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Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 138 (2022) (Leseprobe)

Das seit 1880 kontinuierlich herausgegebene Jahrbuch ist zentrales Forum für Fragen der Geschichte des Protestantismus in Österreich und der Habsburgermonarchie. Der vorliegende 138. Band versammelt Beiträge zu den ›Erweckungsbewegungen‹ des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Sie widmen sich den Netzwerken der ›Erweckten‹ und ihren Kontakten nach Österreich, den Einflüssen der Basler Mission sowie den Anfängen der methodistischen Bewegung und nehmen mit Martin Boos und Ferdinand Carl Kühne zwei Protagonisten der oberösterreichischen ›Erweckungsbewegungen‹ in den Blick. Mit den Tagebuchaufzeichnungen der oberösterreichischen Pfarrerswitwe Julie Blank wird ein eindrückliches Zeugnis ›erweckter‹ Frömmigkeit präsentiert.

Das seit 1880 kontinuierlich herausgegebene Jahrbuch ist zentrales Forum für Fragen der Geschichte des Protestantismus in Österreich und der Habsburgermonarchie. Der vorliegende 138. Band versammelt Beiträge zu den ›Erweckungsbewegungen‹ des 19. Jahrhunderts vornehmlich auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Sie widmen sich den Netzwerken der ›Erweckten‹ und ihren Kontakten nach Österreich, den Einflüssen der Basler Mission sowie den Anfängen der methodistischen Bewegung und nehmen mit Martin Boos und Ferdinand Carl Kühne zwei Protagonisten der oberösterreichischen ›Erweckungsbewegungen‹ in den Blick. Mit den Tagebuchaufzeichnungen der oberösterreichischen Pfarrerswitwe Julie Blank wird ein eindrückliches Zeugnis ›erweckter‹ Frömmigkeit präsentiert.

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<strong>Jahrbuch</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

<strong>138</strong> (<strong>2022</strong>)


VORWORT<br />

Der vorliegende Band widmet sich den ›Erweckungsbewegungen‹ <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

vornehmlich auf dem Gebiet <strong>des</strong> heutigen <strong>Österreich</strong>. Neben den transnationalen<br />

und transkonfessionellen Netzwerken der ›Erweckten‹ und ihren Kontakten<br />

nach <strong>Österreich</strong> wird den E<strong>in</strong>flüssen der Basler Mission auf <strong>Österreich</strong> und den<br />

Anfängen der methodistischen Bewegung <strong>in</strong> Wien und <strong>Österreich</strong>-Ungarn nachgegangen.<br />

Mit Mart<strong>in</strong> Boos und Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne werden zwei Protagonisten<br />

der oberösterreichischen ›Erweckungsbewegungen‹ <strong>in</strong> den Blick genommen, mit<br />

den Tagebuchaufzeichnungen der oberösterreichischen Pfarrerswitwe Julie Blank<br />

wird e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>drückliches Zeugnis ›erweckter‹ Frömmigkeit präsentiert.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Aufsatz beschäftigt sich mit dem Geheimprotestantismus <strong>in</strong> Niederösterreich<br />

<strong>in</strong> der ersten Hälfte <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts, <strong>die</strong> nachstehende Bibliographie<br />

versammelt Publikationen zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Kärnten.<br />

Für <strong>die</strong> große Hilfe bei den Korrekturarbeiten sei Pia Schachner ganz herzlich gedankt.<br />

Im Namen <strong>des</strong> Vorstan<strong>des</strong><br />

Astrid Schweighofer<br />

5


INHALTSVERZEICHNIS<br />

SCHWERPUNKT: ERWECKUNGSBEWEGUNG<br />

Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke im Umfeld von<br />

Pietismus, Erweckungsbewegung und Freikirchen im ausgehenden 18. und<br />

im 19. Jahrhundert und ihre Verb<strong>in</strong>dungen nach <strong>Österreich</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e Spurensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

»Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder und hätte verzweifeln müssen«.<br />

E<strong>in</strong>flüsse auf Theologie und Frömmigkeit <strong>des</strong> katholischen<br />

Priesters Mart<strong>in</strong> Boos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

Leonhard Jungwirth/Reg<strong>in</strong>e Jungwirth<br />

›Erweckliche‹ Frömmigkeit.<br />

E<strong>in</strong>e mentalitäts- und kulturgeschichtliche Stu<strong>die</strong> zu den evangelischen<br />

Erweckungsbewegungen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> am Beispiel <strong>des</strong> Eferd<strong>in</strong>ger Pfarrers<br />

Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Désirée Prammer<br />

Vom Glauben an e<strong>in</strong>en universellen Wert der Menschenseele<br />

unter den Basler Pietisten.<br />

Der E<strong>in</strong>fluss der Basler Mission auf <strong>die</strong> österreichische<br />

Erweckungsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175<br />

Esther Handsch<strong>in</strong><br />

Die Anfänge der Methodisten <strong>in</strong> Wien und <strong>Österreich</strong>-Ungarn ab 1870 . . 199<br />

Günter Merz<br />

Das Tagebuch der Julie Blank.<br />

E<strong>in</strong> Zeugnis aus der Erweckungsbewegung <strong>in</strong> Oberösterreich . . . . . . . . 223<br />

WEITERE AUFSÄTZE<br />

Herbert Krückel<br />

Geheimprotestantismus im Amt Lunz der Herrschaft Gleiss<br />

(1730er und 1740er Jahre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

7


Inhaltsverzeichnis<br />

BIBLIOGRAPHIEN<br />

Karl W. Schwarz<br />

Bibliographie zum <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Kärnten . . . . . . . . . . . . . . . . 269<br />

REZENSIONEN<br />

Ralph Andraschek-Holzer<br />

Karl-Re<strong>in</strong>hart Trauner, Evangelische <strong>in</strong> Streitkräften und Gesellschaft.<br />

E<strong>in</strong>e Kulturgeschichte von der Habsburger-Herrschaft bis zur Demokratie<br />

(Wien 2020, Evangelischer Presseverband) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297<br />

Leonhard Jungwirth<br />

Gergely Csukás, Topographie <strong>des</strong> Reiches Gottes.<br />

Die »Sammlung auserlesener Materien zum Bau <strong>des</strong> Reiches Gottes« und<br />

ihre Fortsetzungsserien (Arbeiten zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus 66,<br />

Gött<strong>in</strong>gen 2020, Vandenhoeck & Ruprecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299<br />

Günter Merz<br />

Ulrich Gäbler, Aufbrüche. Ausgewählte Aufsätze zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong><br />

europäischen und amerikanischen <strong>Protestantismus</strong>. Zum 80. Geburtstag hg.<br />

von Thomas K. Kuhn und Mart<strong>in</strong> Sallmann (Leipzig <strong>2022</strong>, Evangelische<br />

Verlagsanstalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

Bertrand Perz<br />

Michael Bünker, Dietl<strong>in</strong>d Pichler (Hg.), Evangelische Pfarrer im<br />

KZ Mauthausen (Wien <strong>2022</strong>, Evangelischer Presseverband). . . . . . . . . 307<br />

Karl W. Schwarz<br />

Christoph Th. Beck (Hg.), Rosendorf. Erweckung und Widerstand <strong>in</strong> der<br />

Böhmischen Schweiz. Conrad August Becks Korrespondenz 1864–1876<br />

(Beiheft von Unitas Fratrum 35, Herrnhut 2021, Herrnhuter Verlag) . . . 311<br />

Karl W. Schwarz<br />

Johann Kvacsala, Johann Amos Comenius. Se<strong>in</strong> Leben und se<strong>in</strong>e Schriften.<br />

(2.) Neudruck der Ausgabe Leipzig 1892. Mit e<strong>in</strong>em Vorwort von<br />

Uwe Voigt (Melle 2017, Verlag Jürgen Wagener) . . . . . . . . . . . . . . . 315<br />

8


Inhaltsverzeichnis<br />

Karl-Re<strong>in</strong>hart Trauner<br />

Siegfried Kröpfel, <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> Wien am Beispiel der Totenbeschauprotokolle<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts (<strong>Österreich</strong>ische Gesellschaft zur<br />

Erforschung <strong>des</strong> Achtzehnten Jahrhunderts. Schriftenreihe der<br />

<strong>Österreich</strong>ischen Gesellschaft zur Erforschung <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts 21,<br />

Wien–Köln 2021, Böhlau Verlag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Karl-Re<strong>in</strong>hart Trauner<br />

Stephan Ste<strong>in</strong>er, »Das Reich Gottes hier <strong>in</strong> Wien«. Evangelisches Leben<br />

<strong>in</strong> der Reichshauptstadt während der Regierungsjahre Kaiser Karls VI.<br />

(Mitteilungen <strong>des</strong> Instituts <strong>für</strong> <strong>Österreich</strong>ische Geschichtsforschung,<br />

Ergänzungsband 65, Wien–Köln–Weimar 2021, Böhlau Verlag) . . . . . . 321<br />

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325<br />

Mitarbeiter:<strong>in</strong>nenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327<br />

9


SCHWERPUNKT: ERWECKUNGSBEWEGUNG


TRANSKONFESSIONELLE UND TRANSNATIONALE<br />

NETZWERKE IM UMFELD VON PIETISMUS, ERWECKUNGS-<br />

BEWEGUNG UND FREIKIRCHEN IM AUSGEHENDEN<br />

18. UND IM 19. JAHRHUNDERT UND IHRE<br />

VERBINDUNGEN NACH ÖSTERREICH<br />

E<strong>in</strong>e Spurensuche<br />

Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

Wer sich mit der europäischen und nordamerikanischen Christentumsgeschichte<br />

im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert ause<strong>in</strong>andersetzt, wird im Umfeld von<br />

Pietismus, Erweckungsbewegung und aufkommenden Freikirchen e<strong>in</strong>e durchaus<br />

bemerkenswerte sowohl transkonfessionelle als auch transnationale Dynamik beobachten<br />

können. Der folgende Beitrag untersucht <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungen <strong>die</strong>ser Netzwerke<br />

mit <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en heutigen Grenzen. Hierzu werden drei Wirkungsfelder<br />

näher betrachtet: das Netzwerk im Kontext der Glaubensausbreitung und<br />

Glaubensvertiefung, das Netzwerk im Kontext von ›Judenmission‹ sowie das Netzwerk<br />

im Kontext der ›Heidenmission‹. Wie gezeigt werden wird, können <strong>die</strong>se drei<br />

Kontexte jedoch ke<strong>in</strong>eswegs losgelöst vone<strong>in</strong>ander verstanden werden, vielmehr<br />

gab es zwischen ihnen wiederum e<strong>in</strong> erstaunliches wechselseitiges Beziehungs- und<br />

Wirkungsgeflecht.<br />

I. Begriffliche Klärungen<br />

In der Pietismusforschung wird seit längerem diskutiert, wie eng oder weit der<br />

Begriff ›Pietismus‹ verstanden werden soll. In der durchaus kontrovers geführten<br />

Diskussion geht es zentral um <strong>die</strong> Frage, ob es sich beim ›Pietismus‹ um e<strong>in</strong>en<br />

engeren Epochenbegriff – so der Kirchenhistoriker Johannes Wallmann – oder<br />

um e<strong>in</strong>en typologisch zu verstehenden Begriff handelt. 1 Vor allem Forscher<strong>in</strong>nen<br />

1<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle kann nur auf <strong>die</strong> wissenschaftliche Diskussion und e<strong>in</strong>schlägige Literatur verwiesen<br />

werden: Mart<strong>in</strong> Brecht, E<strong>in</strong>leitung, <strong>in</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus, Bd. 1: Der Pietismus<br />

vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert, hg. von Dems. (Gött<strong>in</strong>gen 1993)<br />

1–10; Johannes Wallmann, Pietismusforschung. Gesamt- und übergreifende Darstellungen<br />

und Aufsatzbände. ThR 76 (2011) 222–254, 296–322 [<strong>die</strong>ser Beitrag fasst Wallmanns Position<br />

treffend zusammen]; Hartmut Lehmann, Pietism <strong>in</strong> the World of Transatlantic Religious<br />

Revivals, <strong>in</strong>: Religiöse Erweckung <strong>in</strong> gottferner Zeit. Stu<strong>die</strong>n zur Pietismusforschung, hg. von<br />

Dems. (Gött<strong>in</strong>gen 2010) 21–30; Ders., Die Bedeutung <strong>des</strong> Pietismus <strong>für</strong> <strong>die</strong> neueste Kirchengeschichte<br />

im <strong>in</strong>ternationalen Kontext, <strong>in</strong>: Ders. (Hg.), Religiöse Erweckung (wie Anm. 1)<br />

133 –143; Ders., Pietism Research at a Crossroad, <strong>in</strong>: Ders. (Hg.), Religiöse Erweckung (wie<br />

13


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

und Forscher, <strong>die</strong> den <strong>in</strong>ternationalen Kontext e<strong>in</strong>beziehen, treten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verwendung<br />

e<strong>in</strong>es weiteren Pietismusbegriffes e<strong>in</strong>, der <strong>die</strong> Phase <strong>des</strong> klassischen Pietismus<br />

Philipp Jakob Speners und August Hermann Franckes im 17. und frühen 18. Jahrhundert<br />

genauso umfasst wie <strong>die</strong> Erweckungsbewegungen <strong>des</strong> späten 18. und <strong>des</strong><br />

19. Jahrhunderts, <strong>die</strong> Heiligungsbewegung <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts wie auch den Neupietismus<br />

und <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsbewegung <strong>des</strong> 19. und 20. Jahrhunderts. Diesem<br />

Aufsatz liegt <strong>die</strong>ses erweiterte, typologische Verständnis von ›Pietismus‹ zugrunde.<br />

Auch der Begriff ›Erweckungsbewegung‹ wird <strong>in</strong> der Wissenschaft neuerlich<br />

diskutiert. 2 Da e<strong>in</strong> differenziertes Verständnis <strong>des</strong> Begriffes zentral <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e angemessene<br />

E<strong>in</strong>ordnung <strong>die</strong>ses Beitrags ist, soll der Verlauf der wissenschaftlichen<br />

Diskussion an <strong>die</strong>ser Stelle zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t zusammenfassend dargestellt werden. Traditionell<br />

wurde <strong>die</strong> ›Erweckungsbewegung‹ als e<strong>in</strong>e kritische Erneuerungsbewegung<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> verstanden, <strong>die</strong> vom Pietismus früherer Tage und<br />

der Geme<strong>in</strong>schaftsbewegung <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts zu unterscheiden<br />

und als e<strong>in</strong>e mehr oder m<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>heitliche Erweckungsbewegung <strong>in</strong><br />

Nordamerika, England, Schottland, Skand<strong>in</strong>avien und Westeuropa zu verstehen<br />

sei. 3 Diese sei zudem von e<strong>in</strong>em antiaufklärerischen Motiv und e<strong>in</strong>er antiaufklärerischen<br />

Grundhaltung durchzogen. An <strong>die</strong>sem Aspekt setzte der Kirchenhistoriker<br />

Ulrich Gäbler mit se<strong>in</strong>en Beiträgen an und gelangte zum Schluss, dass von<br />

der mitteleuropäischen Forschung e<strong>in</strong> »zu undifferenziertes Bild der Aufklärung<br />

vorgetragen und <strong>in</strong>sbesondere der Gegensatz zwischen ›der‹ Erweckung und ›der‹<br />

Anm. 1) 144–153; Ders., Aufgaben der Pietismusforschung im 21. Jahrhundert, <strong>in</strong>: Transformation<br />

der Religion <strong>in</strong> der Neuzeit. Beispiele aus der <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong>, hg.<br />

von Dems. (Gött<strong>in</strong>gen 2007) 104–119; Ders., Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen<br />

im Pietismus, <strong>in</strong>: Ders. (Hg.), Transformation der Religion (wie Anm. 1) 120–127; Ders., Zur<br />

Charakterisierung der entschiedenen Christen im Zeitalter der Säkularisierung, <strong>in</strong>: Ders.<br />

(Hg.), Transformation der Religion (wie Anm. 1) 128–143; Ders., Erledigte und nicht erledigte<br />

Aufgaben der Pietismusforschung. E<strong>in</strong>e nochmalige Antwort an Johannes Wallmann.<br />

PuN 31 (2005) 13–20; Ders., Four Compet<strong>in</strong>g Concepts for the Study of Religious Reform<br />

Movements, Includ<strong>in</strong>g Pietism, <strong>in</strong> Early Modern Europe and North America, <strong>in</strong>: Confessionalism<br />

and Pietism. Religious Reform <strong>in</strong> Early Modern Europe, hg. von Fred van Lieburg<br />

(Ma<strong>in</strong>z 2006) 313–322; Ders., Wege der niederländischen Pietismusforschung. Traditionsaneignung,<br />

Identitätspolitik und Er<strong>in</strong>nerungskultur. PuN 37 (2012) 211–253; Ders.,<br />

Conceptualiz<strong>in</strong>g Religious Reform Movements <strong>in</strong> Early Modern Europe, <strong>in</strong>: Ders. (Hg.),<br />

Confessionalism and Pietism (wie Anm. 1) 1–9; Hartmut Lehmann, Perspektiven <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Pietismusforschung. ThR 77 (2012) 226–240.<br />

2<br />

E<strong>in</strong>en guten Forschungsüberblick bieten: Karsten Ernst, Auferstehungsmorgen. He<strong>in</strong>rich A.<br />

Chr. Hävernick. Erweckung zwischen Reformation, Reaktion und Revolution (Gießen 1997)<br />

1–39; Gustav A. Benrath, Die Erweckung <strong>in</strong>nerhalb der deutschen Lan<strong>des</strong>kirchen 1815–1988.<br />

E<strong>in</strong> Überblick, <strong>in</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus, Bd. 3, hg. von Ulrich Gäbler (Gött<strong>in</strong>gen 2000)<br />

150–156; Andrew A. Kloes, The ›Awaken<strong>in</strong>g movement‹ <strong>in</strong> early n<strong>in</strong>eteenth-century Germany.<br />

The mak<strong>in</strong>g of a modern and orthodox Protestantism (Diss. University Ed<strong>in</strong>burgh 2015) 13–35.<br />

3<br />

Vgl. hierzu Erich Beyreuther, Die Erweckungsbewegung (KIG Bd. 4, R 1, Gött<strong>in</strong>gen 1963);<br />

Mart<strong>in</strong> Schmidt, Erweckungsbewegung. EKL 1 1 (1956) 1135–1144; Walter Wendland. Erweckungsbewegung<br />

im 19. Jhd. RGG2 2 (1928) 299–304; Ludwig Tiesmeyer. Die Erweckungsbewegung<br />

<strong>in</strong> Deutschland während <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, Bd. 1–4 (Kassel 1903–1910).<br />

