faktor Sommer 2023
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mensch<br />
wird“, sagt sie schmunzelnd. Doch wenn Kienle sich etwas<br />
in den Kopf setzt, dann scheint es ziemlich aussichtslos,<br />
sich dem zu verwehren. Es wurde ein Projektteam<br />
von 15 Mitarbeitenden gebildet und „dann haben wir<br />
einfach mal den ganzen Elefanten ,Industrie 4.0‘ filetiert“.<br />
Nicht alles, was an Ideen im Umlauf war, war für den<br />
globalen Saatproduzenten von Relevanz. Aber einiges<br />
dann doch. Zunehmend wurden digitale Tools für die<br />
Kunden, aber auch für die Züchtungsprozesse eingeführt,<br />
die beispielsweise dabei helfen, das Pflanzenwachstum<br />
intensiv zu überwachen und Rückschlüsse auf<br />
Erntezeitpunkt oder Düngerapplikation zu ziehen. Ebenso<br />
wurden neue Kommunikationskanäle eingeführt. Seit<br />
2021 gibt es für Landwirtschaftsinteressierte unter anderem<br />
den KWS-Podcast ‚World of Farming‘.<br />
VON DEM FOKUS auf das Thema Digitalisierung profitierte<br />
KWS auch während der Corona-Pandemie. So<br />
konnten die Mitarbeitenden, wo die Tätigkeit dies ermöglichte,<br />
ziemlich unkompliziert ins Homeoffice wechseln.<br />
Eva Kienle aber vermisste den Kontakt zu den<br />
Menschen im Unternehmen. So ging sie wieder ins Büro,<br />
sobald es die Gesetze zuließen. „Für mich ist es auch<br />
eine Form der Solidarität“, sagt sie. Solidarität mit den<br />
Mitarbeitenden aus Forschung, Züchtung und Produktion,<br />
die sich zum Beispiel tagtäglich um die Pflanzen<br />
kümmern und eben deswegen nicht von zu Hause arbeiten<br />
können. Leere Flure und Büroräume. „Das macht<br />
etwas“, sagt Kienle. Und meint damit nichts Positives.<br />
Mit manchen Ansichten sei sie heutzutage einfach ein<br />
Dinosaurier. Ob es um die Gemeinschaft im Unternehmen<br />
geht oder um Zoom-Meetings, bei denen manche<br />
nach einigen Minuten die Kameras ausschalten und sich<br />
hinter schwarzen Bildschirmen versteckten. „Das ist, als<br />
würden Sie sich bei einem Präsenztermin plötzlich unter<br />
den Konferenztisch setzen und erklärten, Sie wären trotzdem<br />
voll dabei“, sagt Kienle.<br />
Was auf den ersten Blick witzig erscheint, zeigt jedoch<br />
deutlich, wie Digitalisierung neben allen Vorteilen auch<br />
zum Verlust von sozialer Gemeinschaft führen kann.<br />
Daher hat sich das Unternehmen für die Zeit nach der<br />
Pandemie für eine Mischung aus Arbeitstagen im Büro<br />
und persönlichen Meetings und der Möglichkeit für Remote-Arbeiten<br />
entschieden.<br />
AUCH WENN SIE SELBST NIE an ihrer Zugkraft und ihrem<br />
Karrie reweg zweifelte, neben der gesunden Portion<br />
Selbst bewusstsein zeigt Kienle auch Demut vor ihrem<br />
Erfolg. „Am Anfang braucht man wirklich Fürsprecher.<br />
Wenn man alleine versucht, gegen Widerstände anzugehen,<br />
wird es schwierig“, sagt sie und bezieht sich dabei<br />
auf ihre erste Führungsposition bei Unilever in der<br />
Schweiz. Damals war sie 28 Jahre alt, als der technische<br />
Direktor ihr die Leitung der Administration eines Produktionswerkes<br />
übertrug und wenig später auch die<br />
dortige Personalverantwortung. Eine, gerade für die damalige<br />
Zeit, sehr ungewöhnliche Entscheidung und ein<br />
ungeheures Vertrauen, welches ihr entgegengebracht<br />
wurde. Dies spricht nicht nur aus heutiger Sicht sehr für<br />
eine bereits damals sehr selbstbewusste junge Frau, die<br />
um ihren Wert und ihre Kompetenz weiß – und die sich<br />
als Frau im Business nicht infrage stellt.<br />
LETZTLICH ÜBERZEUGT SIE HEUTE BEI KWS in einem<br />
Unternehmen, das von familiären Werten geleitet wird.<br />
Nicht als Quotenfrau, sondern eben mit ihrer Kompetenz.<br />
Dass sie als Frau nicht die gleichen Chancen haben<br />
soll wie die Männer, war für die dreifache Mutter nie ein<br />
Thema. Bereits nach der Geburt des ersten ihrer drei<br />
Söhne ging sie nach einigen Wochen wieder in ihren Beruf.<br />
Ihr Mann, ein Jurist und selbstständiger Unternehmer,<br />
blieb zu Hause und nahm ,Elternzeit‘, die es damals<br />
noch nicht als solche gab. Bis heute ist ihr Mann eine<br />
wichtige Stütze der Familie und zumeist der Part, der auf<br />
Elternabende ging. Kienle ist glücklich darüber, dass dieses<br />
Modell für die Familie seit vielen Jahren so gut passt.<br />
Sie darf Mutter sein und gleichzeitig ihren persönlichen<br />
Erfolgsweg gehen.<br />
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