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Dank Querterrassen zu mehr Ökologie?

Zeitschrift obst+wein_8_2023

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SCHWERPUNKT<br />

Jahrhunderte alte Terrassierungen im Douro-Gebiet in Portugal. (© weinweltfoto.ch)<br />

D A N K Q U E R T E R R A S S E N<br />

ZU MEHR ÖKOLOGIE?<br />

Seit vielen Jahrzehnten werden befahrbare <strong>Querterrassen</strong> im Weinbau auch aufgrund<br />

ihrer ökonomischen Vorteile genutzt. In der badischen Ortenau (D) hat sich zwischenzeitlich<br />

ein Netzwerk an Spezialisten für Terrassierungen entwickelt, <strong>zu</strong> dem auch der Autor Franz Benz zählt.<br />

<strong>Dank</strong> wissenschaftlicher Begleitung verfügt das Netzwerk über interessante Ergebnisse.<br />

Durch Querbau mit Kleinterrassen, die so<br />

breit sind, dass man mit normalen Direkt<strong>zu</strong>gtraktoren<br />

fahren kann, lässt sich die Betriebs-<br />

und Arbeitswirtschaft in Steillagen<br />

verbessern. Die Winzer Karl Rosenacker und<br />

Peter Vierthaler brachten 1978 die Idee der<br />

Kleinterrassen aus der Schweiz mit in die<br />

Ortenau (Baden) nach Deutschland. Sie bauten<br />

mit einem Stelzenbagger die ersten Terrassen<br />

in Sasbachwalden (D), allerdings nicht,<br />

wie schon früher gesehen, sondern angepasst<br />

an ihre Verhältnisse mit breiten Fahrterrassen.<br />

Einen deutlichen Zuwachs erhielt die<br />

Terrassierung durch die Entwicklung des sogenannten<br />

Schwörerverfahrens seit 1989: Mit<br />

Bagger und Raupe konnten standfestere und<br />

kostengünstigere Terrassen erstellt werden.<br />

Die Oberkircher Terrassentage vom Frühjahr<br />

2008 führten <strong>zu</strong> einem deutlichen Wissenstransfer<br />

in Praxis und Beratung, ein da<strong>zu</strong><br />

erarbeitetes Buch «Anlage und Bewirtschaftung<br />

von Weinbergterrassen» resultierte als<br />

nachlesbarer Stand der Dinge. Die sogenannten<br />

«Terrassenseminare» in Oberkirch-Bottenau<br />

wurden 2023 <strong>zu</strong>m elften Mal abgehalten,<br />

wobei 2020 erstmals Schweizer Winzer<br />

teilnahmen. Es kamen Interessierte von fast<br />

allen deutschen Anbaugebieten, aus Südtirol,<br />

dem Elsass und von Luxemburg. In fast allen<br />

Bereichen Badens wurden inzwischen mit<br />

Bagger und Raupe Steillagen terrassiert,<br />

ebenso in den meisten anderen deutschen<br />

Weinbaugebieten (Abb. 1). Man darf somit<br />

sagen, dass der Terrassenbau ein erfolgreicher<br />

Exportartikel aus der Ortenau ist.<br />

Allerdings ist diese Bewirtschaftungsart nicht<br />

neu, sondern Jahrhunderte alt. Als Beispiel<br />

sei die Terrassenlandschaft und das Weltkulturerbe<br />

Dourotal in Portugal genannt (Einstiegsbild).<br />

Beim internationalen Terrassennetzwerk<br />

hat Werner Konold, Professor für<br />

Landespflege an der Universität Freiburg, von<br />

