Almanach Bachwoche Ansbach 2023 (Ausschnitte)
Das Lese- und Begleitmagazin. Wissens- und Lesenswertes rund um die Bachwoche Ansbach 2023. Wissenschaftliche Beiträge und Hintergrundartikel zu "75 Jahre Bachwoche in Ansbach", Bachs »Kunst der Fuge«, ein Rundgang durch die St. Johanniskirche, Betrachtungen zur "Toccata" bei J. S. Bach, Interviews und Künstler-Portraits und vieles mehr. Preis: 20,- € Bestellung unter Tel. 0981-15037 oder per Mail an info[at]bachwoche.de --------------------------------------------------- The reading and companion magazine. Things worth knowing and reading about the Bachwoche Ansbach 2023. Scientific contributions and background articles on "75 years Bachwoche in Ansbach", Bach's "Art of Fugue", a tour of St. John's Church, reflections on the "Toccata" by J. S. Bach, interviews and artist portraits and much more. Price: €20 Order via phone +49 981-15037 or by email to info[at]bachwoche.de
Das Lese- und Begleitmagazin. Wissens- und Lesenswertes rund um die Bachwoche Ansbach 2023.
Wissenschaftliche Beiträge und Hintergrundartikel zu "75 Jahre Bachwoche in Ansbach", Bachs »Kunst der Fuge«, ein Rundgang durch die St. Johanniskirche, Betrachtungen zur "Toccata" bei J. S. Bach, Interviews und Künstler-Portraits und vieles mehr.
Preis: 20,- €
Bestellung unter Tel. 0981-15037 oder per Mail an info[at]bachwoche.de
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The reading and companion magazine. Things worth knowing and reading about the Bachwoche Ansbach 2023.
Scientific contributions and background articles on "75 years Bachwoche in Ansbach", Bach's "Art of Fugue", a tour of St. John's Church, reflections on the "Toccata" by J. S. Bach, interviews and artist portraits and much more.
Price: €20
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Das Magazin der
Bachwoche Ansbach
ALMANACH
2023
75 JAHRE
BACH IN ANSBACH
30 0 JAHRE
BACH IN LEIPZIG
MEILENSTEINE
TOCC AT EN
KUNST DER FUGE
KÜNSTLER-PORTR AITS
UND INTERVIE WS
DA S VOLL STÄNDIGE
PROGR AMM
1
4
INHALT
6 Aus seiner idylischen
Verträumtheit
entbunden
300 Jahre in Leipzig,
75 Jahre in Ansbach:
Bach im Spiegel
der Zukunft
Andreas Bomba
24 »Toccata«
Das Programm der
Bachwoche 2023
36 Weite Entfaltungsmöglichkeiteten,
bis an die Grenzen
der Kunst
Die Toccata – Eine
Spezialität Johann
Sebastian Bachs?
Andreas Bomba
82 Davon profitiert die
gesamte Gesellschaft
Der Deutsche Musikrat,
seine Projekte und die
Vielfalt im deutschen
Musikleben
Sabine Siemon
12 Zum Gebrauch
des Claviers und
der Orgel
Gelöste und ungelöste
Rätsel um Johann
Sebastian Bachs
»Kunst der Fuge«
Peter Wollny
42 Von A bis Z
Die Künstler der
Bachwoche 2023
76 Historisch oder
modern?
Zur Frühzeit der
Bachwoche Ansbach
Markus Zepf
88 Mit Bach das
Leben begreifen
Das Projekt VISION.
BACH bei der
Bachwoche Ansbach
Andreas Bomba
94 Organe der Bachwoche
Ansbach
18 Ein Wahrzeichen der
Stadt – und auch
der Bachwoche
Die evangelischlutherische
Pfarrkirche
St. Johannis in Ansbach
Laura Hausleitner
97 Förderer, Sponsoren und
Medienpartner
99 Impressum
5
AUS SEINER
IDYLLISCHEN
VERTRÄUMTHEIT
ENTBUNDEN
Andreas Bomba
300 JAHRE IN LEIPZIG,
75 JAHRE IN ANSBACH:
BACH IM SPIEGEL DER ZUKUNFT
6
Am 22. Mai 1723 kam Bach an in
Leipzig. Zwei Kutschen benötigte seine
sechsköpfige Familie, weitere vier, um den
„Haus-Rath“ aus Köthen in die Messestadt
zu schaffen; so detailliert berichtet
es jedenfalls die in Hamburg erscheinende
Zeitung Hollsteinischer Unpartheyischer
Correspondent. Fast ein Jahr war seit dem
Tod des Thomaskantors Johann Kuhnau
verstrichen; sechs Monate davon hatte
der Rat der Stadt benötigt, um Kandidaten für die Nachfolge auszuwählen,
zu kontaktieren und zu testen und schließlich zu verpflichten.
Johann Sebastian Bach war nicht die erste Wahl, Hauptsache,
er richte die Musik dergestalt ein, „daß sie nicht zulang währen
[und] nicht opernhafftig herauskommen“ möge. Jedenfalls versah
Bach das Amt 27 Jahre lang so gut, dass Leipzig sich bis heute mit
seinem Namen als Bachstadt schmückt und jährlich Tausende von
Touristen an Bachs Grabplatte in die Thomaskirche pilgern.
