen<br />

lassen, und der Datenschutz<br />

muss gewährleistet sein. ken<br />

www.hochdruckliga.de/<br />

betroffene/blutdruckapps

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