14


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

Aufklärung über Gebühr betont« 4 worden sei. Gäbler sieht den Begriff ›Erweckungsbewegung‹<br />

statt<strong>des</strong>sen als e<strong>in</strong>e »historiographische Notlösung« und fordert<br />

auf, ›Erweckungsbewegung‹ als »Sammelbezeichnung <strong>für</strong> Erneuerungsbemühungen«<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> gesamten <strong>Protestantismus</strong> <strong>des</strong> 18. und 19. Jahrhunderts zu<br />

verstehen. 5 In se<strong>in</strong>en Bemühungen um e<strong>in</strong>en Neuansatz identifiziert Gäbler fünf<br />

charakteristische Kennzeichen der ›Erweckungsbewegung‹, <strong>die</strong> sowohl <strong>in</strong> Europa<br />

als auch <strong>in</strong> Nordamerika <strong>die</strong> ›Erweckungsbewegung‹ theologisch kennzeichnen:<br />

e<strong>in</strong> »prophetisches Motiv«, das e<strong>in</strong>e »Zeitanalyse« mit der »Heilsgeschichte« <strong>in</strong> Beziehung<br />

setze, e<strong>in</strong> »chiliastisches Motiv« (entweder <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Prämillennialismus<br />

oder <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Postmillennialismus), e<strong>in</strong> »universalistisches Motiv«, e<strong>in</strong><br />

»<strong>in</strong>dividualistisches Motiv« sowie e<strong>in</strong> »soziatives Motiv«. 6 Der Historiker Hartmut<br />

Lehmann weist darüber h<strong>in</strong>ausgehend zu Recht auf <strong>die</strong> Wechselwirkung und Interdependenzen<br />

zwischen aufkommender Säkularisierung und der Erweckungsbewegung<br />

h<strong>in</strong> 7 und tritt da<strong>für</strong> e<strong>in</strong>, auch ›Erweckung‹ ähnlich wie ›Pietismus‹ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

typologischen S<strong>in</strong>n zu fassen. 8<br />

Dieser typologische Ansatz wird auch <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Beitrag aufgenommen. ›Erweckungsbewegung‹<br />

stellt somit e<strong>in</strong> transnationales, <strong>in</strong> weiten Teilen auch transkonfessionelles<br />

Phänomen 9 dar, das <strong>in</strong> der Interdependenz mit der Aufklärung<br />

4<br />

Ulrich Gäbler, »Erweckung« – Historische E<strong>in</strong>ordnung und theologische Charakterisierung,<br />

<strong>in</strong>: Auferstehungszeit. Erweckungsprediger <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, hg. von Dems. (München<br />

1991) 161–186, hier 165. Ähnlich <strong>die</strong> Kritik von Peter van Rooden, The Concept of an International<br />

Revival Movement around 1800. PuN 16 (1990) 155–172. In se<strong>in</strong>em Standardwerk<br />

zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Evangelikalismus <strong>in</strong> Großbritannien zeigt David Bebb<strong>in</strong>gton auf, wie <strong>die</strong><br />

Erweckungsbewegung von der Aufklärung u. a. <strong>in</strong> ihrem Optimismus, Pragmatismus sowie<br />

ihrem humanitären E<strong>in</strong>satz stark bee<strong>in</strong>flusst wurde. Vgl. hierzu: David Bebb<strong>in</strong>gton, Evangelicalism<br />

<strong>in</strong> Modern Brita<strong>in</strong>. A History from the 1730s to the 1980s (London u. a. 1989) 55–71.<br />

5<br />

Ulrich Gäbler, Erweckungsbewegung. EKL3 1 (Gött<strong>in</strong>gen 1986) 1081–1088, hier 1081.<br />

6<br />

Vgl. hierzu Ders., »Erweckung« – Historische E<strong>in</strong>ordnung (wie Anm. 4) 169–178.<br />

7<br />

Hartmut Lehmann, Neupietismus und Säkularisierung. Beobachtungen zum sozialen Umfeld<br />

und politischen H<strong>in</strong>tergrund von Erweckungsbewegung und Geme<strong>in</strong>schaftsbewegung,<br />

<strong>in</strong>: Protestantische Weltsichten, hg. von Dems. (Gött<strong>in</strong>gen 1998) 84–91. Vgl. ferner: Hartmut<br />

Lehmann, Der Platz der Erweckungsbewegung <strong>in</strong> der Geschichtsschreibung zur deutschen<br />

<strong>Geschichte</strong>, <strong>in</strong>: Zwischen Aufklärung und Moderne. Erweckungsbewegung als historiographische<br />

Herausforderung. Religion – Kultur – Gesellschaft. Stu<strong>die</strong>n zur Kultur- und Sozialgeschichte<br />

<strong>des</strong> Christentums <strong>in</strong> Neuzeit und Moderne, hg. von Thomas K. Kuhn/Veronika<br />

Albrecht-Birkner (Münster 2017) 13–26.<br />

8<br />

Vgl. hierzu Hartmut Lehmann, Erweckungsbewegung as Religious Experience or Historiographical<br />

Construct. The Case of Ludwig Hofacker, <strong>in</strong>: Religiöse Erweckung <strong>in</strong> gottferner Zeit.<br />

Stu<strong>die</strong>n zur Pietismusforschung, hg. von Dems. (Bauste<strong>in</strong>e zu e<strong>in</strong>er europäischen Religionsgeschichte<br />

im Zeitalter der Säkularisierung 12, Gött<strong>in</strong>gen 2010) 120–131, hier 130f. Vgl. ferner:<br />

Thomas Hahn-Bruckart, Transfergeschichtliche Ansätze <strong>in</strong> der Erforschung von Erweckungsbewegung,<br />

<strong>in</strong>: Kuhn/Albrecht-Birkner (Hg.), Zwischen Aufklärung und Moderne<br />

(wie Anm. 7) 43–62.<br />

9<br />

Es kann <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Beitrag nicht näher darauf e<strong>in</strong>gegangen werden, dass es spätestens zur Mitte<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts wieder zu e<strong>in</strong>er gegenläufigen und verstärkten Konfessionalisierung <strong>in</strong><br />

den ›erwecklichen‹ Kreisen kam.<br />

15


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

und der Moderne e<strong>in</strong>schließlich der politischen Umwälzungen und ihrer Folge <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Kirchen – der Kirchenhistoriker Mart<strong>in</strong> Greschat spricht <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

von e<strong>in</strong>er »Entfeudalisierung der Kirche« 10 – verstanden werden muss.<br />

Gleichzeitig darf dabei nicht übersehen werden: »Any attempt to understand the<br />

Awaken<strong>in</strong>g movement must beg<strong>in</strong> by consider<strong>in</strong>g the religious convictions of its<br />

proponents. Their beliefs profoundly shaped how they understood themselves.« 11<br />

E<strong>in</strong>e personal und <strong>in</strong>dividualistisch geprägte Frömmigkeit, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Umwandlung<br />

<strong>des</strong> E<strong>in</strong>zelnen aufgrund se<strong>in</strong>er persönlichen religiösen Erneuerung (Bekehrung)<br />

betont, suchte Gleichges<strong>in</strong>nte, <strong>die</strong> sich freiwillig e<strong>in</strong>er selbstgewählten Verpflichtung<br />

zum geme<strong>in</strong>samen Handeln unterziehen mit dem Ziel, aus dem Geist <strong>des</strong><br />

Evangeliums <strong>die</strong> Gesellschaft proaktiv neu zu gestalten. 12 Mitte aller Bemühungen<br />

war und blieb <strong>die</strong> Verbreitung der eigenen erlebten religiösen Erfahrung <strong>in</strong> Form<br />

von Mission. Die entstehenden Gesellschaften und Netzwerke bildeten hierzu <strong>die</strong><br />

organisatorische Form. Greschat fasst zusammen:<br />

»Die Mitte aller Bemühungen war und blieb <strong>die</strong> Verbreitung <strong>die</strong>ser Frömmigkeit, war<br />

Mission. Aber um <strong>die</strong>se voranzutreiben, bedurfte es neben dem Wort, der Predigt und<br />

dem Zeugnis zugleich auch der Erziehung als E<strong>in</strong>übung <strong>in</strong> feste Regeln und Ordnungen<br />

und bei bestimmten Gruppen darüber h<strong>in</strong>aus noch der sozialen, <strong>in</strong>sbesondere der<br />

karitativen Unterstützung. Die wichtigsten Elemente <strong>die</strong>ser Frömmigkeitsbewegung<br />

s<strong>in</strong>d damit genannt: Missionarische Tätigkeit im eigenen Land, aber darüber h<strong>in</strong>aus<br />

mit besonderem Nachdruck unter den Heiden, sowie <strong>die</strong> Produktion und Verbreitung<br />

e<strong>in</strong>er immensen Flut von Bibeln und Bibelteilen, Traktaten, Kalendern und Erbauungsschriften<br />

aller Art.« 13<br />

II. Netzwerke im Kontext von Glaubensausbreitung und Glaubensvertiefung<br />

und ihre Verb<strong>in</strong>dungen nach <strong>Österreich</strong><br />

Schon während der Phase <strong>des</strong> Geheimprotestantismus gab es Kontakte zwischen<br />

pietistischen Kreisen im Ausland und Evangelischen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. So wurde <strong>die</strong><br />

»Aufmerksamkeit von August Hermann Francke […] ziemlich früh auf den Kaiserhof<br />

<strong>in</strong> Wien gerichtet, wo se<strong>in</strong> Kieler Kommilitone Nicolaus Lange, e<strong>in</strong> Bruder <strong>des</strong><br />

Professors Joachim Lange, auf Empfehlung von Philipp Jakob Spener zum schwedischen<br />

Gesandtschaftsprediger wurde«. 14 Der ungarische Kirchenhistoriker Zol-<br />

10<br />

Mart<strong>in</strong> Greschat, Die neueste Zeit. Von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg.<br />

E<strong>in</strong>leitung, <strong>in</strong>: Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 9/1, hg. von Dems. (Stuttgart u. a.<br />

1985) 7–42, hier 19.<br />

11<br />

Kloes, The ›Awaken<strong>in</strong>g movement‹ <strong>in</strong> early n<strong>in</strong>eteenth-century Germany (wie Anm. 2) 20.<br />

12<br />

Vgl. Greschat, Die neueste Zeit (wie Anm. 10) 24.<br />

13<br />

Ebenda 25.<br />

14<br />

Zoltán Csepregi, Prediger hallischer Prägung im Dreieck Wien – Pressburg – Ödenburg,<br />

<strong>in</strong>: Interdiszipl<strong>in</strong>äre Pietismusforschungen. Beiträge zum ersten <strong>in</strong>ternationalen Kongress <strong>für</strong><br />

Pietismusforschung 2001, Bd. 2, hg. von Udo Sträter (Halle–Wiesbaden 2004) 689–700, hier<br />

690.<br />

16


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

tán Csepregi sprach <strong>in</strong> weiterer Folge vom »Durchbruch zum Pietismus unter den<br />

Lutheranern« 15 <strong>in</strong> Wien, der vor allem durch pietistisch geprägte Hauslehrer aus<br />

Halle gefördert wurde. Über <strong>die</strong>ses Netzwerk gelangte pietistische Erbauungsliteratur<br />

nach Wien und Ungarn und selbst Berichte über <strong>die</strong> Hallenser Missionsarbeit<br />

im <strong>in</strong>dischen Tranquebar wurden <strong>in</strong> Wien gelesen. Gleichzeitig erreichten Berichte<br />

über <strong>die</strong> schwierige Lage der Evangelischen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> über <strong>die</strong> lutherischen<br />

Gesandtschaftsprediger ihre Adressaten <strong>in</strong> Deutschland; so erhielt beispielsweise<br />

der lutherische Kirchenhistoriker Bernhard Raupach <strong>in</strong> Hamburg auf <strong>die</strong>se Weise<br />

gedruckte und geschriebene Quellen aus Wien, <strong>die</strong> er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Veröffentlichungen<br />

über evangelisches Leben <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> e<strong>in</strong>arbeiten konnte. 16<br />

E<strong>in</strong> weiteres frühes Netzwerk mit Kontakten zum österreichischen Geheimprotestantismus<br />

bildete sich um den württembergischen Pfarrer Samuel Urlsperger<br />

(1685–1772) 17 – der nach e<strong>in</strong>em kurzen Aufenthalt <strong>in</strong> Halle e<strong>in</strong>e lebenslange<br />

Freundschaft mit August Hermann Francke pflegen sollte – und der von 1710 bis<br />

1712 an der deutschen lutherischen Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> der Savoy <strong>in</strong> London wirkte. In<br />

<strong>die</strong>ser kurzen Zeit wurde Urlsperger Mitglied der Londoner »Society for Promot<strong>in</strong>g<br />

Christian Knowledge« (gegründet 1698) [im Folgenden: SPCK], e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />

<strong>die</strong> gegründet worden war, um missionarische Initiativen im In- und Ausland genauso<br />

zu fördern wie religiöse Bildung und <strong>die</strong> Verbreitung von Literatur. 18 Auch<br />

wenn <strong>die</strong> anglikanisch-kirchliche Gesellschaft im Inland anderen Konfessionen<br />

(›Dissenters‹) kritisch gegenüberstand, vertrat man zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Bereich e<strong>in</strong>e ökumenische Offenheit. So unterstützte <strong>die</strong> SPCK <strong>die</strong> schon erwähnte<br />

lutherische Missionsarbeit Halles <strong>in</strong> Tranquebar, vor allem aber konnte Urlsperger<br />

<strong>die</strong> SPCK <strong>in</strong> den 1730er Jahren dazu gew<strong>in</strong>nen, 19 <strong>die</strong> evangelisch-lutherischen Salzburger<br />

Glaubensflüchtl<strong>in</strong>ge f<strong>in</strong>anziell zu unterstützen. 20 Galt <strong>die</strong>se Unterstützung<br />

anfangs allen ausgewanderten protestantischen Emigrant<strong>in</strong>nen und Emigranten<br />

aus Salzburg, wurde sie bald auf <strong>die</strong>jenigen beschränkt, <strong>die</strong> bereit waren, <strong>in</strong> <strong>die</strong> neue<br />

Kolonie Georgia <strong>in</strong> Amerika auszuwandern, um dort von hallischen Predigern <strong>in</strong><br />

15<br />

Ebenda 692.<br />

16<br />

Ebenda 696.<br />

17<br />

Vgl. zu Samuel Urlsperger vor allem: Re<strong>in</strong>hard Schwarz (Hg.), Samuel Urlsperger (1685–<br />

1772). Augsburger Pietismus zwischen Außenwirkungen und B<strong>in</strong>nenwelt (Berl<strong>in</strong> 1996); Horst<br />

Weigelt, <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus <strong>in</strong> Bayern. Anfänge – Entwicklung – Bedeutung (APG 40,<br />

Gött<strong>in</strong>gen 2001) 214–225.<br />

18<br />

Vgl. Gordon Huel<strong>in</strong>, The Relationship of Samuel Urlsperger to the ›Society for Promot<strong>in</strong>g<br />

Christian Knowledge‹, <strong>in</strong>: Schwarz (Hg.), Samuel Urlsperger (wie Anm. 17) 151–160, hier 151.<br />

19<br />

Zur britischen kirchengeschichtlichen Wahrnehmung der Situation <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im 18.<br />

Jahrhundert vgl. William R. Ward, ›An Awakened Christianity‹. The Austrian Protestants<br />

and Their Neighbours <strong>in</strong> the Eighteenth Century. Journal of ecclesiastical history 40.1 (1989)<br />

53–73; Ders., The Protestant Evangelical Awaken<strong>in</strong>g (Cambridge 1992).<br />

20<br />

Vgl. hierzu vor allem: Daniel L. Brunner, Halle Pietists <strong>in</strong> England. Anthony William Boehm<br />

and the Society for Promot<strong>in</strong>g Christian Knowledge (Arbeiten zur <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus<br />

29, Gött<strong>in</strong>gen 1993) 165–176.<br />

17


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

der neu gegründeten Siedlung Eben-Ezer betreut zu werden. 21 Hier sehen wir erstmals<br />

e<strong>in</strong> transkonfessionelles, pietistisch geprägtes Netzwerk zwischen London,<br />

Halle, Augsburg – hier wirkte Urlsperger <strong>in</strong>zwischen – und Salzburg, das sich bis<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong> amerikanische Kolonie Georgia erstreckte. Bemerkenswert ist <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Zusammenhang e<strong>in</strong>e Schlussfolgerung <strong>des</strong> renommierten britischen Kirchenhistorikers<br />

William R. Ward h<strong>in</strong>sichtlich der Wechselbeziehung zwischen Salzburger<br />

Emigranten und Erweckungsbewegung:<br />

»There is no doubt that the great Salzburger emigration contributed immensely to the<br />

promotion of religious revival. The arrival of so large an army of refugees […] could<br />

hardly fail to weaken the fragile props to religious conformity there, and <strong>in</strong> this sense<br />

pave the way for the preachers of a new religious appeal who followed hot on their heels.<br />

In the highly-charged atmosphere of Germany itself, <strong>in</strong>dividual men and women […]<br />

were delighted to f<strong>in</strong>d that they had <strong>in</strong>dependently undergone conversion experiences;<br />

and it is hard to believe that what has been called Z<strong>in</strong>zendorf’s ›turn to Luther‹, […] was<br />

confirmed by the evidence of Lutheranism among the Salzburgers«. 22<br />

Wenden wir uns nun dem ausgehenden 18. Jahrhundert, dem Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> eigentlichen<br />

zeitlichen Rahmens <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Beitrag zu. Hier gilt es, e<strong>in</strong> Erstes zu<br />

bedenken: Wer <strong>die</strong> Komplexität und Vielfalt ›erwecklicher‹ Netzwerke im ausgehenden<br />

18. und im 19. Jahrhundert verstehen will, muss sich zuerst e<strong>in</strong> Bild und<br />

e<strong>in</strong>en Überblick über <strong>die</strong> Vielzahl der beteiligten Sozietäten und Gesellschaften<br />

verschaffen. 23 Im Folgenden werden daher zu Beg<strong>in</strong>n je<strong>des</strong> Kapitels <strong>die</strong> Gesellschaften<br />

und Sozietäten und Gruppierungen angeführt, <strong>die</strong> direkte oder <strong>in</strong>direkte<br />

Verb<strong>in</strong>dungen nach <strong>Österreich</strong> hatten. Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Abschnitt vor allem:<br />

<strong>die</strong> »Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e« (gegründet <strong>in</strong> Herrnhut 1722), <strong>die</strong> »Deutsche<br />

Christentumsgesellschaft« 24 (gegründet 1780), <strong>die</strong> »Gesellschaft zur freywilligen<br />

Unterstützung der neuentstandenen österreichischen evangelischen Geme<strong>in</strong>de«<br />

(Frankfurt 1782), <strong>die</strong> »London Mission Society« (gegründet London 1795), 25 <strong>die</strong><br />

»Religious Tract Society« (gegründet London 1799), <strong>die</strong> »Church Mission Society«<br />

21<br />

Vgl. hierzu vor allem: George Fenwick-Jones, Urlsperger und Eben-Ezer, <strong>in</strong>: Schwarz (Hg.),<br />

Samuel Urlsperger (wie Anm. 17) 191f.<br />

22<br />

Ward, The Protestant Evangelical Awaken<strong>in</strong>g (wie Anm. 19) 106f.<br />

23<br />

Zur Bedeutung von Gesellschaften im 18. Jahrhundert vgl. Ulrich im Hof, Der Sozietätsgedanke<br />

im 18. Jahrhundert. PuN 7 (1981) 9–27; h<strong>in</strong>sichtlich der Rolle der Gesellschaften <strong>für</strong> Pietismus<br />

und Erweckungsbewegung am Beispiel Basel vgl. Erika Hebeisen, Zu Vergesellschaftung der<br />

pietistischen Bewegung am Übergang <strong>in</strong> <strong>die</strong> Moderne. Das Beispiels Basel. Basler Zeitschrift<br />

