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Jürgen Walter Handbuch zum morphemorientierten Rechtschreib ...

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Morphemorientiertes <strong>Rechtschreib</strong>training<br />

1. Die Morphemdefinition und die Begründung des Morphemansatzes<br />

In der Praxis wächst zunehmend die Forderung nach der Entwicklung von Interventionsprogrammen,<br />

die <strong>Rechtschreib</strong>probleme von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen spezifisch<br />

angehen (vgl. dazu auch WALTER 1996). Die Entwicklung entsprechender Programme<br />

erfordert jedoch Wissen darüber, wie ein Schüler in einer bestimmten Lern- und Entwicklungssituation<br />

anzusprechen und zu fördern ist.<br />

PROBST (1991, 52) formuliert dies so: „Auch wenn sie ihre Erfahrungen selbst strukturieren,<br />

folgen Kinder wahrscheinlich Lernwegen durch Sequenzen überindividuell gültiger<br />

Kenntnis- und Könnensstufen. Bewußte Inszenierungen durch Lehrkräfte sind um so nötiger,<br />

je weniger Kinder ihre Lernwege selbst zu finden und zu organisieren gelernt haben.“<br />

Verschiedene Autoren entwickelten als didaktisch-methodische Schlußfolgerung aus der<br />

Grundlagenforschung Interventionsmaßnahmen und Übungen, die ein morphologisch orientiertes<br />

Herangehen beim Schriftspracherwerb ermöglichen (vgl. PILZ & SCHUBENZ 1979;<br />

FINKBEINER 1979).<br />

Das Morphem stellt eine didaktisch relevante Einheit für den Schriftspracherwerb dar. Dabei<br />

ist nach PILZ & SCHUBENZ (1979, 245) in Anlehnung an FLEISCHER (1971) das Morphem die<br />

kleinste Bedeutung tragende Einheit der Sprache oder die kleinste Einheit des Ausdruckssystems,<br />

die unmittelbar zu irgendeinem Teil des Inhaltssystems in Beziehung gesetzt werden<br />

kann. Die Autoren des <strong>Rechtschreib</strong>pakets schließen sich dieser Definition an, ohne an dieser<br />

Stelle auf andere Morphemdefinitionen (vgl. z.B. AUGST 1975) oder linguistische Probleme<br />

der Morphemidentifizierung einzugehen.<br />

Wir unterscheiden demnach die Morpheme in Hauptmorpheme (z.B. in be/wohn/en oder<br />

ver/such/en die Hauptmorpheme /wohn/ und /such/) und in funktionale Morpheme (z.B. /be/,<br />

/ver/, /en/). Die Hauptmorpheme sind solche, die den eigentlichen Sinn des Wortes wesentlich<br />

bestimmen. Die funktionalen Morpheme werden oft in Anfangsmorpheme (z.B. /un/, /ver/,<br />

/an/ etc.) und Endmorpheme (z.B. /ung/, /lich/, /keit/ etc.) unterteilt.<br />

Der Morphemansatz beansprucht gute Gründe für seine Validität in Form von Erfahrungsberichten<br />

und Ergebnissen von Interventionsmaßnahmen (vgl. WALTER 1986, 1987; WALTER,<br />

RODIEK & LANDGREBE 1989; WALTER, BIGGA & BISCHOF 1995. WALTER (vgl. zusammenfassend<br />

1996) führt dazu folgendes an :<br />

Die referierten Befunde sprechen grundsätzlich für die kognitive Realität morphologischer<br />

Strukturen.<br />

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, daß durch spezifische Trainings die Sensibilität für<br />

ein morphologisches Bewußtsein erheblich gesteigert werden konnte.<br />

In den Arbeiten verschiedener Autoren wurde ein Modell morphologisch motivierten Worterkennens<br />

vorgestellt, das durch eine Reihe von Experimenten empirische Relevanz erhält.<br />

Die oben genannten Befunde sprechen nicht nur für die kognitive Realität ortographischmorphologischer<br />

Strukturen vor der Durchführung entsprechender Fördermaßnahmen auf<br />

© Prof. Dr. <strong>Jürgen</strong> <strong>Walter</strong><br />

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