100 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 M 28 Verknüpfung von Ordnungs und Individualethik Die Lösung muss in einer Verknüpfung von Ordnungs und Individualethik gesucht werden. Die Moral muss, wo immer es geht, über sinnvolle Spielregeln in das System implementiert werden. Hierbei ist jedoch nicht nur die Etablierung von Regulierungen, sondern v. a. die Institutionalisierung sinnvoller Anreizstrukturen von Bedeutung. Gleichzeitig darf aber das Individuum bei der Entwicklung eines moralischen Bewusstseins nicht aus der Verantwortung genommen werden nach dem Motto: „Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt.“ Die Gestaltung einer moralisch „wetterfesten“ Wirtschafts und Gesellschaftsordnung stellt dabei eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe dar. Ursache hierfür sind die im wirtschaftlichgesellschaftlichen Leben permanent zutage tretenden Dilemmastrukturen. Von einem Dilemma spricht man immer dann, wenn einzel und gesamtwirtschaftliche Ziele miteinander in Konflikt geraten bzw. sich gegenseitig ausschließen. Die Institutionen und Regeln unserer Wirtschaftsordnung sind deshalb idealerweise so auszugestalten, dass der Einzelne sein Eigeninteresse verfolgen kann – ein grundsätzliches Ziel unserer Gesellschaftsordnung – und damit gleichzeitig dem Gemeinwohl dient. Der Ökonom spricht von der „Kooperation zum gegenseitigen Vorteil“. Dies negiert nicht die Notwendigkeit von Verboten und klarer Beschränkungen der Handlungsmöglichkeiten wo notwendig. Doch ist die Frage nach Art und Ausmaß der Einschränkungen zu stellen. Es muss darum gehen für die Akteure im Wirtschaftsgeschehen solche Anreize zu schaffen, die die erwünschten gesellschaftlichen Ziele, z. B. Gerechtigkeit und Chancengleichheit, realisieren können. Im besten Fall wird das erwünschte Verhalten des Einzelnen im Sinne des Gemeinwohls belohnt und das aus moralischer Sicht nicht zweckdienliche Verhalten bestraft. Wer also auf der einen Seite die Möglichkeit der freien Entscheidung hat, muss auf der anderen Seite für „schädliche“ Entscheidungen haften. Das Haftungsprinzip ist so auszugestalten, dass die Übernahme von Risiko überhaupt noch sinnvoll erscheint. Individuen agieren somit innerhalb der Rechtsordnung. In dieser müssen die ethischen Werte und Prinzipien, die eine Gesellschaft fördern und schützen möchte, in Form von Restriktionen und Anreizen institutionalisiert werden. Beim Setzen der Regeln kommt es sehr darauf an, die richtigen Dinge zu tun und nicht die Dinge richtig zu tun. Die Spielregeln müssen sinnvoll in dem Sinne sein, dass die ethischen Prinzipien der Gesellschaft verwirklicht werden können. Hierbei bestätigt sich in der Realität immer wieder die vielfach gehörte Feststellung, dass „gut“ und „gut gemeint“ keineswegs als synonym aufzufassen sind. Selbst die besten Regelwerke enthalten Lücken, Grauzonen und Interpretationsmöglichkeiten. Individuen, die diese ausnutzen, z. B. bei der Steuererklärung, und sich somit unmoralisch im Sinne der Gesamtgesellschaft verhalten, sind jedoch keinesfalls entschuldigt, auch wenn sie in der Gesellschaft allzu häufig als besonders „clever“ gelten und von den Mitbürgern so in ihrem Verhalten bestärkt werden. Es gilt nicht nur die Regeln zu verbessern, sondern auch das moralische Bewusstsein des Einzelnen im Wirtschaftsprozess zu stärken. Das heißt, unsere wichtigen ethischen Prinzipien müssen auch in der moralischen Einstellung des Einzelnen zum Tragen kommen. Dies gilt sicherlich in ganz besonderer Weise für Menschen, die in verantwortungsvollen Positionen sind und eine Vorbildfunktion für andere haben sollten. Gleichwohl muss man bedenken, dass heroisches Verhalten kaum der Regelfall sein kann. Der Ökonom Krings hat diesen Sachverhalt so formuliert: „Die Moral des Einzelnen kann ein Versagen der Institutionen nicht kompensieren“.
M 29 Karikaturen zur Wirtschafts und Finanzkrise Quelle: Horsch, <strong>Handelsblatt</strong>, 23.10.2008, 8 Quelle: Horsch, <strong>Handelsblatt</strong>, 15.10.2009, 8 101