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syndicom magazin Nr. 35

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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<strong>syndicom</strong><br />

<strong>Nr</strong>. <strong>35</strong> Mai-Juni 2023<br />

<strong>magazin</strong><br />

Klima<br />

und<br />

Arbeit


Anzeige<br />

Sparen oder Anlegen oder beides?<br />

«Kleinvieh macht auch Mist» ist ein altes Sprichwort, das viele von uns kennen und das sich<br />

sowohl beim Sparen als auch beim Anlegen bewahrheitet. Sparen ist ein wichtiger Bestandteil<br />

des finanziellen Erfolgs, aber nicht der einzige Weg, um Vermögen aufzubauen. Auch<br />

Investitionen sind ein wichtiges Instrument, um das langfristige Vermögen zu steigern.<br />

Was ist nun die beste Lösung für Sie? Sparen<br />

oder Anlegen? Oder beides? Die Antwort:<br />

Das kommt auf Ihre persönliche Situation,<br />

Ihre Wünsche und Ziele an. Wir haben für Sie<br />

die wichtigsten Informationen zusammengestellt,<br />

um Ihnen die verschiedenen Optionen<br />

und deren Vorteile näherzubringen.<br />

Das Sparen gewinnt wieder an Attraktivität:<br />

ein Rückblick<br />

Die SNB erhöhte kürzlich gleich vier Mal den<br />

Leitzins, zuletzt am 23. März 2023. Diese Erhöhungen<br />

sind die ersten seit 16 Jahren und<br />

markieren damit eine vielfach als «historisch»<br />

bezeichnete Zinswende.<br />

Seit ein paar Monaten profitieren Sie deshalb<br />

wieder von positiven Zinsen auf diversen<br />

Bankkonti, zum Beispiel von 0,75% 1 Zins<br />

auf dem Zak-Konto oder 1,65% Zins auf dem<br />

Sparkonto Plus* im 1. Jahr direkt ab Kontoeröffnung. Entsprechend ist Kontosparen nach langer Zeit wieder eine Option,<br />

Ihr Geld zu vermehren. Doch nach wie vor gilt: Wenn Sie Ihr Geld anlegen, vergrössern Sie Ihre Chance auf eine höhere<br />

Rendite. Durch den langfristigen Anlagehorizont bleibt das Risiko gleichzeitig klein.<br />

Warum sparen wir überhaupt?<br />

Es ist Ihnen bestimmt auch schon passiert: Unerwartete Ausgaben für eine Autoreparatur, für einen Arzttermin oder das<br />

kaputte Handy fallen an. Weniger unerwartet, jedoch auch budgetrelevant sind geplante Ausgaben wie zum Beispiel<br />

Ferien oder eine Ausbildung.<br />

Wie bereiten wir uns auf solche Situationen vor, um notwendige Ausgaben decken zu können? Wir legen Geld auf die Seite<br />

und schaffen uns ein Polster, damit wir bei unerwarteten Ereignissen nicht in eine finanzielle Notlage geraten und bei<br />

grösseren geplanten Ausgaben auch danach noch den gewohnten Lebensstandard weiterführen können.<br />

Kurz zusammengefasst: Sparen eignet sich, um auch kurzfristig Zugriff auf sein Vermögen zu haben und sowohl geplante<br />

wie auch ungeplante Ausgaben stemmen zu können.<br />

Was ist der Unterschied zur Investition in Anlagen?<br />

Auch beim Anlegen legen Sie Ihr Geld für Ihre Zukunft und Ihre Wünsche auf die Seite. Ihr Geld liegt aber nicht auf einem<br />

Sparkonto, sondern wird investiert – zum Beispiel in Aktien, Anleihen oder Fonds. Dadurch haben Sie die Chance, von höheren<br />

Renditen – im Vergleich zum Zins auf dem Sparkonto – zu profitieren. Wie hoch die Rendite Ihrer Anlage ist, hängt<br />

von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Dadurch gehen Sie beim Anlegen auch ein höheres Risiko ein als beim Sparen<br />

mit dem Sparkonto. Allerdings können Sie selbst steuern, wie viel Risiko Sie eingehen möchten.<br />

Je mehr Risiko Sie eingehen, desto höher sind die Gewinnchancen, aber auch die Verlustrisiken. Hier muss für sich selbst<br />

und die eigene Lebenssituation entschieden werden, welche Schwankungen in Kauf genommen werden wollen. Aber<br />

wir unterstützen Sie natürlich dabei, indem wir Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Risikoneigung stellen und Ihnen dementsprechend<br />

verschiedene Investitionsstrategien vorschlagen. Übrigens: Je langfristiger Sie anlegen, desto geringer ist das<br />

Verlustrisiko.<br />

Was nun? Sparen oder Anlegen oder beides?<br />

Es ist wichtig, Ihre persönliche finanzielle Situation, Ihre Risikotoleranz und Ihre Ziele zu berücksichtigen, um zu entscheiden,<br />

wie Sie Ihre Finanzen am besten verwalten. Während Sparen kurzfristig mehr Sicherheit bietet, kann Anlegen<br />

langfristig eine vorteilhaftere Option sein. Letztendlich sind sowohl Sparen als auch Anlegen sehr gute Möglichkeiten, um<br />

Ihr Vermögen aufzubauen, und die Entscheidung sollte auf individueller Basis getroffen werden.<br />

Profitieren Sie bei der Bank Cler von positiven Zinsen bis zu 1,65%*<br />

auf dem Sparkonto Plus.<br />

* Weitere Informationen und Bedingungen auf cler.ch/sparkonto-plus. Konditionenänderungen vorbehalten.<br />

1 Gilt bis zu einem Kontoguthaben von 25 000 CHF. Ab 25 000 CHF 0,0 % Zins.<br />

Auf Überziehungen des Kontos fällt ein Sollzins von 11,5 % an.


