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Ramuz_SturzInDieSonne_Leseprobe

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu. Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt. 1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu.

Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt.

1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

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IV<br />

Dann im Laden. Sieben Uhr. Sieben Uhr dreißig.<br />

«Oh! Mein Gott, mein Gott, mein Gott!»<br />

Genau so; zwei­, drei­, vier­, fünfmal nacheinander.<br />

Eine Frau ist eingetreten, und sie sagt es, einmal,<br />

zwei­, drei­, vier­, fünfmal, und sonst nichts; darauf<br />

die Krämerin:<br />

«Also wirklich, Madame Corthésy!»<br />

Alle diese barfüßigen Kinder (die Buben haben gar<br />

nur eine Hose), die sich wundern und, mit ihrem Geldstück<br />

zwischen zwei Fingern, hinter der großen Schale<br />

der gut polierten Kupferwaage hervorschauen, die<br />

in einem beginnenden Schatten glänzt.<br />

«Also wirklich, Madame Corthésy!»<br />

Die gute dicke Krämerin mit ihrem Bauch und<br />

einem kleinen Strauß roter Venen auf jeder Wange.<br />

Aber die Frau schüttelt den Kopf, während sich<br />

ihre Hände vor ihr heben und wieder senken: «Aber»,<br />

sagt sie, «es könnte doch sein, dass es stimmt …»<br />

«Dummes Zeug!», fängt da der Schreiner an. «Die<br />

Nachricht kommt aus Amerika, Sie wissen doch, was<br />

das bedeutet. Die Zeitungen haben sich nicht mehr<br />

verkauft; was soll man da machen?»<br />

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