VdK-RhPfalz_JuliAug_2023

27.06.2023 Aufrufe

4 Zeitung Juli/August 2023 Politik Hilflos nach der Operation Viele VdK-Mitglieder machen negative Erfahrungen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus VdK-Mitglieder berichten, dass das Entlassmanagement in Krankenhäusern häufig nicht umfassend ist oder nicht funktioniert. Das berichten Leserinnen und Leser nach einem Aufruf in der VdK-ZEITUNG. Weit über 100 Mitglieder sind dem Aufruf des Sozialverbands VdK in der Februar-Ausgabe der Mitgliederzeitung gefolgt und haben über ihre Erfahrungen mit dem Sozialdienst nach einem überstandenen Krankenhausaufenthalt berichtet. Mangelhafte Betreuung Knapp drei Viertel der Befragten schildern negative Erfahrungen. Dabei ist ein umfassendes Entlassmanagement seit 2015 gesetzlich verankert. Für diesen Anspruch hatte sich der VdK damals mit viel Nachdruck eingesetzt. Aus den detaillierten Zuschriften der VdK-Mitglieder wird deutlich, dass es sehr große Qualitätsunterschiede beim Entlassmanagement in den Krankenhäusern geben kann. Berichte von Mitgliedern, die gar nicht vom Sozialdienst betreut wurden, sind nicht selten. Eine lückenhafte oder mangelhafte Betreuung durch den Sozialdienst ist auch weit verbreitet. So kann es passieren, dass nach einer überstandenen Operation hilflose Patientinnen oder Patienten nach Hause entlassen werden, ohne Ein funktionierender Sozialdienst begünstigt eine rasche Genesung. dass die Versorgung durch Pflege, Haushaltshilfe oder ausreichende Medikamente sichergestellt ist und organisiert wird. Negative Erfahrungen Ein Mitglied schildert, wie ihr eine Sozialarbeiterin nach der Behandlung nach einem Autounfall eine Adressenliste zuwarf: Aus Zeitgründen könne der Sozialdienst bei der Suche nach einem Platz in der Kurzzeitpflege nicht helfen. Sie als Patientin solle sich selbst darum kümmern, wo sie nach dem Krankenhaus unterkomme. Das Mitglied organisierte sich dann vom Krankenbett aus selbst einen Pflegedienst. Fassungslos berichtet ein Mitglied, was ihm in einer Klinik in Frankfurt am Main passiert ist. Am Vormittag wurde er als Notfall mit Herzinsuffizienz eingeliefert, noch am selben Tag wurde ihm ein Dokument zur Unterschrift vorgelegt. Nur mit Mühe konnte der Patient wahrnehmen, was er fast unterschrieben hätte: Mit seiner Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow Unterschrift hätte er auf die Ansprüche auf ein Entlassmanagement verzichtet. Eine besonders negative Erfahrung hat ein VdK-Mitglied aus Baden-Württemberg gemacht. Die Entlassung ihres Ehemanns aus dem Krankenhaus erfolgte nicht aus medizinischen Gründen, sondern sie wurde mit finanziellen Motiven der Klinik begründet. Der Sozialdienst teilte der Ehefrau im Vorbeigehen mit: „Sie müssen ihren Mann nach Hause nehmen, die Fallpauschale läuft aus.