»AM VERGANGENEN SONNABEND
ZU MITTAGE KAMEN 4. WAGEN MIT
HAUS-RATH BELADEN VON CÖTHEN
ALLHIER AN, SO DEM GEWESENEN
DASIGEN FÜRSTL. CAPELL-MEISTER,
ALS NACH LEIPZIG VOCIRTEN CANTORI
FIGURALI, ZUGEHÖRETEN; UM 2. UHR
KAM ER SELBST NEBST SEINER FAMILIE
AUF 2 KUTSCHEN AN, UND BEZOG
DIE IN DER THOMAS-SCHULE NEUE
RENOVIRTE WOHNUNG.«
Staats- u. Gelehrte Zeitung Des Hollsteinischen
unpartheyischen Correspondenten, Anno 1723,
Num. 89, LXCCIX. Stück am Freytage dem 4. Junii
Am 27. Juli 1948, 225 Jahre später also und nun vor 75 Jahren,
begann in Ansbach eine Bach-Woche. Sie nannte sich ebenfalls nach
Johann Sebastian Bach. Hunderte seiner Verehrerinnen und Verehrer
pilgerten (und pilgern bis heute!) in die
mittelfränkische Residenz, um seine Musik,
und nur seine Musik! zu hören. Ein Jahr war
seit dem Ende einer ersten Bachwoche verstrichen;
sechs Monate davon hatten deren
Organisator und der Rat der Stadt benötigt,
diese Bachwoche von Pommersfelden nach
Ansbach zu verpflanzen, wo sie schließlich
heimisch wurde.
Soweit die Parallelen. Wir erkennen die Startpunkte und wissen,
wie sich von hier aus die Dinge entwickelt haben. Beide hatten die
Zukunft in Blick. Carl Weymar, der 1947 das Programm der Bachwoche
in Schloss Weissenstein hatte drucken lassen, vermerkt auf der
letzten Seite: „Für die Bachwoche 1948 sind u.a. Aufführungen verschiedener
Chorkantaten geplant“. Allen Besuchern war klar, dass
dieser Teil des Bachschen Schaffens, wie auch die Orgelmusik, in den
beim Grafen Schönborn gebotenen Verhältnissen nicht zu realisieren
war; den Umzug in den protestantischen Teil Frankens hatte Weymar
freilich noch nicht im Sinn. Dennoch war die Bachwoche auf Fortsetzung,
auf Zukunft angelegt. Zwar behielt sich der Kunstgewerbehändler
Weymar bereits ab 1948 vor, jährlich eine Bachwoche zu veranstalten
oder auch eine Pause einzulegen, wie erstmals 1953 – auf
die entsprechende, jeweils zur Weihnachtszeit versandte Mitteilung
aus der Münchner Residenzstraße warteten die Besucher des Vorjahres
bereits mit Spannung.
NICHT ZU LANG, NICHT OPERNHAFFTIG
Wie aber dachte Johann Sebastian Bach über seine Zukunft, über
die Zukunft überhaupt? Der Vertrag (Endgültiger Revers), den er am
3. Mai 1723 unterschrieb und der dem Leipziger Wunschkandidaten
Georg Philipp Telemann in fast identischer Form vorgelegt worden
wäre, legte den Thomaskantor fest: nur fünf von 14 Punkten haben
mit Musik zu tun, nur vier mit der Kirche, fast alle jedoch mit Schule
und jungen Menschen, die er zu informiren, also zu unterrichten hatte.
„Freundlich und mit Behutsamkeit tractiren“ solle er die Knaben,
und die Musik dürfe „nicht zu lang“ und „nicht opernhafftig“ herauskommen.
Wer über den Lateinunterricht hinaus seine Kunst jungen
Musikern (zu gerne wüssten wir, ob Bach auch seine Töchter unterrichtete!)
weitergibt und dies auf den Titelblättern vieler Werksammlungen
sogar als Sinn und Zweck vermerkt, wird gewiss auch an die
Zukunft des Musiklebens denken, in dem Sinne, dass das Leben halt
weitergeht, bis der Tod den Menschen, wie es in vielen Kantaten
zum Ausdruck gebracht wird, vom irdischen Jammertal ins Paradies
befördert.
Leipzig, St. Thomas zur Bachzeit
Linke Seite: Ansbach, St. Johannis zur Bachwochezeit
7
ZUM GEBRAUCH DES
CLAVIERS UND DER ORGEL
Peter Wollny
Evgeni Koroliov bei
der Bachwoche 2015
12
Wohl kaum eine Komposition Johann Sebastian
Bachs ist derart von einer Aura des Rätselhaften
und Geheimnisvollen umgeben wie die
Kunst der Fuge. Die das Werk begleitenden Legenden
haben einen direkten Zugang zu dem monumentalen
Fugenzyklus zwar nicht gerade verhindert,
einer unvoreingenommenen Würdigung
von Bachs künstlerischer Leistung standen sie aber doch spürbar im
Wege. Das Dickicht der Sekundärliteratur ist über die Generationen hinweg
nahezu undurchdringlich geworden, und der Weizen der seriösen,
wissenschaftlich begründeten und nachprüfbaren Erkenntnisse lässt
sich auch von Fachleuten oftmals nur schwer von der Spreu wuchernder
Hypothesen und abwegiger Spekulationen trennen.
TATSÄCHLICH STELLT SICH
DIE ENTSTEHUNG DES
WERKS ALS EIN LANGSAMER,
BEDÄCHTIGER UND IMMER
WIEDER DURCH ANDERE
ARBEITEN UNTERBROCHENER
PROZESS DAR, BEI DEM
PLANEN, KOMPONIEREN,
REVIDIEREN UND SCHLIESSLICH
DIE VORBEREITUNGEN
ZUR DRUCKLEGUNG
ENG MITEINANDER
VERFLOCHTEN WAREN.