Inhalt<br />

4 Kurz und bündig<br />

5 Gastautorin<br />

6 Dossier Klima und Arbeit<br />

15 Fragebogen<br />

16 Arbeitswelt<br />

19 Recht so!<br />

20 Politik<br />

22 Initiative ‹1000 emplois›<br />

23 1000 Worte<br />

24 Bisch im Bild<br />

26 Aus dem Leben von ...<br />

27 Kreuzworträtsel<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Die Dekarbonisierung unserer von fossilen<br />

Brennstoffen abhängigen Wirtschaft braucht<br />

einen starken Rechtsrahmen, der die Ziele und<br />

vor allem auch die Zielerreichung definiert.<br />

Die meisten Branchen, die <strong>syndicom</strong> vertritt,<br />

sind erdöl- und erdgasintensiv. Das Unbehagen<br />

in unseren Reihen ist spürbar: Um das Mandat<br />

von Paris zu erfüllen, müssen wir die Art und<br />

Weise, wie wir produzieren, konsumieren und<br />

uns fortbewegen, rasch und grundlegend verändern.<br />

Viele befürchten, dass der fossile Ausstieg<br />

Arbeitslosigkeit hervorrufen wird.<br />

Und gerade dagegen wird das Klimaschutz-<br />

Gesetz wirken, über das wir am 18. Juni abstimmen.<br />

Reto Wyss vom SGB erklärt (S. 20–21)<br />

den Zusammenhang: Erst das Gesetz verschafft<br />

dem Beschluss zum CO2-Ausstieg<br />

die Garantie für praktische Massnahmen,<br />

die rasch und in grosser Zahl würdige, sinnvolle<br />

Arbeitsplätze hervorbringen (S. 12).<br />

Der Staat muss und kann zum ehrgeizigen<br />

Baumeister dieser gerechten und ökologischen<br />

Gesellschaft werden, wie es beispielhaft die<br />

Genfer Gewerkschaftsinitiative «1000 emplois»<br />

fordert (S. 22).<br />

Wir wollen den Dialog eröffnen, unter anderem<br />

mit dem Fragebogen auf Seite 15: Was bedeutet<br />

eine echte Energiepolitik für <strong>syndicom</strong><br />

und für die Gewerkschaftsbewegung im Allgemeinen?<br />

Für Euch als Mitglieder, Bürger:innen,<br />

Eltern, Frauen, Junge oder Pensionierte? Bei der<br />

Frage der Arbeitsplätze in der ökologischen und<br />

sozialen Wende geht es um Euch.<br />

4<br />

6<br />

26<br />

Muriel Raemy, Redaktorin


4 Kurz und<br />

bündig<br />

Mindestlöhne für die Waadt und Ostschweiz \ Frauenlöhne müssen<br />

rauf \ Das war der Feministische Streiktag \ Planzer wurde zu<br />

Recht gebüsst \ Schweizermeisterschaften Velokurier \ Das Tessin<br />

braucht Hilfe für die Lokalmedien<br />

Ein Lohn zum Leben<br />

<strong>syndicom</strong> engagiert sich bei der Sammlung<br />

von Unterschriften für einen<br />

Mindestlohn im Kanton Waadt und in<br />

den Ostschweizer Kantonen Thurgau,<br />

St. Gallen, Appenzell. Ziel: In den Kantonsverfassungen<br />

soll ein Mindeststundenlohn<br />

von 23 Franken brutto festgehalten<br />

werden.<br />

In den Städten Zürich und Winterthur<br />

hat sich die Gewerkschaft für einen<br />

Mindestlohn eingesetzt, der bei der<br />

Annahme der Initiative am 18. Juni<br />

23.90 Franken betragen wird.<br />

Eine ähnliche Initiative wird im Wallis<br />

lanciert, eine weitere wird in Freiburg<br />

vorbereitet!<br />

Tiefe Frauenlöhne<br />

Trotz Lehre haben vier von zehn Frauen<br />

einen Lohn von weniger als 5000 Franken<br />

pro Monat. Und 25 Prozent verdienen<br />

sogar weniger als 4500 Franken,<br />

obwohl sie einen Berufsabschluss haben.<br />

Dies zeigt die jüngste Analyse des<br />

Schweizerischen Gewerkschaftsbundes<br />

(SGB), die im Mai publiziert wurde.<br />

Der SGB fordert nun mindestens<br />

5000 Franken für Berufstätige mit Lehre,<br />

einen 13. Monatslohn, konsequente<br />

Mass nahmen gegen Lohndiskriminierung<br />

und eine Kinderbetreuung, die als<br />

Service public organisiert ist.<br />

Feministischer Streik<br />

Am 14. Juni waren wir auf der Strasse!<br />

Eine violette Welle wogte durch die<br />

Städte der Schweiz und forderte Respekt,<br />

Zeit und Geld für eine echte<br />

Gleichstellung hier und jetzt. Die Redebeiträge<br />

und die zahlreichen kreativen<br />

und farbenfrohen Aktionen des Streiktags<br />

findet Ihr unter Frauenstreik.ch.<br />

Urteil gegen Planzer<br />

Das Bundesverwaltungsgericht hat die<br />

von der Postcom (Eidgenössische Postkommission)<br />

gegen Planzer verhängte<br />

Busse bestätigt. Das Unternehmen hat<br />

die branchenübliche Maximalarbeitszeit<br />

für Paketbotinnen verletzt. Die übliche<br />

Arbeitszeit beträgt 44 Stunden<br />

pro Woche, bei Planzer liegt sie derzeit<br />

bei 48 Stunden. Wir begrüssen diesen<br />

Entscheid. <strong>syndicom</strong> verhandelt derzeit<br />

einen GAV mit Planzer, um eine<br />

verbindliche Lösung für die Arbeitszeit<br />

zu finden.<br />

Fest im Sattel<br />

Vom 26. bis 29. Mai fand in der Berner<br />

Altstadt die Schweizermeisterschaft<br />

der Velokuriere und Velokurierinnen<br />

statt. <strong>syndicom</strong> war als Sponsorin und<br />

zur Unterstützung des Branchen­GAV<br />

dabei.<br />

Die Velo­ und Foodkurierdienste<br />

sind ein wichtiger Bestandteil des<br />

Logistik­Sektors. <strong>syndicom</strong> hat 2019<br />

mit Swiss Messenger Logistics einen<br />

Gesamtarbeitsvertrag abgeschlossen.<br />

Die Angestellten der 17 angeschlossenen<br />

Firmen profitieren seitdem von fairen<br />

Arbeitsbedingungen und geregelten<br />

Mindestlöhnen.<br />

Unterstützung für die<br />

Tessiner Medien<br />

Der drastische Rückgang der Werbeeinnahmen,<br />

hohe Rohstoffkosten, neue<br />

Konsumgewohnheiten und die digitale<br />

Revolution vor der Tür: Die Medien<br />

befinden sich seit einiger Zeit in der<br />

Krise. Im Tessin führte dies zur<br />

Schliessung von Zeitungen (wie dem<br />

Giornale del Popolo) und zu Entlassungen.<br />

In der Mai­Session des Grossen<br />

Rates haben <strong>syndicom</strong> und die ATG<br />

(Associazione Ticinese dei Giornalisti)<br />

die Politikerinnen und Politiker für die<br />

Krise der Medien sensibilisiert und<br />

einen Plan zur Unterstützung der<br />

Tessiner Lokalmedien gefordert, etwa<br />

nach dem Vorbild des Kantons Waadt.<br />

Denn schwache Medien bedeuten eine<br />

schwache Demokratie!<br />

Agenda<br />

Juni<br />

bis 25. 06.<br />

Ausstellung Saisonnier­Statut<br />

Letzte Gelegenheit, nach Biel ins Neue<br />

Museum zu reisen, um die Ausstellung<br />

«Wir, die Saisonniers … 1931–2022» zu<br />

besuchen. Hier kommen die Menschen<br />

selber zu Wort, die 90 Jahre lang das<br />

Schweizer «siebentorige Theben» mitgebaut<br />

haben.<br />

01. 06. 23 bis 28. 04. 24<br />

Swiss Press Photo 23<br />

Die Ausstellung Swiss Press Photo 23<br />

ist im Mai im Zürcher Nationalmuseum<br />

gestartet (dort bis 25. 6.), wandert<br />

dann nach Bern ins Historische Museum<br />

(31. 8.–29. 10), überwintert im Château<br />

de Prangins (16. 11. 23–25. 2. 24) und<br />

macht im Frühling den Abschluss in<br />

Bellinzona (2. 3.–28. 4. 24).<br />

September<br />

16. 09.<br />

Herbstdemo der<br />

Gewerkschaften<br />

Der SGB organisiert eine grosse Kundgebung<br />

zu Lohn, Renten und Teuerung.<br />

Das Datum steht jetzt: 16. September.<br />

Dies ist eines unserer wichtigsten<br />

Vorhaben im Herbst. <strong>syndicom</strong> wird<br />

schweizweit die Werbetrommel rühren<br />

für diese Demo. Weitere Infos folgen!<br />

16. 09.<br />

Tag der Freien<br />

Auch der Termin für den Tag der Freien<br />

2023 steht schon fest: 16. 9. in Zürich.<br />

Das Programm folgt, demnächst auf<br />

my.<strong>syndicom</strong>.ch.<br />

30. 09.<br />

Nationale Klimademo<br />

<strong>syndicom</strong> ist Mitglied der Klima­Allianz<br />

Schweiz! Am 30. September, drei Wochen<br />

vor den nationalen Wahlen, organisiert<br />

die Klima­Allianz eine Demo auf<br />

dem Bundesplatz: Menschen und Organisationen,<br />

Gewerkschaften und Bewegungen<br />

fordern Klimagerechtigkeit.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/agenda


Gastautorin<br />

Wir, die KlimaSeniorinnen, klagen<br />

gegen die Schweiz wegen ihrer Unterlassungen<br />

im Klimaschutz. Wir sind gerade aus Strassburg<br />

zurück, wo wir unsere Klage vor den Gerichtshof<br />

für Menschenrechte gebracht haben.<br />

Unser Verein, der aus mehr als 2000, im Durchschnitt<br />

73-jährigen, Mitgliedern besteht, unternimmt<br />

seit 2016 rechtliche Schritte gegen den<br />

Staat. Wir fordern den Bundesrat auf, viel mehr<br />

zu tun, um seine Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase<br />

zu erreichen. Es sind unsere Grundrechte,<br />

unsere Rechte auf Leben und Gesundheit,<br />

die verletzt werden.<br />

Doch weder unsere Bundesbehörden noch die<br />

Gerichte bis hoch zum Bundesgericht fanden es<br />

nötig, unseren Antrag in der Sache zu prüfen.<br />

Sie entziehen damit die Klimakrise dem Gesetz.<br />

Der EGMR hat unserem Ersuchen Priorität<br />

eingeräumt: Am 29. März 2023 untersuchten die<br />

17 Richter:innen der Grossen Kammer zum ersten<br />

Mal in ihrer Geschichte die globale Erwärmung<br />

im Zusammenhang mit den Grundrechten.<br />

In dieser öffentlichen Anhörung haben die<br />

beiden Vertreter der Schweiz zugegeben, dass<br />

die maximale Menge Kohlenstoff, die unser Land<br />

bis 2050 noch emittieren kann, nicht berechnet<br />

wurde. Grund: ein Land allein sei nicht in der<br />

Lage, die globale Krise zu lösen. Wir stimmen zu,<br />

und deshalb fordern wir den EGMR auf, das<br />

Emissionsziel festzulegen, damit die Rechtsvorschriften<br />

tatsächlich Wirkung zeigen!<br />

Das Verfahren wird für die Schweiz und für alle<br />

Staaten des Europarates klären, ob und welche<br />

Menschenrechtsverpflichtungen bestehen, der<br />

globalen Erwärmung Einhalt zu gebieten.<br />

Als ältere Menschen leiden wir mit am stärksten<br />

unter der Zunahme der Hitze. Wir zählen<br />

darauf, dass der EGMR die Schweiz an ihre mit<br />

der Unterzeichnung des Pariser Abkommens<br />

entstandene Pflicht zum Schutz vor den Folgen<br />

der globalen Erwärmung und an ihre Ziele erinnert.<br />

Für die Zeit bis zum Urteilsspruch fordern<br />

wir ein Ja zum Klimaschutzgesetz!<br />

Alles, was uns lieb ist,<br />

steht auf dem Spiel<br />

5<br />

Im Alter von 20 Jahren, als sie auf<br />

Bundesebene noch nicht wählen durfte,<br />

wurde Anne Mahrer klar: wenn sie sich<br />

nicht mit Politik befassen würde, würde<br />

die Politik sich mit ihr befassen – und<br />

ihre beiden Kernanliegen verfehlen, die<br />

Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

und den Schutz der Umwelt.<br />

Nach mehreren politischen Mandaten<br />

unter der Fahne der Grünen auf kommunaler<br />

(1987–2001), kantonaler (2001–<br />

2013) und nationaler Ebene (2013–2015)<br />

war angesichts der Klima krise der Ruhestand<br />

keine Option für sie. Das Handeln<br />

auf juristischer Ebene eröffnet heute<br />

neue Perspektiven. Anne Mahrer leistet<br />

also weiterhin ihren Beitrag: als Co-<br />

Vorsitzende des Vereins der Klima­<br />

Seniorinnen.<br />

Klimaseniorinnen.ch


Klima und Arbeit:<br />

Wie schaffen wir das?


8 Dossier<br />

Auf dem Weg<br />

zur ökologischen<br />

und sozialen Arbeit<br />

Den Klimawandel mit sozial gerechten Massnahmen bekämpfen: Welche Überlegungen werden dazu in unseren Sektoren<br />

angestellt? Wo stehen die praktischen Gegenmassnahmen in den Unternehmen unserer Sozialpartner? Von den<br />

blinden Flecken bis zu konkreten Veränderungen – diese Seiten geben einen kleinen Überblick, der zum Weiterdenken<br />

anregen soll.<br />

Gleichzeitig bekräftigen wir, dass die Klimakrise ein gewerkschaftlicher Ernstfall ist: Die Unterstützung der Entwicklung<br />

grüner und gesunder Arbeitsplätze, um die wirtschaftliche, soziale und ökologische Krise zu bewältigen, steht<br />

absolut im Einklang mit unserer Mission, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verteidigen.<br />

Für <strong>syndicom</strong> als Gewerkschaft und Förderin des Service public kann und soll dieser eine Vorbildfunktion ausüben:<br />

durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Produktion und den Einsatz erneuerbarer Energien, durch die Bildung<br />

und die Forschung. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist ein weiterer gewerkschaftlicher Lösungsvorschlag für die komplexe<br />

Aufgabe, in all den Krisen die Lebensqualität zu verbessern. Was haltet ihr davon?<br />

Pensionskassen:<br />

Eine radikale Idee<br />

Um eine stabile 2. Säule zu gewährleisten, sind Pensionskassen<br />

dazu verpflichtet, Rendite zu generieren. Um sich<br />

vor Risiken zu schützen, müssen sie daher diversifiziert<br />

investieren. Das Tragische dabei: Durch die Wahl ihren<br />

Investitionen fördern sie, ebenso wie Banken und Versicherungsgesellschaften,<br />

den massiven Temperaturanstieg.<br />

Matteo Antonini, Leiter des Logistiksektors bei<br />

<strong>syndicom</strong> und Vizepräsident der Pensionskasse Post, erinnert<br />

uns hier an die radikale Idee einer Verschmelzung<br />

der AHV und der 2. Säule. Nehmen wir diesen Vorschlag<br />

wieder auf die Tagesordnung, könnte das klimaschädliche<br />

Kapitalisierungssystem gestoppt werden.<br />

Bis dahin müssen die Gewerkschaften in den Stiftungsräten<br />

der Pensionskassen sich dafür einsetzen, dass ihre<br />

Investitionen nicht mehr zur Finanzierung besonders<br />

umweltbelastender Unternehmen oder von Unternehmen<br />

beitragen, die die Menschenrechte und sozialen<br />

Rechte nicht achten. «Wir wollen eine kohärente Klimapolitik,<br />

die die Einlagen der Arbeitnehmenden und<br />

ihr Recht auf menschenwürdige Renten nicht gefährdet.<br />

Die Pensionskasse Post muss vorrangig ihren Einfluss<br />

geltend machen, um ihre Fonds dazu zu bewegen, ihr<br />

Portfolio in Richtung Nachhaltigkeit zu orientieren, wie<br />

erneuerbare Energie oder Mikrofinanzierung», sagt Antonini:<br />

«Je klimaneutraler die Investitionen sind, desto<br />

sicherer sind die Renten.»<br />

PostFinance:<br />

Nachhaltige Finanzen<br />

PostFinance steht vor der Herausforderung, dass sowohl<br />

ihre Eigner wie ihre Kundinnen zu Recht erwarten, dass<br />

ihr Geld klimaneutral angelegt werden kann. Dazu<br />

braucht es die entsprechenden Anlagevehikel. Klimaneutrale<br />

Anlagelösungen haben sich in der Vergangenheit<br />

zudem als lukrativ erwiesen. Dies dürfte weiter zunehmen,<br />

da der Druck auf Firmen hoch bleiben wird, ihren<br />

ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. «Darum wird<br />

klimaneutrales Banking bald nicht mehr nur eine ökologische,<br />

sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit»,<br />

erklärt David Roth, Zentralsekretär.