“ Aus den zugesandten Berichten der Mitglieder hat der VdK Forderungen für ein Entlassmanagement für die kommende Krankenhausreform abgeleitet und diese an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach übergeben. Der Sozialdienst in allen Krankenhäusern muss über Vorhaltepauschalen und nicht über ein durch Fallpauschalen gedeckeltes System finanziert werden. Qualifiziertes Personal Unabhängig davon, wie die Krankenhausreform die Systematik der Kliniken neu ordnen wird und in welche Versorgungslevel oder Leistungsgruppen die Häuser eingeordnet werden: In allen Krankenhäusern muss es auch zukünftig einen gut funktionierenden Sozialdienst geben. Patientinnen und Patienten müssen – auch nach ambulanten Behandlungen – im Krankenhaus durch qualifiziertes Personal im Entlassmanagement unterstützt werden. Für VdK-Präsidentin Verena Bentele sind die Forderungen an die Gesundheitspolitik daher klar: „Der Anspruch auf ein Entlassmanagement steht unmissverständlich im Gesetz. Nun muss es auch funktionieren. Trotz struktureller Veränderungen durch die Krankenhausreform dürfen Patientinnen und Patienten nicht ohne Unterstützung entlassen werden.“ Julia Frediani VdK-Podcast „In guter Gesellschaft“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist der Gesprächspartner von VdK-Präsidentin Verena Bentele in der aktuellen Folge des Podcasts „In guter Gesellschaft“. Die beschlossene Pflegereform steht im Mittelpunkt des Gesprächs. Im Podcast erklärt er Einzelheiten des neuen Gesetzes und dass er eine Bürgerversicherung bei Krankheit und in der Pflege favorisiert. Lauterbach betont im Gespräch, dass er viele Forderungen vom Sozialverband VdK für sinnvoll hält. Er schildert allerdings, dass die Ausgaben für die Pflege in Zeiten einer Schuldenbremse nicht einfach erhöht werden können. Lauterbach ist seit 2021 Bundesgesundheitsminister, viele Menschen haben ihn während der Corona-Pandemie als einen der führenden Experten in Deutschland kennengelernt. Er ist Arzt und Gesundheitsökonom. Seine Professur für Gesundheitsökonomie ruht, seit er seit 2005 im Bundestag sitzt. Die Podcast-Folge mit Karl Lauterbach ist ab sofort online unter www.vdk.de/podcast abrufbar. juf Digital abgehängt Arme Menschen haben oft weder Zugang zu Computern noch entsprechende Kenntnisse Die gesellschaftliche Ausgrenzung von armen Menschen findet in vielen Lebensbereichen statt. Auch ihr Risiko, digital abgehängt zu werden, ist hoch. Der VdK fordert, die Regelsätze für Bürgergeld anzuheben und Menschen ohne Internetzugang nicht zu benachteiligen. Wer wenig Geld zur Verfügung hat, besitzt oftmals nicht die nötigen technischen Geräte für digitale Teilhabe. Zudem haben Menschen in schlecht bezahlten Jobs viel seltener die Gelegenheit, im Beruf Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer zu erwerben und zu vertiefen. Laut einer Studie des Paritätischen sorgen sich ein Drittel aller Menschen in Deutschland, mit der rasanten technischen Entwicklung nicht Schritt halten zu können. Für arme Menschen ist das Risiko, abgehängt zu werden, ungleich größer: In dieser Gruppe verfügt jede beziehungsweise jeder Fünfte nicht einmal über einen eigenen Internetanschluss – die meisten geben dafür