Ein Fenster zum ICH - Teil 4 - von Herbert Paukert
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<strong>Paukert</strong>: <strong>Ein</strong> <strong>Fenster</strong> <strong>zum</strong> Ich – <strong>Teil</strong> 4 14<br />
(7) Der Bedeutung der spezifischen Umweltsituationen, dem situativen Aspekt<br />
unserer Verhaltensweisen, wird zu wenig Rechnung getragen. An Stelle der<br />
Hypothesen <strong>von</strong> Trauma, Konflikten zwischen <strong>ICH</strong> und ES, Verdrängung und<br />
Symptombildung, liefern die Erkenntnisse der Lerntheorie viel einfachere und<br />
kontrollierbarere Erklärungen für die Entstehung <strong>von</strong> neurotischem Verhalten,<br />
nämlich als ein schlecht angepasstes und falsch erlerntes Verhalten.<br />
(8) Die Ergebnisse der klassischen Psychoanalyse sind abhängig <strong>von</strong> dem geografischen<br />
Ort, vom Zeitalter und <strong>von</strong> der gesellschaftlichen Schicht. Die<br />
Patienten des Arztes Sigmund Freud entstammten <strong>zum</strong>eist der gehobenen Bürgerschicht<br />
einer zu Ende gehenden Epoche.<br />
Trotz der gegen sie vorgebrachten <strong>Ein</strong>wände, welche nur <strong>zum</strong> <strong>Teil</strong> entkräftet<br />
werden können, hatte und hat die Theorie Sigmund Freuds noch immer einen<br />
größeren <strong>Ein</strong>fluss auf das ganze Kulturleben unserer Gesellschaft als irgend eine<br />
andere psychologische Theorie. Was die kopernikanische Wende für das<br />
physikalische Weltbild war, das leistete das psychoanalytische Gedankengut für<br />
das moderne Menschenbild mit seinen Abgründen und Möglichkeiten.<br />
[4.2] LERNTHEORIE<br />
[4.2.1] Lerntheoretische Modelle<br />
Wie bereits im zweiten Buch ausführlich dargestellt, beruht das Lernen auf dem<br />
neurochemischen Mechanismus der synaptischen Modifikation. Bei Gewöhnung<br />
(Habituation) lernen Tier und Mensch sich wiederholende Reize zu ignorieren,<br />
wenn diese keinen Neuigkeitswert oder keine wichtige Bedeutung haben (z.B.<br />
monotoner Verkehrslärm). Umgekehrt kann aber die Darbietung eines besonders<br />
intensiven oder schmerzlichen Reizes zu einer verstärkten Orientierungsreaktion<br />
führen (Sensibilisierung, z.B. durch quietschende Reifen im monotonen Verkehrslärm).<br />
Die klassische Konditionierung geht <strong>von</strong> einer angeborenen Reaktion (R) aus,<br />
welche auf einen bestimmten natürlichen Auslösereiz (unconditional stimulus,<br />
US) hin erfolgt. Durch wiederholte gleichzeitige Darbietung eines künstlichen<br />
Reizes (conditional stimulus, CS) zusammen mit dem natürlichen Reiz (US)<br />
kommt es zur Assoziation zwischen dem künstlichen Reiz und der ursprünglichen<br />
Reaktion, so dass schließlich die Reaktion (R) allein auf den künstlichen Reiz<br />
(CS) hin erfolgt. Damit ist neues Verhalten erlernt worden. Aus der Reaktion<br />
(US - R) wurde die Reaktion (CS - R).