VdK-RhPfalz_JuliAug_2023

27.06.2023 Aufrufe

Verbraucher Zeitung Juli/August 2023 23 Im Ernstfall besser informiert Neues Register bietet Polizei und Feuerwehr Hinweise zu Menschen mit Beeinträchtigungen am Einsatzort Rettungskräfte wissen bei einem Einsatz häufig nicht, ob und wo sich dort besonders hilfebedürftige Personen befinden. Seit Oktober 2022 gibt es ein spezielles Notfallregister, das diese manchmal lebenswichtigen Informationen sammelt und bereithält. Der Eintrag ist kostenfrei. Es brennt. Über Lautsprecher fordert die Feuerwehr die Hausbewohnerinnen und -bewohner auf, das Gebäude umgehend zu verlassen. Im zweiten Stock wohnt eine gehörlose Frau. Die Durchsage erreicht sie nicht. Zwei Stockwerke über ihr ist vor Kurzem ein älterer Herr eingezogen, der sich beim Gehen auf einen Rollator stützt. Mit dem Aufzug gelangt er normalerweise ohne Probleme von unten in seine Wohnung und umgekehrt. Jetzt, im Brandfall, darf er den Fahrstuhl nicht benutzen. Die Treppe schafft er nicht allein. Das sind nur zwei Beispiele dafür, dass auf Menschen mit Beeinträchtigungen im Not- oder Katastrophenfall besonders geachtet werden muss, weil sie die herkömmlichen Rettungswege aus vielerlei Gründen nicht nutzen können. Noch dramatischer wird es, wenn der Strom in einem Stadtviertel oder Wohnblock ausfällt und sich dort ein Dialysezentrum befindet oder schwerstkranke Menschen leben, die künstlich beatmet werden müssen. Eine Unterbrechung der Wissen Rettungskräfte bei einem Notfall, wo sich im Gebäude hilfebedürftige Menschen befinden, können sie diesen besser helfen. Foto: picture alliance/BeckerBredel Stromversorgung nur für Minuten kann tödlich sein. Kostenfreie Registrierung Das brachte ehren- und hauptamtliche Katastrophenschützer auf die Idee, ein sogenanntes „Notfallregister“ einzurichten. Dort können sich sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch medizinische oder pflegerische Einrichtungen aufnehmen lassen, die im Ernstfall besondere Unterstützung und Maßnahmen zu ihrer Sicherheit benötigen. In dem Register werden zum Beispiel Informationen zur Person, Erreichbarkeit, Wohnsituation, Medikamenteneinnahme oder ein Notfallkontakt gespeichert. Die Registrierung ist kostenfrei. Allerdings sind mit dem Eintrag keinerlei Rechte verbunden, zum Beispiel als Erster oder Erste gerettet zu werden. Behörden und Einsatzkräfte entscheiden stets in der Situation und nach eigenem Ermessen, wie die Rettungsmaßnahmen ablaufen. Doch mithilfe des Notfallregisters können sie sich vorab informieren. Sollte bei Gefahr die Evakuierung eines Hauses notwendig werden oder der Strom in einer Straße ausfallen, kann die Leitstelle entweder die konkrete Adresse oder einen größeren Ortsbereich eingeben. Die Abfrage liefert Informationen darüber, ob dort Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen leben oder Einrichtungen angesiedelt sind, die als Erstes angesteuert werden sollten, um Leben zu retten. Nur registrierte und geprüfte Leitstellen von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst sowie Katastrophen- und Zivilschutzbehörden und mit ihnen kooperierende Hilfsorganisationen haben Zugriff auf die Daten des Notfallregisters. Jede Abfrage wird zudem protokolliert. Das Notfallregister wurde im Oktober 2022 gestartet. Träger ist der gleichnamige eingetragene Verein mit Sitz in Potsdam, der das Projekt bislang mit Spendengeldern und Zuwendungen finanziert. Mittlerweile haben sich etwa 1700 Einzelpersonen und 85 abfrageberechtigte Institutionen in das Register aufnehmen lassen. Barbara Goldberg Information Im Notfallregister kann man sich registrieren lassen. Dort sind zwei unterschiedliche Fragebögen zur Datenerhebung sowohl für Einzelpersonen als auch für pflegerische oder medizinische Einrichtungen zum Ausfüllen hinterlegt. www.notfallregister.eu/ datenerfassung Alle eingegebenen Daten werden mit entsprechender Verschlüsselung auf in Deutschland befindlichen Servern gespeichert und können nur von Zugangsberechtigten eingesehen werden. Anfragen per E-Mail an: post@notfallregister.eu Hotline zum ärztlichen Bereitschaftsdienst Nur rund ein Drittel der Deutschen kennt die Rufnummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Dies hat eine Umfrage im Auftrag des Allgemeinen Automobil-Clubs Deutschland (ADAC) ergeben. Sind die Arztpraxen geschlossen, wissen viele Patientinnen und Patienten bei aktuen Beschwerden nicht, wohin sie sich wenden können. Für solche Fälle wurde die bundesweit geltende Rufnummer 116 117 eingerichtet: Wer sich krank fühlt, schildert am Telefon die Beschwerden, und erhält umgehend einen Rat von geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was zu tun ist. Dies soll verhindern, dass zu viele Menschen mit Bagatellerkrankungen in die Notaufnahmen kommen. Doch wie die Umfrage ergab, kennen 69 Prozent der Deutschen diese Rufnummer nicht. Und nur knapp die Hälfte der Befragten ist mit dem Service zufrieden. Die Wartezeiten in der Hotline und in den Bereitschaftspraxen seien zu lang, so der ADAC. Zudem müssten Patientinnen und Patienten außerhalb von Städten oft weite Wege zurücklegen. Die repräsentative Umfrage erfolgte durch das Marktforschungsinstitut „Komma“ im Auftrag des ADAC in zwei Stufen. Zuerst wurden 1015 Personen ab 18 Jahren online befragt. In einem zweiten Schritt äußerten sich 2000 Personen, die eine ärztliche Bereitschaftspraxis aufgesucht hatten. ken Notrufsäulen haben keineswegs ausgedient Die orangefarbenen Geräte werden zwar seltener, aber immer noch zehntausendfach genutzt Als es noch keine Handys gab, haben Notruf säulen, die meistens am Randstreifen von Autobahnen aufgestellt sind, bei Unfällen für schnelle Hilfe gesorgt. Doch selbst im heutigen Smartphone-Zeitalter erfüllen die orangefarbenen Geräte noch immer – wenn auch seltener – ihren Zweck. Die Nutzung der auffälligen Säulen mit dem Telefonsymbol und dem Schriftzug „SOS“ ist in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Schließlich hat fast jede und jeder inzwischen ein Handy dabei. Dennoch: Laut dem Gesamtverband der