finanzielle Gründe an. Zwei Drittel nutzen beruflich weder Laptop noch Computer, und mehr als die Hälfte haben im Job nie mit digitalen Anwendungen oder Programmen zu tun. Von Ausgrenzung betroffen sind häufig auch ältere Menschen und insbesondere Frauen. Viele von ihnen haben den Umgang mit Computern nie gelernt. Im Bürgergeld sind für digitale Geräte und deren Nutzung kein Für arme und alte Menschen ist das Risiko besonders hoch, mit der technischen Entwicklung nicht mehr Schritt halten zu können. Geld vorgesehen. Mit 502 Euro für eine alleinstehende Person ist der Regelsatz ohnehin viel zu niedrig, sodass nicht einmal eine gesunde und ausgewogene Ernährung möglich ist. Für die Anschaffung von Großgeräten wie Waschmaschine oder Kühlschrank stehen monatlich ein bis zwei Euro, für Post und Telekommunikation 44,08 Euro zur Verfügung. Viele Nachteile Für die meisten Menschen ist die Nutzung von Computern ein wichtiger Bestandteil ihres Alltags. Wer davon ausgeschlossen ist, muss viele Nachteile in Kauf nehmen. Die Corona-Pandemie hat die fortschreitende Digitalisierung zusätzlich beschleunigt. Mittlerweile haben die meisten Banken auf Online-Banking umgestellt. Wer mangels Internetzugang in Papierform überweisen will, muss einen Aufpreis bezahlen. Auch viele Behörden und immer mehr Arztpraxen vergeben Termine nur noch digital. Für das 49-Euro-Ticket der Deutschen Bahn ist ein Smartphone notwendig, und viele Händler gewähren Rabatte nur noch, wenn man die jeweilige App auf dem Handy nutzt. Auch lebensnotwendige Bedürfnisse wie Arbeit und Wohnen sind davon betroffen. Wer eine Wohnung braucht, hat bei der Suche über Online-Immobilienportale die größten Chancen. Gut bezahlte Jobs werden, statt wie früher in Foto: Imago/photothek der Zeitung, meist über Jobbörsen veröffentlicht, und die Bewerbung läuft ebenfalls digital. Menschen ohne digitale Geräte, Internetzugang und entsprechendes Wissen haben es auf dem Wohnungsund Stellenmarkt ohnehin schwer und werden nun auch noch zusätzlich benachteiligt. Das fordert der VdK Der VdK fordert, den Anspruch auf aktuelle und geeignete Geräte, um digital an der Gesellschaft teilhaben zu können, im Bürgergeld für alle Leistungsberechtigten anzuerkennen. Sonst droht nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Ausgrenzung. „Das betrifft den Erwerbslosen, der ohne Internetzugang weder Bewerbungen versenden noch an Umschulungsmaßnahmen teilnehmen kann, genauso wie die Rentnerin im Seniorenheim“, bekräftigt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Darüber hinaus setzt sich der VdK dafür ein, dass Menschen ohne Internetzugang nicht vergessen werden. „Viele unserer Mitglieder haben schwere Erkrankungen oder Behinderungen. Sie können sich zum Beispiel kein Antragsformular herunterladen. Auch für sie muss es Möglichkeiten geben, Behördengänge zu erledigen und an Arzttermine zu kommen“, so Bentele weiter. Weiterhin müssten digitale Zugänge in jeder Hinsicht barrierefrei gestaltet werden. Annette Liebmann