Dossier<br />

9<br />

Die Gewerkschaften<br />

im Übergang zu Netto-Null<br />

Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt werden sich auf dem Weg zur<br />

Netto-null-Emission tiefgreifend ändern. Für die arbeitenden Menschen<br />

bringt dies das Risiko des Wegfalls von Arbeitsplätzen oder<br />

ganzer Berufe mit sich. Ebenso bringt der Übergang einen Bedarf<br />

an neuen Kompetenzen und Fähigkeiten hervor, und damit wieder<br />

neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Die kohlenstoffintensiven Industrien<br />

und die von ihnen abhängenden Branchen werden in diesem<br />

Prozess stärkeren Belastungen ausgesetzt.<br />

Die Gewerkschaften können diesen Entwicklungen zuvorkommen<br />

und in die Zukunft planen, für die arbeitenden Menschen. Das ist<br />

unsere Chance, die Klimapolitik und damit die Wirtschaftspolitik gerechter<br />

zu gestalten. Schon die Agenda 2030 der Vereinten Nationen<br />

für nachhaltige Entwicklung fordert einen «gerechten Übergang»,<br />

weniger Ungleichheit und die Schaffung von menschenwürdigen<br />

und hochwertigen Arbeitsplätzen. Auch die Präambel des Pariser<br />

Übereinkommens von 2015 fordert die unterzeichnenden Staaten<br />

auf, die «zwingende Notwendigkeit eines gerechten Strukturwandels<br />

für die arbeitende Bevölkerung» zu berücksichtigen – das heisst<br />

ganz klar: Mitwirkung der Arbeitnehmenden. Diesen politischen Prozess<br />

müssen die Gewerkschaften anführen, wer sonst.<br />

TRANSPORT<br />

ENERGIE UND PRODUKTION<br />

Fossile Energien zu<br />

erneuerbaren Energien<br />

INDUSTRIE<br />

Energieeffizienz,<br />

Elektrifizierung<br />

und Ökonomie<br />

der natürlichen<br />

Ressourcen<br />

Elektrifizierung der<br />

Fahrzeuge, Reduktion des<br />

Verkehrs,<br />

Dezentralisierung<br />

der<br />

Logistik, Velo<br />

BAU<br />

Gebäudesanierung,<br />

nachhaltige Materialien<br />

CHF<br />

Investitionen<br />

Nachhaltige<br />

FINANZEN<br />

GERECHTER WANDEL<br />

ÖKONOMISCHE<br />

DIVERSIFIKATION UND<br />

INDUSTRIEPOLITIK<br />

GEWERKSCHAFT-<br />

LICHE VERANTWOR-<br />

TUNG UND TEILHABE<br />

AUSBILDUNG,<br />

WEITERBILDUNG,<br />

KOMPETENZEN<br />

SOZIALE<br />

ABSICHERUNG<br />

STÄRKUNG DER<br />

GEWERKSCHAFT-<br />

LICHEN KOMPETENZ<br />

Quelle: ETUC-Gewerkschafts-Leitfaden «Einbindung der Gewerkschaften<br />

in Klimaschutzmassnahmen für einen gerechten Wandel» (engl. und franz.), 2018


10 Dossier<br />

Die Post:<br />

Dezentrale Logistik<br />

Effiziente und klimaneutrale Lieferketten über kürzere<br />

Entfernungen: Die Reorganisation von Lieferung und<br />

Versorgung stellt eine grundlegende Herausforderung<br />

dar. Die Logistik der Zukunft wird unter anderem in Zusammenarbeit<br />

mit der Schweizerischen Post aufgebaut.<br />

Für David Roth, Zentralsekretär, geht es darum, ein umfangreiches<br />

Netzwerk traditioneller Poststellen zu unterhalten.<br />

«Zur Bewältigung des exponenziellen Güterverkehrs<br />

ist eine dezentrale Logistik wünschenswert – im<br />

Gegensatz zu dem, was der Bundesrat tut, indem er<br />

Dienstleistungen auf Knotenpunkte konzentriert.»<br />

Die Kundschaft wünscht sich zunehmend eine sofortige<br />

Lieferung, überall und auf umweltfreundliche Weise –<br />

vorzugsweise direkt an die Haustür. Aus diesem Grund<br />

ist die «letzte Meile» für eine Umweltpolitik, die ihres Namens<br />

würdig ist, von so grosser Bedeutung. Die Schweizerische<br />

Post verfügt heute für die Briefzustellung über<br />

etwa 6000 dreirädrige und 583 vierrädrige Fahrzeuge mit<br />

elektrischem Antrieb, die mit Ökostrom gespeist werden.<br />

Ab 2025 werden Pakete und Briefe in städtischen Zentren<br />

(ZH, BE, GE und BS) damit ohne CO 2 -Emissionen zugestellt.<br />

Noch vorbildlicher wäre es, wenn auch die Paketzustellung<br />

mit einem kohlenstofffreien Verkehrsmittel<br />

erfolgen würde.<br />

Die Postbotinnen und Postboten sind mit Uniformen<br />

ausgestattet, die es ihnen erlauben, ihre Arbeit im Sommer<br />

ohne Hitzestau zu bewältigen. Es sind vielmehr die<br />

Depots, die problematisch sind. Bruno Ribagnac, Briefträger<br />

in Renens und Mitglied der Personalkommission,<br />

setzt sich seit Jahren für Massnahmen zur Bewältigung<br />

von Hitzewellen ein. «Mehrere Gebäude sind alt, ohne<br />

Klimaanlage, mit veralteten und sehr lauten Ventilatoren.<br />

Nachts können die Gebäude aus Sicherheitsgründen<br />

nicht belüftet werden, sodass es schon morgens heiss ist:<br />

Die Temperaturen können 33° C erreichen. Es ist nicht<br />

einfach, drei, dreieinhalb Stunden lang unter diesen Bedingungen<br />

zu arbeiten! Über die Personalkommissionen<br />

haben wir um Wasser, Erfrischungstücher und Trinkflaschen<br />

gebeten. Und um eine Klimaanlage. Im Jahr 2021<br />

wurde uns eine zusätzliche Viertelstunde Pause gewährt,<br />

2022 war dies jedoch nicht mehr der Fall. Das Problem<br />

ist, dass die Schweizerische<br />

Post offenbar keine<br />

Strategie gegen diese<br />

Zustände hat, die<br />

sich in Zukunft noch<br />

verschärfen werden.»<br />

PostAuto u.a.:<br />

Klimaneutrale<br />

Mobilität<br />

Die Mobilitätsbranche ist der grösste<br />

Emittent an Treibhausgasen in der<br />

Schweiz: Mehr als ein Drittel der Emissionen<br />

werden durch den Güter- und Personentransport<br />

verursacht (ohne Luftverkehr).<br />

Laut Manuel Wyss, Zentralsekretär, ist der Zugang zu<br />

nachhaltigen Verkehrslösungen von entscheidender Bedeutung.<br />

«Ob es ihnen nun gefällt oder nicht, viele unserer<br />

Mitglieder sind gezwungen, ein Auto zu benutzen, um<br />

zur Arbeit zu kommen. Die Verfügbarkeit öffentlicher<br />

Verkehrsmittel mit ausreichenden und effizienten Frequenzen,<br />

auch nachts, könnte eine erfolgreiche Alternative<br />

zum Auto darstellen.»<br />

Die gewerkschaftlichen Forderungen greifen auf mehreren<br />

Ebenen, insbesondere auf der rechtlichen Ebene. Es<br />

gehört in die Verfassung, dass der öffentliche Verkehr<br />

Vorrang vor dem privaten Verkehr hat, dass der öffentliche<br />

Verkehr an die Bevölkerung in den städtischen wie<br />

ländlichen Gebieten angepasst wird und dass Radwege<br />

ausgebaut werden. <strong>syndicom</strong> fordert darüber hinaus, dass<br />

bei der Vergabe von Konzessionen für Buslinien die Klimabilanz<br />

berücksichtigt wird.<br />

Mobilität ist in allen Unternehmen ein Thema. Swisscom,<br />

die Post, Cablex und natürlich PostAuto haben ihren Flotte<br />

von Verbrennerfahrzeugen drastisch reduziert oder<br />

sind dabei, dies zu tun. Für <strong>syndicom</strong> geht es um die Frage,<br />

wie schnell und zu welchem Preis. Für Manuel Wyss<br />

bedeutet dies: «Bis 2040 sollen auch die 2400 Fahrzeuge<br />

der PostAuto-Flotte vollständig mit alternativen Antrieben<br />

unterwegs sein. Während <strong>syndicom</strong> die Umstellung<br />

der gesamten Post-Flotte unterstützt, erwartet die Gewerkschaft<br />

von der Politik, dass diese im Rahmen des CO 2 -Gesetzes<br />

insbesondere eine Anschubfinanzierung für die<br />

Umstellung der Bus-Flotte beschliesst.» Doch Problemfelder<br />

wie die Nachhaltigkeit der Stromerzeugung, die<br />

Lebensdauer von Batterien und ihre Metallgehalte sind<br />

weitgehend ungelöst.


Dossier<br />

11<br />

Velokurierdienste:<br />

Dem Wetter ausgesetzt<br />

«Im Winter schlotterst du, im Sommer stinkst du», sagt<br />

Martin Gunn, Kurier bei «Velokurier» in Biel, lächelnd.<br />

Die verschiedenen Velounternehmen, die das Land abdecken,<br />

bieten sichere, personalisierte und umweltfreundliche<br />

Lieferdienste, extrem kurze Fristen und das<br />

bei allen möglichen Wetterbedingungen. Die Kolleg:innen<br />

von La Chaux-de-Fonds nutzen sogar Fahrradspikes,<br />

um über Eis fahren zu können! Wie werden sie in Zukunft<br />

unter immer extremeren Bedingungen fahren?<br />

«Die Unwägbarkeiten des Wetters vereinfachen unsere<br />

Aufgabe nicht. Wenn wir unsere Dienstzeiten anpassen<br />

würden, um beispielsweise in der heissesten Tageszeit<br />

nicht zu fahren, würden wir unseren Vorteil verlieren, der<br />

durch die Geschwindigkeit unserer Dienstleistungen entsteht.<br />

Wir riskieren, dass unsere Kundinnen und Kunden<br />

motorisierte Zusteller in Anspruch nehmen, denen die<br />

Hitze in ihren klimatisierten Fahrzeugen keine Probleme<br />

bereitet!» <strong>syndicom</strong> zählt auf die Allgemeinverbindlicherklärung<br />

