Unterrichtseinheit „Unsere Wirtschaftsordnung“ - Handelsblatt macht ...
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Sind Märkte Monster, wie unser Altbundespräsident Horst Köhler<br />
meint?<br />
Nein, Märkte sind an sich keine Monster. Aber wenn sie nicht mehr ausreichend kontrolliert<br />
werden, können sie sich zu Monstern entwickeln. […] Je abstrakter Märkte werden<br />
und je schneller sie funktionieren, um so eher können sie entarten.<br />
Was heißt das konkret?<br />
Wenn wir beide heute ein Geschäft machen und wissen, wir sehen uns danach nie wieder,<br />
verhalten wir uns anders, als wenn wir uns übermorgen wiedertreffen würden. Es<br />
ist also ein Unterschied, ob man zu seinem Geschäftspartner eine emotionale Beziehung<br />
aufbaut oder anonym am Computer ein Geschäft mit einem Mausklick abwickelt.<br />
[…] Sie fordern einen ordnenden, kontrollierenden Staat, der aber<br />
nicht zum Mitspieler in der Wirtschaft werden soll. Lassen sich diese<br />
beiden Rollen in der Realität überhaupt auseinanderhalten?<br />
Der Staat soll als Schiedsrichter die Spielregeln überwachen. Als Mitspieler kann er eine<br />
Menge Mist machen.<br />
[…] Sie sind ein Anhänger der Freiburger Schule, erwähnen Friedrich<br />
August von Hayek aber mit keinem Wort. Passt seine These, dass<br />
Demokratie und freie Marktwirtschaft sich bedingen, nicht in Ihr<br />
Konzept?<br />
Hayek war nur sehr locker mit der Freiburger Schule verbunden. Seine starke Polarisierung<br />
zwischen Freiheit und Sozialismus entstammt einer Zeit von konkurrierenden Weltanschauungen.<br />
Heute wissen wir, dass jedes Gesellschaftssystem Teilsysteme mit eigenen<br />
Spielregeln hervorbringt. Auch der politisch eher rechts einzuordnende Philosoph<br />
Niklas Luhmann hat einmal gesagt, dass Moral in der Wirtschaft genauso wenig verloren<br />
hat wie Doping im Sport. Die Herausforderung ist, die Teilsysteme – also etwa Wirtschaft<br />
und Gesellschaft – in eine vernünftige Balance zu bringen.<br />
Bei Hayek spielt auch der Wettbewerb eine große Rolle. Sie wollen, dass<br />
die Menschen lieber kooperieren statt konkurrieren.<br />
Ich bin für Wettbewerb und schaue mir gerne die Bundesligatabelle an. Aber Wettbewerb<br />
kann nicht moralfrei und zügellos vonstattengehen. Wir brauchen also einen<br />
Schiedsrichter. Ich glaube aber auch, dass Kooperation Menschen glücklicher <strong>macht</strong> als<br />
Konkurrenz. Beide Triebkräfte stecken in uns und wirken oft gemeinsam. […]<br />
Der Bestseller-Autor, Philosoph und Publizist Richard David Precht wurde 1964 in<br />
Solingen geboren und wuchs in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Er studierte<br />
Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln und promovierte dort 1994<br />
über das Werk von Robert Musil. Bekannt wurde Precht 2007 durch seinen Bestseller<br />
„Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“<br />
Quelle: Riecke, T., <strong>Handelsblatt</strong>, Nr. 018, 26.01.2011, 106<br />
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