So hilft der VdK Zeitung Juli/August 2023 5 Große Freude nach einer schweren Zeit Krankenkasse übernimmt rückwirkend die Kosten für einen erfolgreichen Klinikaufenthalt Es gab eine Zeit, da hatten die Ärzte Hildegard Weber* aus dem bayerischen Lichtenfels schon abgeschrieben. Doch die 75-Jährige kämpfte sich ins Leben zurück. In einer Klinik erholte sie sich von ihrer schweren Erkrankung. Die Kosten dafür wollte die Krankenkasse zuerst nicht übernehmen. Mithilfe des VdK erhielt Weber nun eine Nachzahlung von 2500 Euro. An vieles in dieser schweren Zeit kann sich Hildegard Weber nicht mehr richtig erinnern. Wegen einer Krebserkrankung musste sie im November 2021 aufwändig operiert werden und konnte danach kaum noch sprechen und schlucken. Bei der anschließenden Chemo therapie im Dezember 2021 und Januar 2022 ging es ihr noch einigermaßen gut, und sie stellte bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf eine Rehamaßnahme. Nach schweren Erkrankungen brauchen ältere Menschen oft lange, bis sie sich wieder erholt haben. Foto: picture alliance/Shotshop//Monkey Business 2 haft ein Pflegefall bleibt“, erinnert sich Thomas Weber. „Aber als wir sie nach drei Wochen abgeholt haben, ist sie am Rollator rausgelaufen und hat vor Freude gestrahlt.“ In der Klinik hat sie auch begonnen, wieder feste Nahrung zu sich zu nehmen. „Ein paar Tage nach meiner Entlassung habe ich den Rollator in die Ecke gestellt und seither nicht mehr benutzt“, erzählt Hildegard Weber. Mittlerweile fährt sie wieder Auto und versorgt ohne Hilfe den Haushalt. Mehrmals abgelehnt Thomas Weber hatte die Krankenkasse mehrmals schriftlich aufgefordert, die Kosten zu übernehmen. Diese hatte jedoch immer abgelehnt. Erst als sich der VdK einschaltete, wurde der Antrag rückwirkend bewilligt. VdK-Kreisgeschäftsführerin Christine Rieder hat den Fall bearbeitet. „Dass eine Kasse im Nachhinein die Kosten erstattet, ist eher ungewöhnlich“, räumt sie ein. „Ich habe bei dem Mitarbeiter an die Menschlichkeit appelliert. Schließlich handelt es sich hier um eine wirklich sinnvolle Behandlung, die der Kasse viele Folgekosten erspart.“ Hildegard Weber gibt zu: „Ich habe nicht mehr mit einer Kostenerstattung gerechnet. Umso größer war meine Freude.“ Und ihr Stiefsohn Thomas sagt: „Der lange Kampf hat sich gelohnt. Hut ab, VdK!“ Annette Liebmann *Namen der Redaktion bekannt Rapide Verschlechterung Doch während sie auf einen Reha platz wartete, verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Schließlich beschloss ihre Familie auf Anraten des Hausarztes, sie in Kurzzeitpflege zu geben. Zwischenzeitlich hatte die Kasse jedoch die Rehamaßnahme genehmigt. Von der dreiwöchigen Kurzzeitpflege kam Hildegard Weber also direkt in die Rehaklinik, wo die Ärzte nach zwei Tagen feststellten, dass sie gar nicht rehafähig ist. Deshalb wurde sie zunächst in der nebenan gelegenen Klinik untergebracht. „Von dort wollte man meine Mutter wieder nach Hause schicken. Aber mein 84-jähriger Vater hätte sie ja auch nicht versorgen können“, sagt Stiefsohn Thomas Weber*. „Ihr Gesundheitszustand war viel zu schlecht, sie konnte nicht mehr laufen und musste mit einer Sonde ernährt werden.