Versicherer, der im Auftrag der Autobahn GmbH die Notrufsäulen an den Autobahnen betreibt, gab es 2018 noch 52 000 und 2021 immerhin noch 33 500 Anrufe. Und für diese 33 500 Menschen war es offensichtlich wichtig, dass es die Möglichkeit gab, über eine Notrufsäule Hilfe zu holen. Letztendlich kann man auch als Besitzerin oder Besitzer eines Smartphones in Situationen geraten, in denen eine Alternative notwendig ist, zum Beispiel wenn der Akku des Geräts gerade leer ist, wenn es vor Ort keinen Mobilfunkempfang gibt oder wenn das Handy verloren, gestohlen oder zu Hause vergessen wurde. Hier haben die Notrufsäulen klare Vorteile: Mit Funklöchern oder mangelnder Energie haben sie keine Probleme. Sie stehen zuverlässig und betriebsbereit an Ort und Stelle – an Autobahnen in regelmäßigen Abständen von etwa zwei Kilometern in beiden Fahrtrichtungen. Für Reisende aus dem Ausland, die vielleicht die europäische Notrufnummer 112 nicht kennen, können die Geräte ebenfalls nützlich sein. Denn die in der Hamburger Notrufzentrale eingehenden Anrufe können nicht nur rund um die Uhr, sondern auch in zahlreichen Fremdsprachen – zum Teil durch Muttersprachlerinnen und Muttersprachler – abgewickelt werden. Rund 17 000 Notrufsäulen sind nach wie vor im Einsatz. Auch zahlreiche Rastplätze sind damit ausgestattet. In welcher Richtung das nächste Gerät zu finden ist, zeigen kleine Pfeile auf den Leitpfosten. Die maximale Entfernung beträgt etwa 1000 Meter. Sprechklappe oder Tasten Die Notrufsäulen gibt es in zwei verschiedenen Ausführungen. Ältere Modelle verfügen über eine sogenannte Sprechklappe. Um eine Die orangefarbenen Notrufsäulen sind in der Regel gut sichtbar entlang den Autobahnen aufgestellt. Foto: picture alliance/Rupert Oberhäuser Verbindung zur Notrufzentrale herzustellen, muss diese angehoben werden. Die neueren Säulen besitzen zwei Tasten: eine rote für Unfallnotrufe und eine gelbe für den Pannenfall. Bei Bedarf werden Pannenhilfsorganisationen informiert. Unfallmeldungen werden sofort an die Polizei weitergeleitet und von dort gegebenenfalls Rettungskräfte alarmiert. Seit April 2018 wird das Notrufnetz durch den EU-weiten eCall ergänzt, der für alle neuen Kfz- Typen innerhalb der EU Pflicht ist. Für alle älteren Fahrzeuge bieten die Autoversicherer ein nachrüstbares Notrufsystem an: den Unfallmeldedienst. Dieser besteht aus einem Stecker für die 12-V- Steckdose des Fahrzeugs und einer App für das Smartphone. Erkennt der Unfallmeldestecker einen schweren Crash, wird automatisch die Notrufzentrale der Autoversicherer alarmiert. Darüber hinaus gibt es den 2019 gestarteten Notruf AML (Advanced Mobile Location). Wird der Notruf gewählt, so aktiviert das Handy automatisch WLAN und Satellitennavigation, auch wenn das zuvor deaktiviert war. Die Daten werden per SMS übermittelt, sodass keine aktive Internetverbindung notwendig ist. Auch videobasierte Notrufe sind in Deutschland bereits im Einsatz. Zudem wird an der Entwicklung von barrierefreien Notrufsäulen gearbeitet. Mirko Besch