Themen gerade zum erstenmal zu gleicher Zeit
erklingen“ (Alfred Heuß). Die Existenz dieses
Notenblatts hat auch nüchterne Wissenschaftler
immer wieder zu Dichtern werden lassen, ihnen
poetische Schilderungen eines sterbenden
Genies eingegeben, dem der Tod die Feder aus
der Hand windet.
Erst die neuere Forschung hat mithilfe von Schrift- und Wasserzeichenuntersuchungen
diese Vorstellungen revidieren können. Tatsächlich
stellt sich die Entstehung des Werks als ein langsamer, bedächtiger
und immer wieder durch andere Arbeiten unterbrochener
Prozess dar, bei dem Planen, Komponieren, Revidieren und schließlich
die Vorbereitungen zur Drucklegung eng miteinander verflochten
waren. Acht Fugen und der „Canon alla Ottava“ wurden bereits um
Die Legendenbildung setzte schon bald nach Bachs Tod ein. Die
Erben waren offenbar über die genauen Vorstellungen des Komponisten
zu der für den Druck bestimmten Fassung letzter Hand nicht
hinreichend informiert. Wie hätten sie es auch sein sollen? Die beiden
ältesten Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel waren
seit langem aus dem Haus und widmeten sich längst ihrem eigenen
beruflichen Fortkommen; das gleiche galt seit kurzem auch für den
1748 nach Naumburg berufenen Schwiegersohn Johann Christoph
Altnickol. Der zweitjüngste Bach-Sohn Johann Christoph Friedrich
hatte seinem Vater zwar als Assistent mehrere Jahre zur Seite gestanden
und auch das Autograph der Kunst der Fuge teilweise zur
Korrektur durchgesehen, doch zu Weihnachten 1749 folgte er einem
Ruf als Kammermusiker an den Hof des Grafen zu Schaumburg-Lippe
in Bückeburg; der jüngste Sohn Johann Christian schließlich war mit
seinen noch nicht einmal fünfzehn Jahren wohl noch zu jung, um das
Spätwerk seines Vaters zu überblicken.
Titelblatt der Kunst der Fuge, Druck von 1751
DIE HALBLEERE LETZTE SEITE
Die 1751 erschienene Erstausgabe der Kunst der Fuge birgt in
der Tat zahlreiche Probleme und lässt viele Fragen offen. Zu weitreichenden
Missverständnissen gab darüber hinaus die von Carl Philipp
Emanuel am Ende der unvollendeten letzten Fuge angebrachte Notiz
Anlass. Dort heißt es, „NB Ueber dieser Fuge, wo der Nahme B A C H
im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben.“
Vielen Generationen hat sich die Vorstellung des mühsam gegen
sein schwindendes Augenlicht ankomponierenden alten Mannes eingeprägt,
und allzu suggestiv war die Wirkung der halbleeren letzten
Seite im Autograph, das unheimliche Abbrechen des letzten Satzes,
„als er sich eben anschickt, zur Tripelfuge zu werden und die drei
Geburt einer Legende: Hinweis aufs Ende der Kunst der Fuge im Druck von 1751
13
EIN WAHRZEICHEN
DER STADT – UND AUCH
DER BACHWOCHE
Lara Hausleitner
DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE PFARRKIRCHE ST. JOHANNIS IN ANSBACH
18
Alabaster-Relief mit der Marienkrönung
(rechts) und die Grabplatte
eines Kindergrabes (unten).
Licht flutet in der Ansbacher Johanniskirche
durch die prächtigen bunten Spitzbogenfenster in
den Chorraum. Die Fenster stammen aus der Zeit
um 1900, doch das Gotteshaus, in dem die Bachwoche
auch in diesem Jahr eröffnet wird, ist viel älter.
Fast ein ganzes Jahrhundert hat es einst gedauert,
St. Johannis zu errichten. Das Langhaus wurde 1410
begonnen, der Chor 1441 grundgelegt und 1458
fertig gestellt. Die ungleichen Türme – der höhere
mit einer Maßwerk-Galerie – wuchsen dann zwischen
1504 und 1508 in den Himmel. Das Turmpaar
der bürgerlichen Pfarrkirche bestimmt bis heute die
Ansbacher Stadtsilhouette – neben den drei Türmen
der ehemaligen Hofkirche St. Gumbertus.
Außen prägen massive Strebepfeiler mit Skulpturenschmuck den
mächtigen Baukörper von St. Johannis, während das Innere der Kirche
schlicht und klar im Stil der späten Gotik gegliedert ist. In der
dreischiffi gen Staffelhalle bietet sich dem Besucher ein ob der architektonischen
Geschlossenheit eindrucksvolles Raumerlebnis. Die
Halle überspannt ein unregelmäßiges Rippengewölbe im Mittelschiff
und den Chor ein elegantes Netzgewölbe mit einem Rautenstern.
Wer ganz genau hinschaut, entdeckt in manchen Gewölbefeldern
liebevoll gestaltete Schlusssteine – Wappen zum Beispiel,
Handwerkerzeichen und Engel. Gleich neben dem Hauptportal im
Westen blickt ein Taufengel mit einem Tauftuch in den Händen herab.
Unter ihm stand im Mittelalter der Taufstein – direkt am Eingang
der Kirche. Dieser Platz hat symbolische Bedeutung: Das Portal öffnet
den Weg in die Kirche und die Taufe den Weg in die Gemeinschaft
der Christen. Von einem Schlussstein im Gewölbe
des südlichen Seitenschiffs, vorne neben dem Chor,
lächelt ein Verkündigungsengel mit rotem Gewand
und goldenen Flügeln den Kirchenbesuchern zu.
