Ein Fenster zum ICH - Teil 4 - von Herbert Paukert
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<strong>Paukert</strong>: <strong>Ein</strong> <strong>Fenster</strong> <strong>zum</strong> Ich – <strong>Teil</strong> 4 36<br />
Institutionelle Autorität darf nicht hinterfragt werden und sie gewöhnt dem<br />
jungen Menschen sein natürliches Neugierverhalten ab. Dieser wird damit <strong>zum</strong><br />
Befehlsempfänger, <strong>zum</strong> sturen <strong>Ein</strong>halter der Ordnung. Es wird verlangt, dass man<br />
Befehlen gehorcht, bevor man sie versteht. Die egalitäre Autorität hingegen<br />
unternimmt die mühevolle Erziehungsarbeit, zuerst zu erklären und dann Richtlinien<br />
aufzustellen. Erst denken, dann handeln. Sie konstituiert sich gerade in der<br />
Dialektik <strong>von</strong> Annehmen und Zurückweisen.<br />
Aus dieser Sichtweise sind drei wichtige Erziehungsstile zu unterscheiden: der<br />
streng-autoritäre, der demokratische und der anti-autoritäre (laissez faire). Für die<br />
Zukunft unserer Gesellschaft ist es <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung, in welcher<br />
Form heute junge Menschen Autorität erfahren. Nur eine demokratische Erziehung<br />
ist in der Lage, mündige und verantwortungsbewusste Persönlichkeiten<br />
heranzubilden.<br />
<strong>Ein</strong> sehr interessantes Experiment zur Gehorsamshaltung wurde <strong>von</strong> Stanley<br />
Milgram 1965 durchgeführt (das so genannte Milgram-Experiment). <strong>Ein</strong> fachkompetent<br />
auftretender Versuchsleiter erklärte den Versuchspersonen, dass sie an<br />
einem wichtigen wissenschaftlichen Forschungsprojekt teilnehmen, bei dem die<br />
Auswirkungen <strong>von</strong> Bestrafungen auf die Gedächtnisleistung festgestellt werden<br />
sollen, mit dem Ziele einer Verbesserung der Lernleistung.<br />
Zu diesem Zweck saßen die Versuchspersonen in einem Raum vor einem<br />
Schaltpult, über welches sie einer lernenden Person, die im Nebenzimmer saß,<br />
verschieden starke Elektroschocks verabreichen konnten, wenn diese beim<br />
Reproduzieren <strong>von</strong> gelernten Wortpaaren einen Fehler machte. In Wirklichkeit<br />
war die ganze Situation selbstverständlich nur gestellt, bei der die lernende<br />
Person sogar Schmerzkundgebungen simulierte, welche <strong>von</strong> den Versuchspersonen<br />
im Nebenraum gehört wurden. Diese wurden vom Versuchsleiter dahingehend<br />
instruiert, dass sie trotz der gehörten Schmerzäußerungen bei jedem<br />
auftretenden Fehler die Stromspannung um eine Stufe erhöhen sollten. Der<br />
mögliche Bereich lag zwischen 0 und 450 Volt, mit Stufen zu je 30 Volt.<br />
Als 40 Psychiater gebeten wurden, das Verhalten der Versuchspersonen in dieser<br />
Experimentsituation vorherzusagen, schätzten sie, dass die meisten nicht weitergehen<br />
würden als maximal 150 Volt. Ihrem Expertenurteil zufolge sollten nur<br />
weniger als 4% bei 300 Volt noch immer dem Versuchsleiter gehorchen. Aber<br />
die Experten haben sich geirrt. Sie überschätzten die Rolle der autonomen<br />
Persönlichkeit und unterschätzten die Macht der Situation.