Terrassen in der Antike berichtet. Diese wurden<br />

dort als «hängende Gärten» erwähnt.<br />

22 OBST+WEIN | 8/2023


SCHWERPUNKT<br />

Terrassen sind weltweit eine Kulturleistung<br />

von Bauern und Winzern.<br />

«BIOQUIS»<br />

Durch Kontakte <strong>zu</strong>r Universität Geisenheim,<br />

mit dem dort bearbeiteten Projekt «BioQuis»<br />

(Förderung der Biodiversität durch Querterrassierung<br />

im Steillagenweinbau) und<br />

Matthias Porten vom Dienstleistungszentrum<br />

Ländlicher Raum Mosel soll der Wissenstransfer<br />

weiter verstärkt und ausgebaut werden.<br />

Mit dem internationalen Terrassennetzwerk<br />

ITLA werden seit deren Tagung 2018 in<br />

St. Ulrich bei Freiburg Kontakte gepflegt.<br />

2022 wurde an der Weinbauhochschule Geisenheim<br />

das System der Ortenauer Terrassen<br />

wissenschaftlich durchleuchtet. Die Arbeitswirtschaft<br />

wurde deutlich verbessert durch<br />

den möglichen Einsatz von Weinbautraktoren<br />

und Geräten des Direkt<strong>zu</strong>ges. Auch Handarbeiten<br />

wurden auf der Terrasse durch das<br />

Gehen und Stehen auf ebener Fläche deutlich<br />

erleichtert. Die Reben werden 30 cm von der<br />

Böschungskante nach innen gepflanzt, die<br />

Breite der Terrasse beträgt 2.10 m. Die Pflan<strong>zu</strong>ng<br />

und die Ernte geschehen inzwischen<br />

auch maschinell. Die bunte Biodiversität in<br />

Terrassenanlagen wurde ausgezählt und<br />

quantifiziert. Die Ergebnisse sind vielversprechend:<br />

So wurde eine erhöhte Wasserhaltefähigkeit<br />

des Querbaues bei Wetterextremen<br />

festgestellt. In der Praxis der mittleren Ortenau<br />

wurde z.B. seit über 20 Jahren kein Wasserstau<br />

in einem Retentionsbecken <strong>mehr</strong><br />

gesehen, seit der Berg darüber terrassiert<br />

wurde. Ebenso änderte sich das Mikroklima<br />

im Steilhang auf Terrassen und das Sonnenbrandrisiko<br />

wurde ebenfalls reduziert. Aufgrund<br />

der veränderten Sonneneinstrahlung<br />

und einer geringeren Tagesmaximaltemperatur<br />

wurden weniger Extreme festgestellt<br />

(Abb. 2).<br />

PHASEN DER TERRASSIERUNG<br />

Claudia Kamman, Professorin für Klimaforschung<br />

an der Hochschule Geisenheim, untersuchte<br />

den Klimawandel in Steillagen. In<br />

jungen Jahren haben <strong>Querterrassen</strong> ein Wasserdefizit.<br />

Dem kann mit Tröpfchenbewässerung<br />

entgegengewirkt werden. Dann gibt es<br />

Vorteile im Querbau durch die Möglichkeit<br />

der Bodenbewirtschaftung und der Humuswirtschaft<br />

oder auch durch Einbringung von<br />

Pflanzenkohle. Dadurch verbessert sich die<br />

Wasserhaltekraft. Ortenauer Winzerbetriebe<br />

haben hier gute Erfahrungen gesammelt.<br />

Das Wichtigste aber in diesen Zeiten sind die<br />

betriebswirtschaftlichen Zahlen. Die Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin Larissa Strub<br />