des Gesamtarbeitsvertrags und trägt somit<br />

zu einem gerechten und fairen Wettbewerb bei.<br />

Telekommunikation:<br />

Stromsparen<br />

Langfristig stellt der ständig steigende Energieverbrauch<br />

eine enorme Herausforderung dar. Obwohl noch nicht<br />

alle Telekommunikations- und ICT-Unternehmen auf<br />

Ökostrom setzen, ist Swisscom nach der SBB seit langem<br />

der zweitgrösste Käufer von Ökostrom in der Schweiz.<br />

Das Unternehmen setzt auf Stromsparmassnahmen, wie<br />

z. B. Reduzierung der Kapazitäten in der Nacht durch automatische<br />

Abschaltung oder die direkte Kühlung von<br />

Geräten mit Frischluft, um nicht den gesamten Raum<br />

klimatisieren zu müssen. «Bei Swisscom ist die Geschäftstätigkeit<br />

seit 2020 CO 2 -neutral, und Abonnements, Netzwerke<br />

und Geräte seit 2022», erklärt Davy Neullas, ICT<br />

Application Manager und <strong>syndicom</strong>-Mitglied.<br />

Wird die Fahrzeugflotte nur langsam elektrifiziert, werden<br />

weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gekauft:<br />

Auch hier würde eine klare politische Haltung den<br />

Prozess beschleunigen. Laut Davy Neullas sind «Löhne,<br />

Renten, Homeoffice, Gleichstellung der Geschlechter,<br />

Arbeitsmedizin, Bildung oder Vielfalt alles Themen, die<br />

gegenwärtig mit einer höheren Priorität behandelt werden<br />

als das Klima. Eine angemessene Schulung zu den<br />

Folgen der globalen Erwärmung wäre innerhalb des Unternehmens<br />

zu begrüssen!»<br />

Netzinfrastruktur:<br />

Hitze<br />

«Im November 2022 beschädigte ein Erdrutsch<br />

in der Gemeinde Brienz-Brinzauls<br />

eine Glasfaserleitung, die 17 Haushalte<br />

mit dem Netz verband. In diesem besonderen<br />

Fall ist es nicht mehr empfehlenswert,<br />

die Leitungen unterirdisch zu verlegen:<br />

2023 wird eine Freileitung<br />

gebaut», erklärt Pascal Wicht,<br />

Lokalisierer bei Cablex. Als<br />

Hersteller stehen unsere Kolleginnen<br />

und Kollegen in der Netzwerkinfrastrukturbranche<br />

vor besonderen Herausforderungen: «Ganz gleich,<br />

ob es regnet, stürmt oder schneit – wir sind verpflichtet,<br />

so schnell wie möglich einzugreifen!»<br />

Hitzewellen stellen das grösste Risiko dar, dem Mitarbeitende<br />

bereits ausgesetzt sind. Sie treten immer häufiger<br />

auf. Für die Schweiz zeigen die Klimamodelle und unsere<br />

Erfahrungen, dass es in 10 Jahren zwischen Mai und<br />

Oktober realistisch 30 Hitzetage pro Jahr geben kann.<br />

Das Arbeitsgesetz sieht keine Schwellenwerte vor, ab denen<br />

die Arbeit eingestellt werden muss. Die Gesundheitsrisiken,<br />

die durch die vermehrten Hitzewellen entstehen,<br />

erfordern jedoch klare und verbindliche Regeln, der Gesundheitsschutz<br />

wird sonst unzureichend. Aus diesem<br />

Grund hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund im<br />

Juli 2022 eine Kampagne gestartet, um einen Temperatur-Schwellenwert<br />

gesetzlich zu verankern, bei dessen<br />

Überschreitung die Arbeit im Freien ohne finanzielle Folgen<br />

für die Arbeitnehmenden eingestellt werden muss.<br />

<strong>syndicom</strong> steht voll hinter der Forderung, diesen Schwellenwert<br />

in das Arbeitsgesetz aufzunehmen.


12 Dossier<br />

Grafische Industrie:<br />

Online vs. Print<br />

Flugsicherung:<br />

Klima-Grounding<br />

Nach der Pandemie ist es das Klima, das bewirken könnte,<br />

dass die Flugzeuge am Boden bleiben müssen. Während<br />

weniger Flüge eine gute Nachricht für die Luftqualität<br />

sind, ist es nicht unbedingt eine gute Nachricht für<br />

unsere Kolleginnen und Kollegen bei Skyguide. Das<br />

Flugsicherungsunternehmen, das sich fast zur Gänze im<br />

Besitz der Eidgenossenschaft befindet, wird derzeit über<br />

Gebühren pro Flug finanziert. Dieses Finanzierungsmodell<br />

ist langfristig gefährdet, auch wenn trotz des erwarteten<br />

– und in Hinsicht auf die Klimaerwärmung wünschenswerten<br />

– Rückgangs der Flugbewegungen die<br />

Arbeit unverändert bleibt. Für <strong>syndicom</strong> muss die Eidgenossenschaft<br />

zusätzliche Unterstützungsmassnahmen<br />

in Betracht ziehen, um das Unternehmen und sein Knowhow<br />

zu erhalten. Wie sehen die Mitarbeitenden von Skyguide<br />

mittelfristig ihre Zukunft?<br />

Die Klimakrise stellt die grafische Industrie und den Verpackungsdruck<br />

vor grosse Herausforderungen: Papier<br />

und Karton sind immer teurere Rohstoffe. Viscom, der<br />

Arbeitgeberverband der schweizerischen grafischen Industrie,<br />

engagiert sich für einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit Papier. Besser digital als gedruckt? Für Michael<br />

Moser, Zentralsekretär, wäre eine ausschliessliche<br />

Orientierung hin zu digitalen Produkten keine akzeptable<br />

Antwort: «Dieser verlockende, aber falsche Trugschluss,<br />

dass gedruckte Produkte CO 2 verursachen und<br />

digitale nicht, wird leider viel zu wenig hinterfragt. Denn:<br />

digital verschickte Informationen bleiben unbefristet auf<br />

den Servern in der Cloud gespeichert und stossen so jeden<br />

Tag CO 2 aus. Vom ökologischen Fussabdruck all der<br />

Endgeräte wie Smartphones, Tablets etc. gar nicht zu<br />

sprechen. Ich bin überzeugt, dass ein klimaneutral gedrucktes<br />

Papierprodukt, das anschliessend recycelt wird,<br />

fester Bestandteil genau der Kreislaufwirtschaft sein wird,<br />

die für eine wirklich klimaneutrale Gesellschaft nötig ist.<br />

Richtig ausgerichtet, kann die grafische Industrie daher<br />

ganz klar Teil der Lösung sein statt Teil des Problems.»<br />

Angelo Zanetti, nunmehr pensionierter Zentralsekretär,<br />

fügt hinzu, dass die Branche Grafische Industrie und Verpackungsdruck<br />

derzeit unter einem Mangel an qualifizierten<br />

Arbeitskräften leide. «Wir steuern nicht auf<br />

ein Verschwinden von Arbeitsplätzen zu, wie wir<br />

das mit dem Beginn der Digitalisierung befürchtet<br />

hatten. Wir müssen alles in unserer<br />

Macht Stehende tun, um die Industrie attraktiv<br />

zu halten und sie auf dem Weg zu nachhaltigen<br />

Arbeitsplätzen zu unterstützen, sowohl<br />

sozial als auch ökologisch nachhaltig. Und für<br />

das Berufsinteresse des Nachwuchses und zur<br />

Gewährleistung der Weiterbildung ist der Gesamtarbeitsvertrag<br />

ein wichtiges Tool.»<br />

Die Energiewende schafft Arbeit<br />

Ein «moderater Ausbau»<br />

der erneuerbaren<br />

Energien benötigt<br />

52 000<br />

NEUE VOLLZEITSTELLEN<br />

Ein «beschleunigter Ausbau»<br />

erhöht den nationalen<br />

Bedarf auf<br />

87 000<br />

NEUE VOLLZEITSTELLEN<br />

Quelle: ZHAW-Studie «Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotential des beschleunigten<br />

Ausbaus der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz in der Schweiz», 2021