<strong>für</strong> <strong>Geschichte</strong> und Altertumskunde 104 (2004) 183–211.<br />

24<br />

Die Gesellschaft änderte anfangs mehrfach ihren Namen bis sich der endgültige Name »Deutsche<br />

Christentumsgesellschaft« durchsetzte.<br />

25<br />

Zu den frühen Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien zwischen Pietismus und früher evangelikaler Bewegung <strong>in</strong><br />

Großbritannien vgl. Geoffrey F. Nuttall, Cont<strong>in</strong>ental Pietism and the Evangelical Movement<br />

<strong>in</strong> Brita<strong>in</strong>, <strong>in</strong>: Pietismus und Reveil. Referate der <strong>in</strong>ternationalen Tagung. Der Pietismus <strong>in</strong> den<br />

Niederlanden und se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen, Zeist 18.–22. Juni 1974, hg. von Jan van<br />

den Berg/J. P. van Dooren (Kerkhistorische Bijdragen Deel 4, Leiden 1978) 207–236.<br />

18


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

IV. Netzwerke im Kontext der ›Heidenmission‹ und ihre<br />

Verb<strong>in</strong>dungen nach <strong>Österreich</strong><br />

In e<strong>in</strong>em Sendschreiben der Directoren der neuen Missions-Gesellschaft <strong>in</strong> Großbritannien<br />

an ihre Brüder <strong>in</strong> Deutschland aus dem Jahr 1798 lud <strong>die</strong> LMS <strong>die</strong> ›erwecklichen‹<br />

Kreise <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>, sich aktiv <strong>in</strong> der ›Heidenmission‹ e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen:<br />

»Wir wenden uns, Verehrteste Brüder, mit Zutrauen an Sie, als solche, welche durch <strong>die</strong><br />

Gerechtigkeit Gottes und unseres Heilan<strong>des</strong> Jesu Christi mit uns gleichen kostbaren<br />

Glauben erlangt haben, und s<strong>in</strong>d überzeugt, daß Ihre Herzen über den ger<strong>in</strong>gen Versuch,<br />

den wir gemacht haben, sich freuen werden; und da wir <strong>die</strong> treuen Zeugen Jesu Christi,<br />

e<strong>in</strong>en Ziegenbalg, e<strong>in</strong>en Egede, e<strong>in</strong>en Schwarz und Gerike, <strong>die</strong> Ihre Landsleute s<strong>in</strong>d, mit<br />

Beyfall verehren, so werden Sie gewiß sich untere<strong>in</strong>ander mit uns vere<strong>in</strong>igen, das Reich<br />

zu erweitern, welches nicht von <strong>die</strong>ser Welt ist; <strong>die</strong> Zerstreuten unter den Heiden zu<br />

suchen, welche zu erlösen der Sohn Gottes <strong>in</strong> To<strong>des</strong>schmerzen starb; und e<strong>in</strong>e Religion<br />

der Gerechtigkeit und wahren Heiligkeit zu befördern, welcher ke<strong>in</strong>er Nation, Parthey<br />

oder Bekenntnisse ausschließend gehört, sondern ihre weite[n] Arme ausbreitet, alle<br />

<strong>die</strong> von Sünde, Tod und Hölle zu retten, welche im Gefühl ihrer Gefahr, zu der sichern<br />

und e<strong>in</strong>zigen Hoffnung, <strong>die</strong> ihnen vorgehalten wird um Schutz und Hülfe ihre Zuflucht<br />

nehmen.« 207<br />

Dieses ›Sendschreiben‹ stieß bei der DCG auf offene Türen. So erfolgte im Jahr 1799<br />

e<strong>in</strong> Schreiben <strong>des</strong> Basler Ausschusses der DCG an <strong>die</strong> LMS, <strong>in</strong> dem ähnliche Gedanken<br />

geäußert und noch e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> ›Hauptzwecke‹ der DCG zusammenfasst und<br />

der organisatorische Aufbau der DCG erklärt wurden. 208 Es waren dann erneut <strong>die</strong><br />

DCG und <strong>die</strong> aus ihr hervorgegangene »Evangelische Missionsgesellschaft Basel«,<br />

kurz »Basler Mission« (gegründet 1815), 209 über <strong>die</strong> Informationen sowie Werbung<br />

<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e aktive Teilnahme an der ›Heidenmission‹ E<strong>in</strong>gang nach <strong>Österreich</strong> gefunden<br />

hat. 210 Auch <strong>die</strong> Missionsarbeit der »Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e«, <strong>die</strong> »Evangelische<br />

lutherische Mission zu Leipzig« – kurz »Leipziger Mission« (als Nachfolger<strong>in</strong><br />

der »Dresdener Mission« 1847 gegründet), <strong>die</strong> »Norddeutsche Mission« (1836 <strong>in</strong><br />

Hamburg gegründet, 1851 verlegte sie ihren Sitz nach Bremen) sowie britische und<br />

207<br />

N. N., Sendschreiben der Directoren der neuen Missions-Gesellschaft (wie Anm. 42) 7.<br />

208<br />

In Auszügen abgedruckt bei: Staehel<strong>in</strong>, Die Christentumsgesellschaft <strong>in</strong> der Zeit von der<br />

Erweckung bis zur Gegenwart, Bd. 1 (wie Anm. 26) 427–434.<br />

209<br />

Vgl. Klauspeter Blaser, Mission und Erweckungsbewegung. PuN 7 (1981) 128–146.<br />

210<br />

Zur <strong>Geschichte</strong> der österreichischen, protestantischen Weltmission vgl. vor allem: Frank<br />

H<strong>in</strong>kelmann, Von <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> alle Welt. <strong>Geschichte</strong> der österreichischen protestantischen<br />

Weltmission (Stu<strong>die</strong>n zur <strong>Geschichte</strong> christlicher Bewegungen reformatorischer Tradition <strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong> 10, Bonn 2017); Karl-He<strong>in</strong>z Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen. Beziehungen<br />

der evangelischen Kirche <strong>Österreich</strong>s zur Weltmission (L<strong>in</strong>z 1981); Gerold Lehner, Die<br />

Evangelische Kirche <strong>in</strong> OÖ und <strong>die</strong> Mission. E<strong>in</strong>e historische und theologische Skizze, <strong>in</strong>:<br />

Mission und kirchliche Entwicklungszusammenarbeit aus Oberösterreich. Aus der Freude<br />

am Evangelium – im Dienst am Menschen, hg. von Monika Würthiger/Andreas Reumayr/<br />

Gerold Lehner (L<strong>in</strong>z 2016) 32–57.<br />

53


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

amerikanische Missionswerke hatten nach <strong>Österreich</strong> genauso Verb<strong>in</strong>dungen wie<br />

freikirchliche Missionare bzw. Mitarbeiter neu gegründeter »Glaubensmissionen«<br />

wie Hudson Taylor und <strong>die</strong> »Ch<strong>in</strong>a Inland Mission.«<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich war es der Nürnberger Kaufmann Kießl<strong>in</strong>g, der <strong>die</strong> ersten Missionsschriften<br />

nach <strong>Österreich</strong> brachte; zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t e<strong>in</strong>mal vermerkte Kießl<strong>in</strong>g, dass<br />

er <strong>in</strong> Graz auch Missionsschriften verteilt habe. 211 Man kann davon auszugehen,<br />

dass über <strong>die</strong> DCG auch Missionsschriften E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>den gefunden<br />

haben. So berichtete Ernst August Dietz, der als erster Basler Missionar im Jahr<br />

1848 <strong>Österreich</strong> besuchte, dass er <strong>in</strong> Kärnten und Oberösterreich »viele alte Missionsfreunde<br />

gefunden habe«. 212 Der Pfarrer von Gmunden und spätere oberösterreichische<br />

Super<strong>in</strong>tendent Josef Friedrich Koch (1838–1929) bestätigte <strong>die</strong>s auf<br />

der Generalsynode der Evangelischen Kirche im Jahr 1901 und berichtete, »daß<br />

e<strong>in</strong>zelne Geme<strong>in</strong>den schon seit 1816 mit der Mission der Baseler vertraut waren<br />

und sogar regelmäßig Gaben nach Basel geschickt haben«. 213<br />

Der erste Missionar, der aus <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> ›Heidenmission‹ gehen sollte,<br />

war der Handschuhmacher Ferd<strong>in</strong>and Bormeister (1785–1826). 214 Er stammte ursprünglich<br />

aus dem Kurland und hatte sich im Jahr 1812 <strong>in</strong> Wels niedergelassen.<br />

Dort kam er unter der Verkündigung <strong>des</strong> evangelischen Pfarrers der Gosau, Julius<br />

Wehrenfennig (1753–1834), zum Glauben und sah sich kurz darauf <strong>in</strong> den Missions<strong>die</strong>nst<br />

berufen. Er selbst schrieb hierüber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lebenslauf, den er 1818 vor<br />

se<strong>in</strong>er Ausreise aufs Missionsfeld <strong>in</strong> Basel verfasste:<br />

»An e<strong>in</strong>em Mißionsmontag las der liebe Pfarrer Wehrenfennig von e<strong>in</strong>er großen Conférence<br />

von Predigern <strong>in</strong> England, wo unter anderem e<strong>in</strong> junger Prediger auftrat und sagte:<br />

Wer jetzt noch ke<strong>in</strong> Interesse <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mißionssache bekommt, der ist noch ke<strong>in</strong> Christ.<br />

Das war mir aus dem Herzen geredt, und da es uns alle sehr freute, so hielt der Pfarrer e<strong>in</strong><br />

wenig an, und ich machte me<strong>in</strong>em Herzen Luft und sagte: Nicht nur e<strong>in</strong> Intereße fühle<br />

ich, sondern ich möchte mich auch mit Leib und Seele dazu hergeben.« 215<br />

Schon Ende Juni 1816 verließ Bormeister Wels und wurde im Juli nach e<strong>in</strong>er Aufnahmeprüfung<br />

als neunter Schüler <strong>für</strong> <strong>die</strong> erst im August 1816 eröffnete Basler<br />

Anstalt aufgenommen. 216 Im Jahr 1818 begab er sich nach Holland auf <strong>die</strong> Missionsschule<br />

Berkel und reiste schließlich im Juli 1820 nach Niederländisch-(Ost)In<strong>die</strong>n<br />

aus. Während der folgenden Jahre gab es nur spärliche Nachrichten vom Missions-<br />

211<br />

Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm. 210) 18.<br />

212<br />

Ebenda.<br />

213<br />

Ebenda.<br />

214<br />

Vgl. zu Leben und Werk Bormeisters: Robert Hoffmann, Vom Handwerkersohn zum Missionar.<br />

Die Lebenser<strong>in</strong>nerungen <strong>des</strong> Handschuhmachers Ferd<strong>in</strong>and Bormeisters. JGPrÖ 100<br />

(1984) 5–29. Vgl. ferner <strong>die</strong> wenigen H<strong>in</strong>weise bei: Wilhelm Schlatter, <strong>Geschichte</strong> der Basler<br />

Mission 1815–1915, Bd. 1: Die Heimatgeschichte der Basler Mission (Basel 1916) 36, 59, 61.<br />

215<br />

Hoffmann, Vom Handwerkersohn zum Missionar (wie Anm. 214) 24. In <strong>die</strong>sem Aufsatz<br />

ist der vollständige »Lebenslauf <strong>des</strong> Mißions-Bruders Ferd<strong>in</strong>and Bormeister von ihm selbst<br />

aufgesetzt anno 1818« abgedruckt.<br />

216<br />

Schlatter, <strong>Geschichte</strong> der Basler Mission (wie Anm. 214) 36.<br />

54


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

feld und Bormeister starb nach wenigen Jahren, ohne dass nähere E<strong>in</strong>zelheiten über<br />

se<strong>in</strong> Schicksal bekannt wurden. 217<br />

Der zweite Missionar aus <strong>Österreich</strong> war der aus Enzenkirchen <strong>in</strong> Oberösterreich<br />

stammende Johann K<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ger (1791–1829). 218 Er wuchs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er römischkatholischen<br />

Familie auf und g<strong>in</strong>g als achtzehnjähriger Schneidergeselle auf <strong>die</strong><br />

Walz. Während se<strong>in</strong>es Aufenthalts <strong>in</strong> St. Gallen (Schweiz) kam er dort mit der<br />

Partikulargesellschaft der DCG <strong>in</strong> Kontakt, erlebte e<strong>in</strong>e Gottesh<strong>in</strong>wendung und<br />

sah sich <strong>in</strong> den Missions<strong>die</strong>nst berufen. Zwar besuchte K<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> den Jahren<br />

1815/16 se<strong>in</strong>e Eltern <strong>in</strong> Enzenkirchen, allerd<strong>in</strong>gs sche<strong>in</strong>t er nicht <strong>in</strong> Kontakt mit den<br />

pietistischen Kreisen <strong>in</strong> Oberösterreich gekommen zu se<strong>in</strong>. So wandte er sich direkt<br />

nach Basel. Dort wurde er im Januar 1817 <strong>in</strong> <strong>die</strong> Missionsschule aufgenommen. 219<br />

Im Jahr 1820 reiste K<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ger nach Madras, In<strong>die</strong>n, aus, erlernte <strong>die</strong> tamilische<br />

Sprache und engagierte sich <strong>in</strong> der Bibelübersetzung. Allerd<strong>in</strong>gs starb er 37jährig<br />

am 14. Februar 1829. »Da er vor se<strong>in</strong>em ersten Heimaturlaub starb, blieb se<strong>in</strong> Dienst<br />

ohne Rückwirkungen auf <strong>die</strong> österreichischen Geme<strong>in</strong>den.« 220<br />

Im Burgenland ist es wiederum Gottlieb August Wimmer, der zum Initiator<br />

e<strong>in</strong>es Engagements <strong>für</strong> <strong>die</strong> Heidemission wurde. 221<br />

»Alles hatte bei Wimmer und se<strong>in</strong>er Arbeit e<strong>in</strong>e missionarische Stoßrichtung: das Heil<br />

<strong>in</strong> Christus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ganzheit den Menschen hörbar und erfahrbar zu machen. Deshalb<br />

konnte <strong>die</strong> Weltmission <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit nicht fehlen. Was <strong>in</strong> Oberschützen geschah,<br />

hatte Bedeutung <strong>für</strong> ›draußen‹, was ›draußen‹ geschah, mußte <strong>für</strong> Oberschützen Bedeutung<br />

haben.« 222<br />

Über Wimmers Kontakte zu Christian Gottlob Barth und Christian Friedrich<br />

Spittler wurde schon berichtet. So besuchte Wimmer das Basler Missionshaus und<br />

nahm dort auch an Missionsfesten teil. Diesem Beispiel folgend, begann er auch<br />

<strong>in</strong> Oberschützen ab dem Jahr 1844 Missionsfeste durchzuführen, <strong>die</strong> von se<strong>in</strong>em<br />

Nachfolger weitergeführt wurden. 223 Im Protokollbuch der Evangelischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

Oberschützen vom 24. April 1842 heißt es:<br />

217<br />

Hoffmann, Vom Handwerkersohn zum Missionar (wie Anm. 214) 14.<br />

218<br />

Vgl. hierzu und zum Folgenden vor allem: Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm.<br />

210) 20–27; N. N., Johannes K<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>ger, geboren zu Enzenkirchen <strong>in</strong> Ober-Oesterreich am<br />

7. Mai 1791, gestorben am 14. Februar 1829 zu Madras <strong>in</strong> Ost<strong>in</strong><strong>die</strong>n. Der Evangelische Sonntagsbote<br />

aus <strong>Österreich</strong> 2 (1866) 131–133, 140–142.<br />

219<br />

Vgl. Schlatter, <strong>Geschichte</strong> der Basler Mission (wie Anm. 214) 58.<br />

220<br />

Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm. 210) 27.<br />

221<br />

Vgl. zum Missionsbeitrags Wimmer vor allem: Anna M. Kool, God Moves <strong>in</strong> a Mysterious<br />

Way. The Hungarian Protestant Foreign Mission Movement (1756–1951) (Zoetermeer 1993)<br />

82–95; Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm. 210) 28–31.<br />

222<br />

Ebenda 30.<br />

223<br />

Zimmermann, Gottlieb August Wimmer 1791–1863. E<strong>in</strong> Wiener mit länderweiter Wirkung<br />

(wie Anm. 84) 46.<br />

55


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

»Zu <strong>die</strong>sem Zweck soll der je<strong>des</strong>malige Aposteltag Petri und Paul verwendet werden.<br />

Es soll <strong>die</strong> Predigt auf <strong>die</strong> Bekehrung der Heiden zum Evangelium h<strong>in</strong>weisen, über den<br />

Stand der Heidenmission und den Fortgang <strong>des</strong> Evangeliums Bericht erstattet werden,<br />

und e<strong>in</strong>e Sammlung zur Verbreitung <strong>des</strong> Evangeliums unter den Heiden stattf<strong>in</strong>den,<br />

auch <strong>für</strong> den gesegneten Fortgang <strong>des</strong> Missions<strong>die</strong>nstes gebetet werden.« 224<br />

In Oberschützen wurde auch der im burgenländischen Kitzladen geborene Samuel<br />

Böhm (1831–1859) <strong>für</strong> <strong>die</strong> Missionsarbeit gewonnen. 225 Er stieß <strong>in</strong> der Bibliothek<br />

der Pfarrgeme<strong>in</strong>de auf Basler Missionsschriften, und so erwuchs se<strong>in</strong> Interesse <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> ›Heidenmission‹. Böhm wurde <strong>in</strong> <strong>die</strong> Basler Missionsschule aufgenommen 226<br />

und kehrte nach vierjähriger Ausbildung im August 1857 nach <strong>Österreich</strong> zurück,<br />

wurde im gleichen Herbst <strong>in</strong> Wien ord<strong>in</strong>iert 227 und trat anschließend <strong>in</strong> den Dienst<br />

der »Norddeutschen Missionsgesellschaft« [im Folgenden NMG] <strong>in</strong> Bremen. Dass<br />

<strong>die</strong> NMG <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> durchaus bekannt war, belegt e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis im Jahresbericht<br />

<strong>die</strong>ser Missionsgesellschaft aus dem Jahr 1841. Dort heißt es, dass man »Geld<br />

und Kleidungsstücke von e<strong>in</strong>zelnen Freunden und Freund<strong>in</strong>nen, namentlich [aus]<br />

[…] Millstadt« 228 erhalten habe. Da auch Wimmer ab Anfang der 1850er Jahre <strong>in</strong><br />

Bremen lebte und enge Beziehungen zur dortigen Gesellschaft pflegte, stellte er<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich den Kontakt zwischen Böhm und der NMG <strong>in</strong> Bremen her. 229 E<strong>in</strong><br />

Jahr nach se<strong>in</strong>er Ord<strong>in</strong>ation, am 25. Oktober 1858, reiste Böhm an <strong>die</strong> Goldküste<br />

Afrikas aus. Allerd<strong>in</strong>gs verstarb er am 27. Oktober 1859 nach weniger als zwei Jahren<br />

missionarischen Wirkens an e<strong>in</strong>er Fieberkrankheit. Als se<strong>in</strong> Tod <strong>in</strong> Europa bekannt<br />

wurde, schrieb Wimmer an Böhms Vater e<strong>in</strong>en »ergreifenden Trostbrief«, 230<br />

der schon bald <strong>in</strong> Oberschützen und Umgebung von den Kanzeln gelesen wurde.<br />

