Unterrichtseinheit „Unsere Wirtschaftsordnung“ - Handelsblatt macht ...

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28.12.2012 Aufrufe

110 5 10 15 20 25 30 35 M 34 Warum Ethik in der Wirtschaft mit guter Analyse anfängt Moral kann doch jeder, oder? Vor allem zur Weihnachtszeit. Wir reißen uns zusammen und nehmen uns vor, im nächsten Jahr alles besser zu machen. Und wenn das alle in einem Unternehmen so tun, dann wird daraus ein moralisches Unternehmen. Auf diesem Niveau werden viele Diskussionen zu ethischen Problemen in der Wirtschaft geführt. Richtig ist daran immerhin, dass es sehr häufig keiner komplizierten Diskussion bedarf, um festzustellen, was unmoralisch ist und was nicht. Wir wissen das meist intuitiv sehr gut – auch wenn wir uns nicht immer daran halten. Oder wie es der Theologe Hans Küng mal formuliert hat: „Gerechtigkeit zu definieren ist oft schwierig, aber Ungerechtigkeit zu erkennen häufig sehr einfach.“ Gerade bei Unternehmen liegt das Problem aber in einem ganz anderen Bereich. Bei Fragen der Ethik geht es ja nicht nur darum, sich an bestimmte Regeln zu halten. Viel wichtiger ist: Was sind die Konsequenzen meines Handelns? Und das gilt eben nicht nur für den einzelnen Manager, sondern für das gesamte Unternehmen. Auch wenn es erstaunlich klingt: Unternehmen haben ein eigenes moralisches Profil, das mehr ist als die Summe aller Tugenden und Schwächen ihrer Mitarbeiter. Die Frage, auf die es ankommt, ist die nach der ethischen Qualität des Geschäftsmodells. Die Finanzbranche liefert dafür reichlich Anschauungsmaterial. Banken etwa, die sich auf die Vermögensberatung reicher Kunden konzentrieren, haben in der Regel wenig moralische Probleme. Ethik und Gewinn laufen hier parallel: Wer reiche Kunden übervorteilt, schadet sich selbst, weil bei diesem Geschäft nur langfristige Kundenbeziehungen profitabel sind. Ganz anders sieht es aus, wenn ein Finanzdienstleister seine Produkte im Massengeschäft absetzen muss – das funktioniert kaum ohne hohe Vertriebsprovisionen, die zulasten der Kunden gehen. Oder nehmen wir eine Investmentbank, die zugleich Marktprodukte verkauft und selbst an den Märkten agiert: Sie ist sehr schnell auch Gegenspieler der eigenen Kundschaft. In Unternehmen mit solchen konfliktbeladenen Geschäftsmodellen werden alle, die sich tugendhaft verhalten wollen, untergebuttert. Nach oben kommen die aggressiven Verkäufer und Händler – und die werden vorzugsweise auch eingestellt. So entwickelt das Unternehmen ein moralisches Profil, das mit guten Vorsätzen allein nicht zu ändern ist. Wer hier gegensteuern will, muss sehr bewusst ethische Kriterien in der Organisation verankern und entsprechende Anreize setzen. Oder sich aus manchen Märkten, wo „sauber“ kein Geld zu verdienen ist, ganz zurückziehen. Im Zweifel sollte die Branche sogar selbst auf eine gute Regulierung einzelner gefährlicher Bereiche drängen. Hat das nicht auch die Finanzkrise gezeigt? Nur wer diese Aufgabe ernst nimmt, stellt sich seiner ethischen Verantwortung: jeden Tag, nicht nur zur Weihnachtszeit. Quelle: Wiebe, F., Handelsblatt, Nr. 248, 22.12.2010, 10

