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VdK-RhPfalz_JuliAug_2023

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Freizeit<br />

Zeitung Juli/August <strong>2023</strong><br />

25<br />

Fast wie bei Tante Emma<br />

An einer Supermarktkasse im bayerischen Buxheim ist Ratschen ausdrücklich erwünscht<br />

Viele Menschen fühlen sich einsam.<br />

Die Betreiber des Edeka Abröll-<br />

Groiß in Buxheim bei Memmingen<br />

wollen dem etwas entgegensetzen<br />

und haben eine Ratschkasse eingerichtet.<br />

Hier kommen Kundinnen und<br />

Kunden mit der Kassiererin ins Gespräch<br />

und dürfen auch mal ihr Herz<br />

ausschütten. Das kommt gut an.<br />

Die meisten Kundinnen und Kunden freuen sich, persönlich angesprochen zu werden. Kassiererin Elli Nosha<br />

(links) fragt, wie es ihnen geht, was sie noch vorhaben, und wie das Wochenende war. Foto: Annette Liebmann<br />

„Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“,<br />

fragt Elli Nosha und strahlt<br />

die ältere Dame an. Diese schaut<br />

erstaunt auf, während sie in ihrem<br />

Geldbeutel kramt. Mit dieser Frage<br />

der Kassiererin hat sie nicht gerechnet,<br />

denn hinter ihr stehen<br />

noch zwei weitere Kunden. Elli<br />

Nosha lässt sich nicht davon stören.<br />

„Was haben Sie heute vor –<br />

haben Sie die Möglichkeit, das<br />

schöne Wetter zu genießen?“, redet<br />

sie weiter. Die Kundin taut allmählich<br />

auf. Sie erzählt, dass sie mit<br />

dem Fahrrad unterwegs ist und<br />

noch weitere Besorgungen zu erledigen<br />

hat. Als sie erfährt, dass sie<br />

an einer Ratschkasse steht, freut<br />

sie sich: „Das ist ein freundliches<br />

Einkaufen – viel schöner als das<br />

schnelle und anonyme Bezahlen“,<br />

meint sie und winkt ab, als Nosha<br />

ihr das Wechselgeld geben will.<br />

„Das passt schon so.“<br />

Die Ratschkasse in Buxheim gibt<br />

es zwar erst seit wenigen Wochen,<br />

aber der besondere Service hat sich<br />

schnell herumgesprochen. Kein<br />

Wunder: Zur Eröffnung saß der<br />

bayerische Sozialminister Klaus<br />

Holetschek an der Kasse und plauderte<br />

mit den Menschen, begleitet<br />

von der örtlichen und überregionalen<br />

Presse.<br />

„Das Sozialministerium ist auf<br />

uns zugekommen und hat gefragt,<br />

ob wir uns vorstellen können, eine<br />

Ratschkasse zu eröffnen“, erzählt<br />

Geschäftsführerin Ilka Abröll-<br />

Groiß. Es wurde eine vorläufige<br />

Laufzeit von zwölf Wochen vereinbart,<br />

dann soll es weitere Gespräche<br />

geben. „Ich kann mir gut vorstellen,<br />

dass wir weitermachen werden“,<br />

sagt Abröll-Groiß. „Das entspricht<br />

unserer Idee, dass hier eine Art<br />

Marktplatz entsteht.“ Zusammen<br />

mit ihrem Mann betreibt sie noch<br />

drei weitere Filialen. Das Ehepaar<br />

überlegt nun, auch dort Ratschkassen<br />

einzurichten.<br />

Soziales Miteinander<br />

Das Prinzip ist denkbar einfach:<br />

An vier Tagen in der Woche –<br />

Montag bis Donnerstag jeweils<br />

von 9 bis 11 Uhr – sollen die Kundinnen<br />

und Kunden mit der Kassiererin<br />

ins Gespräch kommen<br />

können, ohne auf die Uhr schauen<br />

zu müssen. „Die sozialen Kontakte,<br />

die früher im Tante-Emma-<br />

Laden üblich waren, sind in der<br />

modernen Zeit verloren gegangen.<br />

Mit der Ratschkasse wollen wir in<br />

der Region einen Beitrag für mehr<br />

soziales Miteinander und gegen<br />