»Das hatte zur Folge, daß der Missionss<strong>in</strong>n, <strong>des</strong>sen erster Herd <strong>für</strong> Ungarn <strong>in</strong> Oberschützen<br />

brannte, sich allmählich auch auf andere Gebiete <strong>des</strong> ungarländischen<br />

<strong>Protestantismus</strong> ausgedehnt hat.« 231 Böhms Missions<strong>die</strong>nst und se<strong>in</strong> Tod brachten<br />

224<br />

Ebenda 45.<br />

225<br />

Vgl. zu Leben und Werk Böhms vor allem Gregor Tritsch, Samuel Böhm, der erste evangelische<br />

Missionar Ungarns. Biographische Skizze (Bremen 1903); abgedruckt bei: H<strong>in</strong>kelmann,<br />

Von <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> alle Welt (wie Anm. 210) 99–143, hier s<strong>in</strong>d auch se<strong>in</strong> aus Afrika <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

Heimat geschriebenen Briefe abgedruckt; Bernhard H. Zimmermann, E<strong>in</strong> burgenländischer<br />

Missionar. Samuel Böhm zum Gedächtnis. Evangelischer Kirchenbote <strong>für</strong> das Burgenland 11,<br />

Nr. 6 (1935) 47–49.<br />

226<br />

Vgl. ebenda 47–49.<br />

227<br />

Vgl. hierzu <strong>die</strong> Berichte <strong>in</strong>: N. N., Nachrichten. Evangelisches Wochenblatt zur Erbauung <strong>für</strong><br />

Kirche, Schule und Haus 1 (1857) 145 und N. N., Nachrichten. Evangelisches Wochenblatt zur<br />

Erbauung <strong>für</strong> Kirche, Schule und Haus 1 (1857) 161.<br />

228<br />

Vgl. hierzu: N. N., Angelegenheiten der norddeutschen Missions-Gesellschaft. Sechster Bericht<br />

der norddeutschen Missions-Gesellschaft. Monatsblatt der Norddeutschen Missions-Gesellschaft<br />

2 (1841) 415.<br />

229<br />

Zit. nach: Zimmermann, Gottlieb August Wimmer 1791–1863. E<strong>in</strong> Wiener mit länderweiter<br />

Wirkung (wie Anm. 84) 45f.<br />

230<br />

Ebenda 46.<br />

231<br />

Ebenda.<br />

56


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

das Anliegen der Weltmission im Burgenland voran. Geme<strong>in</strong>den begannen sich <strong>für</strong><br />

Weltmission zu <strong>in</strong>teressieren und unterstützten <strong>die</strong> Missionsarbeit auch f<strong>in</strong>anziell.<br />

So heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Festschrift der Oberschützener Pfarrgeme<strong>in</strong>de anlässlich ihres<br />

200jährigen Bestehens: »Bereits seit 1857 war <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>de Mitarbeiter<strong>in</strong> der<br />

›Norddeutschen Missionsgesellschaft‹ <strong>in</strong> Bremen.« 232 Nur wenige Jahre später, im<br />

Jahr 1866, gaben K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Nachbarortschaft Willersdorf »e<strong>in</strong>en Flor<strong>in</strong>« 233 <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Missionsarbeit. Die Bekanntgabe <strong>die</strong>ser Spende erweckte solch e<strong>in</strong>en ›Missionseifer‹,<br />

dass Erwachsene und K<strong>in</strong>der noch e<strong>in</strong>mal 60 Gulden zusammenlegten. 234<br />

Auch <strong>in</strong> den folgenden Jahrzehnten blieb <strong>die</strong> Unterstützung der ›Heidenmission‹<br />

e<strong>in</strong> wichtiges Anliegen der Geme<strong>in</strong>de. So wurden im Jahr 1844/45 703 Flor<strong>in</strong> an <strong>die</strong><br />

»Basler Mission«, 644 an <strong>die</strong> NMG und 85 Flor<strong>in</strong> an weitere, überwiegend amerikanische<br />

Missionswerke gegeben. 235<br />

Wenden wir uns der weiteren Entwicklung der Netzwerke <strong>für</strong> ›Heidenmission‹<br />

<strong>in</strong> den übrigen Lan<strong>des</strong>teilen <strong>Österreich</strong>s gegen Mitte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts zu.<br />

Im Sommer 1848 bereiste mit Carl-August Ernst Diez e<strong>in</strong> erster Basler Missionar<br />

<strong>Österreich</strong> und hielt Missionsvorträge <strong>in</strong> Kärnten. 236 E<strong>in</strong> Jahr später kehrte er zu<br />

e<strong>in</strong>er weiteren Vortragsreise nach <strong>Österreich</strong> zurück, <strong>die</strong>smal mit se<strong>in</strong>em Freund<br />

C. W. Locher, und besuchte vor allem Pfarrgeme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> der Steiermark und <strong>in</strong><br />

Oberösterreich. 237 Diez berichtet u. a. von dem Besuch 1849:<br />

»Seit 27 Jahren mußte <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> <strong>die</strong> Mission heimlich getrieben werden, ja es kam<br />

auch hier […] zu Haussuchungen, bei denen Missionsschriften <strong>in</strong> [den] Keller und sonst<br />

woh<strong>in</strong> geflüchtet werden mußten. Von den alten Missionsfreunden s<strong>in</strong>d schon manche<br />

gestorben, und von den noch lebenden Gläubigen hat <strong>in</strong> der stürmischen politischen Zeit<br />

manchen der Schw<strong>in</strong>del ergriffen.« 238<br />

Während Diez bei se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Kärnten 1848 eher auf verhaltenes Missions<strong>in</strong>teresse<br />

stieß, sah <strong>die</strong> Lage <strong>in</strong> Oberösterreich e<strong>in</strong> Jahr später gänzlich anders aus,<br />

war das Anliegen der Mission dort von Anbeg<strong>in</strong>n an doch viel stärker verwurzelt.<br />

Karl-He<strong>in</strong>z Rathke fasst <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>die</strong>ser zwei Missionsvortragsreisen zusammen:<br />

232<br />

Evangelische Pfarrgeme<strong>in</strong>de AB Oberschützen (Hg.), Glauben und Bekennen. 200 Jahre Evangelische<br />

Kirche Oberschützen (Oberschützen 1985) 48. Dies wird auch durch <strong>die</strong> im Monatsblatt<br />

der Norddeutschen Missionsgesellschaft abgedruckten Jahresberichte ab dem Jahr 1857<br />

bestätigt.<br />

233<br />

Der Wert e<strong>in</strong>es Flor<strong>in</strong> entspricht dem e<strong>in</strong>es Gulden und lag um 1850 bei € 13,40. Vgl. http://<br />

www.1133.at/document/view/id/475 [29.12.2016].<br />

234<br />

Kool, God Moves <strong>in</strong> a Mysterious Way (wie Anm. 221) 95.<br />

235<br />

Ebenda 96.<br />

236<br />

Da se<strong>in</strong> Vater als Chemiker mehrere Jahre im Villacher Raum gearbeitet hatte, verbrachte der<br />

gebürtige Schwabe Diez e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit und Jugend <strong>in</strong> Kärnten. Später wirkte er<br />

von 1851 bis 1899 als Missionar <strong>in</strong> In<strong>die</strong>n und wurde Samuel Hebich als Mitarbeiter zur Seite<br />

gestellt.<br />

237<br />

Vgl. Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm. 210) 35.<br />

238<br />

Zit. nach: Ebenda.<br />

57


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

»Der Ertrag <strong>die</strong>ser Reisen war beträchtlich. In vielen Geme<strong>in</strong>den begann sich der Missionss<strong>in</strong>n<br />

zu regen. Man hatte <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft der Evangelischen über <strong>die</strong> eigenen<br />

Grenzen h<strong>in</strong>weg kennengelernt und wollte an ihnen [sic!] festhalten. Das zeigt das gute<br />

Echo auf <strong>die</strong> Werbung <strong>für</strong> Missionszeitschriften. Es mußte sogar e<strong>in</strong> Zeitschriftendepot<br />

e<strong>in</strong>gerichtet werden, um <strong>die</strong> Wünsche befriedigen zu können. Auch <strong>die</strong> Gaben <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Mission stiegen sprunghaft an.« 239<br />

Im Jahr 1850 stattete auch der bekannte Ch<strong>in</strong>amissionar Karl Gützlaff (1803–1851)<br />

im Zuge e<strong>in</strong>er Europatournee <strong>Österreich</strong> e<strong>in</strong>e Stippvisite ab. 240 Ziel se<strong>in</strong>er Europareise<br />

war, dass e<strong>in</strong>zelne Länder gewisse ch<strong>in</strong>esische Prov<strong>in</strong>zen »adoptieren« sollten.<br />

<strong>Österreich</strong> wurde zusammen mit Bayern Hunan zugeteilt. 241 Gützlaff trat <strong>in</strong><br />

Wien auf und hielt dort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er evangelischen Kirche e<strong>in</strong>en Vortrag. 242 Allerd<strong>in</strong>gs<br />

fiel se<strong>in</strong>e Beurteilung der geistlichen Situation <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> nicht unbed<strong>in</strong>gt positiv<br />

aus. So schrieb Gützlaff:<br />

»Wien stellt das f leischliche Leben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er ganzen Fülle dar; der Himmel ist geschlossen,<br />

alles ist irdisch und weltlich. Die Zahl der Protestanten ist sehr kle<strong>in</strong>, doch haben sie<br />

zwei Kirchen. Mir wurde erlaubt, dort e<strong>in</strong>en Vortrag zu halten, zu dem sich denn auch<br />

manche Katholiken e<strong>in</strong>fanden.« 243<br />

E<strong>in</strong> Beispiel <strong>für</strong> wachsen<strong>des</strong> Interesse an der ›Heidenmission‹ ist e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Initiative der Pfarrer Jakob Ernst Koch sowie Friedrich Traugott Kotschy im Februar<br />

1849 zur Gründung e<strong>in</strong>es Missionsvere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Oberösterreich. Dieses Programm<br />

wurde zwar von der Pfarrerschaft angenommen, allerd<strong>in</strong>gs behördlich untersagt.<br />

Im Jahr 1862, als es rechtlich längst möglich gewesen wäre, gab es seitens <strong>des</strong><br />

Oberkirchenrats <strong>in</strong> Wien wenig Interesse an der Gründung e<strong>in</strong>es Missionsvere<strong>in</strong>s.<br />

Während ihrer Besuchsreise im Jahr 1862 244 sprachen <strong>die</strong> beiden Basler In<strong>die</strong>n-<br />

Missionare F. Müller und Huber auch beim evangelischen Oberkirchenrat Franz<br />

vor. Huber berichtete anschließend: »E<strong>in</strong>mal, so klage Franz, seien <strong>die</strong> Verhältnisse<br />

nicht weniger als befriedigend, und dann sei im eigenen Land soviel zu tun, daß<br />

man an <strong>die</strong> Ferne weniger denken kann. Mit der Mission hat er se<strong>in</strong>e Zweifel […]<br />

und das Hemd liege e<strong>in</strong>em ja näher als der Rock.« 245 Über <strong>die</strong>sen zweiten Besuch der<br />

Basler Missionare <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> berichtete auch der »Evangelische Sonntagsbote«:<br />

239<br />

Ebenda 38. Wilhelm Schlatter, <strong>Geschichte</strong> der Basler Mission 1815–1915, Bd. 2: Die <strong>Geschichte</strong><br />

der Basler Mission <strong>in</strong> In<strong>die</strong>n und Ch<strong>in</strong>a (Basel 1916) 281. Schlatter schreibt hier<br />

wörtlich, dass Gützlaff <strong>Österreich</strong> »durchflog«.<br />

240<br />

Ebenda.<br />

241<br />

Ebenda.<br />

242<br />

Vgl. hierzu und zum Folgenden: Direction der Ch<strong>in</strong>esischen Stiftung (Hg.), Dr. Karl Gützlaff’s<br />

Bericht se<strong>in</strong>er Reise von Ch<strong>in</strong>a nach England und durch <strong>die</strong> verschiedenen Länder Europa’s<br />

im Interesse der Ch<strong>in</strong>esischen Mission (Cassel 1851) 36.<br />

243<br />

Ebenda 36.<br />

244<br />

Vgl. auch <strong>die</strong> Angaben bei Schlatter, <strong>Geschichte</strong> der Basler Mission (wie Anm. 214) 296. Dort<br />

wird allerd<strong>in</strong>gs fälschlicherweise 1861 als Jahreszahl angegeben.<br />

245<br />

Zit. nach: Rathke, Die Kirche nicht im Dorf lassen (wie Anm. 210) 42.<br />

58


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

»Wien, 3. März. Gestern fanden <strong>in</strong> der hiesigen reformirten, sowie Gumpendorfer Filialkirche<br />

<strong>die</strong> beiden Hauptvorträge der Herren Missionare Huber und Müller statt.<br />

Die kirchlichen Räume waren wie zu Festzeiten gefüllt, und so zahlreich <strong>die</strong> Zuhörermenge<br />

war, folgte sie doch mit gespannter Aufmerksamkeit, wie wir e<strong>in</strong>estheils selbst<br />

wahrnahmen, anderntheils uns sagen ließen, der e<strong>in</strong>stündigen Rede der Missionare. Die<br />

freiwilligen Gaben zur Mission fielen befriedigend aus, blieben aber h<strong>in</strong>ter denen der<br />

Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Oberösterreich weit zurück.« 246<br />

Trotz fehlender weiterer aus <strong>Österreich</strong> ausgesandter Missionare <strong>in</strong> der zweiten<br />

Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts blieb an zahlreichen Orten das Missions<strong>in</strong>teresse<br />

wach. Hierzu trugen zum e<strong>in</strong>en <strong>die</strong> mehr oder weniger regelmäßigen Besuche von<br />

Missionaren ebenso bei wie <strong>die</strong> zahlreichen Berichte <strong>in</strong> verschiedenen kirchlichen<br />

Zeitungen wie dem »Evangelischen Sonntagsboten <strong>für</strong> Kirche Schule und Haus«,<br />

dem »Evangelischen Sonntagsboten aus <strong>Österreich</strong>«, der »Evangelischen Kirchenzeitung<br />

<strong>für</strong> <strong>Österreich</strong>» oder auch der Zeitung »Der <strong>Österreich</strong>ische Protestant«. So<br />

wurde beispielsweise im »Evangelischen Sonntagsboten« regelmäßig <strong>in</strong> der Rubrik<br />

»Bilder aus der Heidenwelt« ausführlich über das Geschehen auf dem ›Heidenmissionsfeld‹<br />

berichtet. Bemerkenswert ist dabei wiederum <strong>die</strong> transkonfessionelle<br />

Weite <strong>in</strong> der Berichterstattung. So f<strong>in</strong>den sich Berichte nicht nur aus der Arbeit<br />

der »Basler Mission« oder der »Leipziger Mission«, sondern auch aus der Arbeit<br />

der Methodisten, 247 der Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e 248 oder der Baptisten. Wenig ist<br />

bisher über e<strong>in</strong>en freikirchlichen Beitrag zur ›Heidenmission‹ im ausgehenden 19.<br />

Jahrhundert bekannt. Zwar entstanden baptistische (ab 1869) und methodistische<br />

Geme<strong>in</strong>den (ab 1870) <strong>in</strong> Wien und kurz darauf <strong>in</strong> Graz. Allerd<strong>in</strong>gs hatten <strong>die</strong>se <strong>in</strong><br />

den Anfangsjahren mit anderen Herausforderungen zu kämpfen, wie im folgenden<br />

Abschnitt gezeigt wird. Trotzdem gab es vor allem im Umfeld von Baron<strong>in</strong> Amelie<br />

von Langenau (1833–1902) e<strong>in</strong>ige Veranstaltungen. So hielt im Januar 1895 der methodistische<br />

Missionar Dr. Emil Lür<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>ige Vorträge über se<strong>in</strong>e Missionsarbeit<br />

<strong>in</strong> der methodistischen Geme<strong>in</strong>de. Für den folgenden Sonntag stellte ihm der reformierte<br />

Oberkirchenrat Dr. Carl-Alphons Witz-Oberl<strong>in</strong> sogar se<strong>in</strong>e Stadtkirche zur<br />

Verfügung. 249 Zwei Jahre später war es Hudson Taylor, der am Abend <strong>des</strong> 25. März<br />

1897 im Salon der Baron<strong>in</strong> von Langenau vor ungefähr 200 Zuhörern aus der Missionsarbeit<br />

berichtete. 250 Am folgenden Tag fand e<strong>in</strong>e weitere Abendversammlung<br />

statt, <strong>die</strong>smal im großen Saal <strong>des</strong> Wiener »Christlichen Vere<strong>in</strong>s junger Männer«<br />

246<br />

N. N., Nachrichten. Evangelischer Sonntagsbote <strong>für</strong> Kirche, Schule und Haus 2 (1862) 84.<br />

247<br />

N. N., Miscellen aus der Mission. Evangelischer Sonntagsbote <strong>für</strong> Kirche, Schule und Haus 2<br />

(1862) 298.<br />

248<br />

N. N., Die Mission der Brüdergeme<strong>in</strong>de im Himalaya. Evangelischer Sonntagsbote <strong>für</strong> Kirche,<br />

Schule und Haus 3 (1863) 348–350.<br />

249<br />

Paul E. Hammer, Baron<strong>in</strong> Amelie von Langenau (Wien 2001) 55. Dies ist hervorzuheben und zeigt<br />

sowohl <strong>die</strong> Allianz- als auch <strong>die</strong> Missionsges<strong>in</strong>nung Witz-Oberl<strong>in</strong>s, war es doch damals <strong>in</strong> Wien<br />

durchaus unüblich, dass sich evangelische Kirchen <strong>für</strong> Mitglieder von Freikirchen öffneten.<br />

250<br />

N. N., Meet<strong>in</strong>gs on the Cont<strong>in</strong>ent. – II. Ch<strong>in</strong>a’s Millions 5 (1897) 60. Vgl. ferner Hammer,<br />

Baron<strong>in</strong> Amelie von Langenau (wie Anm. 249) 58.<br />

59


Frank H<strong>in</strong>kelmann<br />

[im Folgenden: CVJM]. Über <strong>die</strong> Veranstaltung berichtete <strong>die</strong> Vere<strong>in</strong>szeitschrift<br />

<strong>des</strong> CVJM Wien:<br />

»Die Versammlung am Abend <strong>des</strong> 26. März, <strong>in</strong> welcher der Begründer und Leiter der<br />

Ch<strong>in</strong>a-Inland-Mission, Mr. Hudson Taylor, uns durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> englischer Sprache gehaltenen,<br />

von dem Direktor der Brit. und Ausl. Bibelgesellschaft Herrn H. E. Millard<br />

<strong>in</strong>s Deutsche übertragenen Vortrag erfreute, war gut besucht und namentlich waren<br />

junge Männer zahlreich erschienen. Wir vernahmen von verschiedenen Seiten, dass<br />

das schlichte Zeugnis von Christo, welches der erfolgreiche, unermüdliche Arbeiter auf<br />

dem Missionsfelde ablegte, tiefen bleibenden E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terlassen hat und wir hoffen<br />

zuversichtlich, dass <strong>die</strong> Anwesenheit Mr. Hudson Taylor’s <strong>in</strong> unserem Vere<strong>in</strong>sheim von<br />