FRESKEN, RELIEF,
EIN KINDERGRAB
Noch genauer hinsehen muss man, um ein weiteres
Kleinod an einer anderen Säule in der südlichen
Reihe zu erspähen: ein winziges Alabaster-Hochrelief aus der Zeit um
1500, das Marias Krönung durch zwei Engel zeigt. Der Schatz hat die
Barockisierung des Gotteshauses im 18. Jahr hundert überdauert und
wurde bei der umfassenden Restaurierung zwischen 1958 und 1962
wiederentdeckt. Damals erhielt die Kirche ihre ursprüngliche gotische
Gestalt zurück.
DAS PORTAL ÖFFNET
DEN WEG IN DIE
KIRCHE UND DIE
TAUFE DEN WEG IN
DIE GEMEINSCHAFT
DER CHRISTEN.
Besonders schön sind die Reste spätgotischer Fresken an einigen
Pfeilern: Der Evangelist Johannes hält da einen Kelch in der Hand,
aus dem eine Schlange trinkt. Der Legende nach musste er einen
Becher Gift leeren, starb aber nicht daran. Ein weiteres Fresko zeigt
Johannes den Täufer, den Patron der Ansbacher Stadtkirche, mit
einem purpurroten Umgang vor warmgelbem Grund. Ursprünglich
trug er ein Lamm auf dem Arm, das nicht mehr zu erkennen ist.
Eindringlich ist das Fragment der Platte eines Kindergrabes rechts
an der Wand im Chorraum: eine betende Gestalt, die Hände fest
gefaltet, das Gesicht zum Himmel erhoben. Vermutlich stammt das
Relief aus dem 15. Jahrhundert, doch niemand weiß, wer hier betrauert
wurde. An den Tod gemahnt auch das Epitaph der Barbara
von Seinsheim mit einem gefl ügelten Skelettschädel und einer Auferstehungsszene.
In ihrem Testament von 1593 richtete die kinderlose
Adelige eine Stiftung für die Armen in der Umgebung Ansbachs ein,
die bis zur Geldentwertung 1923 von St. Johannis verwaltet wurde.
EINES DER FRÜHESTEN WERKE
DER RENAISSANCE
Kunsthistorisch außerordentlich bedeutend ist
der Flötner-Altar im nördlichen Seitenschiff nahe
dem Chor. Geschaffen wurde er zwischen 1520 und
1525 vermutlich von dem damals sehr bekannten
Künstler Peter Flötner, der sich nach einem Italienaufenthalt
zunächst in Ansbach niederließ, ehe er
1522 nach Nürnberg zog. Das Retabel wurde wohl
für eine Hofkirche der Ansbacher Markgrafen, die im
Schloss entstehen sollte, in Auftrag gegeben. Diese
Residenzkapelle wurde von Hofbaumeister Leopoldo
Retti geplant, jedoch nie realisiert, sodass der Flötner-Altar
schließlich auf Umwegen in die Johanniskirche gelangte.
Das Retabel mit seinen Nischen und Bogenfeldern gilt als eines der
frühesten Werke der Renaissance im süddeutschen Raum.
19
WEITE ENTFALTUNGS-
MÖGLICHKEITEN, BIS AN
DIE GRENZEN DER KUNST
ANDREAS BOMBA
DIE TOCCATA – EINE SPEZIALITÄT JOHANN SEBASTIAN BACHS?
Sie ist eines der berühmtesten Stücke der
Musikgeschichte. Sie steht emblematisch für
Orgelmusik. Schon der erste Ton, der eigenwillige
Praller auf dem hohen a, löst Beifall aus.
Ah! Bach! Die Töne fallen herab und fangen
sich wieder, stufenweise. Ein spannungsreicher
Akkord aus kleinen Terzen türmt sich auf, klärt
sich in mächtiges d-Moll. Virtuoses Geläuf
folgt, erst mit der rechten, dann mit beiden
Händen abwechselnd. Es geht auf und ab, hin
und her. Die Rede ist von der Toccata, von DER
Toccata schlechthin, d-Moll, Werkeverzeichnis
565, von Johann Sebastian Bach.
Das heißt: so genau weiß man das nicht,
die Musikwissenschaft gießt gerne, wenn die
Autorschaft eines Stückes sich nicht handschriftlich
bestätigen lässt, Wasser in den
Wein. Wer aber, empören sich die Orgelfreunde,
hätte dieses geniale Werk sonst komponieren
können, wenn nicht Johann Sebastian
Bach? Und: müssten nicht hinter vielen
anderen Werken Bachs, vor allem denen für
Orgel, Fragezeichen gesetzt werden?
Von Bach gibt es nicht nur diese eine, sondern
eine ganze Toccata benannte Werkgruppe.
Für Orgel und fürs Cembalo. Was genau
aber verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung?
TOCCARE HEISST
„BERÜHREN“
Girolamo Frescobaldi, zweites Buch der Toccaten und Kanzonen, Rom 1637
Das Wort stammt aus der italienischen Musiksprache.
„Toccare“ heißt „berühren“, oder
„schlagen“, Toccata heißen also berührte oder
geschlagene Dinge. Noch 1721 weiß der Hamburger
Musikgelehrte Johann Mattheson, „Toc-
36
Partita BWV 830, Frühform
im Notenbüchlein für Anna
Magdalena Bach, 1725.