“ Er fragte bei der Krankenkasse an, ob sie die Kosten für den Klinikaufenthalt übernehmen würde. Doch diese lehnte ab. „Dann haben wir entschieden, dass sie trotzdem dort bleibt, damit sie wieder gesund wird – auch wenn wir die Kosten dafür selber tragen müssen“, so Thomas Weber. „Und das war das Beste, was wir machen konnten.“ Denn in der Klinik geschah ein kleines Wunder: Hildegard Weber erholte sich zunehmend von der schweren OP und der Chemotherapie. „Als sie eingeliefert wurde, hatten die Ärzte schon geglaubt, dass sie bald sterben wird oder dauer- VdK klagt gegen Pflegebeitrag Bundesrechtsabteilung sucht nach Musterklägerinnen und -klägern Der Sozialverband VdK klagt gegen die kürzlich beschlossene Pflegereform. Anlass ist die zeitliche Begrenzung der gestaffelten Beitragssätze für Eltern mit mehreren Kindern. Um diese Ungleichbehandlung von Eltern mit mehreren Kindern und mit nur einem Kind zu beenden, wird die Bundesrechtsabteilung Musterstreitverfahren führen. Der VdK sucht hierfür geeignete Mitglieder, die bereit sind, als Musterklägerinnen und -kläger den juristischen Weg durch die Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit zu gehen. Idealerweise sind diese Personen weiblich, in Rente und haben mindestens drei Kinder. Wenn das auf Sie zutrifft und Sie gewillt sind, einen Rechtsstreit zu führen, dann schreiben Sie der Bundesrechtsabteilung eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an pflegeklage@vdk.de. Da die Kapazitäten hierfür jedoch begrenzt sind, bitten wir schon jetzt um Ihr Verständnis, dass nicht alle Interessierten berücksichtigt werden können. Ungleichbehandlung Der Beitragszuschlag zur Pflegeversicherung steigt ab dem 1. Juli für kinderlose Rentnerinnen und Rentner auf 4,0 Prozent. Im Gegensatz zu versicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und -nehmern, müssen sie diesen Beitrag in voller Höhe alleine tragen. Der VdK sucht Mitglieder, die von den ungerecht gestaffelten Beitragssätzen für Eltern betroffen sind. Foto: picture alliance/ZB/Sascha Steinach Hat jemand ein Kind, sinkt der Beitragssatz auf 3,4 Prozent ein Leben lang. Dieser Satz von 3,4 Prozent gilt beispielsweise sowohl für eine 40-jährige Mutter mit einem Grundschulkind als auch für eine 70-jährige Frau mit vier Kindern, die alle älter als 25 Jahre sind. Ab dem zweiten bis fünften Kind reduziert sich der Beitragssatz um 0,25 Prozent je Kind – allerdings begrenzt bis zum Ablauf des Monats, in dem diese Kinder das 25. Lebensjahr vollenden. Ab dem sechsten Kind gibt es keine weiteren Entlastungen. Nicht vereinbar Nach Ansicht des VdK ist diese nur zeitlich begrenzte Entlastung von Eltern mit mehreren Kindern mit Artikel 3 des Grundgesetzes unvereinbar – denn dieser garantiert die gleiche Behandlung vor dem Gesetz. Zu den geplanten Musterstreitverfahren wegen dieser Ungleichbehandlung erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Fast die Hälfte der pflegebedürftigen Rentnerinnen und Rentner werden von ihren Kindern gepflegt, das belegt unsere VdK-Pflegestudie. Die gepflegten Eltern profitieren lebenslang von der Anzahl ihrer Kinder und haben eine sehr große Chance, zu Hause gepflegt zu werden. Gerade sie sollten nicht höhere Beiträge zahlen müssen.“ Julia Frediani

