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faktor Sommer 2023

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mensch<br />

Zu trocken, zu viele Paragrafen,<br />

zu viel Auswendiglernen: Während<br />

ihrer Schulzeit auf dem<br />

Gymnasium in Osterode fand<br />

Angela Schwerdtfeger das Fach<br />

Jura wenig attraktiv. Dabei war<br />

sie familiär ,vorbelastet‘. Ihr<br />

Onkel Gunther Schwerdtfeger<br />

war Jura-Professor in Hannover<br />

und Verfasser eines ,Klassikers‘ für angehende Juristen.<br />

Als bei einer Familienfeier erwähnt wurde, dass die<br />

Abi-Zeitung ihres Bruders zensiert werden sollte, erläuterte<br />

der Onkel, dass dies rechtswidrig wäre – Zensur ist<br />

hierzulande verboten. „Anhand dieses Beispiels hat er<br />

mir verdeutlicht, dass Jura überall im Alltag eine Rolle<br />

spielt“, erzählt Schwerdtfeger.<br />

Später besuchte sie probeweise an der Universität Göttingen<br />

einige Vorlesungen in Psychologie und Rechtswissenschaft<br />

– und fand Jura viel spannender: „Das war<br />

klar strukturiert, das machte alles Sinn.“ Damit war die<br />

Entscheidung gefallen, und diese hat sie bis heute nicht<br />

bereut: „Ich möchte nichts anderes machen.“<br />

Ihr Studium absolvierte sie in Trier. „Ich wollte nach<br />

dem Abitur erstmal weit weg“, erzählt sie. Außerdem<br />

war Trier eine der wenigen Unis in Deutschland, an denen<br />

man eine fachspezifische Fremdsprachenausbildung<br />

unter anderem in angloamerikanischem Recht absolvieren<br />

konnte. Schwerdtfeger war nicht nur vom Studienangebot,<br />

sondern auch von der Stadt und der Landschaft<br />

begeistert: „Ich habe mich sofort in Trier verliebt“, sagt<br />

sie schwärmend. Während eines Auslandssemesters an<br />

der Universität Lyon verschaffte sie sich nähere Einblicke<br />

in die französische Rechtsordnung. Die Juristin<br />

findet es wichtig, über den Tellerrand zu schauen: „Ein<br />

Perspektivwechsel hilft, einen anderen Blick auf das eigene<br />

Rechtssystem zu bekommen und größere Zusammenhänge<br />

zu erkennen.“<br />

» Alles, nur nicht Jura.«<br />

NACH DEM ERSTEN JURISTISCHEN STAATSEXAMEN<br />

arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der<br />

Trierer Uni. Für ihre Doktorarbeit wählte sie ein Thema,<br />

das Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht<br />

verbindet. „Mich interessieren die Schnittstellen zwischen<br />

verschiedenen Rechtsebenen“, erklärt Schwerdtfeger.<br />

Nachdem sie ihre Promotion, das Referendariat<br />

und das Zweite Staatsexamen erfolgreich abgeschlossen<br />

hatte und 2017 an der Humboldt-Universität habilitiert<br />

worden war, stand sie 2019 vor einer schweren Entscheidung:<br />

Erst erhielt sie einen Ruf an die Georgia Augusta,<br />

kurz darauf einen Ruf an die Universität Trier. Am Ende<br />

entschied sie sich für Göttingen. „Die juristische Fakultät<br />

hat einen sehr guten Ruf“, sagt sie. Daneben gab es<br />

auch einen privaten Grund: Ihr Lebenspartner Thomas<br />

Kleinlein war ein Jahr zuvor auf den Lehrstuhl für Öffentliches<br />

Recht, Völkerrecht, Europarecht und Rechtsvergleichung<br />

an der Universität Jena berufen worden –<br />

und Göttingen liegt deutlich näher an Jena.<br />

Seit März 2020 ist Angela Schwerdtfeger als Professorin<br />

für Öffentliches Recht insbesondere Verwaltungsrecht<br />

an der Universität Göttingen tätig. Dass sie jetzt an<br />

der Georgia Augusta forschen und lehren darf, empfindet<br />

sie als großes Glück. Auch ihr Mann arbeitet inzwischen<br />

in Göttingen und forscht zusätzlich zu seiner Professur<br />

in Jena als Gastwissenschaftler am Institut für<br />

Völkerrecht und Europarecht, das in der 13. Etage des<br />

,Blauen Turms‘ angesiedelt ist. Angela Schwerdtfegers<br />

Büro befindet sich weiter unten im zweiten Stock. „Er<br />

hat den besseren Ausblick“, erzählt sie lachend.<br />

Der Standort passt indes zu ihrem Selbstverständnis:<br />

Angela Schwerdtfeger will keine Forschung im Elfenbeinturm<br />

betreiben, sondern ihre juristische Expertise<br />

auch in die Zivilgesellschaft einbringen, um gemeinsam<br />

mit anderen Disziplinen und Akteuren aktuelle Probleme<br />

zu beleuchten und Lösungsansätze zu entwickeln –<br />

zum Beispiel zu den Themen Klima- und Umweltschutz.<br />

„Ich fand Umweltrecht schon immer spannend“, sagt die<br />

Juristin. Das hat auch mit ihrem Vater, dem kürzlich verstorbenen<br />

Tierforscher Ortwin Schwerdtfeger, zu tun.<br />

Dieser hatte bei seinem Langzeitprojekt zur Erforschung<br />

des Rauhfußkauzes häufig seine Tochter mit in den Harz<br />

genommen: „Ich war als Kind viel im Wald, das hat<br />

mich geprägt.“<br />

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