24 Zeitung Juli/August 2023 Verbraucher Lasst die Kugeln rollen! Boule oder Boccia ist als Freizeitspaß beliebt In immer mehr Städten und Gemeinden gibt es Freizeitanlagen, auf denen Boule gespielt wird. Foto: Sozialverband VdK In Frankreich heißt es Pétanque oder Boule, in Italien Boccia – das Spiel mit den Kugeln. Eine Art Nationalsport ist es vor allem in Südfrankreich. Präzision und eine gute Wurftechnik sind gefragt. Auch in Deutschland wird diese Freizeitbeschäftigung immer beliebter. Treffpunkte für gesellige Runden sind Parks oder kommunale Sport- und Freizeitanlagen. Städte und Dörfer bieten neben Spielplätzen, Tischtennisanlagen, Trimm-Dich-Pfaden, Kneipp-Anlagen oder Schachspielen mit großen Figuren vermehrt auch sandige Boule-Flächen für die Bürgerinnen und Bürger an. Wenn neue Freizeitanlagen angelegt werden, ist Boule fast immer dabei. Französische Lebensart Bei Boule soll die Metallkugel so nahe wie möglich an eine kleinere Zielkugel geworfen werden. Grundsätzlich gibt es drei Schussmöglichkeiten, um die Kugel zu platzieren: beim Flachschuss rollt die Kugel flach über den Boden, beim Devantschuss schiebt die eigene Kugel die gegnerische aus dem Weg, und beim Eisenschuss wird die Kugel direkt getroffen, ohne dass die eigene Kugel vorher den Boden berührt. Anfänger beginnen am besten mit dem Flachschuss. Gespielt werden kann im Einzel oder auch in der Mannschaft. In Frankreich heißt das dann Tête- à-Tête (zwei Einzelspieler), Doublette (zwei gegen zwei) oder Triplette (drei gegen drei). Fast in jedem Ort in Südfrankreich gibt es ein „Boulodrome“. Das sind eigens für Freizeitspieler angelegte Plätze. Das Boulespiel ist ein Stück französische Lebensart, Plaudern inklusive. Doch längst spielen in Frankreich nicht nur ältere Männer mit Baskenmützen, sondern auch die jüngere Generation – zudem viele Frauen. Boccia bei Paralympics In den großen deutschen Städten, beispielsweise in Berlin und München, ist Boule schon lange in Mode. Ein beliebter Platz in Berlin ist das Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg. In München ist der Hofgarten ein Treffpunkt. Das Klacken der Kugeln ist schon von Weitem zu hören. Und hier noch einige Fakten: Bei den Olympischen Spielen vom 26. Ju li bis 11. August 2024 in Paris sollte Boule als neue olympische Disziplin eigentlich mit dabei sein. Die Bewerbung wurde allerdings abgelehnt. Boccia, die italienische Variante des Boule-Spiels, ist zurzeit eine ausschließlich paralympische Sportart. Paralympics-Premiere war 1984 in New York. Der Sport im Rollstuhl wird auf einem 12,5 Meter langen und sechs Meter breiten Feld mit Lederbällen auf Hallenböden gespielt. Die Sportler treten je nach Maß der Beeinträchtigung in mehreren Klassen an. Boccia kann auch im Familienund Freundeskreis zu Hause oder im Urlaub auf Rasen oder Sand gespielt werden. Kinder und Erwachsene teilen sich dann verschiedenfarbige Kunstharz-, Holzoder Plastikkugeln, die es im Handel zu erschwinglichen Preisen gibt. Oft ist das Set schon beim Kauf handlich in einer Tragetasche verstaut. Petra J. Huschke Auf gute Nachbarschaft Die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung regelt Ruhezeiten Rasenmäher, Laubbläser und Heckenschere: Nachbarn müssen nicht jeden Lärm hinnehmen. Das regelt die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung. Darin sind Ruhezeiten vorgesehen – damit es keinen Streit gibt. An schönen Tagen wird viel im Freien gewerkelt. Nach repräsentativen Umfragen des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2020 fühlen sich rund 57 Prozent der Befragten durch Geräusche der Nachbarn belästigt. „Lärmquellen, die als besonders störend empfunden werden, sind Gartengeräte wie der motorbetriebene Rasenmäher“, sagt Florian Kuhlmey, Pressesprecher beim Umweltbundesamt. Deshalb gebe es Regelungen in den Immissionsschutzgesetzen der Bundesländer, Regelungen der Kommunen oder auch Hausordnungen. Besonders hebt Kuhlmey die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung hervor. Diese gilt seit 2002 für Geräte und Maschinen, die im Freien verwendet werden und sich durch einen hohen Geräuschpegel auszeichnen. Er rät: „Liegt eine Belästigung oder Störung vor, ist die Verursacherin oder der Verursacher immer der erste Kontakt. Sie können sich auch an die Vermieterin beziehungsweise den Vermieter oder die Hausverwaltung wenden.