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Ramuz_SturzInDieSonne_Leseprobe

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu. Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt. 1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu.

Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt.

1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

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hier sind, ihr Taschentuch hervornehmen und sich<br />

damit immer wieder über die Stirn wischen, denn<br />

heute Abend hofft man vergebens auf Abkühlung.<br />

Und noch eine Stimme:<br />

«Tja, was halten Sie davon?»<br />

Und der Schreiner:<br />

«Gar nichts.»<br />

Er lacht. Er hat wieder zu lachen angefangen; aber<br />

der andere:<br />

«Ja, aber wer weiß!»<br />

Und der andere, ein kleiner Dicker mit Bauch, der<br />

gekommen ist, um Tabak zu kaufen, er meint es halbwegs<br />

ernst, als der Schreiner trotzdem wieder damit<br />

anfängt: «Lügen! Märchen! ...», – in der linken Hand<br />

seine gelbe Packung mit dem grünen Band, ohne sie<br />

zu öffnen; weil er vielleicht versucht, sich vorzustellen,<br />

wie es wäre, und die Pfeife hängt leer in seinem<br />

Mundwinkel, ohne dass es ihm in den Sinn kommt,<br />

sie zu stopfen.<br />

Er versucht, es sich vorzustellen; es ist schwer, er<br />

lässt es.<br />

Er reißt das Band an der Packung auf, er steckt<br />

zwei dicke Finger in die Öffnung.<br />

Dann ein Schulterzucken, ein «Ich muss los!», ein<br />

«Schönen Abend».<br />

Das Geräusch der Waage.<br />

Das elektrische Licht, das wie ein dicker Mond<br />

hoch über der Straße hängt, ist angegangen. Mit einer<br />

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