Toccata heißt hier Preludio
care Tamburro, toccar Tromba: die Trommel schlagen, die Trompete
blasen, das Spiel rühren“. Die Fanfare, mit der schon im Jahre 1607
die Oper Orfeo beginnt, heißt bei Claudio Monteverdi Toccata.
Ihre Heimat aber hatte die Gattung eher bei den Lautenisten.
Von hier aus gelangte sie zu den Tasteninstrumenten. Grundsätzlich
handelte es sich um Musik für Einzelspieler, also Solisten, und
um Musik mit hohem Anteil an Improvisation. Michael Praetorius
(1571-1621) beschreibt Toccata „als ein Praeambulum, oder Praeludium,
welches ein Organist, wenn er ernstlich uff die Orgel oder
Clavicymbalum greifft, ehe er ein Mutet oder Fugen anfehet, aus seinem
Kopff vorher fantasirt, mit schlechten entzelen griffen und Coloraturen
etc.“ Damit ist der musikalische Enzyklopädist schon fast bei
der d-Moll-Toccata, denn auch hier scheint Bach erst zu fantasieren,
bevor er sich kontrapunktischen Elementen oder
gar einer strengen Fuge zuwendet.
DER NOTENDRUCK
UND SEINE FOLGEN
Um die Zeitenwende vom 15. zum 16. Jahrhundert
begann man in Venedig, Noten zu drucken.
Der Druck bändigte die freien Fantasien in
schriftlicher, reproduzierbarer Form. So entstand
aus der Improvisation eine musikalische Gattung.
Was Annibale Padovano (1527-1575), Andrea Gabrieli
(1533-1585) oder Claudio Merulo (1533-1604)
als Toccata etablierten, konnte nun jeder Organist
»…EIN PRAEAMBULUM,
ODER PRAELUDIUM,
WELCHES EIN ORGANIST,
WENN ER ERNSTLICH
UFF DIE ORGEL ODER
CLAVICYMBALUM GREIFFT,
EHE ER EIN MUTET ODER
FUGEN ANFEHET, AUS
SEINEM KOPFF VORHER
FANTASIRT…«
Michael Praetorius,
Syntagma musicum 1619
fortführen und weiterentwickeln. Besonderen Reiz übte dabei der
Kontrast von freien und gebundenen Formen aus, Phantasie und Virtuosität
hier, regulärer Kontrapunkt dort. Auch ließen sich die Grenzen
von Rhythmus und Harmonie bestens ausdehnen, wenn nicht
gar überschreiten. Nach 1600 entwickelte der römische Organist
Girolamo Frescobaldi (1583-1643) diese Form weiter; süddeutsche
Musiker, die über die Alpen wanderten, um in Italien zu studieren,
namentlich der in München tätige Johann Caspar Kerll (1627-1693)
oder der Wiener Hoforganist Johann Jakob Froberger (1616-1667)
brachten diese Musik mit und verbreiteten sie.
Neben der Toccata konnten Musiker sich in Formen wie Ricercare,
Canzona, Capriccio, in Tänzen aller Art oder verschiedenen
Variationsarten bewähren. Das Repertoire gewann im deutschsprachigen
Raum durch die in der protestantischen
Kirchenmusik allgegenwärtigen Choralmelodien
hinzu. Es bot sich also eine reichhaltige Palette an
Möglichkeiten, als Johann Sebastian Bach, der die
alte Kunst sehr wohl kannte, um 1700 begann, Orgelmusik
zu komponieren – oder soll man sagen:
zu improvisieren, fantasieren? Und eben nicht aufzuschreiben?
Zusätzlich hatte der junge Organist
sich in Lübeck, bei Dietrich Buxtehude (1637-1707),
über eine besondere, norddeutsche Spielart der
Orgeltoccata informiert, das Fantasieren über einen
Orgelpunkt, einen mit dem Pedal gehaltenen
Ton also, der eine gewisse Basisharmonie vorgab.
Oft mündete der Halteton dann in ein virtuoses Pedalsolo.
37
HISTORISCH
ODER MODERN?
Markus Zepf
ZUR FRÜHZEIT DER BACHWOCHE ANSBACH
76
Gustav Scheck, Atis Teichmanis,
Carl Seemann (hintere Reihe),
Harald Genzmer und Willibald
Gurlitt vor dem Eingang der
Musikhochschule Freiburg im
Wentzingerhaus. Fotografi e um
1950 (Sammlung Markus Zepf)
Stöbert man in den ersten Programmheften der Ansbacher Bachwoche,
stößt man auf bekannte Namen des Klassikbetriebs, die in
einem munteren Nebeneinander mit historischen und modernen
Musikinstrumenten auftraten. Auf den ersten Blick mag dies erstaunen,
da viele die „Historisch informierte Aufführungspraxis“ (dank
geschickter Öffentlichkeitsarbeit der Musikindustrie) mit Nikolaus
Harnoncourt und seinem Concentus Musicus verbinden. Für die erste
Bachwoche Ende Juli 1947 auf Schloss Pommersfelden ist aber ein
anonymes Dokument erhalten, das leidenschaftlich sowohl die Einbindung
von „Barockspezialisten“ als auch historische Musikinstrumente
fordert.
Klangbild, sind heute aber unerwünscht. Um der Klangästhetik der
modernen Ventiltrompete möglichst nahezukommen, versah um
1960 der Blasinstrumentenmacher Otto Steinkopf (Fagottist des 1954
gegründeten Spezialklang-Ensembles Capella Coloniensis beim WDR
Köln) die Röhre nachgebauter Langtrompeten mit zwei Griffl öchern
zur Intonationskorrektur und einem weiteren „Transpositionsloch“.