“ Der nächste Ansprechpartner wäre dann die Ordnungsbehörde. Er gibt zu bedenken, dass Verstöße gegen Regelungen im Extremfall mit Bußgeldern bis zu 50 000 Euro geahndet werden können. „Nicht motorisierte Gartengeräte – Getriebespindel-Rasenmäher, manuelle Hecken sche ren, Sicheln, Sensen, Spaten, Harke, Laubrechen – dürfen aber jederzeit, auch am Sonntag, betrieben werden“, betont Kuhlmey. Der Umgang mit modernen Geräten wie dem Rasenroboter ist laut Umweltbundesamt derzeit noch nicht abschließend geregelt. In der Praxis empfiehlt es sich, mit den Nachbarn zu sprechen und gegebenenfalls Fahrzeiten abzustimmen. Dr. Jutta Hartmann, Pressesprecherin beim Deutschen Mieterbund, erläutert die Bestimmungen der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung: „An Sonn- und Feiertagen sowie werktags zwischen 20 und 7 Uhr dürfen Rasenmäher, Motorkettensägen, Heckenscheren und Vertikutierer nicht eingesetzt werden.“ Andere Geräte, wie Laubsammler, Laubbläser, Grastrimmer, Graskantenschneider und Freischneider, dürften in Wohngebieten werktags nur zwischen 9 und 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr benutzt werden. „Weitere Verschärfungen gegenüber die sen bundesweit geltenden Regelungen können Landesgesetze oder Ortssatzungen enthalten“, sagt Hartmann. Konkrete Rechtsberatung bieten die örtlichen Mietervereine. Petra J. Huschke Arbeiten mit der Heckenschere dürfen an Sonn- und Feiertagen nicht ausgeführt werden. Zwischen Verbrennungs- und Elektromotoren gibt es bei Heckenscheren laut Umweltbundesamt keinen Unterschied. Mach’s doch mal mit links Für Linkshänderinnen und -händer gibt es mittlerweile viele Alltagshelfer Linkshänderinnen und Linkshänder wurden lange Zeit umerzogen. Erst seit den 1970er-Jahren dürfen Kinder mit der linken Hand schreiben lernen. Auch im Alltag machen Linkshänderinnen und Linkshänder alles mit ihrer dominanten Hand. Mittlerweile gibt es für sie spezielle Scheren, Dosenöffner und Werkzeuge. Bereits vor der Geburt entscheidet sich, ob ein Kind lieber die linke oder die rechte Hand benutzt. Eine Umgewöhnung stellt einen großen Eingriff in das Gehirn dar, der unter Umständen gravierende Auswirkungen auf die kognitiven Leistungen haben kann. Deshalb wird heutzutage darauf verzichtet. Die meisten Alltagsgegenstände werden für Rechtshänder hergestellt. Doch diese sind für Linkshänderinnen und -händer schwerer zu bedienen. Beim Spiralblock zum Beispiel liegt die Spirale auf der linken Seite und ist beim Schreiben immer im Weg. Dosenöffner, Gemüseschäler, Brotschneidemaschinen: Im Haushalt kann die Nutzung unpassender Geräte gefährlich werden. Und in Handwerksberufen und beim Heimwerken liegt die Unfallgefahr höher als bei Rechtshändern. Zum Glück gibt es mittlerweile fast alle Gegenstände des täglichen Lebens auch für Linkshänderinnen und Linkshänder zu kaufen. Dazu gehören etwa Suppenkellen und Soßenlöffel mit Ausgießer, Scheren und Messer für jeden Zweck, Korkenzieher, Messbecher, Eisportionierer und Pfannenwender. Sogar Motiv tassen gibt es, die den Aufdruck auf der anderen Seite haben. Die meisten Linkshänderinnen und -händer tragen ihre Armbanduhren rechts. Damit auch sie die Zeit einstellen können, gibt es für sie Uhren, die das kleine Rädchen auf der linken Seite haben. Auch Musikinstrumente können speziell für sie angefertigt werden: Bass, Banjo, Geige, Gitarre und vieles mehr. Zum Links händer- Sortiment gehören ferner spezielle Tablets, Computermäuse und Tastaturen sowie Schreib waren. Ob Gartenschere, Sportartikel oder Werkzeug – die Produktpalette für Linkshänderinnen und Linkshänder ist groß. Allerdings gibt es die Gegenstände nur vereinzelt in herkömmlichen Geschäften zu kaufen. Auch spezielle Linkshänder-Läden sind rar. Viele Alltagshelfer lassen sich aber im Internet bestellen. Übrigens: Linkshänderinnen und Linkshänder sind weder linkisch, noch haben sie zwei linke Hände. Wer umgewöhnt wurde, tut sich anfangs zwar schwer. Aber viele Betroffene lernen, beide Hände geschickt einzusetzen. So haben sie gegenüber Rechtshänderinnen und Rechtshändern oft einen Vorteil. Annette Liebmann Für Linkshänderinnen und Linkshänder gibt es passende Scheren. Foto:Imago/epd Foto: picture alliance/Bildagentur-online/Begsteiger