Ewigkeitssegen begleitet gewesen ist.« 251<br />

Aus dem e<strong>in</strong>gangs <strong>die</strong>ses Abschnitts zitierten Sendschreiben der Leitung der LMS<br />

an <strong>die</strong> »Brüder <strong>in</strong> Deutschland« soll abschließend noch e<strong>in</strong>mal zitiert werden.<br />

»Und nun, Verehrte Brüder, erlauben Sie uns, noch e<strong>in</strong>e Anmerkung h<strong>in</strong>zuzusetzen,<br />

welcher wir durch e<strong>in</strong>e glückliche Erfahrung dem Werke, welches wir empfehlen, sehr<br />

zuträglich gefunden haben. Lassen Sie bey der Vere<strong>in</strong>igung <strong>für</strong> Missions-Zwecke, jeden<br />

kle<strong>in</strong>ern Unterschied <strong>in</strong> Religions-Me<strong>in</strong>ungen oder Formalitäten, welche zur Seligkeit<br />

nicht so wesentlich s<strong>in</strong>d als <strong>die</strong> Grundsätze <strong>des</strong> Glaubens und heiligen Gehorsams, im<br />

Geiste der Liebe und <strong>des</strong> gere<strong>in</strong>igten Eifers vergessen. […] E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger großer Gegenstand<br />

beschäftigt unsere ganze Aufmerksamkeit. Jesum Christum, und ihn e<strong>in</strong>zig und<br />

alle<strong>in</strong> zu lehren und zu predigen; und <strong>in</strong> allen übrigen D<strong>in</strong>gen uns mit Liebe und im<br />

Geiste der Sanftmuth zu tragen und zu verschonen.« 252<br />

Dieses Zitat fasst <strong>die</strong> ›DNA‹ der um <strong>die</strong> Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert<br />

aufblühenden protestantischen ›Heidenmissionsbewegung‹, <strong>die</strong> von Pietismus<br />

und Erweckungsbewegung getragen wurde, treffend zusammen. Das geme<strong>in</strong>same<br />

große Anliegen, das Evangelium von Jesus Christus zu den ›verlorenen Heiden‹ zu<br />

tragen, sollte weder durch konfessionelle noch durch nationale Differenzen geh<strong>in</strong>dert<br />

werden. Nach <strong>Österreich</strong> gelangten <strong>die</strong> Nachrichten vom ›Heidenmissionsfeld‹<br />

über <strong>die</strong> bewährten Netzwerke rund um <strong>die</strong> DCG sowie der aus ihr hervorgehenden<br />

»Basler Mission«, und auch andere Gesellschaften wie <strong>die</strong> NMG oder <strong>die</strong> Herrnhuter<br />

trugen <strong>die</strong>se Nachrichten <strong>in</strong>s Land. Dabei kristallisieren sich zwei Hauptzentren <strong>des</strong><br />

Interesses an der ›Heidenmission‹ im Land heraus: Oberösterreich und Oberschützen,<br />

während Wien und andere Bun<strong>des</strong>länder nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle spielen.<br />

V. E<strong>in</strong> vorläufiges Fazit<br />

Aufgabe <strong>die</strong>ses Beitrags ist es gewesen, <strong>die</strong> transkonfessionellen und transnationalen<br />

Netzwerke im Umfeld von Pietismus, Erweckungsbewegung und Freikirchen<br />

251<br />

N. N., Aus dem Vere<strong>in</strong>sleben. Monatlicher Anzeiger <strong>des</strong> Christlichen Vere<strong>in</strong>s junger Männer 1,<br />

Nr. 5 (1897) 2.<br />

252<br />

N. N., Sendschreiben der Directoren der neuen Missions-Gesellschaft (wie Anm. 42) 11.<br />

60


Transkonfessionelle und transnationale Netzwerke<br />

im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert auf ihre Verb<strong>in</strong>dungen nach <strong>Österreich</strong><br />

zu untersuchen. Obwohl vier verschiedene Schwerpunktbereiche herausgegriffen<br />

wurden, zeigt sich, dass <strong>die</strong> eigentlichen ›Player‹, sei es auf <strong>in</strong>stitutioneller<br />

oder personeller Ebene, vielfach <strong>die</strong> gleichen waren und es zahlreiche geme<strong>in</strong>same<br />

Schnittmengen gab. Am Anfang <strong>die</strong>ser Entwicklung steht <strong>die</strong> DCG mit ihren Wurzeln<br />

im hallensischen und württembergischen Pietismus bei gleichzeitigem engem<br />

Kontakt zu den ›erwecklichen‹ Kreisen Großbritanniens. Urlsperger, Kießl<strong>in</strong>g oder<br />

Spittler s<strong>in</strong>d nur drei Namen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Fäden bis h<strong>in</strong> nach <strong>Österreich</strong> zogen und<br />

Evangelische im Allgeme<strong>in</strong>en und pietistisch geprägte Pfarrer und Geme<strong>in</strong>den im<br />

Besonderen unterstützten. Dabei kristallisieren sich <strong>für</strong> <strong>Österreich</strong> vor allem drei<br />

geographische ›Hotspots‹ heraus: <strong>die</strong> Zentren <strong>des</strong> Pietismus <strong>in</strong> Oberösterreich und<br />

im burgenländischen Oberschützen sowie Wien. Hier haben wir es allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

mehr e<strong>in</strong>deutig mit evangelisch-<strong>in</strong>nerkirchlichen Gruppierungen zu tun, sondern<br />

von Anfang haben <strong>die</strong> Gruppen transkonfessionellen Charakter. Insbesondere im<br />

weiteren Verlauf <strong>des</strong> 19. Jahrhundert kommt es <strong>in</strong> Wien zusätzlich zu e<strong>in</strong>er Internationalisierung,<br />

was vor allem im Zusammenhang mit der Errichtung neuer<br />

Freikirchen und Missionsstationen <strong>in</strong> Wien zu deuten ist.<br />

Von der DCG verliefen <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien nach <strong>Österreich</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

über <strong>die</strong> »Basler Mission«, <strong>die</strong> ›Pilgermissionare‹ Spittlers und E<strong>in</strong>zelpersonen sowie<br />

›Judenmissionare‹ verschiedener Werke, bevor <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts <strong>die</strong> EA mehr und mehr den Kristallisationspunkt der ›erwecklichen‹<br />

Kreise bildete und an E<strong>in</strong>fluss gewann.<br />

Dieser Aufsatz führt als Untertitel: »E<strong>in</strong>e Spurensuche«. Entsprechend konnte<br />

manches nur angerissen werden und verschiedene Bestände <strong>in</strong> Archiven im In- und<br />

Ausland warten noch auf ihre Hebung. Auch E<strong>in</strong>zelfragen gilt es noch näher zu<br />

erforschen, wie: Wie und warum entstanden Beziehungen? Wer reiste damals und<br />

warum? Welche Motive gab es <strong>für</strong> das Engagement <strong>in</strong> Gesellschaft und Vere<strong>in</strong>en?<br />

Hartmut Lehmann kann daher nur zugestimmt werden:<br />

»If we look more closely <strong>in</strong>to the networks of the born-aga<strong>in</strong> Protestants, we beg<strong>in</strong> to ga<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>sight <strong>in</strong>to social and cultural connections among those who are striv<strong>in</strong>g to be saved,<br />

and we beg<strong>in</strong> to understand <strong>in</strong>fluential personal ties and religious convictions beyond<br />

church hierarchies and beyond the structures set by church ord<strong>in</strong>ances. […] As far as I<br />

know Pietism research of the past deca<strong>des</strong>, […] both the role of religious networks and<br />

the role of communication among those who considered themselves to be God’s loyal<br />

children, have not been stu<strong>die</strong>d extensively and carefully enough.« 253<br />

Zu solch weiterem Forschen möchte <strong>die</strong>se ›Spurensuche‹ animieren.<br />

253<br />

Hartmut Lehmann, Religiöse Erweckung <strong>in</strong> gottferner Zeit. Stu<strong>die</strong>n zur Pietismusforschung<br />

(Gött<strong>in</strong>gen 2010) 152.<br />

61


»ACH, ER IST EIN ARMER SÜNDER UND HÄTTE<br />

VERZWEIFELN MÜSSEN«<br />

EINFLÜSSE AUF THEOLOGIE UND FRÖMMIGKEIT DES KATHOLISCHEN PRIESTERS MARTIN BOOS<br />

Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

Der vorliegende Artikel, Kurzfassung der 2015 von mir e<strong>in</strong>gereichten Diplomarbeit,<br />

1 hat <strong>die</strong> Darstellung der Theologie und Frömmigkeit Mart<strong>in</strong> Boos’ zum Thema,<br />

<strong>des</strong>sen Wirken nicht nur mit der Allgäuer Erweckung, sondern auch mit der<br />

Gründung der Evangelischen Pfarrgeme<strong>in</strong>de Gallneukirchen verknüpft ist. Im Fokus<br />

steht dabei Boos’ Werdegang vom ›frommen Asketen‹ zum ›Erweckungsprediger‹<br />

sowie der Frage nach den ihn prägenden E<strong>in</strong>flüssen. Der zeitliche Schwerpunkt<br />

liegt auf Boos’ Wirken <strong>in</strong> den Diözesen Augsburg und L<strong>in</strong>z.<br />

I. Mart<strong>in</strong> Boos' Wirken <strong>in</strong> der Diözese Augsburg<br />

In den 1790er Jahren kam es <strong>in</strong> Kempten und Augsburg zu e<strong>in</strong>er Erweckung, als<br />

deren Initiator Mart<strong>in</strong> Boos gilt, der durch e<strong>in</strong> persönliches Erweckungserlebnis<br />

der Bewegung den entscheidenden theologischen Impuls vermittelte: das Christus<br />

pro nobis. Bleibt se<strong>in</strong>e zentrale Rolle unbestritten, so zeigt der Verlauf, dass <strong>die</strong><br />

Allgäuer Bewegung weniger als l<strong>in</strong>eares, durch e<strong>in</strong>e ›Initialzündung‹ <strong>in</strong>itiiertes<br />

Ereignis, sondern vielmehr als multifaktorielles und multilokales Geschehen zu<br />

verstehen ist. Dennoch gibt es geme<strong>in</strong>same Grundl<strong>in</strong>ien, <strong>die</strong> sich im Wesentlichen<br />

auch bei Boos f<strong>in</strong>den.<br />

Theologisches Kernstück der Bewegung ist der Gedanke der Rechtfertigung<br />

<strong>des</strong> Sünders durch <strong>die</strong> Erlösungstat Christi (»Christus fuer uns«), wobei <strong>die</strong><br />

Frage nach der Möglichkeit menschlicher Mitwirkung beim Erlösungsgeschehen<br />

unterschiedlich beantwortet wird. 2 Gegenüber dem Christusgeschehen tritt <strong>die</strong><br />

Heiligen- und Marienverehrung deutlich zurück. Grundlegen<strong>des</strong> Glaubensereignis<br />

<strong>des</strong> E<strong>in</strong>zelnen ist <strong>die</strong> persönliche ›Erweckung‹, <strong>die</strong> unmittelbar verbunden ist mit<br />

der Geistestaufe, <strong>die</strong> als Zeichen der Wahrhaftigkeit <strong>des</strong> neu erlangten Glaubens<br />

empfangen wird. Dabei kommt es zur E<strong>in</strong>wohnung Christi (»Christus <strong>in</strong> uns«),<br />

1<br />

Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn, »Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder und hätte verzweifeln müssen«. Zu Theologie<br />

und Frömmigkeit <strong>des</strong> katholischen Priesters Mart<strong>in</strong> Boos (1762–1825) (Dipl.-Arb. Universität<br />

Wien Wien 2015). Als Onl<strong>in</strong>eressource abrufbar unter: http://othes.univie.ac.at/37081/<br />

[27.6.<strong>2022</strong>].<br />

2<br />

Vgl. Horst Weigelt, Die Allgäuer katholische Erweckungsbewegung und ihre Ausstrahlung<br />

<strong>in</strong> den süddeutschen Raum. PuN 16 (1990) 173–195, hier 177, 193.<br />

63


Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

<strong>die</strong>, <strong>in</strong> Analogie zur Kommunion, als geistliche Realpräsenz Christi im Menschen<br />

verstanden wird und Grundvoraussetzung <strong>für</strong> das Vollbr<strong>in</strong>gen guter Werke ist. Die<br />

dar<strong>in</strong> begründete mehr oder weniger passive Grundhaltung <strong>des</strong> sich dem Wirken<br />

Christi überlassenden Menschen brachte Teilen der Bewegung den Vorwurf <strong>des</strong><br />

Quietismus e<strong>in</strong>. Mit der Erweckung verbunden s<strong>in</strong>d physische und psychische<br />

Affektionen, Visionen, Träume und E<strong>in</strong>gebungen. Lebendige Frömmigkeit gilt<br />

als unmittelbare Folge und Zeichen der Erweckung: Dem als ›tot‹ empfundenen<br />

religiösen Formalismus <strong>des</strong> Nicht-Erweckten steht der <strong>in</strong>nige Glaube <strong>des</strong> Erweckten<br />

gegenüber. Die Erweckten verstehen sich als ecclesiola <strong>in</strong> ecclesia, <strong>die</strong> als verfemte<br />

M<strong>in</strong>derheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Netz von Gleichges<strong>in</strong>nten existiert; demgegenüber treten<br />

konfessionelle Unterschiede zurück (auch wenn sie <strong>in</strong> der Regel nicht aufgehoben<br />

werden). Die dezi<strong>die</strong>rte Rückb<strong>in</strong>dung an <strong>die</strong> Bibel ist u. a. dem Umstand geschuldet,<br />

dass zahlreiche Protagonisten bei Johann Michael Sailer stu<strong>die</strong>rten, der <strong>die</strong> Bibel<br />

<strong>in</strong>s Zentrum se<strong>in</strong>er Lehrtätigkeit rückte. Auch mystische und pietistische Schriften<br />

kursierten: Neben Johann Arndts Wahrem Christentum waren <strong>die</strong>s <strong>die</strong> radikalpietistischen<br />

Schriften von Christian Hoburg, Gottfried Arnold, Pierre Poiret<br />

und Anto<strong>in</strong>ette Bourignon sowie <strong>die</strong> Berleburger Bibel. 3 Boos gab während se<strong>in</strong>er<br />

Verhandlung 1797 zu, Johannes Tauler, Gottfried Arnolds Die erste Liebe der<br />

Geme<strong>in</strong>den Jesu Christi und Die evangelische Botschaft der Herrlichkeit Gottes sowie<br />

Madame Guyon exzerpiert zu haben. Guyons Christliche und Geistreiche Briefe,<br />

das Innere Leben betreffend hat Boos auch an Gläubige weitergegeben. 4 Ferner ist<br />

dem Protokoll zu entnehmen, dass unter den Dill<strong>in</strong>ger Alumni u. a. Johann Caspar<br />

Lavater, Matthias Claudius sowie <strong>die</strong> Lebensgeschichte Jesu von Johann Jakob Hess<br />

kursierten. Auch Christoph Christian Sturms Betrachtungen ueber <strong>die</strong> Werke Gottes<br />

wurden gelesen. Mit Ausnahme von Sturms Betrachtungen hat Boos als Student<br />

ke<strong>in</strong>es der zuletzt genannten Bücher besessen. Auch ob er <strong>die</strong> Berleburger Bibel<br />

jemals besaß, ist unsicher – <strong>in</strong> jedem Fall wusste er um ihre Existenz. 5 François-<br />

Louis de Blois, e<strong>in</strong>en französischen Mystiker <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts, hat Boos<br />

ebenfalls an Laien weitergegeben. 6 Während se<strong>in</strong>es Stadtarrests <strong>in</strong> Augsburg erwarb<br />

er Bücher nicht namentlich genannter Autoren, und zwar Bücher »wie sie unsere<br />

Heiligen haben«, möglicherweise Pietisten oder Herrnhuter. 7 Über Johann Siller,<br />

Großvater <strong>des</strong> der Erweckung angehörenden Priesters Andreas Siller und aus dem<br />

3<br />

Bei Horst Weigelt, Die Allgäuer katholische Erweckungsbewegung, <strong>in</strong>: <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus,<br />

Bd. 3: Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, hg. von Mart<strong>in</strong><br />

Brecht /Ulrich Gäbler (Gött<strong>in</strong>gen 2000) 85–111, hier 86.<br />

4<br />

Vgl. Hubert Schiel, Mart<strong>in</strong> Boos vor dem Geistlichen Gericht <strong>in</strong> Augsburg und se<strong>in</strong> Inquisitionsprotokoll.<br />

ZBKG 29 (1960) 51–104, hier 71, 78, 82.<br />

5<br />

Vgl. ebenda 77; Hildebrand Dussler, Johann Michael Feneberg und <strong>die</strong> Allgäuer Erweckungsbewegung.<br />

E<strong>in</strong> kirchengeschichtlicher Beitrag aus den Quellen zur Heimatkunde <strong>des</strong> Allgäus.<br />

EKGB 33 (1959) <strong>138</strong> (dort Anm. 226).<br />

6<br />

Johannes E. Gossner, Mart<strong>in</strong> Boos der Prediger der Gerechtigkeit <strong>die</strong> vor Gott gilt. Se<strong>in</strong><br />

Selbstbiograph (Leipzig 1831) 91.<br />

7<br />

Ebenda 81. Vgl. Horst Weigelt, <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus <strong>in</strong> Bayern (AGP 168, Gött<strong>in</strong>gen 2001)<br />

252, 274–276; Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 155f., 216.<br />

64


»Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder und hätte verzweifeln müssen«<br />

Zillertal stammender lutherischer Waffenschmied, drang <strong>in</strong> den Kemptener Raum<br />

lutherisches und (radikal-)pietistisches Schriftgut e<strong>in</strong>, u. a. Schriften von Arndt und<br />

Jakob Böhme. 8 Laien, <strong>in</strong>sbesondere Frauen, waren stark am Erweckungsgeschehen<br />

beteiligt. In der Allgäuer Bewegung spielten besonders sogenannte Gebärmütter<br />

e<strong>in</strong>e Rolle. Darunter verstand man Frauen, <strong>die</strong> »als« geisterfüllte »Werkzeug[e]«<br />

Gottes bei anderen e<strong>in</strong>e »geistliche Geburt« auszulösen vermochten. 9 Auch später<br />

<strong>in</strong> Oberösterreich spielten erweckte Mägde e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Ob <strong>die</strong>s mit der<br />

Gefühlsbetontheit der Erweckungen zusammenhängt und <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tradition<br />

von Montanismus, mittelalterlicher Mystik und Pietismus e<strong>in</strong>zureihen s<strong>in</strong>d, 10 sei<br />

dah<strong>in</strong>gestellt. In jedem Fall hat sich <strong>die</strong> Marienverehrung, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihrer barocken<br />

Form unter den Erweckten kaum noch e<strong>in</strong>e Rolle spielte, <strong>in</strong> <strong>die</strong> jenen ›Gebär-<br />