4 Zeitung Juli/August <strong>2023</strong><br />

Politik<br />

Hilflos nach der Operation<br />

Viele <strong>VdK</strong>-Mitglieder machen negative Erfahrungen bei der Entlassung aus dem Krankenhaus<br />

<strong>VdK</strong>-Mitglieder berichten, dass<br />

das Entlassmanagement in Krankenhäusern<br />

häufig nicht umfassend<br />

ist oder nicht funktioniert.<br />

Das berichten Leserinnen und Leser<br />

nach einem Aufruf in der<br />

<strong>VdK</strong>-ZEITUNG.<br />

Weit über 100 Mitglieder sind<br />

dem Aufruf des Sozialverbands<br />

<strong>VdK</strong> in der Februar-Ausgabe der<br />

Mitgliederzeitung gefolgt und haben<br />

über ihre Erfahrungen mit<br />

dem Sozialdienst nach einem überstandenen<br />

Krankenhausaufenthalt<br />

berichtet.<br />

Mangelhafte Betreuung<br />

Knapp drei Viertel der Befragten<br />

schildern negative Erfahrungen.<br />

Dabei ist ein umfassendes Entlassmanagement<br />

seit 2015 gesetzlich<br />

verankert. Für diesen Anspruch<br />

hatte sich der <strong>VdK</strong> damals mit viel<br />

Nachdruck eingesetzt. Aus den<br />

detaillierten Zuschriften der<br />

<strong>VdK</strong>-Mitglieder wird deutlich, dass<br />

es sehr große Qualitätsunterschiede<br />

beim Entlassmanagement in<br />

den Krankenhäusern geben kann.<br />

Berichte von Mitgliedern, die gar<br />

nicht vom Sozialdienst betreut<br />

wurden, sind nicht selten. Eine<br />

lückenhafte oder mangelhafte Betreuung<br />

durch den Sozialdienst<br />

ist auch weit verbreitet. So kann es<br />

passieren, dass nach einer überstandenen<br />

Operation hilflose Patientinnen<br />

oder Patienten nach<br />

Hause entlassen werden, ohne<br />

Ein funktionierender Sozialdienst begünstigt eine rasche Genesung. <br />

dass die Versorgung durch Pflege,<br />

Haushaltshilfe oder ausreichende<br />

Medikamente sichergestellt ist und<br />

organisiert wird.<br />

Negative Erfahrungen<br />

Ein Mitglied schildert, wie ihr<br />

eine Sozialarbeiterin nach der Behandlung<br />

nach einem Autounfall<br />

eine Adressenliste zuwarf: Aus<br />

Zeitgründen könne der Sozialdienst<br />

bei der Suche nach einem<br />

Platz in der Kurzzeitpflege nicht<br />

helfen. Sie als Patientin solle sich<br />

selbst darum kümmern, wo sie<br />

nach dem Krankenhaus unterkomme.<br />

Das Mitglied organisierte sich<br />

dann vom Krankenbett aus selbst<br />

einen Pflegedienst.<br />

Fassungslos berichtet ein Mitglied,<br />

was ihm in einer Klinik in<br />

Frankfurt am Main passiert ist.<br />

Am Vormittag wurde er als Notfall<br />

mit Herzinsuffizienz eingeliefert,<br />

noch am selben Tag wurde ihm ein<br />

Dokument zur Unterschrift vorgelegt.<br />

Nur mit Mühe konnte der<br />

Patient wahrnehmen, was er fast<br />

unterschrieben hätte: Mit seiner<br />

Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow<br />

Unterschrift hätte er auf die Ansprüche<br />

auf ein Entlassmanagement<br />

verzichtet.<br />

Eine besonders negative Erfahrung<br />

hat ein <strong>VdK</strong>-Mitglied aus<br />

Baden-Württemberg gemacht. Die<br />

Entlassung ihres Ehemanns aus<br />

dem Krankenhaus erfolgte nicht<br />