Verbraucher<br />

Zeitung Juli/August <strong>2023</strong><br />

23<br />

Im Ernstfall besser informiert<br />

Neues Register bietet Polizei und Feuerwehr Hinweise zu Menschen mit Beeinträchtigungen am Einsatzort<br />

Rettungskräfte wissen bei einem<br />

Einsatz häufig nicht, ob und wo<br />

sich dort besonders hilfebedürftige<br />

Personen befinden. Seit Oktober<br />

2022 gibt es ein spezielles<br />

Notfallregister, das diese manchmal<br />

lebenswichtigen Informationen<br />

sammelt und bereithält. Der<br />

Eintrag ist kostenfrei.<br />

Es brennt. Über Lautsprecher<br />

fordert die Feuerwehr die Hausbewohnerinnen<br />

und -bewohner<br />

auf, das Gebäude umgehend zu<br />

verlassen. Im zweiten Stock wohnt<br />

eine gehörlose Frau. Die Durchsage<br />

erreicht sie nicht. Zwei Stockwerke<br />

über ihr ist vor Kurzem ein<br />

älterer Herr eingezogen, der sich<br />

beim Gehen auf einen Rollator<br />

stützt. Mit dem Aufzug gelangt er<br />

normalerweise ohne Probleme von<br />

unten in seine Wohnung und umgekehrt.<br />

Jetzt, im Brandfall, darf er<br />

den Fahrstuhl nicht benutzen. Die<br />

Treppe schafft er nicht allein.<br />

Das sind nur zwei Beispiele dafür,<br />

dass auf Menschen mit Beeinträchtigungen<br />

im Not- oder Katastrophenfall<br />

besonders geachtet<br />

werden muss, weil sie die herkömmlichen<br />

Rettungswege aus<br />

vielerlei Gründen nicht nutzen<br />

können. Noch dramatischer wird<br />

es, wenn der Strom in einem<br />

Stadtviertel oder Wohnblock ausfällt<br />

und sich dort ein Dialysezentrum<br />

befindet oder schwerstkranke<br />

Menschen leben, die<br />

künstlich beatmet werden müssen.<br />

Eine Unterbrechung der<br />

Wissen Rettungskräfte bei einem Notfall, wo sich im Gebäude hilfebedürftige Menschen befinden, können sie<br />