Müttern‹ zugedachte Stellung gewissermaßen transformiert. Nicht von ungefähr<br />

erhielt Magdalena Fischer (s. u.), nachdem sie anderen »den Heiland gegeben«<br />

hatte, den Namen »Maria«. 11 Die re<strong>in</strong>e, jungfräuliche Geburt Jesu wurde <strong>in</strong> der<br />

sich stets neu vollziehenden Wiedergeburt der Erweckten vergegenwärtigt, was sich<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er typischen Term<strong>in</strong>ologie niederschlägt. 12 Jene den Frauen zugedachte<br />

Funktion, den Menschen wie e<strong>in</strong>st Maria »den Heiland zu geben«, begründet ihre<br />

herausragende Stellung wohl am plausibelsten. Freilich sahen e<strong>in</strong>ige Geistliche <strong>die</strong>s<br />

mit Skepsis, teils weil sie Frauen ke<strong>in</strong>e theologische Betätigung zugestanden, teils<br />

aus moralischen Bedenken. 13 Auch dass e<strong>in</strong>ige Frauen, wie etwa Therese Erdt und<br />

Magdalena Fischer, anderen de facto <strong>die</strong> Beichte abnahmen, rief Argwohn hervor.<br />

I.1 Die geschichtlichen Eckdaten (1762–1799)<br />

Johann Mart<strong>in</strong> Boos wurde am 25.12.1762 im schwäbischen Huttenried als dreizehntes<br />

K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>er wohlhabenden Bauernfamilie geboren. Schon früh Vollwaise<br />

geworden, verbrachte er se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der- und Jugendjahre bei se<strong>in</strong>em Onkel, dem<br />

Geistlichen Rat Kögl <strong>in</strong> Gögg<strong>in</strong>gen, der allerd<strong>in</strong>gs kaum Interesse an der Ausbildung<br />

se<strong>in</strong>es Neffen zeigte. Dennoch konnte Boos se<strong>in</strong>en Wunsch, Geistlicher zu werden,<br />

durchsetzen und das ehemalige Jesuitengymnasium St. Salvator <strong>in</strong> Augsburg<br />

besuchen. 1784 nahm er se<strong>in</strong> Theologiestudium an der Dill<strong>in</strong>ger Universität<br />

auf, an <strong>die</strong> Johann Michael Sailer eben erst zum Pastoral- und Moraltheologen<br />

bestellt worden war. 1786 zum Priester geweiht, trat Boos im Frühjahr 1788 se<strong>in</strong>e<br />

erste Kaplanstelle <strong>in</strong> Unterth<strong>in</strong>gau an. Im Frühjahr 1790 wurde er Stiftskaplan zu<br />

8<br />

Vgl. Matthias Simon, Die Allgäuer Erweckungsbewegung und <strong>die</strong> Vertreibung der Salzburger<br />

Protestanten. ZBKG 26 (1957) 193–198, hier 195–197.<br />

9<br />

Vgl. Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 63, 90f., hier 90.<br />

10<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 139.<br />

11<br />

Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 62f., 91.<br />

12<br />

Vgl. ebenda 94 (Pkt. IV.2); Gossner, Boos (wie Anm. 6) 65 (Pkt. 5).<br />

13<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 139–141; Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll<br />

(wie Anm. 4) 89.<br />

65


Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

St. Lorenz <strong>in</strong> Kempten. 14 In <strong>die</strong>se Zeit zwischen 1788 und 1790 fällt jenes Erlebnis,<br />

das <strong>für</strong> Boos zum prägenden Ereignis se<strong>in</strong>es Lebens werden sollte:<br />

»[...] (wahrsche<strong>in</strong>lich 1788 oder 89.) sagte ich zu e<strong>in</strong>er sehr demuethigen und <strong>in</strong>nigen<br />

Seele, <strong>die</strong> ich im Krankenbette besuchte: ›Aber Sie werden doch recht ruhig und selig<br />

sterben?‹ Sie fragte mich: Warum denn? Ich: Weil Sie so fromm und heilig gelebt haben.<br />

Die Kranke laechelte über me<strong>in</strong>e Worte, und sagte: Wenn ich im Vertrauen auf me<strong>in</strong>e<br />

Froemmigkeit h<strong>in</strong>stuerbe, so wueßte ich gewiß, daß ich verdammt wuerde. Aber auf<br />

Jesum, me<strong>in</strong>en Heiland, kann ich getrost sterben«. »Sieh, <strong>die</strong>ß Wort […] oeffnete mir<br />

<strong>die</strong> Augen. Ich erblickte Christum fuer uns, frohlockte, wie Abraham, als er se<strong>in</strong>en Tag<br />

sah.« 15<br />

Im Herbst 1791 erhielt Boos e<strong>in</strong> Kanonikat <strong>in</strong> Grönenbach, wo er zwar rasch <strong>die</strong><br />

Bevölkerung <strong>für</strong> sich gew<strong>in</strong>nen konnte, zugleich aber den Neid se<strong>in</strong>er Kanoniker-<br />

Kollegen hervorrief, <strong>die</strong> ihm so zusetzten, dass er 1793 schließlich nach St. Lorenz<br />

zurückg<strong>in</strong>g. 16 Im Februar 1794 kam Boos als Kaplan nach Seeg, um den schwerkranken<br />

Johann Michael Feneberg zu unterstützen, und blieb dort bis zum Frühjahr<br />

1795. 17 In <strong>die</strong>se Zeit von Ende 1793 bis <strong>in</strong>s Frühjahr 1795 fallen zwei Ereignisse,<br />

<strong>die</strong> sowohl <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung von Boos wie auch der Allgäuer Erweckung Bedeutung<br />

haben: Zum e<strong>in</strong>en berichtet Boos über e<strong>in</strong>drückliche Lichtersche<strong>in</strong>ungen und<br />

Gesichte, 18 zum anderen trifft er im Seeger Pfarrhof mit dem Oet<strong>in</strong>ger Regierungsrat<br />

Johann Baptist Ruoesch zusammen, der se<strong>in</strong>en Sohn den Seeger Geistlichen<br />

zur Erziehung übergeben hatte. 19 Ruoesch, e<strong>in</strong> tiefgläubiger Katholik und e<strong>in</strong>er der<br />

profiliertesten Laien der Bewegung, zählte seit 1784 zum engsten Freun<strong>des</strong>kreis um<br />

Sailer und Feneberg und unterstützte seit den frühen 1790er Jahren auch <strong>die</strong> Arbeit<br />

der Basler »Deutschen Christentumsgesellschaft«. 20 In se<strong>in</strong>er Seeger Zeit hatte Boos<br />

zudem Zugang zur reich bestückten Bibliothek <strong>des</strong> Pfarrhofs, <strong>die</strong> vor allem durch<br />

den Priester Anton Bach beliefert wurde. Im Zuge der Untersuchungen gegen Bach<br />

im Jahr 1797 fand man bei ihm u. a. Werke von Mart<strong>in</strong> Luther, Johann Arndt, Philipp<br />

Jacob Spener, Gottfried Arnold, Johann Albrecht Bengel, Nikolaus Ludwig von<br />

14<br />

Vgl. Gossner, Boos (wie Anm. 6) 1–5; Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5)<br />

85–86 (dort auch Anm. 40), 87; Ders., Mart<strong>in</strong> Boos, <strong>in</strong>: Lebensbilder aus dem Bayerischen<br />

Schwaben, Bd. 6, hg. von Götz Fr. von Pölnitz (München 1958) 406–421, hier 406–409.<br />

15<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 28.<br />

16<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 86; Gossner, Boos (wie Anm. 6)<br />

5, 31–32.<br />

17<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 86f.; Dussler, Boos (wie Anm. 14)<br />

413.<br />

18<br />

Vgl. Hahn, Boos (wie Anm. 1) 208–214.<br />

19<br />

Vgl. Gossner, Boos (wie Anm. 6) 347–348.<br />

20<br />

Vgl. Ernst Staehel<strong>in</strong>, Die Christentumsgesellschaft <strong>in</strong> der Zeit der Aufklärung und der<br />

beg<strong>in</strong>nenden Erweckung. Texte aus Briefen, Protokollen und Publikationen. ThZS II (1970)<br />

64, 507; Klaus Guth, Erneuerung der Volksreligiosität durch Johann Michael Sailer (1751–<br />

1832) und <strong>die</strong> Erweckungsbewegung (Onl<strong>in</strong>eressource: http://downloads.eo-bamberg.<br />

de/2/124/1/70451647820154387938.pdf [29.10.2020]).<br />

66


»Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder und hätte verzweifeln müssen«<br />

Z<strong>in</strong>zendorf, Theodor Undereyck, Gerhard Tersteegen und Johann He<strong>in</strong>rich Jung-<br />

Still<strong>in</strong>g. Im Frühjahr 1795 kam Boos als Kaplan nach Wiggensbach. Aufgrund <strong>des</strong><br />

zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt ausgeschriebenen Jubelablasses kamen zahlreiche Menschen<br />

<strong>für</strong> ihre Generalbeichte <strong>in</strong> <strong>die</strong> Pfarre, was Boos nicht nur Gelegenheit zu seelsorgerlichen<br />

Gesprächen bot – es bewirkte auch, dass sich se<strong>in</strong> Ruf als frommer Seelsorger<br />

weith<strong>in</strong> verbreitete. So verfasste Boos <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Zeit e<strong>in</strong>e Anweisung zur Buße und<br />

zum Glauben an Christus, <strong>die</strong> er (neben anderen handgeschriebenen Traktaten)<br />

verteilte. 21 E<strong>in</strong>es der dortigen Pfarrk<strong>in</strong>der war <strong>die</strong> erwähnte Bauernmagd Magdalena<br />

Fischer. Von Boos’ Frömmigkeit tief bee<strong>in</strong>druckt, wählte Fischer <strong>die</strong>sen zu<br />

ihrem Beichtvater. Aufgrund <strong>des</strong> Andrangs wies Boos der Frau e<strong>in</strong>e Lehrfunktion<br />

zu, da er <strong>in</strong> der Bauernmagd (wie auch <strong>in</strong> Therese Erdt) e<strong>in</strong> göttliches Werkzeug<br />

erkannte, das befähigt war, anderen den lebendigen Glauben zu br<strong>in</strong>gen. 22 Während<br />

se<strong>in</strong>es Verhörs 1797 gab Boos zu Protokoll, Fischer sei »zu ihm gekommen<br />

und habe gemeldet, sie sei von e<strong>in</strong>er höheren Stimme niedergeworfen und zu ihm<br />

zu gehen berufen worden […]. [… Boos sei] bekannt, daß Fischer<strong>in</strong> <strong>in</strong> [den] Leuten<br />

Buß und Glauben erweckt habe, auch denselben ihre Sünden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tone und<br />

mit e<strong>in</strong>er Stimme […] solchergestalten vorgehalten, daß viele Gegenwärtige selbe<br />

selbst e<strong>in</strong>bekennet und sich ganz geändert und bekehret«. 23<br />

Zwischen September und Dezember 1796 wurden der Priester Franz Xaver Schmid<br />

und der schon erwähnte Anton Bach durch Therese Erdt erweckt. 24 Bei e<strong>in</strong>em Krankenbesuch<br />

hatte Erdt e<strong>in</strong>ige Stellen aus dem Neuen Testament herausgeschrieben,<br />

<strong>die</strong> Schmid derart aufwühlten, dass er schließlich e<strong>in</strong>e umfassende Beichte vor<br />

der Frau ablegte, 25 <strong>die</strong> »ihn im Geiste Jesu Christi von allem absolviert« habe. Auf<br />

<strong>die</strong> Frage Schmids, ob er noch zu e<strong>in</strong>em Mitpriester gehen solle, antwortete Boos,<br />

Schmid »werde sicherer tun, wenn er sich von e<strong>in</strong>em Laien auch noch zum Priester<br />

weisen ließe – <strong>in</strong><strong>des</strong> soll er glauben, daß ihn Gott […] schon absolviert habe<br />

[…]«. 26 Anton Bachs Erweckung vollzog sich während se<strong>in</strong>es Aufenthalts bei Boos<br />

<strong>in</strong> Wiggensbach durch <strong>die</strong> ebenfalls anwesende Therese Erdt. 27 Am 18. Dezember<br />

1796 kam Boos erneut und <strong>in</strong> Begleitung von Fischer und Erdt nach Seeg, wo auch<br />

Feneberg und se<strong>in</strong> Kaplan Franz Xaver Bayr sowie der ebenfalls anwesende Andreas<br />

Siller durch Magdalena Fischer erweckt wurden, <strong>die</strong> auch dem skeptischen<br />

Sailer hart <strong>in</strong>s Gewissen redete, er sei noch immer e<strong>in</strong> »Pharisaeer«, der »zwar<br />

<strong>die</strong> Wasser=Taufe Johannis, aber noch nicht <strong>die</strong> Geistes= und Feuer=Taufe Jesu<br />

empfangen« habe. 28 Auch <strong>die</strong>ser Reise waren bei Boos Vorahnungen und Gesichte<br />

21<br />

Vgl. Gossner, Boos (wie Anm. 6) 34–36.<br />

22<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 151–152 (dort auch Anm. 88).<br />

23<br />

Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 62.<br />

24<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 143, 176.<br />

25<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 41–43; Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 88f.<br />

26<br />

Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 71f.<br />

27<br />

Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 109–114.<br />

28<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 44; vgl. Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 65f.<br />

67


Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn<br />

vorausgegangen. 29 Zeitlich wohl eng mit <strong>die</strong>sen Geschehnissen verbunden – <strong>in</strong> jedem<br />

Fall aber vor dem 1. Jänner 1797 – ist Boos’ »zweite Erweckung« anzusetzen,<br />

<strong>die</strong> er nach e<strong>in</strong>er Phase <strong>in</strong>tensiver Lektüre und Gebeten h<strong>in</strong>ter dem Choraltar <strong>in</strong><br />

Wiggensbach erlebte: 30<br />

»Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder u. er hätte verzweifeln müssen, wenn er nicht e<strong>in</strong>en Mann<br />

gefunden hätte, der ihm e<strong>in</strong>e andere Weisheit, Gerechtigkeit u. Heiligkeit […] gezeiget<br />

hätte. Und ich | muß es schon sagen: <strong>die</strong>ser Mann war der Herr Jesus selbst. […] ich<br />

habe <strong>die</strong> lebendige Erkenntniß […] Jesu Christi, nicht von e<strong>in</strong>em Professor […], sondern<br />

h<strong>in</strong>term Altar auf e<strong>in</strong>em Betschamerl, worauf ich vor e<strong>in</strong>em Crucifix 2 Jahre lang viel<br />

we<strong>in</strong>te und betete, vom Herrn selbst gelernt.« 31<br />

Mit jener »lebendigen Erkenntnis« stellten sich auch <strong>die</strong> Lichtersche<strong>in</strong>ungen und<br />

Traumgesichte wieder e<strong>in</strong>: »Ich sah«, gibt Boos zu Protokoll, »mitten <strong>in</strong> der Nacht<br />

am Fenster stehend, ganz wach und munter, Feuer vom Himmel fallen«. 32 Unter<br />

dem E<strong>in</strong>druck <strong>die</strong>ser Ersche<strong>in</strong>ungen hielt Boos am 1. Jänner 1797 <strong>in</strong> Wiggensbach<br />

se<strong>in</strong>e Neujahrspredigt, <strong>in</strong> der er nachdrücklich zu Umkehr und Buße sowie zur<br />

Wahrnehmung untrüglicher Zeichen wie »Gesichter, Träume, Weissagungen, Ersche<strong>in</strong>ungen«<br />

mahnt. 33 Die Folgen der Predigt waren dramatisch:<br />

»Die Menge spaltete sich […]. Es g<strong>in</strong>g wie bei Taulers Brautpredigt; bei 40 Personen<br />

wurden so erfuellt von der Salbung <strong>des</strong> Geistes und vom Feuer der Liebe Christi, daß<br />

ihr Gefäß es nicht fassen und ertragen konnte, sondern sie <strong>in</strong> Ohnmacht fielen und h<strong>in</strong>ausgetragen<br />

werden mußten. Es entstand e<strong>in</strong> großer Laerm. E<strong>in</strong>ige schrien: Hosianna!<br />

andere: Kreuzige ihn! Weg mit ihm! Fort mit ihm!« 34<br />

Da sich der Tumult nicht legte, wurde Anzeige gegen Boos erhoben. Am 10. Februar<br />

stellte sich Boos den Behörden und wurde im Gögg<strong>in</strong>ger Priesterkorrektionshaus<br />

<strong>in</strong>haftiert. Im März 1797 begannen <strong>in</strong> Augsburg <strong>die</strong> Verhöre. 35 Am 11. September<br />

verkündete das Gericht se<strong>in</strong> Urteil, wonach Boos zum e<strong>in</strong>en 29 (teils von ihm<br />

stammenden, teils ihm untergeschobenen) Thesen abzuschwören hatte, 36 zum an-<br />

29<br />

Vgl. Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 67; Gossner, Boos (wie Anm. 6) 782.<br />

30<br />

Ebenda 34.<br />

31<br />

Mart<strong>in</strong> Boos an Johann F. B. Höchstetter (16. Mai 1806, Archiv der Evang. Pfarrgeme<strong>in</strong>de<br />

Gallneukirchen) 17f. Die bei Briefzitaten angeführten Seitenzahlen beziehen sich auf <strong>die</strong> Pag<strong>in</strong>ierung<br />

der Abschrift, das Datum auf <strong>die</strong> Abfassung <strong>des</strong> Orig<strong>in</strong>albriefs. Konnte <strong>die</strong>ses nur<br />

<strong>in</strong>direkt erschlossen werden, steht es <strong>in</strong> eckigen Klammern. In e<strong>in</strong>em Brief an Anna Schlatter<br />

nennt Boos das Jahr 1796 – wie schon das se<strong>in</strong>er ersten Erweckung – »Anno 1«. Zit. nach:<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 782.<br />

32<br />

Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 59.<br />

33<br />

Ebenda 59.<br />

34<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 51.<br />

35<br />

Vgl. Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 52, 56f.; Gossner, Boos (wie Anm. 6)<br />

52, 60.<br />

36<br />

Vgl. Dussler, Boos (wie Anm. 14) 416; Ders., Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5)<br />

68<br />

89, Anm. 49.