aus medizinischen Gründen, sondern<br />

sie wurde mit finanziellen<br />

Motiven der Klinik begründet. Der<br />

Sozialdienst teilte der Ehefrau im<br />

Vorbeigehen mit: „Sie müssen ihren<br />

Mann nach Hause nehmen, die<br />

Fallpauschale läuft aus.“<br />

Aus den zugesandten Berichten<br />

der Mitglieder hat der <strong>VdK</strong> Forderungen<br />

für ein Entlassmanagement<br />

für die kommende Krankenhausreform<br />

abgeleitet und diese an<br />

Bundesgesundheitsminister Karl<br />

Lauterbach übergeben. Der Sozialdienst<br />

in allen Krankenhäusern<br />

muss über Vorhaltepauschalen<br />

und nicht über ein durch Fallpauschalen<br />

gedeckeltes System finanziert<br />

werden.<br />

Qualifiziertes Personal<br />

Unabhängig davon, wie die<br />

Krankenhausreform die Systematik<br />

der Kliniken neu ordnen wird<br />

und in welche Versorgungslevel<br />

oder Leistungsgruppen die Häuser<br />

eingeordnet werden: In allen<br />

Krankenhäusern muss es auch<br />

zukünftig einen gut funktionierenden<br />

Sozialdienst geben. Patientinnen<br />

und Patienten müssen – auch<br />

nach ambulanten Behandlungen<br />

– im Krankenhaus durch qualifiziertes<br />

Personal im Entlassmanagement<br />

unterstützt werden.<br />

Für <strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena<br />

Bentele sind die Forderungen an<br />

die Gesundheitspolitik daher klar:<br />

„Der Anspruch auf ein Entlassmanagement<br />

steht unmissverständlich<br />

im Gesetz. Nun muss es auch<br />

funktionieren. Trotz struktureller<br />

Veränderungen durch die Krankenhausreform<br />

dürfen Patientinnen<br />

und Patienten nicht ohne<br />

Unterstützung entlassen werden.“<br />

<br />

Julia Frediani<br />

<strong>VdK</strong>-Podcast<br />

„In guter Gesellschaft“<br />

Bundesgesundheitsminister Karl<br />

Lauterbach ist der Gesprächspartner<br />

von <strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena<br />

Bentele in der aktuellen Folge<br />

des Podcasts „In guter Gesellschaft“.<br />

Die beschlossene Pflegereform<br />

steht im Mittelpunkt des Gesprächs.<br />

Im Podcast erklärt er<br />

Einzelheiten des neuen Gesetzes<br />

und dass er eine Bürgerversicherung<br />

bei Krankheit und in der<br />

Pflege favorisiert. Lauterbach betont<br />

im Gespräch, dass er viele<br />

Forderungen vom Sozialverband<br />

<strong>VdK</strong> für sinnvoll hält. Er schildert<br />

allerdings, dass die Ausgaben für<br />

die Pflege in Zeiten einer Schuldenbremse<br />

nicht einfach erhöht<br />

werden können.<br />

Lauterbach ist seit 2021 Bundesgesundheitsminister,<br />

viele Menschen<br />

haben ihn während der<br />

Corona-Pandemie als einen der<br />

führenden Experten in Deutschland<br />

kennengelernt. Er ist Arzt<br />

und Gesundheitsökonom. Seine<br />

Professur für Gesundheitsökonomie<br />

ruht, seit er seit 2005 im Bundestag<br />

sitzt. Die Podcast-Folge mit<br />

Karl Lauterbach ist ab sofort online<br />

unter www.vdk.de/podcast<br />

abrufbar. <br />

juf<br />

Digital abgehängt<br />

Arme Menschen haben oft weder Zugang zu Computern noch entsprechende Kenntnisse<br />