die Ell bogen-Gesellschaft leisten“,<br />

betont Abröll-Groiß. „Und wenn<br />

doch einmal mehr los ist und es<br />

jemand eilig hat, können wir sofort<br />

eine zweite Kasse auf machen.“<br />

„Man bekommt viel mit. Vor allem<br />

Ältere fühlen sich oft einsam“,<br />

weiß Nosha, die gern an der<br />

Ratsch kasse steht. „Viele kommen<br />

extra hierher, weil sie sich auch ein<br />

bisschen was von der Seele reden<br />

können. Wie neulich eine Frau,<br />

deren Mann verstorben ist, und die<br />

nun alleine lebt.“<br />

An diesem Montagmorgen wird<br />

viel geredet. Meist geht es um das<br />

Befinden und das Wetter, den Pollenflug<br />

und den Urlaub. Auch eine<br />

Beschwerde ist darunter: „Ihr habt<br />

das Obst noch nicht ausgezeichnet“,<br />

beanstandet eine Kundin.<br />

„Das machen wir im Laufe des<br />

Vormittags“, entgegnet Nosha.<br />

Auch Jüngere freuen sich<br />

Man müsse schon einschätzen<br />

können, wer ratschen will und wer<br />

nicht, verrät die Kassiererin. Einigen<br />

sei ein Gespräch auch unangenehm.<br />

Ein älterer Herr zum Beispiel<br />

überhört die Frage, wie es<br />

ihm geht, zählt eiligst das Kleingeld<br />

ab und verlässt schnell wieder<br />

das Geschäft. Aber die meisten<br />

freuen sich, persönlich angesprochen<br />

zu werden. Darunter sind<br />

auch viele Jüngere.<br />

„Ich habe auch schon an einer<br />

Supermarktkasse gearbeitet und<br />

finde die Idee super“, betont ein<br />

Mann Ende 20. Und eine ältere<br />

Frau bringt es auf den Punkt: „Hier<br />

pressiert es nicht, hier schenkt<br />

man den Menschen Freude.“<br />

Annette Liebmann<br />

Städtereisen leicht gemacht<br />

Gästeführungen für alle etablieren sich<br />

Nur gut geschützt in die Sonne<br />

Sonnenstich vermeiden – Hitzschlag kann gefährlich werden<br />

Einfach mal historische Städte erobern?<br />

Für Menschen mit Behinderung<br />

oft nicht so einfach. Dass es<br />

anders geht, zeigen Gästeführungen<br />

in der Südlichen Weinstraße,<br />

in Erfurt und in Magdeburg, empfohlen<br />

von der Arbeitsgemeinschaft<br />

„Leichter Reisen“.<br />

Die Urlaubsregion Südliche<br />

Weinstraße punktet mit barrierefreien<br />

Touren. Bei der zweistündigen<br />

„Historischen Stadtführung“<br />

in Landau in der Pfalz geht es<br />

durch die alte Festungsstadt. Nach<br />

Voranmeldung steigen auch Menschen<br />

mit Mobilitätseinschränkungen<br />

jeweils mittwochs bis<br />

sonntags in deren wechselvolle<br />

Geschichte ein. Für Menschen mit<br />

Hörbehinderung steht ein System<br />

mit Induktionsschleifen zur Verfügung.<br />

„Natur in der Stadt“ verspricht<br />

Naturführerin Ute Seitz<br />

ihren Gästen auf einer weiteren<br />

barrierefreien zweistündigen Tour.<br />

Wein und Geschichte<br />

„Geschichte für Alle“ heißt das<br />

Motto in der Stauferstadt Annweiler<br />

am Trifels. Das Gerberviertel<br />

mit seinen Fachwerkhäusern und<br />

das Flüsschen Queich mit seinen<br />

Mühlen stehen im Mittelpunkt<br />

dieser Rollitour. Um edle Tropfen<br />

geht es in Maikammer. Immer freitags<br />

führt eine Weinbotschafterin<br />

auf einer dreieinhalbstündigen,<br />

rollstuhlgerechten „Weinreise“<br />

durch den Spitzenweinort.<br />

In Erfurt gibt es freitags und<br />

samstags eine anderthalbstündige<br />

Altstadtführung, „Die Leichte“.<br />

Ohne Steigungen werden die wichtigsten<br />

Sehenswürdigkeiten erreicht.<br />