5 10 15 20 25 Expertenbefragung Definition M 35 Eine Expertenbefragung ist ein wesentliches Mittel zur Informationsbeschaffung. „Experte bedeutet, dass jemand in den Unterricht kommt, der über seine Tätigkeit, seinen Arbeitsalltag berichtet und so gesehen im Wirtschaftsunterricht zum Fachmann für die Praxis wird.“ (Wolf 1991, 47) Verlaufsstruktur 1. Vorbereitung Es werden Absprachen über die Ziele und Durchführung der Befragung getroffen. Für die Befragung, die entweder in der Schule oder am Wirkungsort des Experten, z. B. in einem Unternehmen, stattfinden kann, werden Fragen ausgearbeitet. Festgelegt werden weiterhin Aufgabenverteilung und Arbeitstechniken. Für die Befragung muss des Weiteren eine Interviewtechnik gewählt werden: ■■ strukturiertes Interview: Reihenfolge und Formulierung der Fragen werden genau festgelegt. Vorteil: Das Interview läuft planmäßig ab, aber: eine Vertiefung oder Ausweitung der Diskussion ist kaum möglich. ■■ teilstrukturiertes Interview: Wichtige Inhalte und die Reihenfolge der Fragen werden z. B. in Form eines Leitfadens festgelegt. Vorteil: Die Anwendungs­ und Umsetzungsmöglichkeiten können flexibel gehalten und entsprechend der jeweiligen Situation eingebracht werden. ■ ■ unstrukturiertes Interview: Das Ziel der Befragung wird festgelegt, Reihenfolge und Einzelfragen bleiben offen. Vorteil: Diskussionen können entstehen, die zusätzliche Informationen liefern, aber: Es besteht die Gefahr, dass sich Abweichungen zur ursprünglichen Zielsetzung ergeben. 111

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Auf diesem Niveau werden viele Diskussionen zu ethischen Problemen in der Wirtschaft<br />

geführt. Richtig ist daran immerhin, dass es sehr häufig keiner komplizierten Diskussion<br />

bedarf, um festzustellen, was unmoralisch ist und was nicht. Wir wissen das meist intuitiv<br />

sehr gut – auch wenn wir uns nicht immer daran halten. Oder wie es der Theologe<br />

Hans Küng mal formuliert hat: „Gerechtigkeit zu definieren ist oft schwierig, aber Ungerechtigkeit<br />

zu erkennen häufig sehr einfach.“ Gerade bei Unternehmen liegt das Problem<br />

aber in einem ganz anderen Bereich. Bei Fragen der Ethik geht es ja nicht nur darum,<br />

sich an bestimmte Regeln zu halten. Viel wichtiger ist: Was sind die Konsequenzen meines<br />

Handelns? Und das gilt eben nicht nur für den einzelnen Manager, sondern für das<br />

gesamte Unternehmen. Auch wenn es erstaunlich klingt: Unternehmen haben ein eigenes<br />

moralisches Profil, das mehr ist als die Summe aller Tugenden und Schwächen ihrer<br />

Mitarbeiter. Die Frage, auf die es ankommt, ist die nach der ethischen Qualität des<br />

Geschäftsmodells. Die Finanzbranche liefert dafür reichlich Anschauungsmaterial. Banken<br />

etwa, die sich auf die Vermögensberatung reicher Kunden konzentrieren, haben in<br />

der Regel wenig moralische Probleme. Ethik und Gewinn laufen hier parallel: Wer reiche<br />

Kunden übervorteilt, schadet sich selbst, weil bei diesem Geschäft nur langfristige<br />

Kundenbeziehungen profitabel sind. Ganz anders sieht es aus, wenn ein Finanzdienstleister<br />

seine Produkte im Massengeschäft absetzen muss – das funktioniert kaum ohne<br />

hohe Vertriebsprovisionen, die zulasten der Kunden gehen. Oder nehmen wir eine<br />

Investmentbank, die zugleich Marktprodukte verkauft und selbst an den Märkten agiert:<br />

Sie ist sehr schnell auch Gegenspieler der eigenen Kundschaft. In Unternehmen mit solchen<br />

konfliktbeladenen Geschäftsmodellen werden alle, die sich tugendhaft verhalten<br />

wollen, untergebuttert. Nach oben kommen die aggressiven Verkäufer und Händler –<br />

und die werden vorzugsweise auch eingestellt. So entwickelt das Unternehmen ein<br />

moralisches Profil, das mit guten Vorsätzen allein nicht zu ändern ist. Wer hier gegensteuern<br />

will, muss sehr bewusst ethische Kriterien in der Organisation verankern und<br />

entsprechende Anreize setzen. Oder sich aus manchen Märkten, wo „sauber“ kein Geld<br />

zu verdienen ist, ganz zurückziehen. Im Zweifel sollte die Branche sogar selbst auf eine<br />

gute Regulierung einzelner gefährlicher Bereiche drängen. Hat das nicht auch die<br />

Finanzkrise gezeigt? Nur wer diese Aufgabe ernst nimmt, stellt sich seiner ethischen Verantwortung:<br />

jeden Tag, nicht nur zur Weihnachtszeit.<br />

Quelle: Wiebe, F., <strong>Handelsblatt</strong>, Nr. 248, 22.12.2010, 10

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