diesen besser helfen. <br />

Foto: picture alliance/BeckerBredel<br />

Stromversorgung nur für Minuten<br />

kann tödlich sein.<br />

Kostenfreie Registrierung<br />

Das brachte ehren- und<br />

hauptamtliche Katastrophenschützer<br />

auf die Idee, ein sogenanntes<br />

„Notfallregister“ einzurichten.<br />

Dort können sich sowohl<br />

Bürgerinnen und Bürger als auch<br />

medizinische oder pflegerische<br />

Einrichtungen aufnehmen lassen,<br />

die im Ernstfall besondere Unterstützung<br />

und Maßnahmen zu ihrer<br />

Sicherheit benötigen. In dem<br />

Register werden zum Beispiel Informationen<br />

zur Person, Erreichbarkeit,<br />

Wohnsituation, Medikamenteneinnahme<br />

oder ein Notfallkontakt<br />

gespeichert. Die<br />

Registrierung ist kostenfrei. Allerdings<br />

sind mit dem Eintrag keinerlei<br />

Rechte verbunden, zum Beispiel<br />

als Erster oder Erste gerettet<br />

zu werden. Behörden und Einsatzkräfte<br />

entscheiden stets in der Situation<br />

und nach eigenem Ermessen,<br />

wie die Rettungsmaßnahmen<br />

ablaufen.<br />

Doch mithilfe des Notfallregisters<br />

können sie sich vorab informieren.<br />

Sollte bei Gefahr die<br />

Evakuierung eines Hauses notwendig<br />

werden oder der Strom in<br />

einer Straße ausfallen, kann die<br />

Leitstelle entweder die konkrete<br />

Adresse oder einen größeren Ortsbereich<br />

eingeben. Die Abfrage<br />

liefert Informationen darüber, ob<br />

dort Personen mit gesundheitlichen<br />

Einschränkungen leben oder<br />

Einrichtungen angesiedelt sind,<br />

die als Erstes angesteuert werden<br />

sollten, um Leben zu retten.<br />

Nur registrierte und geprüfte<br />

Leitstellen von Feuerwehr, Polizei<br />

und Rettungsdienst sowie Katastrophen-<br />

und Zivilschutzbehörden<br />

und mit ihnen kooperierende<br />

Hilfsorganisationen haben Zugriff<br />

auf die Daten des Notfallregisters.<br />

Jede Abfrage wird zudem protokolliert.<br />

Das Notfallregister wurde im<br />

Oktober 2022 gestartet. Träger ist<br />

der gleichnamige eingetragene<br />

Verein mit Sitz in Potsdam, der das<br />

Projekt bislang mit Spendengeldern<br />

und Zuwendungen finanziert.<br />

Mittlerweile haben sich etwa 1700<br />

Einzelpersonen und 85 abfrageberechtigte<br />

Institutionen in das<br />

Register aufnehmen lassen. <br />

Barbara Goldberg<br />

Information<br />

Im Notfallregister kann man sich<br />

registrieren lassen. Dort sind zwei<br />

unterschiedliche Fragebögen zur<br />

Datenerhebung sowohl für Einzelpersonen<br />

als auch für pflegerische<br />

oder medizinische Einrichtungen<br />

zum Ausfüllen hinterlegt.<br />

www.notfallregister.eu/<br />

datenerfassung<br />

Alle eingegebenen Daten werden<br />

mit entsprechender Verschlüsselung<br />

auf in Deutschland<br />

befindlichen Servern gespeichert<br />

und können nur von Zugangsberechtigten<br />

eingesehen<br />

werden. Anfragen per E-Mail an:<br />

post@notfallregister.eu<br />

Hotline zum ärztlichen<br />

Bereitschaftsdienst<br />

Nur rund ein Drittel der Deutschen<br />

kennt die Rufnummer 116 117 des<br />

ärztlichen Bereitschaftsdienstes.<br />

Dies hat eine Umfrage im Auftrag<br />

des Allgemeinen Automobil-Clubs<br />

Deutschland (ADAC) ergeben.<br />

Sind die Arztpraxen geschlossen,<br />

wissen viele Patientinnen und<br />

Patienten bei aktuen Beschwerden<br />

nicht, wohin sie sich wenden<br />

können. Für solche Fälle wurde<br />

die bundesweit geltende Rufnummer<br />

116 117 eingerichtet: Wer sich<br />

krank fühlt, schildert am Telefon<br />

die Beschwerden, und erhält umgehend<br />

einen Rat von geschulten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />

was zu tun ist. Dies soll verhindern,<br />

dass zu viele Menschen<br />

mit Bagatellerkrankungen in die<br />

Notaufnahmen kommen.<br />

Doch wie die Umfrage ergab,<br />

kennen 69 Prozent der Deutschen<br />

diese Rufnummer nicht. Und nur<br />

knapp die Hälfte der Befragten ist<br />

mit dem Service zufrieden. Die<br />

Wartezeiten in der Hotline und in<br />

den Bereitschaftspraxen seien zu<br />

lang, so der ADAC. Zudem müssten<br />

Patientinnen und Patienten<br />

außerhalb von Städten oft weite<br />

Wege zurücklegen.<br />

Die repräsentative Umfrage erfolgte<br />

durch das Marktforschungsinstitut<br />

„Komma“ im Auftrag des<br />

ADAC in zwei Stufen. Zuerst wurden<br />

1015 Personen ab 18 Jahren<br />

online befragt. In einem zweiten<br />

Schritt äußerten sich 2000 Personen,<br />

die eine ärztliche Bereitschaftspraxis<br />

aufgesucht hatten. ken<br />

Notrufsäulen haben keineswegs ausgedient<br />

Die orangefarbenen Geräte werden zwar seltener, aber immer noch zehntausendfach genutzt<br />