Menschen mit Seh- und<br />

Hörbehinderung können bei der<br />

Tourist-Information ebenfalls<br />

Gruppenführungen buchen.<br />

Magdeburg bietet täglich um 11<br />

Uhr Stadtführungen an, die für<br />

Menschen im Rollstuhl und andere<br />

mobilitätseingeschränkte Personen<br />

geeignet sind.<br />

Infos zu barrierefreien Städtetouren:<br />

www.leichter-reisen.info bsc<br />

Historisch und barrierefrei: Kreuzgang<br />

im ehemaligen Augustinerkloster<br />

in Landau in der Pfalz.<br />

Foto: DZT/Jens Wegener/ Bildarchiv Südliche Weinstrasse e.V.<br />

Die sommerlichen Temperaturen<br />

und die Sonnenstrahlen sorgen für<br />

gute Stimmung. Doch zu viel Sonne<br />

und extreme Temperaturen<br />

können zu Sonnenstich und Hitzschlag<br />

führen.<br />

Nach Schätzungen des Robert-<br />

Koch-Instituts kam es im vergangenen<br />

Jahr zu rund 4500 Hitzetoten.<br />

Als Ursache gelten die hohen<br />

Temperaturen, die vor allem Menschen<br />

mit Herz-Kreislauf- oder<br />

Lungenerkrankungen belasten.<br />

Aber auch der Hitzschlag spielt<br />

eine Rolle, der akut lebensbedrohlich<br />

werden kann, warnt die Deutsche<br />

Hirnstiftung.<br />

Wer sich draußen nicht vor der<br />

Sonne schützt, kann einen Sonnenstich<br />

bekommen. Dabei überhitzt<br />

sich der Kopf: In der Folge<br />

werden die Hirnhäute gereizt, die<br />

Blutgefäße erweitern sich, und eine<br />

Entzündungsreaktion wird hervorgerufen.<br />

Das kann zu Kopfschmerzen,<br />

Übelkeit und Schwindel führen.<br />

Doch auch Nackenschmerzen,<br />

innere Unruhe, Konzentrationsprobleme<br />

oder Müdigkeit bis hin zu<br />

Schüttelfrost können auftreten.<br />

Körper abkühlen<br />

Wer in den heißen Mittagsstunden nach draußen geht, sollte den Kopf<br />

mit einem Sonnenhut schützen.<br />

Foto: picture alliance/dpa/Marcel Kusch<br />

„Ein Sonnenstich ist alles andere<br />

als banal“, sagt Professor Frank<br />

Erbguth, Präsident der Deutschen<br />

Hirnstiftung. Er empfiehlt, dass<br />

sich Betroffene bei den ersten Anzeichen<br />

so schnell wie möglich in<br />

kühlere Räume begeben und ausreichend<br />

trinken. Auch eine Dusche<br />

oder ein Bad können dazu<br />

beitragen, den Körper abzukühlen.<br />

Notarzt rufen<br />

Treten jedoch Muskelkrämpfe<br />

und Bewusstseinstörungen auf,<br />

sollte sofort der Notarzt gerufen<br />

werden, rät die Deutsche Hirnstiftung.<br />

Denn dann handelt es sich<br />

um einen Hitzschlag, und dieser<br />

kann lebensgefährlich werden. Die<br />

Körperkerntemperatur erhöht sich<br />

auf über 40 Grad Celsius. Um den<br />

Betroffenen zu helfen, ist es wichtig,<br />

die Körpertemperatur zu senken:<br />

Dazu sollte die Person einen<br />

kühlen Raum aufsuchen, sich<br />

hinlegen und die Kleidung ausziehen.<br />

Es hilft auch, kühles Wasser<br />

mit einem Teelöffel Salz zu trinken<br />

und Kühlpacks aufzulegen. Medikamente,<br />

wie Schmerzmittel, sollten<br />

nicht gegeben werden. Das<br />

kann gefährlich werden.<br />

Besonders gefährdet<br />

Kinder, ältere Menschen sowie<br />

Sportlerinnen und Sportler sind<br />

laut Deutscher Hirnstiftung besonders<br />

gefährdet. Sie sollten sich gut<br />

schützen, um Sonnenstich und<br />

Hitzschlag zu vermeiden. Das bedeutet:<br />

Raus aus der prallen Sonne,<br />

Kopfbedeckung tragen und viel<br />

trinken.<br />

Kristin Enge

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