Unterrichtseinheit „Unsere Wirtschaftsordnung“ - Handelsblatt macht ...
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M 33<br />
Richard David Precht:<br />
„Kapitalismus verzehrt Werte“<br />
[…] Ist es nach der Finanzkrise höchste Zeit, dass sich die Wirtschaft<br />
wieder mit Werten befasst?<br />
Ja, es gibt zwischen Werten und Wirtschaft einen unmittelbaren Zusammenhang.<br />
Ursprünglich waren die Wirtschaftswissenschaften einmal ein Teil der Philosophie.<br />
Wenn Sie in mein Bücherregal schauen (zeigt auf eine große Bücherwand), dann finden<br />
Sie dort Moralphilosophen wie Adam Smith und John Stuart Mill. Die Trennung hat beiden<br />
Disziplinen nicht gut getan. Aber globale Werte selbst müssen wir nicht neu erfinden,<br />
die haben wir schon.<br />
Und welche sind das?<br />
Überall auf der Welt können Menschen sich darauf einigen, dass Barmherzigkeit besser<br />
ist als Hartherzigkeit. Dass Loyalität besser ist als Verrat. Dass man nicht lügen und nicht<br />
stehlen soll. Darüber muss man nicht ernsthaft diskutieren. Die spannende Frage ist:<br />
Wie kann man diese Werte in Wirtschaft und Gesellschaft durchsetzen?<br />
Sie haben Moral und Wirtschaft als das Nebeneinander von zwei<br />
Parallelwelten beschrieben. Was meinen Sie damit?<br />
Die Zweckrationalität des kapitalistischen Wirtschaftens ist nicht nur wertfrei, sie verzehrt<br />
auch unsere Werte. Das hat der englische Philosoph John Stuart Mill bereits im 19.<br />
Jahrhundert festgestellt. Die Freiburger Schule hat es später wieder aufgegriffen.<br />
Die Wirtschaft ist per se amoralisch?<br />
Wenn jeder nur seinem eigenen Vorteil nachjagt, werden die moralischen Fundamente<br />
einer Gesellschaft aufgezehrt. Deshalb ist es die Aufgabe der Politik, diesem Egoismus<br />
etwas entgegenzusetzen. Die Hoffnung von Adam Smith, dass der Egoismus automatisch<br />
zum Gemeinwohl führt, ist historisch widerlegt. Es kann so sein, muss aber nicht. Deshalb<br />
brauchen wir eine staatliche Ordnungspolitik im Sinne der Freiburger Schule.<br />
Deren Vertreter Wilhelm Röpke sah in der Marktwirtschaft eine zutiefst moralische Veranstaltung.<br />
Wirtschaft und Moral gehören also doch zusammen.<br />
Das kapitalistische Wirtschaften ist keine moralische Veranstaltung. Das bedeutet aber<br />
nicht, dass kapitalistisch verfasste Gesellschaften automatisch unmoralische Gesellschaften<br />
sein müssen. Wir haben in den westlichen Ländern eine deutlich höhere Moralkultur<br />
als in Russland oder vielen sozialistisch geprägten Schwellenländern. […]