»Ach, er ist e<strong>in</strong> armer Sünder und hätte verzweifeln müssen«<br />

deren <strong>für</strong> e<strong>in</strong> Jahr im Priestersem<strong>in</strong>ar bleiben sollte, um Theologie zu repetieren. 37<br />

Auf Betreiben <strong>des</strong> ihm wohlgesonnenen Augsburger Generalvikars Nigg wurde<br />

<strong>die</strong> Strafe jedoch <strong>in</strong> Stadtarrest umgewandelt. Boos konnte sich <strong>in</strong> Augsburg e<strong>in</strong>e<br />

Wohnung mieten und bekam mit dem Kapuz<strong>in</strong>erpater Ulrich (Benedikt) Reitmair<br />

e<strong>in</strong>en frommen Repetitor, <strong>des</strong>sen Urteil schließlich Boos’ vorzeitige Haftentlassung<br />

erwirkte. 38 Am 5. Februar 1798 trat Boos e<strong>in</strong>e Kaplanstelle <strong>in</strong> Langenneufnach an,<br />

wurde jedoch schon zwei Monate später erneut nach Augsburg zitiert, nachdem<br />

e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Briefe abgefangen worden war. E<strong>in</strong>er neuerlichen Verhandlung entzog<br />

sich Boos zunächst durch Flucht. Erst am 9. Dezember stellte er sich den Behörden –<br />

doch kam es zu ke<strong>in</strong>er Inquisition mehr; statt<strong>des</strong>sen sollte <strong>für</strong> Boos e<strong>in</strong>e Anstellung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Bistum gefunden werden. Sailer konnte schließlich Ende April<br />

1799 Boos’ Aufnahme <strong>in</strong> der Diözese L<strong>in</strong>z erwirken. 39<br />

I.2 Boos’ geistliche und theologische Prägungen bis 1788, Schul- und Stu<strong>die</strong>nzeit<br />

I.2.1 »Quis me liberabit?« – Askese als Ausdruck <strong>des</strong> Glaubens<br />

Inwieweit frühe K<strong>in</strong>dheit und Jugend Boos religiös geprägt haben, lässt sich kaum<br />

sagen. Boos’ Eltern s<strong>in</strong>d früh gestorben und der Onkel schien an se<strong>in</strong>em Neffen<br />

kaum <strong>in</strong>teressiert. Immerh<strong>in</strong> hatte Boos als Gymnasiast Zugang zu den Werken von<br />

Thomas Kempen, Ludwig Blosius, Tauler und Teresa von Ávila, <strong>die</strong> ihn nachweislich<br />

geprägt haben. 40 Greifbar ist ferner, dass <strong>die</strong> Überzeugung, e<strong>in</strong> erlösungsbedürftiger<br />

Sünder zu se<strong>in</strong>, schon früh und tief <strong>in</strong> Boos verwurzelt war. In e<strong>in</strong>em Brief<br />

aus dem Jahr 1804 schreibt er: »Ich habe von kle<strong>in</strong>auf me<strong>in</strong> Suendenelend erkannt<br />

[…] und unter Seufzen getragen. Habe viele Jahre lang […] um Ruhe, um Kraft,<br />

um Erlösung gewe<strong>in</strong>t.« 41 Das R<strong>in</strong>gen um Erlösung ließ ihn schließlich so »fromm,<br />

gottes<strong>die</strong>nstlich, gesittet, andaechtig und eifrig« werden, dass er se<strong>in</strong>en Mitschülern<br />

<strong>in</strong> St. Salvator zum Vorbild wurde. 42 Allerd<strong>in</strong>gs konnte alles Bemühen nicht<br />

jenes befreiende Gefühl <strong>des</strong> Erlöstse<strong>in</strong>s verschaffen, nach dem sich der Student<br />

und spätere Kaplan so sehnte und zu <strong>des</strong>sen Erreichen er auch vor Selbstkasteiung<br />

nicht haltmachte:<br />

37<br />

Vgl. Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4) 98f.<br />

38<br />

Vgl. Gossner, Boos (wie Anm. 6) 24, 79f., 416, 438; Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie<br />

Anm. 4) 53. Während se<strong>in</strong>er Zeit im Augsburger Stadtarrest kam Boos auch mit den erwähnten<br />

»Heiligen« <strong>in</strong> Kontakt.<br />

39<br />

Vgl. Gossner, Boos (wie Anm. 6) 96–104; Schiel, Boos Inquisitionsprotokoll (wie Anm. 4)<br />

53f.<br />

40<br />

Vgl. Dussler, Feneberg Erweckungsbewegung (wie Anm. 5) 86 (Anm. 39b). So hat Boos se<strong>in</strong>e<br />

Erweckung mit der Taulers verglichen und Blosius an Erweckte weitergegeben. Auf Teresa<br />

von Ávila nahm Boos u. a. 1811 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Predigt <strong>in</strong> Gallneukirchen Bezug: »Aller Schade, sagt<br />

<strong>die</strong> heil. Theresia, kommt fuer <strong>die</strong> Welt daher, daß man <strong>die</strong> Wahrheit der Schrift nicht klar<br />

erkennet« Zit. nach: Gossner, Boos (wie Anm. 6) 201.<br />

41<br />

Gossner, Boos (wie Anm. 6) 27.<br />

42<br />

Ebenda 27.<br />

69


›ERWECKLICHE‹ FRÖMMIGKEIT<br />

E<strong>in</strong>e mentalitäts- und kulturgeschichtliche Stu<strong>die</strong> zu den<br />

evangelischen Erweckungsbewegungen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

am Beispiel <strong>des</strong> Eferd<strong>in</strong>ger Pfarrers Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne<br />

Leonhard Jungwirth und Reg<strong>in</strong>e Jungwirth<br />

I. Vorbemerkungen<br />

Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne, seit 1845 Rektor der evangelischen Lehranstalten im burgenländischen<br />

Oberschützen und seit 1848 auch Pfarrer der dortigen evangelischlutherischen<br />

Pfarrgeme<strong>in</strong>de, »sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> sehr unterrichteter Mann« gewesen zu<br />

se<strong>in</strong>, »obschon e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Beigeschmack von modischer Geckerei ihm nicht fern<br />

[gewesen] se<strong>in</strong> dürfte« 1 – so lautet <strong>die</strong> vielzitierte Wahrnehmung Kühnes durch niemand<br />

Ger<strong>in</strong>geren als den bedeutenden österreichischen Dichter Franz Grillparzer.<br />

Das Bild <strong>des</strong> Pfarrers, das Grillparzer 1852 während e<strong>in</strong>es Aufenthalts im burgenländischen<br />

Badeort Tatzmannsdorf mit nur wenigen Zeilen <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Tagebuch skizzierte,<br />

führt nicht nur das wohl unkonventionelle, vielleicht dandyhaft anmutende<br />

Äußere <strong>des</strong> evangelischen Geistlichen vor Augen, sondern verrät v. a. e<strong>in</strong>iges über<br />

Kühnes Selbstverständnis und Frömmigkeitsprofil. Denn während Grillparzer der<br />

regionalen »katholischen Gläubigkeit […] etwas Albernes« attestierte, schrieb er der<br />

protestantischen »Gläubigkeit«, <strong>die</strong> er an dem Oberschützener Geistlichen zu stu<strong>die</strong>ren<br />

schien, »etwas Impert<strong>in</strong>entes« zu: 2 »Sie [<strong>die</strong> Protestanten, Anm. der Verf.]<br />

glauben, <strong>die</strong> Wahrheit ihrer Sache schwarz auf weiß zu haben«, 3 so se<strong>in</strong>e Beobachtung<br />

e<strong>in</strong>es exklusiven Frömmigkeitsmusters. Grillparzer versuchte sich dasselbe<br />

– ke<strong>in</strong>esfalls zu Unrecht – mit der M<strong>in</strong>derheitensituation (»Zustand der Gedrücktheit«)<br />

der Protestant<strong>in</strong>nen und Protestanten zu erklären. 4 Das wahrgenommene exklusive<br />

Frömmigkeitsmuster kann darüber h<strong>in</strong>aus jedoch als e<strong>in</strong> deutliches Signum<br />

e<strong>in</strong>es zeitgenössischen ›erwecklichen‹ Frömmigkeitstypus identifiziert werden 5 –<br />

1<br />

Zit. nach: Bernhard H. Zimmermann, Carl Ferd<strong>in</strong>and Kühne. Erster Rektor der Lehranstalten<br />

<strong>in</strong> Oberschützen. JGPrÖ 68/69 (1953) 265–279, hier 271.<br />

2<br />

Zit. nach: Gustav Re<strong>in</strong>grabner, Evangelisches Pfarrhaus <strong>in</strong> katholischer Umgebung (am<br />

Beispiel <strong>Österreich</strong>), <strong>in</strong>: Das evangelische Pfarrhaus <strong>in</strong> der Neuzeit, hg. von Johann F. Enke<br />

(Eisenach 1990) 31–45, hier 35.<br />

3<br />

Zit. nach: Zimmermann, Kühne (wie Anm. 1) 271.<br />

4<br />

Ebenda 271.<br />

5<br />

Vgl. Thomas K. Kuhn, Religion und neuzeitliche Gesellschaft. Stu<strong>die</strong>n zum sozialen und diakonischen<br />

Handeln <strong>in</strong> Pietismus, Aufklärung und Erweckungsbewegung (Beiträge zur historischen<br />

Theologie 122, Tüb<strong>in</strong>gen 2003) 343.<br />

119


Leonhard Jungwirth und Reg<strong>in</strong>e Jungwirth<br />

Abb. 1: Pfarrer Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne (Fotografie aus<br />

dem Fotoalbum von Auguste Fuchsmeyer, geb. Kühne, o. J.,<br />

Privatarchiv: Ilse Fuchsmeier).<br />

e<strong>in</strong>es Frömmigkeitstypus also,<br />

der sich ab 1800 zunehmend<br />

auch im österreichischen <strong>Protestantismus</strong><br />

herausbildete.<br />

Dort formte <strong>die</strong>ser Frömmigkeitstypus<br />

<strong>die</strong> erst kurz zuvor<br />

politisch geduldete Konfession<br />

nachhaltig mit, <strong>in</strong>dem er<br />

als Phänomen der transnationalen<br />

Erweckungsbewegungen<br />

<strong>des</strong> beg<strong>in</strong>nenden 19.<br />

Jahrhunderts, 6 im Gefolge<br />

spätpietistischer Frömmigkeitstypen<br />

7 und <strong>in</strong> primär<br />

theologischer bzw. frömmigkeitsmäßiger<br />

Abgrenzung<br />

von rationalistischen und liberalen<br />

Strömungen sowohl<br />

<strong>die</strong> evangelische Geme<strong>in</strong>delandschaft<br />

als auch <strong>die</strong> Kirchen-<br />

und Konfessionspolitik<br />

entscheidend bee<strong>in</strong>flusste.<br />

Als e<strong>in</strong>er der prononciertesten<br />

Repräsentanten <strong>die</strong>ses<br />

allzumal mit Konservativismus<br />

und Rechtgläubigkeitsansprüchen<br />

verknüpften<br />

Frömmigkeitstypus 8 ist im<br />

Kontext <strong>des</strong> österreichischen <strong>Protestantismus</strong> besagter Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne herauszustellen.<br />

Se<strong>in</strong>en kirchenpolitischen Gegnern galt er – im Kontext evangelisch-<br />

6<br />

Zur s<strong>in</strong>gularischen oder pluralischen Verwendung <strong>des</strong> kirchen-, theologie- und v. a. frömmigkeitsgeschichtlichen<br />

Begriffes ›Erweckungsbewegung‹ vgl. Jan C. Schnurr, Erweckungsbewegung,<br />

<strong>in</strong>: Pietismus Handbuch, hg. von Wolfgang Breul (Tüb<strong>in</strong>gen 2021) 615–625, hier<br />

615. Auch im Kontext der österreichischen Protestantengeschichte bietet sich aufgrund der<br />

Heterogenität der e<strong>in</strong>zelnen Phänomene, <strong>die</strong> als Erweckungsbewegungen aufgefasst werden<br />

können, e<strong>in</strong>e pluralische Verwendung <strong>des</strong> Begriffes an.<br />

7<br />

Zum Verhältnis vom Pietismus und Erweckungsbewegung vgl. z. B. Peter Schicketanz, Der Pietismus<br />

von 1675 bis 1800 (Kirchengeschichte <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zeldarstellungen III/1, Leipzig 2001) 159–176.<br />

8<br />

Vgl. Frank-Michael Kuhlemann, Erweckungsfrömmigkeit. Lebenswelt und Religion im ostwestfälischen<br />

<strong>Protestantismus</strong> im 19. Jahrhundert, <strong>in</strong>: Reform – Aufklärung – Erneuerung.<br />

Transformationsprozesse im neuzeitlichen und modernen Christentum, hg. von Thomas K.<br />

Kuhn/Kathar<strong>in</strong>a Kunter (Festschrift zum 80. Geburtstag von Mart<strong>in</strong> Greschat, Leipzig 2014)<br />

99–119.<br />

120


›Erweckliche‹ Frömmigkeit<br />

österreichischer Kirchenpolitik der 1860er und 1870er Jahre – gar als »Führer der<br />

orthodoxen Partei«. 9<br />

Gemäß der Schwerpunktsetzung <strong>die</strong>ses <strong>Jahrbuch</strong>s soll im Folgenden am Beispiel<br />

Pfarrer Kühnes eben<strong>die</strong>ser ›erweckliche‹ Frömmigkeitstypus <strong>in</strong> den Blick genommen<br />

werden, der <strong>in</strong> der österreichischen Protestantengeschichtsschreibung bisher nur unzureichend<br />

durchleuchtet wurde. Dabei werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt neben den<br />

besonderen Konturen und E<strong>in</strong>flüssen auch <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>die</strong>ses Frömmigkeitstypus<br />

auf kirchen- und konfessionspolitische E<strong>in</strong>stellungsdispositionen erfasst und<br />

von Leonhard Jungwirth unter H<strong>in</strong>zuziehung aktueller Forschungsliteratur analysiert.<br />

In e<strong>in</strong>em zweiten Schritt wird von Reg<strong>in</strong>e Jungwirth <strong>die</strong> kulturgeschichtliche, <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>die</strong> hortikultur- und landwirtschaftsgeschichtliche Bedeutsamkeit ›erwecklicher‹<br />

Frömmigkeitsprofile <strong>für</strong> <strong>die</strong> (nicht zw<strong>in</strong>gend protestantische) Mitwelt erarbeitet.<br />

Für beide Teile wird v. a. Kühnes bislang historiographisch kaum berücksichtigtes<br />

langjähriges Wirken als Pfarrer von Eferd<strong>in</strong>g (1856–1877), als Senior <strong>des</strong> oberösterreichischen<br />

Unterlan<strong>des</strong> (1862–1872) und als Synodaler als Untersuchungsgegenstand <strong>in</strong><br />

den Fokus genommen. Schlussendlich wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zusammenschau wiederum von<br />

Leonhard Jungwirth der Versuch unternommen, Kühnes Frömmigkeitstypus <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

mentalitätsgeschichtlichen Entwicklungen <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts e<strong>in</strong>zubetten.<br />

II. Pfarrer Kühnes Frömmigkeitsprofil – Konturen, E<strong>in</strong>flüsse und<br />

Auswirkungen auf se<strong>in</strong>e kirchen- und konfessionspolitische<br />

Haltung<br />

II.1 Brandenburg und Berl<strong>in</strong><br />

Es s<strong>in</strong>d auf den ersten Blick nicht viele Quellen, aus denen das Frömmigkeitsprofil<br />

Pfarrer Kühnes erhoben werden kann, blieben gemäß unserer bisherigen Recherchen<br />

doch weder Predigten, noch e<strong>in</strong>schlägige Literatur wie etwa theologische<br />

Traktate aus se<strong>in</strong>er Feder erhalten. Die von Kühne handschriftlich verfassten und<br />

vom österreichischen Kirchenhistoriker Bernhard Hans Zimmermann bereits 1953<br />

unter ereignisgeschichtlichen Gesichtspunkten ausgewerteten »Biographischen<br />

Notizen« bieten jedoch e<strong>in</strong>en ersten aussagekräftigen E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> Kühnes religiöses<br />

Innenleben, auch wenn <strong>in</strong> ihnen <strong>die</strong> Eferd<strong>in</strong>ger Dienstjahre ke<strong>in</strong>e größere<br />

Berücksichtigung fanden: So sei es der »fromme S<strong>in</strong>n« se<strong>in</strong>er ältesten Schwester<br />

gewesen, der »schon <strong>in</strong> der zartesten K<strong>in</strong>dheit e<strong>in</strong>en tiefen E<strong>in</strong>druck auf [das]<br />

Herz« <strong>des</strong> 1810 <strong>in</strong> Grünefeld bei Nauen (Brandenburg) geborenen Pfarrerssohns<br />

gemacht habe, beschrieb Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne rückblickend se<strong>in</strong>e früheste religiöse<br />

Prägung. 10 Aussagekräftig tritt der Leserschaft von Kühnes »Biographischen<br />

9<br />

N. N., Correspondenzen und Nachrichten: Aus <strong>Österreich</strong>. PKZ 42 (19.10.1872) Sp. 920–922,<br />

hier 921.<br />

10<br />

Ferd<strong>in</strong>and C. Kühne, Biographische Notizen aus dem Leben <strong>des</strong> Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühne, Senior<br />

<strong>des</strong> Unterländer evang. Seniorates und Pfarrer der evang. Geme<strong>in</strong>de Efferd<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Oberöster-<br />

121


Leonhard Jungwirth und Reg<strong>in</strong>e Jungwirth<br />

Notizen« damit schon im ersten Absatz e<strong>in</strong> auf s<strong>in</strong>nlicher Erfahrung und Gefühl<br />

aufbauender Frömmigkeitstypus entgegen, der das Herz als Zentrum religiöser<br />

Empf<strong>in</strong>dsamkeit ausweist und sich mith<strong>in</strong> als tief <strong>in</strong> der spätpietistischen Herzensfrömmigkeit<br />

verhaftet zu erkennen gibt. 11 Er gelte »auf religiösem Gebiet <strong>für</strong><br />

e<strong>in</strong>e weiche Natur«, präsentierte sich Kühne entsprechend auch der 1871 tagenden<br />

Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H. B. <strong>in</strong> den deutsch-slawischen<br />

Ländern <strong>Österreich</strong>s. 12<br />

Im nur sche<strong>in</strong>baren Kontrast zu <strong>die</strong>ser gefühlsbetonten Religiosität und Frömmigkeit<br />

präsentierte sich Kühne <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en »Biographischen Notizen« allerd<strong>in</strong>gs<br />

auch als kantiger Träger preußisch-militärischer Tugenden, zu denen er neben dem<br />

(im Zuge der napoleonischen Kriege <strong>in</strong> Europa erwachenden) Patriotismus etwa <strong>die</strong><br />

»Pünktlichkeit« und den »strengen Gehorsam« zählte. 13 Als Hauslehrer <strong>in</strong> der Umgebung<br />

der Städte Berl<strong>in</strong>, Potsdam und Spandau dürfte der junge Stu<strong>die</strong>nabsolvent<br />

»<strong>die</strong> fe<strong>in</strong>ere Sitte <strong>des</strong> Lebens, den wahrhaft ritterlichen S<strong>in</strong>n preußischer Adelsfamilien,<br />

so wie auch <strong>die</strong> bedeutungsvollen u[nd] oft sehr eigentümlichen Wege<br />

der Politique, ja selbst der Diplomatie, aus nächster Nähe« kennengelernt 14 und<br />

sich <strong>in</strong> Teilen wohl auch angeeignet haben. In e<strong>in</strong>em ke<strong>in</strong>esfalls ungewöhnlichen<br />

Zusammenspiel 15 disponierte und legitimierte folglich <strong>die</strong> selbstvergewissernde<br />

Kraft existentieller Frömmigkeit 16 – er begriff z. B. se<strong>in</strong>en Ruf nach Oberschützen<br />

als »wunderbare Führung Gottes« 17 – e<strong>in</strong>en selbstbewusst und mit großer äußerer<br />

Klarheit, mit Autoritätsbewusstse<strong>in</strong> und Vehemenz, auftretenden Charakter. Se<strong>in</strong><br />

noch ausführlich zu thematisierender Öffentlichkeitsanspruch bzw. se<strong>in</strong> Sendungsbewusstse<strong>in</strong><br />

fand <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Frömmigkeitstypus se<strong>in</strong>e unerschütterliche Rückb<strong>in</strong>dung.<br />

reich (Burgenländisches Lan<strong>des</strong>archiv Eisenstadt, Nachlässe, A/XXVIII-2, Nachlass Wimmer<br />

