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Ramuz_SturzInDieSonne_Leseprobe

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu. Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt. 1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

Am Anfang steht eine wissenschaftliche Entdeckung: Wegen eines Unfalls im Gravitationssystem stürzt die Erde in die Son­ne zurück. «Es wird immer heisser werden, und schnell wird alles sterben», schreibt C. F. Ramuz lakonisch dazu.

Die Men­schen am Ufer des Genfersees wollen das erst nicht glauben und erfreuen sich am schönen Wetter. Aber dann wird klar, dass es vor der Hitze kein Entkommen gibt, die Freude schlägt um in Angst, als die Bäume verdorren, die Gletscher schmelzen und die soziale Ordnung zu zerfallen beginnt.

1922, als der Roman erstmals erschien, wusste C. F. Ramuz noch nichts von der Bedrohung der globalen Erwärmung, der wir heute gegenüberstehen. Doch das düstere Bild, das er in diesem visionären Text in seiner einzigartig verdichteten Sprache zeichnet, liest sich wie eine Prophezeiung.

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III<br />

Da fingen sich also diese Nachrichten zu verbreiten<br />

an, zunächst von den Redaktionen nur ungläubig<br />

aufgenommen; dann auf die Titelseite der Zeitungen<br />

gehoben, gehisst wie schwarzweiße Fahnen, Trauerfahnen.<br />

Bei uns allerdings löste das in den ersten Tagen<br />

kaum etwas aus. Hier bei uns hat man nicht viel Vorstellungskraft.<br />

Diese Stadt, die sich da oben über ihre drei Hügel<br />

zieht, sie ließ weiterhin, in mehr oder weniger großer<br />

Zahl, die mehr oder weniger weit auseinanderliegenden<br />

Stundenschläge ihrer Uhren zu uns herabrollen.<br />

Dieser Vorort, wo ich bin, nicht weit vom See, ist<br />

noch immer recht ländlich, auch wenn es viele Neubauten<br />

gibt. Die Abendzeitung kommt kaum vor<br />

sechs Uhr, und sie wird zuerst von den Frauen gelesen,<br />

da sind die Männer noch nicht von der Arbeit<br />

zurück. 36 Grad im Schatten heute Abend, trotzdem<br />

nicht das geringste Anzeichen eines Gewitters, nicht<br />

eine dieser dicken, weißen, schäfchenhaften oder glatten,<br />

keine dieser schieferigen oder schwarzen Wolken,<br />

und auch nicht diese Schwere der Luft, die das<br />

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