Als es noch keine Handys gab,<br />

haben Notruf säulen, die meistens<br />

am Randstreifen von Autobahnen<br />

aufgestellt sind, bei Unfällen für<br />

schnelle Hilfe gesorgt. Doch selbst<br />

im heutigen Smartphone-Zeitalter<br />

erfüllen die orangefarbenen Geräte<br />

noch immer – wenn auch<br />

seltener – ihren Zweck.<br />

Die Nutzung der auffälligen Säulen<br />

mit dem Telefonsymbol und<br />

dem Schriftzug „SOS“ ist in den<br />

vergangenen Jahren stetig zurückgegangen.<br />

Schließlich hat fast jede<br />

und jeder inzwischen ein Handy<br />

dabei. Dennoch: Laut dem Gesamtverband<br />

der Versicherer, der<br />

im Auftrag der Autobahn GmbH<br />

die Notrufsäulen an den Autobahnen<br />

betreibt, gab es 2018 noch<br />

52 000 und 2021 immerhin noch<br />

33 500 Anrufe. Und für diese<br />

33 500 Menschen war es offensichtlich<br />

wichtig, dass es die Möglichkeit<br />

gab, über eine Notrufsäule<br />

Hilfe zu holen.<br />

Letztendlich kann man auch als<br />

Besitzerin oder Besitzer eines<br />

Smartphones in Situationen geraten,<br />

in denen eine Alternative notwendig<br />

ist, zum Beispiel wenn der<br />

Akku des Geräts gerade leer ist,<br />

wenn es vor Ort keinen Mobilfunkempfang<br />

gibt oder wenn das Handy<br />

verloren, gestohlen oder zu Hause<br />

vergessen wurde. Hier haben die<br />

Notrufsäulen klare Vorteile: Mit<br />

Funklöchern oder mangelnder<br />

Energie haben sie keine Probleme.<br />

Sie stehen zuverlässig und betriebsbereit<br />

an Ort und Stelle – an Autobahnen<br />

in regelmäßigen Abständen<br />

von etwa zwei Kilometern in<br />

beiden Fahrtrichtungen.<br />

Für Reisende aus dem Ausland,<br />

die vielleicht die europäische Notrufnummer<br />

112 nicht kennen, können<br />

die Geräte ebenfalls nützlich<br />

sein. Denn die in der Hamburger<br />

Notrufzentrale eingehenden Anrufe<br />

können nicht nur rund um die<br />

Uhr, sondern auch in zahlreichen<br />

Fremdsprachen – zum Teil durch<br />

Muttersprachlerinnen und Muttersprachler<br />

– abgewickelt werden.<br />

Rund 17 000 Notrufsäulen sind<br />

nach wie vor im Einsatz. Auch<br />

zahlreiche Rastplätze sind damit<br />

ausgestattet. In welcher Richtung<br />

das nächste Gerät zu finden ist,<br />

zeigen kleine Pfeile auf den Leitpfosten.<br />

Die maximale Entfernung<br />

beträgt etwa 1000 Meter.<br />

Sprechklappe oder Tasten<br />

Die Notrufsäulen gibt es in zwei<br />

verschiedenen Ausführungen. Ältere<br />

Modelle verfügen über eine<br />

sogenannte Sprechklappe. Um eine<br />

Die orangefarbenen Notrufsäulen sind in der Regel gut sichtbar entlang<br />

den Autobahnen aufgestellt. <br />

Foto: picture alliance/Rupert Oberhäuser<br />

Verbindung zur Notrufzentrale<br />

herzustellen, muss diese angehoben<br />

werden. Die neueren Säulen<br />

besitzen zwei Tasten: eine rote für<br />

Unfallnotrufe und eine gelbe für<br />

den Pannenfall. Bei Bedarf werden<br />

Pannenhilfsorganisationen informiert.<br />

Unfallmeldungen werden<br />

sofort an die Polizei weitergeleitet<br />

und von dort gegebenenfalls Rettungskräfte<br />

alarmiert.<br />

Seit April 2018 wird das Notrufnetz<br />

durch den EU-weiten eCall<br />

ergänzt, der für alle neuen Kfz-<br />

Typen innerhalb der EU Pflicht ist.<br />

Für alle älteren Fahrzeuge bieten<br />

die Autoversicherer ein nachrüstbares<br />

Notrufsystem an: den Unfallmeldedienst.<br />

Dieser besteht aus<br />

einem Stecker für die 12-V-<br />

Steckdose des Fahrzeugs und einer<br />

App für das Smartphone. Erkennt<br />

der Unfallmeldestecker einen<br />

schweren Crash, wird automatisch<br />

die Notrufzentrale der Autoversicherer<br />

alarmiert.<br />

Darüber hinaus gibt es den 2019<br />

gestarteten Notruf AML (Advanced<br />

Mobile Location). Wird der<br />

Notruf gewählt, so aktiviert das<br />

Handy automatisch WLAN und<br />

Satellitennavigation, auch wenn<br />

das zuvor deaktiviert war. Die Daten<br />

werden per SMS übermittelt,<br />

sodass keine aktive Internetverbindung<br />

notwendig ist. Auch videobasierte<br />

Notrufe sind in Deutschland<br />

bereits im Einsatz. Zudem<br />

wird an der Entwicklung von<br />

barrierefreien Notrufsäulen gearbeitet.<br />

Mirko Besch

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