2, Nachlass Kühne) 1.<br />

11<br />

Vgl. Gisela Mettele, Weltbürgertum oder Gottesreich. Die Herrnhuter Brüdergeme<strong>in</strong>e als<br />

globale Geme<strong>in</strong>schaft 1727–1857 (Gött<strong>in</strong>gen 2009) 21.<br />

12<br />

Ferd<strong>in</strong>and C. Kühne, Votum, <strong>in</strong>: Zweite General-Synode der evangelischen Kirche Augsburger<br />

und Helvetischer Confession <strong>in</strong> den deutsch-slavischen Ländern Oesterreichs, Juni–Juli<br />

1871. Sämmtliche Verhandlungen, Vorlagen, Referate und Plenar-Debatten beider Synoden,<br />

hg. von Johann W. Heck (Wien 1872) 128.<br />

13<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 3.<br />

14<br />

Ebenda 2.<br />

15<br />

Vgl. Hartmut Lehmann, Die neue Lage, <strong>in</strong>: Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten<br />

Jahrhundert, hg. von Ulrich Gäbler (<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus 3, Gött<strong>in</strong>gen 2000) 1–26, bes.<br />

11; Erich Beyreuther, Die Erweckungsbewegung. E<strong>in</strong> Handbuch (Die Kirche <strong>in</strong> ihrer <strong>Geschichte</strong><br />

4, Gött<strong>in</strong>gen 1963) bes. 26. Nach Kuhlemann, Erweckungsfrömmigkeit (wie Anm.<br />

8) 100 zählen zu den spezifischen Elementen e<strong>in</strong>es ›erwecklichen‹ Selbstverständnisses nicht<br />

nur »persönliche Glaubenserfahrung und […] Glaubensbewährung«, sondern auch »<strong>in</strong>nere<br />

und äußere Lebensstrenge«.<br />

16<br />

Vgl. Mart<strong>in</strong> Friedrich, Sozialer <strong>Protestantismus</strong> im Vormärz (Bochumer Forum zur <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> sozialen <strong>Protestantismus</strong> 2, Münster 2001) 126.<br />

17<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 4.<br />

122


›Erweckliche‹ Frömmigkeit<br />

Se<strong>in</strong>e universitäre Laufbahn bestritt Kühne <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Dort kam er offensichtlich<br />

rasch mit dem bereits gefestigten, teilweise weit über <strong>die</strong> lokalen Grenzen h<strong>in</strong>weg<br />

ausgespannten Netz 18 der Berl<strong>in</strong>er Erweckungsbewegung 19 <strong>in</strong> Kontakt bzw. sche<strong>in</strong>t<br />

er alsbald tief <strong>in</strong> dasselbe e<strong>in</strong>gedrungen zu se<strong>in</strong>: E<strong>in</strong>schlägige Lehrende der noch<br />

jungen Berl<strong>in</strong>er Universität und Wegbereiter der Berl<strong>in</strong>er Erweckungsbewegung<br />

wie August Neander, Friedrich Strauß und Ernst Wilhelm Hengstenberg dürften<br />

se<strong>in</strong> theologisches Denken durchaus bee<strong>in</strong>flusst haben. 20 Besondere geistige Heimat<br />

fand Kühne aber im theologischen Kandidatenkonvikt, das 1843 von Otto<br />

von Gerlach, dem mit im Zentrum der Berl<strong>in</strong>er Erweckungsbewegung stehenden<br />

Pfarrer von St. Elisabeth, 21 e<strong>in</strong>gerichtet wurde. Der offenbar e<strong>in</strong>mütige »Kreis von<br />

jungen, auf wahrhaft evangelischem Grunde stehenden Männern, <strong>die</strong> den Tag mit<br />

ernster Sammlung und Prüfung vor dem Herrn begannen und schlossen«, 22 wurde<br />

Kühne zum theologischen Reflexions- sowie zum pfarr<strong>die</strong>nstlichen Experimentier-<br />

und Erprobungshort. Theologisch wurde unter Gerlach <strong>die</strong> »Verb<strong>in</strong>dung von<br />

pietistischen und romantischen Gedanken, von strenggläubigem Luthertum und<br />

ständisch-patriarchaler Herrschaftsideologie« hergestellt 23 – gedankliche Verknüpfungen,<br />

<strong>die</strong> wohl auch das spätere orthodoxe Auftreten <strong>des</strong> begeisterten Lutheraners<br />

24 Kühne prädisponierten. Zudem gerierte sich Otto von Gerlach – vom Erwe-<br />

18<br />

»Entscheidend [<strong>für</strong> <strong>die</strong> Entstehung der Berl<strong>in</strong>er Erweckungsbewegung, Anm. d. Verf.] war, daß<br />

sich e<strong>in</strong> Netz von Personen bildete, <strong>die</strong> – auf unterschiedliche Weise angeregt – e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />

religiöses Erleben und e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Frömmigkeit verband. Durch sie entfaltete <strong>die</strong><br />

Bewegung <strong>in</strong> ihren ersten Jahren e<strong>in</strong>e starke Dynamik.« Zit. nach: Matthias A. Deuschle,<br />

Ernst Wilhelm Hengstenberg. E<strong>in</strong> Beitrag zur Erforschung <strong>des</strong> kirchlichen Konservatismus im<br />

Preußen <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts (Beiträge zur historischen Theologie 169, Tüb<strong>in</strong>gen 2013) 56. Vgl.<br />

zudem Ulrich Gäbler, ›Auferstehungszeit‹ – Erweckungsprediger <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts. Sechs<br />

Porträts (München 1991) 167: »E<strong>in</strong> besonderes Wesensmerkmal [der Erweckungsbewegung,<br />

Anm. d. Verf.] sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der Beziehung der Erweckten untere<strong>in</strong>ander zu liegen. Man suchte<br />

<strong>die</strong> persönliche Begegnung über kirchliche und staatliche Grenzen h<strong>in</strong>weg.«<br />

19<br />

Vgl. Gustav A. Benrath, Die Erweckung <strong>in</strong>nerhalb der deutschen Lan<strong>des</strong>kirchen 1815–1888.<br />

E<strong>in</strong> Überblick, <strong>in</strong>: Gäbler (Hg.), Pietismus (wie Anm. 15) 150–271, bes. 159–168.<br />

20<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 2. Daneben hörte Kühne <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> auch Hegel<br />

und Schleiermacher.<br />

21<br />

Klaus Duntze, Otto von Gerlach, der Pfarrer im Vogtland. Berl<strong>in</strong>ische Monatsschrift 8 (1999)<br />

34–42, bes. 39.<br />

22<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 3.<br />

23<br />

Gerhard Besier, Die Lan<strong>des</strong>kirche und <strong>die</strong> Revolution 1848/49. Die Reichsverfassung und <strong>die</strong><br />

preußische Verfassungsfrage, <strong>in</strong>: Die <strong>Geschichte</strong> der Evangelischen Kirche der Union, Bd. 1:<br />

Die Anfänge der Union unter lan<strong>des</strong>herrlichem Kirchenregiment (1817–1850), hg. von J. F.<br />

Gerhard Goeters/Joachim Rogge (Leipzig 1992) 366–390, hier 373.<br />

24<br />

»Den entscheidenden E<strong>in</strong>fluß jedoch auf me<strong>in</strong>e theologische Richtung übte das während me<strong>in</strong>er<br />

ganzen Stu<strong>die</strong>nzeit fortgesetzte Studium der Werke Dr. Mart<strong>in</strong> Luthers aus. Dieser wahrhaft<br />

apostolische Mann sollte billig der Hauptlehrmeister unserer jungen und alten Theologen bleiben.«<br />

Zit. nach: Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 2. Zum orthodoxen Auftreten<br />

zahlreicher Erweckter vgl. Kuhlemann, Erweckungsfrömmigkeit (wie Anm. 8) 118: »Die sich im<br />

Verhalten und im Denken der erweckten Protestanten ausdrückende Mentalität war zunächst geprägt<br />

von der Furcht, dass sich <strong>die</strong> christlichen Traditionsbestände langfristig auflösen würden.«<br />

123


Leonhard Jungwirth und Reg<strong>in</strong>e Jungwirth<br />

ckungstheologen August Tholuck als »Berl<strong>in</strong>er Wesley« bezeichnet 25 – auf se<strong>in</strong>em<br />

Geme<strong>in</strong>degebiet als konsequenter Betreiber »methodistische[r] Missionstätigkeit« 26<br />

und wusste <strong>die</strong> unter se<strong>in</strong>er Obhut stehenden Kandidaten und Hilfsprediger bei<br />

den »gewissenhaft« verfolgten »Aufgaben großstädtischer Seelsorge und […] der<br />

kirchlichen Armenpflege« 27 auch rege e<strong>in</strong>zusetzen. So wurde, laut Kühne, jedem<br />

der Kandidaten »se<strong>in</strong> Arbeitsfeld <strong>in</strong> der wohl 20.000 Seelen umfassenden Geme<strong>in</strong>de<br />

angewiesen«, was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Fall bedeutete, »sonntäglich früh um 6 Uhr den Berl<strong>in</strong>er<br />

Droschken Kutschern Gottes<strong>die</strong>nst zu halten«. 28 Schlussendlich eröffnete sich<br />

dem Theologiestudenten über von Gerlach <strong>die</strong> Welt der zumeist von preußischen<br />

Adeligen getragenen Zirkel der Berl<strong>in</strong>er Erweckungsbewegung und damit auch<br />

»von Aktivisten, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> religionspsychologischer« wie auch <strong>in</strong> (kirchen-)politischer<br />

H<strong>in</strong>sicht »als Vertreter e<strong>in</strong>er erweckten christlichen Elite betrachteten«: 29<br />

»Der Austausch der Erfahrungen u[nd] Erlebnisse bei <strong>die</strong>ser Arbeit, <strong>die</strong> ernste und<br />

väterliche Leitung u[nd] Anleitung <strong>des</strong> unvergeßlichen von Gerlach, <strong>die</strong> Beziehungen<br />

u[nd] Verb<strong>in</strong>dungen mit christlichen u[nd] wissenschaftlichen Kreisen der preußischen<br />

Metropole, <strong>die</strong> freundliche Aufnahme <strong>in</strong> gebildete und befreundete Familien, <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />

und praktischen Arbeiten, <strong>in</strong> denen <strong>die</strong> Convictualen sich gegenseitig<br />

controllierten u[nd] förderten, das alles machte <strong>die</strong>ses Geme<strong>in</strong>schaftsleben zu e<strong>in</strong>em<br />

hochgesegneten.« 30<br />

Besonders nachhaltig prägte Kühne v. a. aber <strong>die</strong> <strong>in</strong> der theologisch-praktischen<br />

Ausbildung <strong>des</strong> Konvikts gebotene »Gelegenheit, [s]ich <strong>in</strong> Schulsachen gründlich<br />

umzuthun«, d. h. sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er staatlich verordneten pädagogischen Praxisausbildung<br />

»m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens zwei Monate <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schullehrersem<strong>in</strong>ar« weiterzubilden<br />

»oder unter der Leitung e<strong>in</strong>es anerkannt tüchtigen Schulmannes an e<strong>in</strong>er Musterschule<br />

sich mit Didaktik, Methodik genau bekannt« zu machen. 31 Kühne selbst<br />

bestritt <strong>die</strong>se Ausbildung <strong>für</strong> <strong>in</strong>sgesamt zwei Jahre an e<strong>in</strong>er sechsklassigen Musterschule,<br />

<strong>die</strong> unter der Leitung <strong>des</strong> Berl<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>zialschulrates Otto Schulz und<br />

›se<strong>in</strong>er‹ Lehrer stand, laut Kühnes späterem Kollegen Friedrich Lähne allesamt<br />

»Männer[] <strong>des</strong> klaren, maßvollen, e<strong>in</strong>fachen, conservativen Gedankens«. 32 Gegensätze<br />

zwischen aufgeklärter und spätpietistischer Pädagogik, <strong>die</strong> bereits unter<br />

Kühnes bedeutendem Lehrer Friedrich Schleiermacher e<strong>in</strong>e Synthese gefunden<br />

25<br />

Zit. nach: Rudolf Kögel, Art. Gerlach, Otto, von. RE 5 (1879) 129–131, hier 130.<br />

26<br />

Duntze, Otto von Gerlach (wie Anm. 21) 37.<br />

27<br />

Benrath, Erweckung (wie Anm. 19) 164.<br />

28<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 3. Vgl. dazu auch Duntze, Otto von Gerlach<br />

(wie Anm. 21) 41.<br />

29<br />

Hartmut Lehmann, Zur Charakterisierung der entschiedenen Christen im Zeitalter der Säkularisierung.<br />

PuN 30 (2004) 13–29, hier 21.<br />

30<br />

Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 3.<br />

31<br />

Ebenda 4.<br />

32<br />

Zit. nach: Helmut Frauneder, Das Armenschul-Lehrer-Sem<strong>in</strong>ar und Wimmers Pädagogik.<br />

Oberschützener Museumsblätter 1 (2004) 34–46, hier 38.<br />

124


›Erweckliche‹ Frömmigkeit<br />

hatten, 33 verschwammen dort bemerkenswerterweise durch <strong>die</strong> vorrangig implizite<br />

Orientierung der Erweckten an aufgeklärt-philanthropischen Bildungs<strong>in</strong>halten<br />

und Bildungszielen. 34 Die Annäherung an pädagogische Konzepte wie z. B. von<br />

Christian Gotthilf Salzmann, 35 Johann He<strong>in</strong>rich Pestalozzi oder Adolph Diesterweg<br />

– mit dem Kühne sogar persönlich bekannt wurde und <strong>des</strong>sen »unübertroffenes<br />

methodisches Geschick« er sich »zu Nutze zu machen« wusste 36 – vermochte<br />

<strong>die</strong> anthropologischen Differenzen zwischen den ›erwecklich‹ geprägten und den<br />

rationalistischen Kreisen (etwa <strong>in</strong> der Frage <strong>des</strong> Sündenbewusstse<strong>in</strong>s) freilich nicht<br />

gänzlich zu verwischen. 37 Anhand von Kühnes Bildungsweg lässt sich aber folgen<strong>des</strong><br />

beachtliches, vom deutschen Kirchenhistoriker Thomas K. Kuhn grundsätzlich<br />

herausgearbeitetes Phänomen festhalten:<br />

»Spätestens seit den 1820er Jahren zeigten zunehmend Vertreter der Erweckungsbewegungen<br />

unter impliziter Aufnahme und expliziter Ablehnung aufklärerischer Methoden<br />

und Strukturen modernisierende Ansätze und Ideen vornehmlich <strong>in</strong> sozialen und pädagogischen<br />

Praxisfeldern.« 38<br />

Wie zu zeigen se<strong>in</strong> wird, lässt sich <strong>die</strong>se fun<strong>die</strong>rte Beobachtung auch auf Kühnes<br />

frömmigkeitsspezifisches Wirken im Kontext der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

applizieren.<br />

II.2 Oberschützen<br />

E<strong>in</strong>erseits ist es Ferd<strong>in</strong>and Carl Kühnes E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das Netz der Erweckungsbewegung,<br />

andererseits se<strong>in</strong>e von aufgeklärten und philanthropischen pädagogischen<br />

Ansätzen durchdrungene Ausbildung, <strong>die</strong> als entscheidende Wegbereiter <strong>für</strong> se<strong>in</strong>e<br />

alsbald erfolgende Übernahme als erster Rektor der evangelischen Lehranstalten<br />

von Oberschützen zu werten s<strong>in</strong>d. In dem burgenländischen Bauerndorf hatte<br />

1842 nämlich der <strong>für</strong> den österreichischen und ungarischen <strong>Protestantismus</strong> <strong>des</strong><br />

33<br />

Vgl. Werner Loch, Die Pädagogik am Beispiel August Hermann Franckes, <strong>in</strong>: Glaubenswelt<br />

und Lebenswelten, hg. von Hartmut Lehmann (<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> Pietismus 4, Gött<strong>in</strong>gen 2000)<br />

264–268, hier 268.<br />

34<br />

Vgl. Thomas K. Kuhn, Philanthropismus und Erweckungsbewegung, <strong>in</strong>: Christian Gotthilf<br />

Salzmann <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är. Se<strong>in</strong>e Werke und Wirkungen <strong>in</strong> Theologie, Pädagogik, Religionspädagogik<br />

und Kulturgeschichte, hg. von Ra<strong>in</strong>er Lachmann/Andreas L<strong>in</strong>dner/Andrea<br />

Schulte (Arbeiten zur Historischen Religionspädagogik 10, Jena 2013) 87–126, bes. 101, 117.<br />

35<br />

Vgl. Frauneder, Armenschul-Lehrer-Sem<strong>in</strong>ar (wie Anm. 32) 43.<br />

36<br />

Vgl. Kühne, Biographische Notizen (wie Anm. 10) 4.<br />

37<br />

Vgl. z. B. Frauneder, Armenschul-Lehrer-Sem<strong>in</strong>ar (wie Anm. 32) 43f.; Juliane Jacobi, Erziehung<br />

als Mission, <strong>in</strong>: Die Macht der Nächstenliebe. E<strong>in</strong>hundertfünfzig Jahre Innere Mission<br />

und Diakonie 1848–1998, hg. von Ursula Röper/Carola Jüllig (Stuttgart 1998) 80–89, bes. 83,<br />

89; Kuhlemann, Erweckungsfrömmigkeit (wie Anm. 8) bes. 101.<br />

38<br />

Thomas K. Kuhn, Praktische Religion. Der vernünftige Dorfpfarrer als Volksaufklärer, <strong>in</strong>:<br />

Volksaufklärung. E<strong>in</strong>e praktische Reformbewegung <strong>des</strong> 18. und 19. Jahrhunderts, hg. von Holger<br />

Bön<strong>in</strong>g/Hanno Schmitt/Re<strong>in</strong>hart Siegert (Presse und <strong>Geschichte</strong> – Neue Beiträge 27,<br />

Bremen 2007) 89–109, hier 98.<br />

125


Vorstand der Gesellschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>Protestantismus</strong> <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>:<br />

Astrid Schweighofer (Präsident<strong>in</strong>), Michael Bünker (Vizepräsident), Ingrid Vogel (Schriftführer<strong>in</strong>),<br />

Johannes Leitner (Kassier), Andreas Paul B<strong>in</strong>der, Mart<strong>in</strong>a Fuchs, Rahel Christ<strong>in</strong>e Hahn,<br />

Uta Heil, Frank H<strong>in</strong>kelmann, Leonhard Jungwirth, Siegfried Kröpfel, Günter Merz, Karl-Re<strong>in</strong>hart<br />

Trauner<br />

Ehrenmitglied: Karl W. Schwarz<br />

Mit f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung der Evangelisch-methodistischen Kirche <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> und <strong>des</strong><br />

Evangelischen Bildungswerks Oberösterreich<br />

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet <strong>die</strong>se Publikation <strong>in</strong> der<br />

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten<br />

s<strong>in</strong>d im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

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Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Gesamtgestaltung: Zacharias Bähr<strong>in</strong>g, Leipzig<br />

Druck und B<strong>in</strong>den: Hubert & Co., Gött<strong>in</strong>gen<br />

ISBN 978-3-374-07409-9// eISBN (PDF) 978-3-374-07410-5<br />

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