Unterrichtseinheit „Unsere Wirtschaftsordnung“ - Handelsblatt macht ...
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M 22<br />
HansWerner Sinn: „Der deutsche Staat spart zu wenig“<br />
Welche Rolle soll der Staat in der Wirtschaft übernehmen? Darüber diskutieren rund 180<br />
Experten auf dem 10. „Munich Economic Summit“. Der Gastgeber, IfoChef HansWerner<br />
Sinn, nennt Lösungsvorschläge schon jetzt im Interview.<br />
<strong>Handelsblatt</strong>: Welche Rolle soll der Staat in der Wirtschaft spielen?<br />
HansWerner Sinn: Der Staat muss zum einen die Infrastruktur zur Verfügung stellen,<br />
von der die gesamte Gesellschaft profitiert und Einkommen verteilen, indem er von den<br />
Reichen nimmt und den Armen gibt. Zum anderen muss der Staat in Krisen die Wirtschaft<br />
stabilisieren. Vor allem letzteres hat er jüngst mit Erfolg getan. Allerdings kann er<br />
sich eine keynesianische Politik nur leisten, wenn er im nachfolgenden Boom spart –<br />
und genau das tut der deutsche Staat nicht, obwohl die Wirtschaft rasant wächst.<br />
Woran machen Sie das fest?<br />
Das Defizit des Staates lag letztes Jahr bei 3,3 Prozent. Das war vertretbar, weil die Unterauslastung<br />
des Produktionspotenzials noch groß war. Doch für dieses Jahr prognostizieren<br />
die Institute immer noch ein Defizit von 1,7 Prozent. Damit sind wir noch ziemlich<br />
weit entfernt von der Grenze, wo man mit dem Sparen beginnt, denn die liegt bei null.<br />
Erst wenn man Überschüsse statt Defizite hat, spart man. Es kommt hinzu, dass der<br />
Schuldenzuwachs großenteils gar nicht in das Defizit eingerechnet wird. Im letzten Jahr<br />
lag der Zuwachs des Schuldenbestandes vor allem wegen der Gründung der staatlichen<br />
BadBanks bei 12,8 Prozent des BIP, obwohl das Defizit 3,3 Prozent des BIP aus<strong>macht</strong>e.<br />
Dass das Defizit den Zuwachs nicht widerspiegelt liegt daran, dass bei der Berechnung<br />
des staatlichen Defizits der vermeintliche Wert der vom Staat übernommenen toxischen<br />
Anlagen gegengerechnet wird. Das ist zwar buchhalterisch korrekt, aber es beruhigt<br />
nicht.<br />
Den Deutschen wird großer Spareifer nachgesagt. Warum spart der<br />
Staat nicht?<br />
Politiker neigen dazu, Geschenke zu verteilen, um sich bei ihren Wählern beliebt zu<br />
machen. Der Grund liegt auf der Hand: Die nächste Wahl kommt bestimmt, und diejenigen,<br />
die die Schulden zahlen müssen, sind großenteils noch nicht wahlberechtigt oder<br />
sind noch nicht einmal zur Welt gekommen. Das ist keine spezielle Kritik an der deutschen<br />
Politik. Vielmehr bezeugt es ein allgemeines Demokratieproblem. Und nun ist in<br />
der Krise auch noch eine verheerende Mentalität ausgebrochen: Viele denken, dass angesichts<br />
der riesigen Rettungssummen noch mehr Verschuldung auch nichts mehr aus<strong>macht</strong>.<br />
Man überblickt die Zahlen ohnehin nicht mehr. Rettungspakete ohne Ende werden<br />
aus dem Boden gestampft, um den Südländern noch ein paar Jahre länger das Leben<br />
über ihre Verhältnisse zu erlauben. Die Zahlen sind aber so gigantisch, dass sie Schwindel<br />
erregen.<br />
Ist der Staat in der Krise „gieriger“ geworden nach Einfluss in der<br />
Wirtschaft?<br />
Die Erhöhung der Staatsschulden war in der Krise nicht zu vermeiden. Aber der Staat<br />
muss aufpassen, dass er nicht den Rückzug versäumt. Speziell Deutschland begibt sich in<br />
Europa in eine Haftungsfalle. In den Jahren vor der Wirtschaftskrise war es der ehemaligen<br />
rotgrünen Regierung gelungen, die Schuldenquote zurückzufahren. SchwarzGelb<br />
müsste nun dringend an diesen Weg anknüpfen.<br />
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