Ein Fenster zum ICH - Teil 4 - von Herbert Paukert
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<strong>Paukert</strong>: <strong>Ein</strong> <strong>Fenster</strong> <strong>zum</strong> Ich – <strong>Teil</strong> 4 20<br />
Im Gegensatz zur Psychoanalyse, die sich wesentlich auf die subjektiven<br />
Erinnerungsberichte über lange zurückliegende Ereignisse stützt, misst die sozialkognitive<br />
Theorie den individuellen Erlebnisberichten nur dann eine wissenschaftliche<br />
Relevanz bei, wenn sie nur sehr spezifisch sind und nur unmittelbar<br />
vor, während und nach einer Handlung abgegeben werden, als direkte Beschreibung<br />
aktueller innerer Zustände oder Vorgänge.<br />
[4.3.1] Das Beobachtungslernen<br />
Das Lernen durch Beobachtung ist jener kognitive Prozess, bei dem eine Person<br />
das Verhalten einer anderen Person beobachtet (Modell) und ihr Verhalten allein<br />
auf diese Beobachtung hin ändert. Imitation (Nachahmung) und Identifikation<br />
(Übereinstimmung) spielen wichtige Rollen. Das Modell kann eine lebendige<br />
Person in einer realen Situation sein oder es wird symbolisch in Büchern, Fernsehen<br />
oder Filmen dargeboten. Durch die Beobachtung <strong>von</strong> Modellen werden die<br />
Geschlechtsrollen-Identität und wichtige Persönlichkeitswesenszüge erlernt:<br />
• Sozialverhalten (Mitfühlender Altruismus statt Egoismus)<br />
• Frustrationstoleranz (Ertragen <strong>von</strong> Enttäuschungen)<br />
• Befriedigungsaufschub (Verzögern <strong>von</strong> Trieberfüllung)<br />
<strong>Ein</strong> interessanter Gesichtspunkt beim Beobachtungslernen ist die Unterscheidung<br />
zwischen theoretischer Aneignung und praktischer Ausführung. In mehreren<br />
Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Beobachtung <strong>von</strong> Verhaltenskonsequenzen,<br />
welche man am Modell beobachtet, zwar <strong>zum</strong> Wissen über Verhaltensmöglichkeiten,<br />
nicht aber zur tatsächlichen Ausführung dieser Handlungen führt.<br />
Wird ein Modell gezeigt, dessen aggressive Handlungen bestraft werden, so<br />
eignet sich das beobachtende Kind zwar diese aggressiven Verhaltensweisen<br />
wissensmäßig an, führt sie aber in der Praxis nicht aus.<br />
<strong>Ein</strong> weiterer Mechanismus ist jener der stellvertretenden Konditionierung, d.h.<br />
Tiere und Menschen entwickeln gegenüber bislang neutralen Reizen spezifische<br />
emotionale Reaktionen, wenn sie Modelle beobachten, welche auf diese Reize hin<br />
in einer spezifischen Art und Weise reagieren.<br />
So kann beispielsweise durch Beobachtung des Verhaltens <strong>von</strong> Menschen mit<br />
einer Schlangenphobie diese spezifische Furcht durch stellvertretende Konditionierung<br />
erlernt werden.