Dossier<br />

13<br />

Buch- und Medienhandel:<br />

Bessere Ökobilanz<br />

Presse:<br />

Fachwissen ist gefragt<br />

Die CO 2 -Reduktion und der ökologische Wandel stellen<br />

die Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Viele<br />

Redaktionen verfügen z. B. noch nicht über ausreichendes<br />

Fachwissen zu Klimawandel, ökologischer Wirtschaft<br />

und zum Umgang mit den Folgen des Klimawandels. Die<br />

breite Öffentlichkeit benötigt dieses Wissen jedoch zunehmend.<br />

«Wir freuen uns über die Gründung des Climate<br />

Journalism Network Switzerland und des Klimalabors<br />

durch das unabhängige Medium Republik. Wir<br />

fordern die Schweizer Verlage auf, in diesen Bereichen<br />

mehr personelle Ressourcen bereitzustellen», erklärt<br />

Stephanie Vonarburg, Leiterin Sektor Medien.<br />

Auch darüber hinaus stellen sich einige Fragen:<br />

Wie soll man mit Personen umgehen,<br />

die die globale Erwärmung oder die Dringlichkeit<br />

des Handelns leugnen? Sollten Artikel,<br />

die sich mit dem Klima befassen, systematisch<br />

auch eine gegenteilige – oft sehr<br />

minoritäre – Meinung zu Wort kommen lassen<br />

(Stichwort «False balance»)? Die Antworten<br />

müssen auf Branchenebene gefunden werden.<br />

<strong>syndicom</strong> und ihre Mitglieder engagieren<br />

sich in diesen Debatten.<br />

Für Stephanie Vonarburg ist die Medienpolitik<br />

langfristig zu überdenken. «Es ist festzustellen,<br />

dass viele Werbekunden, von denen die<br />

Verlage abhängig sind, nur ein geringes Interesse<br />

am Klimaschutz zeigen. Ziehen sie ihre<br />

Aufträge zurück, wenn es zu Interessenkonflikten<br />

kommt? Wird die Berichterstattung der Medien<br />

dadurch verzerrt? Eine verstärkte öffentliche Medienförderung<br />

ist auch in diesem Kontext notwendig, um<br />

die Abhängigkeit von klimaschädlichen Finanzierungsquellen<br />

zu reduzieren.»<br />

In den letzten dreissig Jahren hat sich die Verlagswelt zu<br />

einer industriellen Produktion nach einer Marktlogik<br />

entwickelt, die nicht nur im Widerspruch zur langen Zeit<br />

des Schreibens und Lesens steht, sondern auch ressourcenintensiv<br />

ist. Das Papier macht mehr als 60 % vom<br />

CO 2 -Fussabdruck des Verlagswesens aus. Es wird zu einer<br />

schwierigen Ressource werden, sein Preis ist seit Jahren<br />

deutlich gestiegen. Sollte man deshalb auf digitale<br />

Medien umsteigen? Nein. Die Ökobilanz des Buches ist<br />

immer noch besser als die des Computers, der im Jahr<br />

2020 10 % des Stromverbrauchs und 4 % der weltweiten<br />

CO 2 -Emissionen auf dem Gewissen hat.<br />

Der Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband (SBVV)<br />

hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum Thema<br />

Nachhaltigkeit gegründet, um zu prüfen, wie der Ressourcenverbrauch<br />

konkret reduziert werden kann. «Wir<br />

streben die Reduktion von Treibhausgasemissionen sowie<br />

den Schutz der Biodiversität an und in diesem Zusammenhang<br />

auch die Zusammenarbeit mit anderen<br />

Vereinen und Verbänden.» Tanja Messerli, Geschäftsführerin<br />

des SBVV, weist auf die teilweisen Zielkonflikte der<br />

drei Fachbereiche Verlag, Buchhandel und Zwischenhandel<br />

hin: «Wenn der Zwischenhandel aus ökologischen<br />

Gründen weniger oft liefert, verliert die Buchhandlung<br />

vielleicht Kunden, weil die Erwartung eben eine sehr<br />

schnelle Lieferung ist. Unsere Branche ermittelt, wie die<br />

Kundinnen zu der Thematik stehen, wie sensibel sie<br />

schon sind und wo noch sensibilisiert werden kann.»<br />

Melina Schroeter, die für dieses Dossier zuständige Regionalsekretärin<br />

für die Romandie, setzt sich für Löhne<br />

und Arbeitsbedingungen ein, die den Qualifikationen<br />

und dem Engagement der Buchhändlerinnen und Buchhändler<br />

gerecht werden. «Amazon und Co. üben Druck<br />

auf die Preise aus, und die Öffnungszeiten werden verlängert,<br />

um mit der Konkurrenz mithalten zu können.<br />

Kunden und Behörden müssen beim Kauf von Büchern<br />

ein soziales Bewusstsein zeigen.»<br />

GRAFIKDESIGN UND LAYOUT<br />

Cinzia Sigg lebt in Biel-Bienne und leitet ihre Agentur<br />

aldine.ch. Als Spezialistin für Ökodesign-Grafik<br />

integriert sie in ihre Kreationen ökologisches, nachhaltiges<br />

und solidarisches Denken und Handeln.<br />

Neben ihrer Arbeit ist Cinzia Sigg Autorin von Dokumentarfilmen<br />

für ihren Verein Héros Ordinaires<br />

und Kommunikationsleiterin von Réseau Transition<br />

Suisse Romande.<br />

Ausserdem engagiert sie sich ehrenamtlich in den<br />

Vereinen rueAcœur (Hilfe und Mahlzeiten auf den<br />

Strassen von Biel) und The Shifters Switzerland<br />

(für eine kohlenstoffarme Schweizer Wirtschaft).<br />

Mehr erfahren über ihre Arbeit kann man auf:<br />

www.aldine.ch


14 Dossier<br />

Wenn Gewerkschaften sich einbringen,<br />

um den Wandel gerecht zu gestalten<br />

VEREINIGTES KÖNIGREICH<br />

28 000 Menschen arbeiten an wichtigen<br />

Standorten, die mit der Kohleindustrie<br />

verbunden sind, und dazu kommen noch<br />

drei- bis viermal so viele Beschäftigte<br />

in ihren Lieferketten. 2018 hat der britische<br />

Gewerkschaftsbund TUC eine lokale<br />

Gruppe gegründet, die alle wichtigen<br />

Partner in der Region – Gewerkschaften,<br />

Unternehmen, Arbeitgeberverbände,<br />

kommunale Unternehmenspartnerschaften<br />

(LEP) und Umwelt-NGOs (Sheffield<br />

Climate Alliance und Friends of the<br />

Earth) – zusammenbringt, um einen regionalen<br />

Plan für einen kohlenstoffarmen<br />

Wandel auszuarbeiten.<br />

BELGIEN<br />

Die drei gewerkschaftsübergreifenden<br />

Netzwerke für Umweltbewusstsein RISE<br />

(Wallonien), BRISE (Region Brüssel) und<br />

Arbeid & Milieu (Flandern) wurden gegründet,<br />

um Gewerkschaftsvertreter:innen<br />

Unterstützung in Umweltfragen<br />

zu bieten, die Interventionsfähigkeit<br />

der Delegierten zu stärken, die soziale<br />

Mitsprache zu diesem Thema zu fördern<br />

und das Umweltbewusstsein der Arbeitnehmer:innen<br />

und ihrer Vertretenden<br />

zu verbessern.<br />

DEUTSCHLAND<br />

Im Jahr 2020 glückte zum ersten Mal<br />

eine Zusammenarbeit der Gewerkschaft<br />

Ver.di mit der Klimastreik-Bewegung im<br />

Rahmen einer bundesweiten Kampagne<br />

zum Tarifvertrag für den öffentlichen<br />

Nahverkehr.<br />

FRANKREICH<br />

Im Jahr 2017 bildete sich eine Arbeitsgemeinschaft<br />

aus Expert:innen auch aus<br />

den Gewerkschaften, um den ehrgeizigen<br />

grünen Stadtentwicklungsplan<br />

«Grand Paris» zu begleiten. Sie machte<br />

sich stark für die Entwicklung von Beschäftigung,<br />

Kompetenzen und Ausbildung<br />

in den fünf Bereichen Transport,<br />

Automobil, Wassermanagement, Energie<br />

und Abfall.<br />

SPANIEN<br />

Die spanische Klima-Allianz vereint<br />

über 400 NGOs (darunter Greenpeace<br />

und WWF), Gewerkschaften, Entwicklungs-<br />

und Kooperationsorganisationen,<br />

Agrar- und Konsument:innenverbände.<br />

Sie fördert den Übergang zu einem erneuerbaren,<br />

effizienten, nachhaltigen<br />

und gerechten Energiemodell. Die Gewerkschaften<br />

haben parallel dazu konkrete<br />

Instrumente vorbereitet, um ihre<br />

Mitglieder zu sensibilisieren und ihre<br />

Fähigkeit zu stärken, die Herausforderungen<br />

des Klimawandels für die Arbeitswelt<br />

zu bewältigen.<br />

ITALIEN<br />

Die 2015 gegründete Klima-Koalition 40<br />

vereint über 200 Organisationen aus<br />

dem Dienstleistungssektor, Gewerkschaften,<br />

Unternehmen, Schulen und<br />

Universitäten sowie Tausende Bürger:innen.<br />

Sie hat z. B. in der Emilia-Romagna<br />

durch einen Beteiligungsprozess eng an<br />

der Ausarbeitung des regionalen Energieplans<br />

für 2030 mitgewirkt, der ehrgeizige<br />

Ziele festlegt, darunter die Reduzierung<br />

der Treibhausgasemissionen<br />

um bis zu 80 % bis 2050 und den vollständigen<br />

Verzicht auf fossile Brennstoffe<br />

in der Stromerzeugung.<br />

Quellen: Europäischer Gewerkschaftsbund ETUC, Nachrichtenagentur ANSA,<br />

globaler Gewerkschaftsbund IndustriALL


Das Klima und dein Arbeitsplatz<br />

Die Bekämpfung des Klimawandels mit sozialverträglichen Massnahmen: Wie erleben das unsere Gewerkschaftsmitglieder<br />

in den verschiedenen Sektoren? Wie steht es um Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in<br />

den Unternehmen? Dazu wollen wir deine Meinung wissen. Danke bereits im Voraus!<br />

Was ist dein Beruf?<br />

Was kann gerade dein Betrieb/deine Branche tun, um zu dekarbonisieren und damit den Klimawandel zu bekämpfen?<br />

(z.B.: ÖV-Bonus zahlen, Recycling vereinfachen)<br />

Was kann und soll dein Arbeitgeber tun, um die Folgen der Klimakrise auf deine Tätigkeit abzumildern?<br />

(z.B.: bezahltes Hitzefrei, Klimaanlage)<br />

Ein Ziel der Gewerkschaft ist es, die Wochenarbeitszeit zu verkürzen. Das verringert die Gefahr von Arbeitslosigkeit<br />

durch wegfallende Jobs/Berufe, macht die Arbeit angenehmer und senkt den Energieverbrauch von Wirtschaft und Privaten.<br />

Was denkst du dazu?<br />

Dein Beruf, dein Leben im Klima von 2050: Welche Skills würdest du persönlich brauchen?<br />

Welche Fortbildung kannst du dir vorstellen?<br />

ONLINE-<br />

FRAGEBOGEN<br />

ODER AN FOLGENDE<br />

ADRESSE SENDEN<br />

Redaktion <strong>syndicom</strong><br />

Monbijoustrasse 33<br />

Postfach<br />

3001 Bern


16<br />

Eine bessere<br />

Arbeitswelt<br />

Das Klima geht uns alle an!<br />

Die Klimakrise ist kein Gewerkschaftsthema, das geht uns nichts<br />

an? Doch, auf jeden Fall! Denn alles hängt zusammen.<br />

Mitsprache für uns als Betroffene<br />

Die Arbeiterinnen und Angestellten<br />

müssen in diese Diskussion eingebunden<br />

werden, sie müssen klimarelevante<br />

Entscheidungen beeinflussen können.<br />

Es sind die Interessen der Beschäftigten<br />

und nicht die Profit­ und Einsparungswünsche<br />

der Firmen, die zählen.<br />

Dabei müssen wir besonders an jene<br />

Kolleginnen und Kollegen denken,<br />

die besonders durch gesundheitliche<br />

Gefahren oder Unfallrisiken in Folge<br />

der Klimakrise bedroht sind.<br />

Wir verstehen auch den Service public<br />

als Ressource, die wir nutzen und<br />

fördern müssen. Mit öffentlichen und<br />

auch privaten Investitionen, etwa der<br />

Pensionskassen, können wir gegen<br />

die Klimakrise ankämpfen.<br />

Die Krise ist kein fernes Zukunftsszenario.<br />

Wir müssen jetzt handeln,<br />

wenn wir eine Chance auf eine lebenswerte<br />

Zukunft haben wollen. Wir<br />

kämpfen für die Arbeitenden überall<br />

auf der Welt und für eine gerechte,<br />

nachhaltige ökologische Wende.<br />

Jane Bossard<br />

Wir demonstrieren im September für eine Politik, die uns und das Klima respektiert! (© Climatestrike.ch)<br />

In der Schweiz ist es heute bereits<br />

2,5 Grad wärmer als im vorindustriellen<br />

Zeitalter, Tendenz steigend. Die<br />

Erwärmung des Planeten hat auch für<br />

uns ganz konkrete Folgen. Es kommt<br />

zu Hitzewellen, Überschwemmungen,<br />

Winterstürmen, kurz, zu Extremwetterereignissen.<br />

Das hat Einfluss auf die<br />

Wirtschaft, auf unsere Gesellschaft<br />

und auf unsere Kolleginnen und Kollegen<br />

in allen Branchen. Sei es körperliche<br />

Arbeit an grosser Hitze im Netzbau,<br />

seien es Anfragen zur Nachhaltigkeit<br />

für die Anlageberater:innen bei<br />

PostFinance.<br />

Ich bin mit dieser Krise gross geworden,<br />

mit dem Wissen, dass wir unseren<br />

Planeten zerstören und dass<br />

sich etwas ändern muss, wenn wir ihn<br />

retten wollen. Ich erinnere mich an<br />

Bilder und Berichte von Ölpest und<br />

aussterbenden Tierarten, von Urwald­<br />

Rodungen, Waldbränden und Dürren.<br />

Dass dies auch uns Menschen betrifft,<br />

verstand ich erst später.<br />

Heute ist umso klarer: es hängt<br />

alles zusammen. Faire Arbeitsbedingungen,<br />

ein gutes Sozialsystem, eine<br />

Welt, in der alle in Frieden leben<br />

können, und eine grünere, umweltverträglichere<br />

Wirtschaft gehen Hand in<br />

Hand. Das eine kann nicht ohne das<br />

andere existieren, denn auf einem<br />

toten Planeten gibt es keine Arbeit,<br />

keine soziale Gesellschaft, keinen<br />

Frieden und kein Leben.<br />

Ökologisch-sozialer Umbau<br />

Damit die nachkommenden Generationen<br />

eine Chance haben, braucht es<br />

jetzt Initiative. Wir müssen handeln.<br />

Aber nicht auf Kosten der Arbeiterinnen<br />

und Angestellten. Wir fordern einen<br />

ökologischen Umbau der weltweiten<br />

Wirtschaft. Dieses Problem muss<br />

kollektiv und sozial gerecht angegangen<br />

werden, als Gesellschaft und mit<br />

Unterstützung der Gewerkschaft! Wir<br />

dürfen vor diesem Thema nicht die<br />

Augen verschliessen, im Gegenteil.<br />

Unser Fokus liegt nicht auf den<br />

möglicherweise verlorenen Arbeitsplätzen,<br />

sondern auf den neuen, guten<br />

Jobs, die durch diesen Umbau entstehen<br />

können. Wir fordern und unterstützen<br />

Um­ und Weiterbildungen für<br />

all jene, die wegen der Klimakrise oder<br />

dem Klimaschutz ihre Jobs verlieren.<br />

Nationale Klima-Demo<br />

30. September 2023, Bern<br />

Setzen wir ein Zeichen fürs Klima<br />

und gegen eine klimaschädliche Politik.<br />

Die Zeit zum Handeln ist jetzt!<br />

Die Gewerkschaften und die Klimabewegung<br />

wollen das Gleiche –<br />

nämlich auch in Zukunft gut leben<br />

können, ein Ziel, das vom Klimawandel<br />

bedroht wird. Komm im<br />

September mit uns nach Bern und<br />

lass uns gemeinsam für eine klimafreundliche<br />

und soziale Zukunft demonstrieren!<br />

Zeigen wir der Welt,<br />

dass uns die Zukunft nicht egal ist!<br />

Jane Bossard – Jugendsekretärin


«Das Gesetz schützt heute die, die sich für ihre Rechte und die<br />

ihrer Kolleg:innen einsetzen, überhaupt nicht.» Marco Forte<br />

17<br />

Causa Kündigungsschutz:<br />

Der Bundesrat muss ran ans OR<br />

Der Fall der missbräuchlichen Kündigung einer Postbotin aus<br />

dem Tessin zeigt alle Mängel des Obligationenrechts: Zeit, dass<br />

die Schweiz die internationalen Abkommen einhält, so der SGB.<br />

«Mein Kampf begann 2016, als ich darum<br />

bat, die Zustelltouren so zu organisieren,<br />

dass ich die Arbeit um 12.30<br />

Uhr beenden und meine Tochter vom<br />

Kindergarten abholen könnte. Ich arbeitete<br />

mit einem 60 %­Pensum und<br />

begann um 7 Uhr morgens, sodass ich<br />

meine Stunden problemlos hätte abarbeiten<br />

können. Es gab keine organisatorischen<br />

Probleme, denn die Briefzustellung<br />

sieht keine festen Zeiten<br />

vor. Item, die Post war nicht einverstanden<br />

und forderte maximale Flexibilität.<br />

Ich bestand weiterhin darauf,<br />

denn ich fand es nicht nur für mich<br />

wichtig, sondern für alle Frauen.»<br />

So berichtete die Tessiner Postbotin,<br />

die seit Jahren für die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf gekämpft<br />

