OSE MONT Schwalmtals Gemeindejournal Ausgabe Juni-Juli 2023
Hier können Sie unser Schwalmtaler Magazin für die Region Schwalmtal/Niederkrüchten auch online lesen. Anregungen und Infos zu Terminen, Veranstaltungen etc. können Sie uns gerne per E-Mail schreiben. Die Kontaktdaten finden Sie im Impressum auf Seite 31.
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WARUM DIE APOTHEKER STREIKTEN<br />
(bigi) Seit zehn Jahren erhalten Apotheken<br />
die gleiche Vergütung für das Herausgeben<br />
von Medikamenten. Immer<br />
mehr Apotheken schließen, auch weil<br />
sie sich durch Onlineapotheken, die aus<br />
den benachbarten Niederlanden Handel<br />
treiben, in ihrer Existenz gefährdet<br />
sehen. Das heißt, immer weniger Apotheken<br />
kümmern sich vor Ort um das<br />
Wohl der Menschen, die hier leben, leisten<br />
Notdienste und beraten kompetent<br />
und vor allem persönlich, weil sie ihre<br />
Kunden gut kennen. Und das alles mit<br />
Lieferengpässen bei den Medikamenten,<br />
mit Abrechnungsschwierigkeiten mit den<br />
Krankenkassen und einem enormen Aufwand<br />
an Bürokratismus. Jetzt reichte es<br />
den Apothekern, bundesweit wurde am<br />
14. <strong>Juni</strong> gestreikt. Gefordert wird nun eine<br />
Anpassung der Honorare und weniger<br />
Bürokratismus.<br />
In einer Beziehung würde man sagen „es<br />
ist kompliziert“. Apotheker bekommen<br />
von den Krankenkassen Geld, aber ….<br />
Der Ablauf ist dann wie folgt: Apotheken<br />
kaufen Medikamente zum Einkaufspreis<br />
ein. Darauf gibt es dann die Aufschläge<br />
für die Apotheker, plus Mehrwertsteuer,<br />
so entsteht der Verkaufspreis. Die Bundesvereinigung<br />
Deutscher Apothekerverbände<br />
hat Berechnungsbeispiele auf<br />
ihrer Internetseite veröffentlicht. „Seit<br />
über zehn Jahren erhalten wir einen festen<br />
Apothekenaufschlag von 8,35 Euro<br />
für ein Medikament, plus drei Prozent<br />
vom Einkaufspreis“, so Apothekerin Kornelia<br />
Steeger. Sie betreibt in Schwalmtal<br />
und Niederkrüchten insgesamt vier Apotheken<br />
mit 60 Mitarbeitern. Stellt etwa ein<br />
Arzt ein Rezept ohne Dosierungshinweis<br />
aus, gilt das bei der Abrechnung als Formfehler.<br />
Fehlt etwa eine Unterschrift, ist<br />
das ein Formfehler, wird also nicht erstattet.<br />
Wird ein Medikament verschrieben,<br />
das nicht lieferbar ist, gibt es verschiedene<br />
erlaubte Ersatzmedikamente. Würde<br />
man andere, lieferbare, Medikamente herausgeben,<br />
führt das in der Abrechnung<br />
wieder zu Problemen und zur Streichung<br />
der Erstattung für den Apotheker.<br />
„Wir bekommen ein Rezept, müssen die<br />
entsprechende Krankenkasse eingeben,<br />
erhalten dann eventuell einen Hinweis<br />
auf einen Rabattartikel. Nur den darf ich<br />
rausgeben, wenn die Kasse solche Rabattverträge<br />
vereinbart hat. Halte ich<br />
den Rabatt nicht ein, wird die Erstattung<br />
der Kosten auf Null gesetzt. Also auch,<br />
wenn ich ein anderes Medikament herausgebe,<br />
weil die erlaubten nicht verfügbar<br />
sind“, beschreibt Kornelia Steeger.<br />
Vorgänge von vor über einem Jahr müssen<br />
bei Abrechnungsproblemen geprüft<br />
und nachvollzogen werden. Anstatt sich<br />
um die Kunden kümmern zu können,<br />
verbringen die Mitarbeiter viel Zeit mit<br />
Recherche, wo man ein Medikament bekommt,<br />
mit Rückfragen bei den Ärzten<br />
zu einem Rezept und langen Wartezeiten<br />
in der Telefonschlange der Arztpraxis sowie<br />
mit der Suche nach Informationen zu<br />
Rabattartikeln. „Man schmeißt uns Knüppel<br />
zwischen die Beine. Wir ersparen den<br />
Krankenkassen Geld, aber die Kassen sind<br />
oft nicht kooperativ“, beklagt Steeger.<br />
Einige Beispiele: Versorgungszeiträume<br />
für die <strong>Ausgabe</strong> von Pflegemitteln werden<br />
umgestellt, ohne dass die Apotheke<br />
davon weiß, der Kunde benötigt aber<br />
solche Mittel. Ein Diabetiker bekommt<br />
seit langer Zeit immer wieder das gleiche<br />
Medikament, vergisst der Arzt mal bei einem<br />
Rezept die Diagnose, wird das Medikament<br />
der Apotheke nicht erstattet. „Wir<br />
haben das Gefühl, man sieht uns nicht.<br />
Da fehlt einfach die Wertschätzung für all<br />
den Arbeitsaufwand. In der Coronazeit<br />
standen wir in vorderster Front, haben organisiert,<br />
geregelt, Auflagen umgesetzt<br />
und wenn ich dann einen Günther Jauch<br />
sehe, der im Fernsehen für eine online-<br />
Apotheke wirbt, die hier noch nicht mal<br />
Steuern zahlen, dann könnte ich durch<br />
den Fernseher springen“, sagt Kornelia<br />
Steeger erbost. „Wir möchten kein Danke<br />
für all das hören, aber Wertschätzung erfahren.<br />
Kranke Leute kommen zu uns, wir<br />
haben uns von heute auf morgen immer<br />
um alles gekümmert und haben auch bei<br />
Quarantäne Medikamente zu den Leuten<br />
gebracht. Warum wurden Apotheken<br />
nicht mit einem Corona-Bonus bedacht?“,<br />
möchte die Mitarbeiterin Zhanneta Bredschneider<br />
wissen.<br />
Vor allem regt Kornelia Steeger und auch<br />
die Mitarbeiter auf, dass jetzt behauptet<br />
wird, die Apotheken hätten zu viel verdient.<br />
Alle Mitarbeiter sind verärgert, der<br />
Bürokratismus nimmt kein Ende, kostet<br />
sehr viel kostbare Zeit. „Würde ich nicht<br />
über Tarif bezahlen, dann hätte ich auch<br />
keine Mitarbeiter mehr. Unter den Umständen<br />
will doch keiner mehr in einer<br />
Apotheke arbeiten und uns fehlt Personal.<br />
Man denkt, die lassen sich immer<br />
wieder etwas einfallen, um uns etwas bei<br />
der Abrechnung streichen zu können.<br />
Die Krankenkassen haben Firmen, die<br />
nichts anderes machen als zu prüfen, wo<br />
eventuell ein Fehler in einer Abrechnung<br />
ist. Das ist ein Riesenaufwand, wir müssen<br />
Einspruch einlegen und warten, was<br />
dann als Antwort kommt“, teilt Kornelia<br />
Steeger mit. Hier entstünde der Eindruck,<br />
dass Apotheken kaputtgespart werden<br />
und darum würden sich auch so viele Kollegen<br />
dem Streik und der Demonstration<br />
in Düsseldorf anschließen.<br />
Foto: Birgit Sroka<br />
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