beleuchtete die Kosten. Sie stellte Kosteneinsparungen<br />

von 33 bis 50 % durch <strong>Querterrassen</strong><br />

gegenüber Handarbeits- und Seil<strong>zu</strong>glagen<br />

im Steilhang fest. Auch die Amortisation<br />

der Investition in <strong>Querterrassen</strong> erfolgte nach<br />

3 bis spätestens 23 Jahren, bei einer Anlagedauer<br />

über mindestens zwei Generationen<br />

oder <strong>mehr</strong>. Sie untersuchte auch die Option<br />

des Minimalschnitts auf Terrassen, deren<br />

Umset<strong>zu</strong>ng nochmals eine Kostenreduktion<br />

um 34 % brachte. Dies wird in der Ortenau in<br />

einem Arbeitskreis bereits in der Praxis ausprobiert.<br />

Es gibt inzwischen Ergebnisse aus<br />

drei Jahren.<br />

ERFAHRUNGEN AUS ORTENAU<br />

Zuerst sah man arbeits- und betriebswirtschaftliche<br />

Verbesserungen im Weinberg.<br />

Dann die Aspekte der besseren Wasser- und<br />

Humushaltekraft des Querbaues, welche die<br />

Abb. 2: Terrassierungen sind auch<br />

betriebswirtschaftlich relevant. (© Franz Benz)<br />

Nachhaltigkeit deutlich stärken. Sodann wurden<br />

die Folgen der ebenen Terrassenfläche<br />

auf die Biodiversität erkannt. Dies alles wurde<br />

durch private und staatliche Beratung in die<br />

Winzerschaft getragen und immer weiter<br />

optimiert.<br />

Ziele waren und sind die Verbesserung der<br />

Arbeitswirtschaft, die Verbindung von Ökonomie<br />

und <strong>Ökologie</strong>, eine grössere Artenvielfalt<br />

im Steillagenrebberg auf der Terrasse und<br />

an der Böschung. Dadurch wurde eine fast<br />

mediterrane Weinbergsflora und -fauna mit<br />

der ihr eigenen Zusammenset<strong>zu</strong>ng erreicht,<br />

die an südliche Gefilde erinnert. Diese Weinbergslandschaft<br />

ist auch für den lokalen Tourismus<br />

von hoher Bedeutung.<br />

Des Weiteren konnte die Artenvielfalt gesteigert<br />

werden. Das Einbringen von Humus<br />

und alle Arten von Einsaaten (z.B. Wolff- oder<br />

Wicken-Roggenmischungen) trugen <strong>zu</strong>r Verbesserung<br />

der Bodenfruchtbarkeit bei (Abb.<br />

3). Dies war vorher in den Handarbeitssteillagen<br />

oder steilen Direkt<strong>zu</strong>gsflächen nicht<br />

machbar. Die Terrassenböschungen wurden<br />

nur ein-, maximal zweimal im Jahr gemäht<br />

und boten eine extensive Fläche für Fauna<br />

und Flora. Zudem waren die an der Böschungskante<br />

einzeln stehenden Rebzeilen<br />

besser belichtet und belüftet. Dies ermöglichte<br />

Einsparpotential beim Pflanzenschutz.<br />

Abb. 1: Bagger und Raupen schaffen neue Landschaftsbilder, wie hier in Baden. (© Franz Benz)<br />

FÖRDERUNG DER BIODIVERSITÄT<br />

Heimische, standortangepasste Gräser und<br />

Kräuter und die da<strong>zu</strong> passenden Lebewesen<br />

wurden durch Einsaat oder durch Begünstigung<br />

des natürlichen Aufwuchses gefördert.<br />

Lebewesen in der Böschung wurden durch<br />

einmaliges Mähen geschont und haben hier<br />

OBST+WEIN | 8/2023<br />

23


SCHWERPUNKT<br />

Abb. 3: Einsaaten tragen <strong>zu</strong>r Verbesserung<br />

der Bodenfruchtbarkeit bei. (© F. Benz)<br />

Rück<strong>zu</strong>gsflächen. Die warmen, trockenen<br />

Böschungshabitate boten Lebensraum für<br />

verschiedene Eidechsen, Gottesanbeterinnen,<br />

diverse Käfer- und Schmetterlingsarten<br />

sowie weitere Tiere und Insekten dieses fast<br />

mediterranen Lebensraumes.<br />

Ziel war und ist es, einen lebendigen Weinberg<br />

<strong>zu</strong> erhalten. Dadurch gibt es ein stabiles<br />

ökologisches Gleichgewicht. Dies hilft dem<br />

Winzer, der Winzerin und der Natur. Der<br />

regionale Naturschutz erkannte schon früh<br />

den Sinn dieser Massnahmen und unterstützte<br />

die Winzerbetriebe. Wichtig war und<br />

ist, sofort beim Bau der Terrassen die Böschung<br />

<strong>zu</strong> stabilisieren. Dies geschieht durch<br />

sofortiges Einsähen mit schnellauflaufendem<br />

Hafer. Da<strong>zu</strong> kommen noch trockenheitstolerante<br />

Gräser, welche die Böschungen stabilisieren.<br />

Der schnellauflaufende Hafer schützt<br />

die später aufkeimenden Gräser vor <strong>zu</strong> starker<br />

Sonneneinstrahlung und Austrocknung. Später,<br />

wenn er gemäht wird, ist dies die erste<br />

Mulchschicht. In zwei bis drei Jahren hat sich<br />

dann eine standortangepasste, bunte Pflanzenmischung<br />

ausgebildet.<br />

AUSBLICK<br />

Nun besteht das Ziel, in Zukunft durch weitere<br />

Terrassierung noch <strong>mehr</strong> Steillagenflächen<br />

wirtschaftlich <strong>zu</strong> erhalten und für die<br />

Natur ganz besondere Lebensräume <strong>zu</strong> gestalten.<br />

Bisher wurden ca. 350 ha in der Ortenau<br />

terrassiert. Durch Wissenstransfer aus<br />

der Ortenau heraus konnte eine grosse Fläche<br />

in ganz Deutschland terrassiert werden.<br />

Franz Benz<br />

Weinbau Oberkirch-Bottenau<br />

info@benz-bottenau.de<br />

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