hat, am 1. Mai auf der Bühne in Bellinzona.<br />

Die Schweizerische Post wollte<br />

ihren Forderungen nicht nachkommen,<br />

um keinen Präzedenzfall zu<br />

schaffen. Und so wurde die junge Frau<br />

und Mutter, die auch Mitglied der Personalvertretung<br />

war, entlassen.<br />

Gravierende Fehlstellen im OR<br />

Es war eine missbräuchliche Kündigung,<br />

wie die Tessiner Gerichte in erster<br />

und zweiter Instanz bestätigten.<br />

«Dieser Kampf», sagt <strong>syndicom</strong>­Regionalsekretär<br />

Marco Forte, «muss der<br />

Ausgangspunkt für die Änderung eines<br />

Gesetzes sein, das heute nicht die<br />

schützt, die sich für ihre Rechte und<br />

die ihrer Kolleg:innen einsetzen.»<br />

Das Obligationenrecht (OR) hat viele<br />

Lücken beim Kündigungsschutz. Die<br />

Strafen für Missbräuchlichkeit (höchstens<br />

sechs Monatslöhne bei gewerkschaftsfeindlicher<br />

Kündigung) haben<br />

für Arbeitgeber keine abschreckende<br />

Wirkung. Ausserdem macht das OR weder<br />

eine Annullierung der Kündigung<br />

oder Wiedereinstellung noch Entschädigungen<br />

möglich. «Das ist eine gravierende<br />

Lücke, die geschlossen werden<br />

muss», bestätigt der bei <strong>syndicom</strong> für<br />

die Logistik zuständige Matteo Antonini.<br />

Der SGB fordert seit langem eine<br />

Änderung des OR, um Abhilfe zu schaffen.<br />

Dazu muss die Strafe für Missbrauch<br />

auf mindestens 24 Monatslöhne<br />

angehoben werden. Das Gericht<br />

muss die Wiedereinstellung anordnen<br />

können, wenn die entlassene Person<br />

dies wünscht. Indem sie die Arbeitenden<br />

und ihre Vertreter:innen nicht vor<br />

missbräuchlicher Kündigung schützt,<br />

verstösst die Schweiz in der Tat gegen<br />

internationale Konventionen der ILO,<br />

eine Tatsache, die unser Land bereits<br />

auf die schwarze Liste gebracht hat.<br />

Giovanni Valerio<br />

Alle mit dem Kinderwagen, für die Pöstlerin und junge Mutter. Gewerkschaftsaktion, 2017. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

Eine gute Zukunft für<br />

Freischaffende<br />

Patrizia Mordini, Leiterin Gleichstellung und<br />

Mitglied der Geschäftsleitung<br />

In der IG Freischaffende von <strong>syndicom</strong><br />

diskutieren wir, wie sich Entwicklungen<br />

um Chatbots und «digitale<br />

Anstellungs bedingungen» auf<br />

Freischaffende auswirken. Am experimentellen<br />

Nachmittag vom 5. Mai<br />

tauschten sich Grafikerinnen, Illustratoren,<br />

Journalistinnen etc. aus, wo<br />

es damit Probleme gibt, wie sie damit<br />

umgehen, welche Visionen sie haben,<br />

was sie beflügelt. Und: was die Gewerkschaft<br />

für sie tun kann.<br />

Nach dem Input von Politologin<br />

Regula Stämpfli leitete Sam Nüesch<br />

vom Amt für Zukunft die Runden. Zeitautonomie,<br />

Herzblut, Kreativität,<br />

Neugier, eigene Chefin sein, Selbstwirksamkeit,<br />

Freiheitsliebe und vielleicht<br />

Ruhm stossen auf Zukunftsängste,<br />

Prekarität, Altersvorsorge,<br />

Lohndumping, Absicherung bei<br />

Krankheit, hohen Bürokratieaufwand,<br />

eigene Grenzen, Einsamkeit.<br />

Einhellig enthusiastisch sind alle<br />

Einzelkämpfer:innen, sich über die<br />

Gewerkschaft vernetzen und austauschen<br />

zu können; <strong>syndicom</strong> solle vermehrt<br />

Gefässe für branchenübergreifenden<br />

Austausch anbieten. Für die<br />

Mitglieder ist auf der Webseite im<br />

«my.<strong>syndicom</strong>»­Bereich unter «Service<br />

und Bildung» der Service für Freischaffende<br />

verfügbar: Rechtsberatung,<br />

unsere Pensionskasse Freelance<br />

und die Info­Kits zur selbständigen<br />

Arbeit. Vieles soll weiter ausgebaut<br />

werden. Politisch ist der Sektor Medien<br />

daran, eine Auftragslosenversicherung<br />

zum Fliegen zu bringen. Weiter<br />

gehts – gemeinsam!


18<br />

«Wir schaffen Pilotprojekte mit verkürzter Arbeitszeit.<br />

So zeigen wir: das ist nicht nur tragbar, sondern gut.» Daniel Hügli<br />

Mehr Life, weniger Work:<br />

Highlights im Swisscom-GAV 2024<br />

Wir sind stolz auf mehr Ferientage, besseren Elternurlaub,<br />

leichteren Zugang zu Teilzeit (auch vorübergehend) und<br />

den höheren Mindestlohn. Dazu kommen erste grosse Schritte<br />

in Richtung Verkürzung der Wochenarbeitszeit.<br />

Die <strong>syndicom</strong>­Forderungen an den<br />

neuen Gesamtarbeitsvertrag wurden<br />

in unserer GAV­Strategiegruppe vorbereitet,<br />

an der sich Dutzende Mitglieder<br />

beteiligten. Davor hatten wir in den<br />

letzten Jahren vertieft mit unseren Mitgliedern<br />

bei Swisscom über Arbeitszeit<br />

und andere Forderungen gesprochen.<br />

Die Verhandlungsdelegation –<br />

bestehend aus acht Mitgliedern, die<br />

bei Swisscom arbeiten, sowie drei<br />

<strong>syndicom</strong>­Mitarbeitenden um Daniel<br />

Hügli, Leiter des Sektors ICT – sass<br />

dann zwölf Monate lang mit Swisscom<br />

am Verhandlungstisch.<br />

Viele Verbesserungen<br />

Der neue GAV, der am 1. Januar 2024<br />

in Kraft tritt, regelt die Arbeitsbedingungen<br />

für über 10 000 Mitarbeitende<br />

und ist auch der Massstab für die<br />

Kader­Mitarbeitenden. Die GAV­Mitarbeitenden<br />

erhalten mindestens einen<br />

Tag mehr Ferien (neu 28 Tage bis<br />

zum 49. Altersjahr, 30 Tage bis 59 und<br />

ab 60 sogar 31 Tage). Der Mutter­ und<br />

Vaterschaftsurlaub wurde erhöht und<br />

ausgeweitet. Mütter haben neu 20 Wochen<br />

bei vollem Lohn frei. Väter vier<br />

Wochen, ebenfalls bei vollem Lohn.<br />

Vier Wochen gibt es auch für Eltern,<br />

die ein Kind adoptieren, und für Frauen,<br />

deren Partnerin ein Kind gebärt.<br />

Swisscom­Mitarbeitende können<br />

künftig einfacher ihr Pensum ändern.<br />

Solche Wünsche sollen gewährt werden,<br />

wenn es die betriebliche Lage erlaubt<br />

– eine Ablehnung bedarf einer<br />

schriftlichen Begründung. Insbesondere<br />

ist die Idee dahinter, dass Eltern<br />

bei der Geburt das Pensum senken<br />

und später wieder erhöhen können.<br />

Weitere Verbesserungen: Niemand<br />

muss aufgrund der Arbeit im Homeoffice<br />

berufliche Nachteile in Kauf<br />

nehmen – und wir verhandeln nach<br />

dem GAV­Abschluss über ein neues<br />

Homeoffice­Reglement. Zudem steigen<br />

die Ausbildungszulagen für Kinder<br />

sowie der Mindestlohn.<br />

Teilzeit für ältere Mitarbeitende<br />

Mitarbeitende ab 60 können für bis<br />

zu 24 Monate ihr Pensum um bis zu<br />

40 Prozent reduzieren. Dabei beteiligt<br />

sich Swisscom neu an den finanziellen<br />

Folgen. Zwar gibt es eine formale<br />

Veto­Möglichkeit für die Vorgesetzten,<br />

allerdings wurde ein klarer Eskalationsprozess<br />

definiert, um eine einvernehmliche<br />

Lösung zu suchen.<br />

Bald Arbeitszeitverkürzung?<br />

Unsere Hauptforderung in der Verhandlung<br />

war die Verkürzung der tatsächlichen<br />

Arbeitszeit, insbesondere<br />

der Wochenarbeitszeit. Daran halten<br />

wir fest.<br />

<strong>syndicom</strong> konnte mit Swisscom<br />

vereinbaren, dass Pilotprojekte zu Arbeitszeitmodellen<br />

und zur Arbeitszeitgestaltung<br />

durchgeführt werden.<br />

Daniel Hügli: «Wir sind uns sicher: Damit<br />

werden wir aufzeigen, dass die Arbeitszeitverkürzung<br />

für das Unternehmen<br />

nicht nur tragbar, sondern sogar<br />

gut ist.»<br />

In den nächsten Monaten stellen<br />

wir den neuen GAV an 15 Swisscom­<br />

Standorten den Mitarbeitenden vor –<br />

und führen die Diskussion rund um<br />

zukünftige Arbeitszeitmodelle weiter.<br />

Dann gilt es, unsere Vorstellungen im<br />

Dialog mit Swisscom in konkrete<br />

Pilot projekte zu giessen. Wir bleiben<br />

dran!<br />

Dominik Fitze<br />

Zugang zu den Detail­Infos<br />

zum GAV 2024 via QR<br />

Vereinbarkeit von Freizeit und Beruf: Arbeitszeitverkürzung ist das nächste Projekt für den GAV Swisscom. (© <strong>syndicom</strong>)