Mit „historisch informierter“ Treue hat dies nichts zu tun, dennoch
sind diese Instrumente in der historischen Aufführungspraxis fest verankert.
WISSENSCHAFTLICHE NOTENAUSGABEN
WIE ALT DARF ALTE MUSIK KLINGEN?
Die Wiederbelebung Alter Musik auf historischen Musikinstrumenten
oder deren Nachbauten versteht mancher als akademische
Suche nach vergangenem Klang. Die Frage nach der Besetzung von
Johann Sebastian Bachs Musik zum Beispiel ist so alt wie die Werke
selbst, da er bei Wiederaufführungen seiner Kantaten und Ensemblemusiken
in Leipzig diese den neuen Gegebenheiten
anpasste. Im ausgehenden 18. und
19. Jahrhundert stellten der rasche Wandel im
Instrumentarium und die damit veränderte Spielweise
Musiker vor neue Herausforderungen. Als
Kapellmeister am Leipziger Gewandhaus plante
Felix Mendelssohn Bartholdy am 15. Februar
1838 ein „Historisches Konzert“ unter anderem
mit Bachs Ouvertüre D-Dur BWV 1068 (mit der
berühmten Air als zweitem Satz). Die Trompeter
des Gewandhausorchesters klagten jedoch über die Unspielbarkeit
von Bachs Stimmen, weshalb der Kapellmeister sie mit Klarinetten
besetzte. Dieses nach 1700 von Johann Christoph Denner und seinem
Sohn Jacob in Nürnberg entwickelte Holzblasinstrument hat
seinen Namen zwar von der hohen, Clarin genannten Trompetenlage,
wurde von Bach aber nicht verwendet. Dennoch war sein Einsatz
anstelle der barocken Langtrompeten für Mendelssohn Bartholdy naheliegend.
Und heute? Die Verwendung historischer Musikinstrumente in
der „Historisch informierten Aufführungspraxis“ ist längst selbstverständlich,
aber nicht frei von Widersprüchen. Die heutigen Ventiltrompeten
und -hörner erlauben das chromatische Spiel mit gleicher
Tonqualität. Die historischen Langtrompeten der Bach-Zeit
haben einen begrenzten Tonvorrat, nämlich die Naturtonreihe, deren
Töne unterschiedliche Qualität haben. Der 11. Naturton klingt zu
hoch, der 13. zu tief, sodass dies die Spieler mittels Lippenspannung
korrigieren müssen. Gewisse Unreinheiten gehören zum historischen
GEWISSE UNREINHEITEN
GEHÖREN ZUM HISTORISCHEN
KLANGBILD, SIND HEUTE
ABER UNERWÜNSCHT.
Dass wir aus dem Notentext recht präzise Vorstellungen vom
Klangwillen eines Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich
Händel gewinnen können, ist das Ergebnis musikwissenschaftlicher
Arbeit. Als zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Musik Bachs und
Händels verstärkt in den Fokus rückte, entwickelte die junge akademische
Musikwissenschaft an Bachs Werk ihre philologischen und
stilkritischen Methoden. Zu Bachs 100. Todestag entstand 1850 in
Leipzig die Bach-Gesellschaft, die bis 1899
das erhaltene Werk in 46 Bänden mit wissenschaftlichem
Anspruch edierte – Irrtümer in
Zuschreibung, Datierung und Bewertung inbegriffen.
Im Musikleben war hingegen nur
ein geringer Teil, und dieser meist nur in Ausschnitten,
präsent.
Auf mehr Interesse stießen die ab 1893
unter den etwas sperrigen Titeln Denkmäler
Deutscher Tonkunst, Denkmäler der Tonkunst in Österreich oder
Denkmäler der Musik in Bayern wissenschaftlich edierten Werke unterschiedlicher
Besetzung vom 16. bis späten 18. Jahrhundert. Obwohl
einige Bände mit alten Schlüsseln (etwa Samuel Scheidts Tabulatura
Nova für Orgel 1893) oder unter Beachtung der historischen
Mensur anstelle eines modernen Taktschemas erschienen (so Philipp
Spittas Ausgabe von Heinrich Schütz’ Werken), fanden einzelne der
darin enthaltenen Werke rasch Eingang in die Musikpraxis – sei es in
Form der Bearbeitungen für die moderne Orgel durch den Leipziger
Thomasorganisten Karl Straube oder für moderne Orchester durch
den ausgebildeten Geiger und Musikwissenschaftler Arnold Schering.
Dem Zeitgeist des Fin de Siècle entsprach, dass Sammlungen
historischer Musikinstrumente entstanden, deren Objekte als Kuriosa
in „Historischen Konzerten“ erklangen. Schon nach dem zweiten
Leipziger Bachfest 1904 fanden Diskussionen darüber statt, ob Bachs
Werke besser mit historischen oder modernen Musikinstrumenten
aufgeführt würden.
77
DAVON PROFITIERT DIE
GESAMTE GESELLSCHAFT
Sabine Siemon
DER DEUTSCHE MUSIKRAT, SEINE PROJEKTE UND DIE VIELFALT IM DEUTSCHEN MUSIKLEBEN
ZUM KONZERT DES BUNDESJUGENDCHORES BEI DER BACHWOCHE ANSBACH
Längst ist erwiesen, dass sich musikalische Bildung positiv
auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und
Jugendlichen auswirkt. Musikmachen fördert Kreativität,
Gestaltungs- und Ausdrucksvermögen, Konzentrationsfähigkeit,
Ausdauer und Geschicklichkeit. Gemeinsames Musizieren
stärkt die soziale Kompetenz junger Menschen. Davon
profitiert die gesamte Gesellschaft.