Die gesellschaftliche Ausgrenzung<br />

von armen Menschen findet in vielen<br />

Lebensbereichen statt. Auch ihr<br />

Risiko, digital abgehängt zu werden,<br />

ist hoch. Der <strong>VdK</strong> fordert, die<br />

Regelsätze für Bürgergeld anzuheben<br />

und Menschen ohne Internetzugang<br />

nicht zu benachteiligen.<br />

Wer wenig Geld zur Verfügung<br />

hat, besitzt oftmals nicht die nötigen<br />

technischen Geräte für digitale<br />

Teilhabe. Zudem haben Menschen<br />

in schlecht bezahlten Jobs<br />

viel seltener die Gelegenheit, im<br />

Beruf Fähigkeiten im Umgang mit<br />

dem Computer zu erwerben und zu<br />

vertiefen.<br />

Laut einer Studie des Paritätischen<br />

sorgen sich ein Drittel aller<br />

Menschen in Deutschland, mit der<br />

rasanten technischen Entwicklung<br />

nicht Schritt halten zu können. Für<br />

arme Menschen ist das Risiko, abgehängt<br />

zu werden, ungleich größer:<br />

In dieser Gruppe verfügt jede<br />

beziehungsweise jeder Fünfte nicht<br />

einmal über einen eigenen Internetanschluss<br />

– die meisten geben dafür<br />

finanzielle Gründe an. Zwei Drittel<br />

nutzen beruflich weder Laptop<br />

noch Computer, und mehr als die<br />

Hälfte haben im Job nie mit digitalen<br />

Anwendungen oder Programmen<br />

zu tun. Von Ausgrenzung betroffen<br />

sind häufig auch ältere<br />

Menschen und insbesondere Frauen.<br />

Viele von ihnen haben den<br />

Umgang mit Computern nie gelernt.<br />

Im Bürgergeld sind für digitale<br />

Geräte und deren Nutzung kein<br />

Für arme und alte Menschen ist das Risiko besonders hoch, mit der<br />

technischen Entwicklung nicht mehr Schritt halten zu können.<br />

Geld vorgesehen. Mit 502 Euro für<br />

eine alleinstehende Person ist der<br />

Regelsatz ohnehin viel zu niedrig,<br />

sodass nicht einmal eine gesunde<br />

und ausgewogene Ernährung möglich<br />

ist. Für die Anschaffung von<br />

Großgeräten wie Waschmaschine<br />

oder Kühlschrank stehen monatlich<br />

ein bis zwei Euro, für Post und<br />

Telekommunikation 44,08 Euro<br />

zur Verfügung.<br />

Viele Nachteile<br />

Für die meisten Menschen ist die<br />

Nutzung von Computern ein wichtiger<br />

Bestandteil ihres Alltags. Wer<br />

davon ausgeschlossen ist, muss<br />

viele Nachteile in Kauf nehmen.<br />

Die Corona-Pandemie hat die fortschreitende<br />

Digitalisierung zusätzlich<br />

beschleunigt. Mittlerweile<br />

haben die meisten Banken auf<br />

Online-Banking umgestellt. Wer<br />

mangels Internetzugang in Papierform<br />

überweisen will, muss einen<br />

Aufpreis bezahlen. Auch viele<br />

Behörden und immer mehr Arztpraxen<br />

vergeben Termine nur noch<br />

digital. Für das 49-Euro-Ticket der<br />

Deutschen Bahn ist ein Smartphone<br />

notwendig, und viele Händler<br />

gewähren Rabatte nur noch,<br />

wenn man die jeweilige App auf<br />

dem Handy nutzt.<br />

Auch lebensnotwendige Bedürfnisse<br />

wie Arbeit und Wohnen sind<br />

davon betroffen. Wer eine Wohnung<br />

braucht, hat bei der Suche<br />

über Online-Immobilienportale<br />

die größten Chancen. Gut bezahlte<br />

Jobs werden, statt wie früher in<br />

Foto: Imago/photothek<br />

der Zeitung, meist über Jobbörsen<br />

veröffentlicht, und die Bewerbung<br />

läuft ebenfalls digital. Menschen<br />

ohne digitale Geräte, Internetzugang<br />

und entsprechendes Wissen<br />

haben es auf dem Wohnungsund<br />

Stellenmarkt ohnehin schwer<br />

und werden nun auch noch zusätzlich<br />

benachteiligt.<br />

Das fordert der <strong>VdK</strong><br />

Der <strong>VdK</strong> fordert, den Anspruch<br />

auf aktuelle und geeignete Geräte,<br />

um digital an der Gesellschaft teilhaben<br />

zu können, im Bürgergeld<br />

für alle Leistungsberechtigten<br />

anzuerkennen. Sonst droht nicht<br />

nur eine wirtschaftliche, sondern<br />

auch eine soziale Ausgrenzung.<br />

„Das betrifft den Erwerbslosen,<br />

der ohne Internetzugang weder<br />

Bewerbungen versenden noch an<br />

Umschulungsmaßnahmen teilnehmen<br />

kann, genauso wie die Rentnerin<br />

im Seniorenheim“, bekräftigt<br />

<strong>VdK</strong>-Präsidentin Verena Bentele.<br />

Darüber hinaus setzt sich der <strong>VdK</strong><br />

dafür ein, dass Menschen ohne Internetzugang<br />

nicht vergessen werden.<br />

„Viele unserer Mitglieder haben<br />

schwere Erkrankungen oder<br />

Behinderungen. Sie können sich<br />

zum Beispiel kein Antragsformular<br />

herunterladen. Auch für sie muss es<br />

Möglichkeiten geben, Behördengänge<br />

zu erledigen und an Arzttermine<br />

zu kommen“, so Bentele weiter.<br />

Weiterhin müssten digitale Zugänge<br />

in jeder Hinsicht barrierefrei gestaltet<br />

werden. Annette Liebmann

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!