Recht so!<br />

19<br />

Guten Tag<br />

Ich arbeite seit 15 Jahren in einem Logistikzentrum<br />

und sortiere Pakete für die Zustellung.<br />

Dieses Jahr haben wir erfahren,<br />

dass künftig alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

regelmässig kontrolliert werden.<br />

Darf der Arbeitgeber dies tun?<br />

Am letzten Freitag kamen zwei Sicherheitsagenten<br />

auf mich zu, als ich zur Garderobe<br />

ging, und wollten meinen Schrank<br />

und meine persönlichen Gegenstände kontrollieren.<br />

Da ich nicht verstand, weshalb<br />

dies nötig war, habe ich mich geweigert.<br />

Sie sagten mir, dies sei eine neue Anordnung<br />

des Arbeitgebers und sie seien angewiesen,<br />

diese Kontrollen durchzuführen.<br />

Muss der Arbeitgeber die Angestellten<br />

nicht über eine solche neue Anordnung informieren,<br />

bevor sie angewendet wird?<br />

Danach führten die Agenten eine Leibesvisitation<br />

durch und verlangten den<br />

Schlüssel meines Privatautos, das vor dem<br />

Gebäude parkiert war. Dann durchsuchten<br />

sie auch das Auto gründlich. Ich bin der<br />

Meinung, dass dies meine Freiheit und Privatsphäre<br />

verletzt hat.<br />

Könnte mir nicht gekündigt werden, wenn<br />

ich mich weigere, mich kontrollieren zu<br />

lassen?<br />

Antwort des <strong>syndicom</strong>-Rechtsdienstes<br />

Der Arbeitgeber kann gemäss Artikel 321d OR Anordnungen<br />

über die Ausführung der Arbeit erlassen und besondere<br />

Weisungen erteilen. Die Mitarbeiterinnen und<br />

Mit arbeiter müssen diese im Prinzip befolgen. Die Anordnungen<br />

müssen im Zusammenhang mit den Bedürfnissen<br />

des Unternehmens und der Erfüllung des Arbeitsvertrags<br />

stehen. Dafür kann es nötig sein, dass die<br />

Angestellten überwacht werden. Die Überwachung oder<br />

Kontrolle des Verhaltens der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz<br />

ist aber nicht erlaubt (Art. 26 der Verordnung<br />

zum Arbeitsgesetz (ArGV 3)). Sind aus anderen Gründen<br />

Kontrollen erforderlich, wie es hier der Fall ist, sind diese<br />

insbesondere so zu gestalten und anzuordnen, dass die<br />

Gesundheit und die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmenden<br />

nicht beeinträchtigt werden.<br />

Aus Artikel 5 und 6 ArGV 3 geht hervor, dass der Arbeitgeber<br />

die Arbeitnehmenden informieren und anhören<br />

muss, wenn er eine neue Anordnung erlässt, welche die<br />

individuelle Freiheit beeinträchtigt. Diese Pflicht ergibt<br />

sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben<br />

(Art. 2 ZGB). Zudem muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmenden<br />

darüber informieren, welche Personen die Kontrollen<br />

durchführen werden, insbesondere wenn er eine<br />

private Sicherheitsagentur beauftragt hat.<br />

Tatsächlich wird das Recht des Arbeitgebers, die Arbeitnehmenden<br />

zu kontrollieren, eingeschränkt durch seine<br />

Pflicht, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu<br />

schützen (Art. 328 OR). Eine solche Kontrolle muss deshalb<br />

die geeignete, notwendige und verhältnismässige<br />

Massnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels sein.<br />

Stichprobenweise Kontrollen der Garderobenschränke<br />

und Taschen der Arbeitnehmenden, ohne dass ein Diebstahlverdacht<br />

vorliegt (präventive Kontrollen), müssen in<br />

einem GAV, in einer Richtlinie oder in einem individuellen<br />

Arbeitsvertrag geregelt sein. Leibesvisitationen und<br />

Kontrollen des Privatfahrzeugs hingegen verletzen die Privatsphäre<br />

der Arbeitnehmenden und dürfen nur im Falle<br />

einer erwiesenen Entwendung von Wertgegenständen<br />

oder bei begründetem Verdacht auf eine solche Tat – und<br />

nur von der Polizei – durchgeführt werden.<br />

Doch, aber eine Kündigung aus einem solchen Grund<br />

wäre missbräuchlich nach Artikel 336a OR. Du hättest<br />

Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von sechs<br />

Monatslöhnen, wenn eine Leibesvisitation und eine Kontrolle<br />

deines Autos durch private Sicherheitsagenten<br />

durchgeführt worden sind.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/rechtso


20 Politik<br />

5-mal Ja zum<br />

Klimaschutzgesetz!<br />

Der vollständige Name des Klimaschutzgesetzes lautet «Bundesgesetz<br />

über Klimaschutzziele, Innovationen und die Erhöhung<br />

der Energiesicherheit» (KlG). Es wurde am 30. September 2022<br />

mit grosser Mehrheit vom Parlament verabschiedet, und zwar<br />

als ein indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative.<br />

Die SVP hat das Referendum gegen das Gesetz ergriffen,<br />

und es kommt schon am 18. Juni 2023 an die Urne.<br />

Wir Gewerkschaften unterstützen das Klimaschutzgesetz!<br />

Hier sind die 4 Gründe dafür – und ein Grund für Aktionen<br />

darüber hinaus.<br />

Text: Reto Wyss, Zentralsekretär<br />

Ökonomie beim SGB<br />

1: Klimaschutz ist auch<br />

Arbeitnehmenden-Schutz<br />

Dürresommer, milde Winter, Bergstürze,<br />

Überschwemmungen: Die<br />

Klimakrise findet statt, auch in der<br />

Schweiz. Zu spüren bekommen die<br />

steigenden Temperaturen insbesondere<br />

die Arbeitnehmenden, sei es<br />

auf dem Bau, in der Landwirtschaft,<br />

im Verkehr, im Tourismus oder in<br />

der Pflege. Das Klimaschutzgesetz<br />

fördert die nötigen Massnahmen,<br />

um sich vor den Auswirkungen des<br />

Klima wandels zu schützen und sich<br />

an sie anzupassen.<br />

2: Schaffung von guten<br />

Arbeitsplätzen der Zukunft<br />

Für uns Gewerkschaften, das heisst:<br />

für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

mit niedrigem oder mittlerem<br />

Einkommen und immer höheren<br />

Lebenshaltungskosten, ist es<br />

absolut entscheidend, dass das Klimaschutzgesetz<br />

wie geplant völlig<br />

sozialverträglich umgesetzt wird:<br />

Wenn Arbeitgeber Geld für neue<br />

Technologien erhalten, müssen diese<br />

mit den Arbeitnehmer:inne:n zusammen<br />

entwickelt und nicht gegen<br />

sie eingeführt werden.<br />

Die Gewerkschaften werden<br />

sich sowohl auf Bundesebene als<br />

auch in den Unternehmen dafür einsetzen,<br />

dass dies so bleibt. Unser Ziel<br />

ist hier die Schaffung von nachhaltigen,<br />

gesunden und gut bezahlten<br />

Arbeitsplätzen. «Grüne Jobs» müssen<br />

zwingend auch «gute Jobs» sein.<br />

Und solche Jobs wird es geben.<br />

Wie eine Studie der ZHAW schätzt,<br />

wird auch ein nur moderater Ausbau<br />

der erneuerbaren Energien bereits<br />

bis 20<strong>35</strong> circa 50 000 zusätzliche<br />

Arbeitsplätze schaffen. Bei<br />

einem beschleunigten Ausbau würde<br />

die Zahl auf ca. 87 000 ansteigen.<br />

Am Sonntag, 18. Juni, brauchen wir ein Ja an den Urnen. (© Verein Klimaschutz Schweiz)