Als erste Maßnahme führte der Deutsche Musikrat vor sechzig
Jahren den Wettbewerb Jugend musiziert ein. Er sollte zum einen
individuelle Talente entdecken und fördern, aber auch im Hinblick
auf die deutschen Kulturorchester dringende Nachwuchsprobleme
beheben helfen. Danach folgten die Gemeinschaftsprojekte. Mit
seinen drei Ensembles für Jugendliche und junge Erwachsene trägt
der Deutsche Musikrat maßgeblich zur Förderung des musikalischen
Spitzennachwuchses in Deutschland bei. Der Bundesjugendchor
wurde 2021 nach dem Bundesjugendorchester und dem Bundesjazzorchester
als drittes Ensemble gegründet.
ARBEIT AM KLANG:
DER BUNDESJUGENDCHOR
Herausragende Nachwuchssängerinnen und -sänger werden hier
gefördert, um ihnen den Einstieg bei Profi chören zu erleichtern. Der
Bundesjugendchor soll darüber hinaus auch ein Forum für alle diejenigen
sein, deren Herz für das Chorsingen schlägt, die in dieser Gemeinschaft
auf hohem Niveau Musik machen und erleben sowie aus
der Netzwerkarbeit des Ensembles Nutzen ziehen möchten.
Die rund 50 jungen Sängerinnen und Sänger im Alter von 18 bis
26 Jahren kommen mehrmals im Jahr zu Arbeitsphasen mit Proben
und Konzerten zusammen. Ungefähr die Hälfte sind Gesangsstudierende,
die andere Hälfte kommt aus den Bereichen Schulmusik,
Kirchenmusik, Instrumentalmusik sowie aus ganz anderen Fachgebieten.
Für die kontinuierliche gesangspädagogische Arbeit an
einem homogenen, charakteristischen Klang des Spitzenensembles
82
ist Prof. Anne Kohler als Künstlerische Leiterin verantwortlich. Für die
jungen Sängerinnen und Sänger ist die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen
Dirigentinnen und Dirigenten ein weiterer wesentlicher
Baustein ihrer Förderung. Dadurch lernen sie unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten,
Arbeitsweisen, Dirigate und ästhetische Klangvorstellungen
kennen.
Das Repertoire des Bundesjugendchores reicht von der Renaissance
bis zur zeitgenössischen Musik. Dabei werden auch aktuelle
Themen aufgegriffen, die die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen
betreffen. Für das Gründungskonzert in der Berliner Philharmonie
2021 hatte der Chor eine Komposition bei Kathrin Denner, einer
Schülerin von Wolfgang Rihm, in Auftrag gegeben. Das Stück, das
während der Pandemie entstand, beschäftigt
sich mit beklemmenden Zuständen, die
während der gesellschaftlichen Ausnahmesituation
erlebt wurden. 2022 stand als
Auftragswerk die „Ode an das Sägemehl“
von Jan Kopp auf dem Programm. In dieser
Komposition setzt sich Jan Kopp mit einem
Gedicht des russischen Lyrikers Alexej Porvin
auseinander, der in seinem gleichnamigen
Werk den Angriffskrieg Russlands
auf die Ukraine thematisiert. Im Konzert bei
der Bachwoche Ansbach wird ein Stück der
englischen Komponistin Roxanna Panufnik
uraufgeführt.
ENSEMBLES
GRENZÜBERSCHREITEND,
VÖLKERVERBINDEND
Interkultureller Austausch durch Chormusik und die direkte Begegnung
junger Sängerinnen und Sänger unterschiedlicher Regionen
und Chorkulturen ist ein weiterer Aspekt des pädagogischen
Konzepts des Bundesjugendchores. Im August 2022 trafen sich der
Bundesjugendchor und der Polnische Nationale Jugendchor zu einer
gemeinsamen Arbeitsphase, die mit Konzerten in Deutschland und
Polen schloss. Durch die gemeinsame Arbeit entstand einerseits eine
grenzüberschreitende und nachbarschaftlich-völkerverbindende Ebene,
andererseits wurde ein Schlaglicht auf ein Thema geworfen, das
insbesondere für die junge Generation steht
wie kein anderes: Umwelt und Klima. Im
Rahmen der Konzerte wurde die Auftragskomposition
„Spirit of Nature“ (Das Wesen
der Natur) von Zuzanna Koziej uraufgeführt.
Die Kooperationen werden zunehmende
auch auf Profi chöre und Orchester ausgedehnt.
Im März 2023 gab es ein gemeinsames
Konzertprojekt mit dem SWR Vokalensemble
unter dem Titel „Hochzeit“; ferner
wirkte der Bundesjugendchor im Konzert des
Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin unter
der Leitung seines Chefdirigenten Robin
Ticciati in der Berliner Philharmonie im Rahmen
des Festivals „Music & Healing“ mit.
1) Schuhmann, Günther: Ansbacher
Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806.
Kallmünz: Lassleben, 1961, S. 101 f.
2) a.a.O., S. 137
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MIT BACH DAS
LEBEN BEGREIFEN
Andreas Bomba
DAS PROJEKT VISION.BACH BEI DER BACHWOCHE ANSBACH´
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SEINEN ZWEITEN JAHRGANG AB MITTE
1724 LEGTE BACH BEWUSST ZYKLISCH
AN, AUF DER BASIS VON CHORÄLEN
AUS DEM GESANGBUCH. HINTER
DIESEM KÜHNEN UNTERFANGEN
GILT DER JAHRGANG DAVOR, ALSO
AB MITTE 1723, ALS EINE ART
EXPERIMENTIERFELD, WO BACH MIT
DER MATERIE ERSTMAL KLARKOMMEN
MUSSTE. GENAU DAS ABER
Kaum war Johann Sebastian Bach in
INTERESSIERT UNS: WIE LOTET BACH
der Pfingstzeit 1723 in Leipzig angekommen,
begann er, wie an anderer Stelle be-
DIE GRENZEN AUS, WIE ENTWICKELT
ER SEINEN BAUKASTEN BILDLICHER
reits erwähnt, mit der Komposition von
DARSTELLUNGEN, WIE ENTWICKELT
Kantaten. Selbst bezeichnete er seine Musik
als Kirchenstücke oder HauptMusic; der
ER FRISCH UND NOCH RELATIV FREI
SEINE MUSIKALISCHEN PHANTASIEN?
Begriff Kantate für diese Form von Kirchenmusik
kam erst nach seinem Tod auf; an
Hans-Christoph Rademann
sich meint der italienische Begriff Cantata
ein Singstück für eine Stimme, meist Sopran,
die im Wechsel von Rezitativen und
Arien einen poetisch formulierten Sachverhalt vorträgt. Die Cantata
„Non sa che sia dolore“ ist hierfür ein Beispiel; Bach vertonte diesen,
Anleihen beim berühmten Librettisten Pietro Metastasio nehmenden
Text Leipziger Studenten vermutlich für einen Kommilitonen, der
1747 nach seinem Examen tränenreich Abschied nahm, um in seine
Heimatstadt Ansbach (!) zurückzukehren.
des weltlichen Vergnügens und damit als
Gefahrenquelle für den in der Stadt herrschenden
orthodoxen Protestantismus.
Komponisten wie Georg Philipp Telemann
und Christoph Graupner (die sich der Rat
der Stadt noch vor Bach ins vakante Thomaskantorat
gewünscht hatte!), Melchior
Hoffmann (um 1679-1715) und Johann David
Heinichen (1683-1729) bändigten zwar
die Leidenschaften in musikalisch unver-
NICHT ZU LANG –
UND NICHT „OPERNHAFFTIG“
Bachs Pflichtenheft in Leipzig sieht die Komposition eigener Kirchenmusik
nicht ausdrücklich vor. „In gutes Aufnehmen bringen“
sollte er sie, und sie „Zu Beybehaltung guter Ordnung … dergestalt
einrichten, daß sie nicht zulang währen, auch also beschaffen seyn
möge, damit sie nicht opernhafftig herauskommen, sondern die
Zuhörer vielmehr zur Andacht aufmuntere.“ Die Komposition neuer
Stücke war zwar für das Kantorat in Leipzig üblich, wurde aber nicht
ausdrücklich verlangt. Sie beruht also auf Bachs ureigenstem Willen;
die Musik scheint schier aus ihm herausgebrochen zu sein, indem er
nicht etwa auf den Beginn des nächsten Kirchenjahres am 1. Advent
wartete, sondern sofort, zwei Wochen nach dem Pfingstfest, mit
dem ersten Sonntag nach Trinitatis loslegte. Und weil Bach systematisch
dachte, strebte er offenbar Jahreszyklen an; auch der zweite
Jahrgang würde 1724 an diesem Sonntag beginnen.
„Nicht opernhafftig“ – was wohl meinte der Rat der Stadt damit?
Drei Jahre vor Bachs Ankunft hatte das Opernhaus am Brühl, eines
der ersten in Europa überhaupt und eine Attraktion zu Messezeiten,
nach einem Vierteljahrhundert seine Pforten geschlossen. Die Oper,
die Bühne überhaupt, galt als Ort der Verführung, der Sinnlichkeit,
Johannespassion, mit der
Gaechinger Cantorey bei
der Bachwoche 2019.
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IMPRESSUM
BACHWOCHE
ANSBACH
2025
Freitag, 1. August,
bis Sonntag, 10. August
Herausgeber:
Bachwoche Ansbach GmbH
Postfach 12 24, 91503 Ansbach
Telefon: +49 (0) 981 15-037
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www.bachwoche.de
Redaktion:
Dr. Andreas Bomba
Christian Mall
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Fotos:
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Archiv-Bachwoche: S. 6, 11, 23, 39, 80
Hans von Draminski: S. 92 o.
Deutscher Musikrat/Christian Borchers: S. 85 u.
Julia Knop: S. 92 u.
Christian Liepe: S. 86
Rainer Lippert, Creative Commons, S. 9 o.
Christian Mall: S. 28, 84 u.
Regierung von Mittelfranken: S. 9 u.
Monika Rittershaus: S. 84 o.
Britt Schilling: S. 81 mi.
Holger Schneider: S. 18, Titel
Martin Stumpf: S. 33-35
Michael Vogel: S. 4/5, 42/43
Elke Walter: S. 21 u.
Künstlerfotos: Agenturen
Alle anderen: Jim Albright
Alle Rechte: Bachwoche Ansbach GmbH
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ab Mitte November 2024
Für die namentlich gezeichneten Beiträge
sind die Autoren verantwortlich.
Stand: Juni 2023
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99
100
ISBN: 978 -3-98174 81-3- 0