«Was wir schaffen wollen, sind nachhaltige und gut<br />

bezahlte Arbeitsplätze. Grüne Jobs müssen gute Jobs<br />

sein.»<br />

Reto Wyss, Schweizerischer Gewerkschaftsbund<br />

Eine faire und<br />

ökologische<br />

Wirtschaft<br />

3: Finanzielle Entlastung für die<br />

Mieterinnen und Mieter<br />

Die Umsetzung der Energiestrategie<br />

verringert die Abhängigkeit vom<br />

Ausland. Die Schweiz wird weniger<br />

abhängig von Versorgungsengpässen<br />

(russisches Gas) und die Energiepreise<br />

werden stabiler.<br />

Zudem werden die 8 Milliarden<br />

Franken, die heute jedes Jahr für Öl,<br />

Gas und Kohle ins Ausland fliessen,<br />

hier investiert. Das Klimaschutzgesetz<br />

sieht vor, dass der Bund zehn<br />

Jahre lang mit 200 Millionen Franken<br />

pro Jahr Klimaschutzmassnahmen<br />

für Gebäude fördert: den Ersatz<br />

von fossilen Heiz anlagen und elektrischen<br />

Widerstandsheizungen<br />

durch eine Wärmeerzeugung auf<br />

Basis erneuerbarer Energien sowie<br />

Gebäude sanierungen zur Verbesserung<br />

der Energieeffizienz.<br />

Übernimmt also der Bund einen<br />

Teil dieser Sanierungskosten,<br />

wird der Spielraum für mögliche<br />

Miet erhöhungen substanziell eingeschränkt.<br />

Zusätzlich zu den geringeren<br />

Nebenkosten, die sich aus den<br />

im Betrieb billigeren erneuerbaren<br />

Heizungen ergeben, werden die<br />

Mieter:innen letztlich finanziell im<br />

Vorteil sein. Auf jeden Fall ist klar:<br />

Wenn die Eigentümer, die Vermieterinnen,<br />

Geld vom Bund erhalten,<br />

um eine Heizung zu ersetzen, müssen<br />

die Mieterinnen und Mieter unbedingt<br />

davon profitieren!<br />

4: Ein gesundes Klima ist<br />

Service public!<br />

Die Klimaerwärmung trifft den<br />

ärmsten Teil der Bevölkerung – auch<br />

in der Schweiz.<br />

Meist sind es die schlecht verdienenden<br />

Arbeiter:innen, die den<br />

steigenden Temperaturen und den<br />

zunehmenden Naturgefahren ausgesetzt<br />

sind. Tatsächlich betrifft es<br />

vor allem das Baugewerbe, die Landwirtschaft,<br />

den Verkehr, den Tourismus<br />

und den Pflegebereich.<br />

Vor diesem Hintergrund muss<br />

die Klimapolitik ein für alle Mal<br />

als das verstanden werden, was sie<br />

wirklich ist: eine grundlegende und<br />

unumgängliche Notwendigkeit für<br />

alle Menschen.<br />

Die «Klimawende» fällt eben in<br />

den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen,<br />

wie die Energieversorgung<br />

oder der öffentliche Verkehr.<br />

Sie ist das kollektive Zukunftsprojekt,<br />

das wir im Übrigen schon vor<br />

langer Zeit hätten gemeinsam angehen<br />

sollen, anstatt es zunächst<br />

zu ignorieren und dann dem Markt<br />

zu überlassen, der die Probleme<br />

durch den Einsatz ineffizienter Instrumente<br />

wie Ausgleichsprogramme<br />

und freiwillige Verpflichtungen nur<br />

noch verschlimmert hat.<br />

Was wir also dringend brauchen,<br />

ist ein umfassendes öffentliches<br />

Fortschrittsprogramm, und in<br />

dieser Hinsicht ist das Klimaschutzgesetz<br />

der erste Eckpfeiler.<br />

5: Es braucht noch mehr:<br />

einen Klimafonds!<br />

Die durch das Klimaschutzgesetz<br />

ausgelösten Investitionen sind sehr<br />

wichtig. Aber sie reichen leider bei<br />

weitem nicht aus, um die Emissionen<br />

in der Schweiz bis 2050 auf null<br />

zu bringen – oder sogar früher, was<br />

eigentlich notwendig wäre. Genau<br />

aus diesem Grund unterstützen die<br />

Gewerkschaften auch die Klimafonds-Initiative,<br />

die fordert, dass<br />

eine langfristige und sozial gerechte<br />

Finanzierungsoffensive zur Umsetzung<br />

des ökologischen Wandels lanciert<br />

wird.<br />

Die Initiative will jährlich zwischen<br />

0,5 und 1 % des BIP in einen<br />

Fonds investieren, um den Ersatz<br />

des Grossteils der fossilen Energie<br />

in Gebäuden, im Verkehr und in der<br />

Wirtschaft sowie Energieeffizienz,<br />

die erneuerbare Stromerzeugung<br />

und die Senkung der Emissionen zu<br />

finanzieren.<br />

Dieser Klimafonds soll öffentliche<br />

Investitionen auch in die Ausbildung,<br />

Umschulung und Unterstützung<br />

von Arbeitnehmer:innen<br />

in den betroffenen Branchen<br />

ermög lichen. Deshalb: Wer das<br />

Klimaschutz gesetz unterstützt,<br />

unterschreibt auch die Initiative für<br />

einen Klimafonds.<br />

Der ökologische Umbau ist<br />

seit Jahren ein Kernanliegen<br />

der Gewerkschaften. Für uns<br />

ist die Klimawende das kollektive<br />

Zukunftsprojekt, das<br />

gemeinschaftlich und demokratisch<br />

ausgehandelt werden<br />

muss, damit es wirksam<br />

umgesetzt werden kann.<br />

Der zentrale Hebel ist die Stärkung<br />

des Service public. Historische Vorzeigebeispiele,<br />

wie der Ausbau des<br />

Eisenbahnnetzes und die Schaffung<br />

der Schweizerischen Bundesbahnen<br />

(SBB) oder der Bau von Wasserkraftwerken<br />

und des Stromnetzes zeigen,<br />

dass öffentliche Kollektivprogramme<br />

in einer Logik von Dienstleistungen,<br />

die jederzeit zugänglich sind,<br />

und unter Berücksichtigung der<br />

Grenzen unseres Planeten, von wesentlicher<br />

Bedeutung sind.<br />

Ganz analog müssen wir nun<br />

über die Energiewende verhandeln.<br />

Unsere Energieversorgung, die zu<br />

fast zwei Dritteln auf Öl und Gas basiert,<br />

ist nicht nur äusserst klimaschädigend,<br />

sondern auch volkswirtschaftlich<br />

widersinnig.<br />

Der unverhältnismässige Betrag,<br />

den die Schweiz jedes Jahr für Gas<br />

und Öl ausgibt, muss massiv in die<br />

Förderung dezentraler erneuerbarer<br />

Energien und in die Entwicklung<br />

des öffentlichen Verkehrs investiert<br />

werden. Beide Aspekte – ökologisch<br />

und fair – sind für eine rasche Erreichung<br />

der Klimaneutralität von entscheidender<br />

Bedeutung.<br />

Leider schlagen wir diesen Weg<br />

nicht ein: Während erneuerbare<br />

Ener gien in diesem Winter nur 11 %<br />

des Energiemixes ausmachten (mit<br />

53 % Wasserkraft und 36 % Kernkraft),<br />

stehen die SBB davor, die<br />

Zugbillette um 5 % zu erhöhen. Diese<br />

Preiserhöhung steht in völligem<br />

Widerspruch zu dem (bereits bestehenden)<br />

Bestreben des Bundes im<br />

Bereich der Klimapolitik und zu allen<br />

Grundsätzen der Förderung des<br />

öffentlichen Verkehrs, die von der<br />

Bevölkerung mehrfach gefordert<br />

und bestätigt wurden. Es liegt nun<br />

am Staat, seine regulierende Rolle<br />

wahrzunehmen! Geben wir ihm die<br />

Mittel, indem wir am 18. Juni mit Ja<br />

stimmen!<br />

Reto Wyss


22<br />

1000 Stellen jährlich<br />

für den Wandel<br />

Wir befinden uns in der Klimakrise und in einer sozialen Krise.<br />

Der Genfer Gewerkschaftsdachverband Communauté genevoise<br />

d’action syndicale, CGAS, hat als Antwort darauf seine<br />

Initiative «1000 emplois» lanciert, die die Schaffung von 1000<br />

Arbeitsplätzen pro Jahr fordert. Der Zufall will, dass sie wie das<br />

Klimaschutzgesetz am 18. Juni zur Abstimmung gelangt.<br />

Text: Davide De Filippo, Präsident<br />

CGAS und Co-Generalsekretär<br />

der Gewerkschaft SIT<br />

Unsere Initiative «1000 emplois» ist<br />

ehrgeizig. Sie fordert mehr soziale<br />

und ökologische Arbeitsplätze und<br />

eine Arbeitszeitreduktion. Anstatt<br />

die Arbeitslosigkeit nur zu verwalten<br />

(und mit Strafen zu verbinden),<br />

soll sie gesenkt werden, indem das<br />

geschaffen wird, was die Arbeitssuchenden<br />

benötigen – Stellen.<br />

Aber nicht irgendwelche, sondern<br />

öko logische, soziale und nachhaltige<br />

Arbeitsplätze.<br />

Im Kanton Genf herrscht hohe<br />

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung.<br />

Die Arbeitgeber-Politik<br />

verdrängt sowohl junge Menschen<br />

ohne Erfahrung als auch ältere Arbeitnehmende<br />

(die «zu teuer» sind)<br />

aus dem Arbeitsmarkt. Es muss<br />

deshalb eine ernstzunehmende und<br />

konkrete beschäftigungspolitische<br />

Alternative zum herrschenden Anti-<br />

Grenzgänger-Diskurs angeboten<br />

werden. Wie das geht? Mit einer proaktiven<br />

öffentlichen Politik.<br />

Die öffentliche Hand und die<br />

gemeinnützigen Institutionen müssen<br />

ihre Funktion als Wirtschaftsakteure<br />

ernst nehmen und dürfen<br />

nicht länger zulassen, dass uns die<br />

«unsichtbare Hand» der Wirtschaft<br />

an die Wand drückt. Oberstes Ziel<br />

des öffentlichen Sektors ist nicht<br />

Profit, sondern das Gemeinwohl.<br />

Er kann und muss deshalb Arbeitsplätze<br />

schaffen, die für alle zugänglich,<br />

die stabil und angemessen<br />

bezahlt sind, sofern ihm die Mittel<br />

dafür zur Verfügung gestellt werden.<br />

Die Initiative schlägt vor, jährlich<br />

1000 Arbeitsplätze zu schaffen,<br />

wenn die Arbeitslosigkeit im Kanton<br />

Genf 5 Prozent erreicht. 1000 Arbeitsplätze<br />

in den Bereichen ökologischer<br />

Wandel und Service public, die die<br />

Bevölkerung braucht. 1000 Arbeitsplätze<br />

pro Jahr mögen viel erscheinen.<br />

Tatsächlich sind es wenige<br />

angesichts des grossen Bedarfs an<br />

Personal für die Wärmedämmung<br />

von Gebäuden, die Mobilität, Produktion<br />

und Versorgung mit erneuerbaren<br />

Energien, die Renaturierung<br />

der Stadt, die Abfallentsorgung<br />

und viele andere Bereiche des Wandels.<br />

In den nächsten Jahren braucht<br />

es auch Tausende Arbeitsplätze in<br />

der Pflege, in der familien ergän zenden<br />

Betreuung, in der Bildung und<br />

Erwachsenenbildung zur Begleitung<br />

des Wandels, in der Betreuung der<br />

Älteren und in vielen anderen Bereichen,<br />

die für das Wohlergehen der<br />

Bevölkerung entscheidend sind. Die<br />

Initiative will nicht unendlich viele<br />

neue Stellen, sie will die Mittel für<br />

die Schaffung dieser Arbeitsplätze<br />

im Verhältnis zur Arbeitslosenquote<br />

anpassen.<br />

Jede neue Stelle in diesen Bereichen<br />

wird neue Stellen im Privatsektor<br />

nach sich ziehen. Die Initiative<br />

will also eine wirtschaftliche<br />

Dynamik, eine sozial-ökologische<br />

Transformation anstossen.<br />

Gleichzeitig fordert sie den Kanton<br />

auf, die Unternehmen zu einer<br />

Arbeitsreduktion auf 32 Stunden<br />

ohne Lohnkürzung zu ermutigen.<br />

Die Verteilung des Arbeitsvolumens<br />

auf mehr Menschen bekämpft<br />

die Arbeitslosigkeit und verbessert<br />

gleichzeitig die Lebensqualität:<br />

mehr Freizeit, Erholung, kreative<br />

und solidarische Aktivitäten. Sie<br />

bedeutet mehr Zeit für die Kinderund<br />

Angehörigenbetreuung und<br />

die Chance, diese Aufgaben besser<br />

zwischen Männern und Frauen zu<br />

verteilen. So lassen sich die Einkommensunterschiede<br />

ausgleichen, die<br />

sich aus der Teilzeitarbeit ergeben,<br />

zu der sehr viele Arbeitnehmerinnen<br />

gezwungen sind.<br />

Wenige Wochen nach den<br />

Wahlen, mit denen die Genfer<br />

Regierung nach rechts kippte, mobilisiert<br />

diese Initiative die Arbeitnehmenden<br />

wieder für ein fort schrittliches<br />

Projekt.<br />

Den Kurs ändern, raus aus der Krise mit 1000 neuen Stellen jährlich: Genf hat jetzt die Chance. (© SIT)<br />

Webseite (französisch):<br />

1000emplois.ch


1000 Worte<br />

Ruedi Widmer<br />

23


24 Bisch im Bild Der Tag der Arbeit wird in der ganzen Schweiz gefeiert \ Ein Besuch in Berns<br />

kolonialer Vergangenheit \ Eine Würdigung der Pensionierungsberatung der<br />

ICT-Branche \ Hilfe für die Medien im Tessin \ Pizza <strong>syndicom</strong> \<br />

Der neue Swisscom-GAV \<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1<br />

2<br />

3


1 Die IG Migration Zürich am Mai-Umzug in der Limmatstadt. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

2 bis 6 Schnappschüsse vom Tag der Arbeit in der ganzen Schweiz: Bern, Yverdon-les-Bains, Bellinzona, Luzern und Zürich. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

7 Die IG Migration am Ende des von Cooperaxion organisierten Rundgangs durch die koloniale Vergangenheit Berns. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

8 Die ICT-Branchenkonferenz würdigte die Arbeit von Hansruedi Schläppi und Edith Annaheim (Mitte) für die Pensionierungsberatung.<br />

Mit ihnen, links: Daniel Hügli (Sektorleiter) und rechts: Franz Schori und Teresa Dos Santos Lima-Matteo aus dem Zentralsekretariat. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

9 Medienschaffende vor dem Tessiner Grossen Rat in Bellinzona, um auf die Medienkrise aufmerksam zu machen. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

10 Pizza (und gewerkschaftliche Beratung) von <strong>syndicom</strong> für die Beschäftigten im Postzentrum Zürich-Mülligen. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

11 Der offizielle Moment der Unterzeichnung des neuen Swisscom-GAV.<br />

Ganz rechts: Daniel Hügli und Teresa Dos Santos Lima-Matteo von <strong>syndicom</strong>. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

25<br />

7<br />

9<br />

8<br />

10<br />

11


26<br />

Aus dem<br />

Leben von ...<br />

Daniel Münger: «Ökologisches Denken und<br />

Arbeitsschutz gehören Hand in Hand»<br />

Daniel Münger, geboren in Basel, aufgewachsen<br />

in Friaul (im Nordosten<br />

Italiens) und Münchenstein BL, lebte<br />

zunächst bei seinen Grosseltern mütterlicherseits<br />

und kam dann zu seinen<br />

Eltern in die Schweiz, in die Region<br />

Basel, wo er die Schule beendete und<br />

als Schmied zu arbeiten begann.<br />

Er setzte seine Karriere anschliessend<br />

in der Telekommunikation fort und<br />

beschäftigte sich mit der Verlegung<br />

von Kabeln für die PTT, heute Cablex.<br />

In den 1990er-Jahren machte er sich<br />

als Gewerkschaftsaktivist einen Namen<br />

und wurde zur Arbeit in der damaligen<br />

Gewerkschaft SMUV berufen. Bei der<br />

Unia und dann bei der Gewerkschaft<br />

Kommunikation setzte er seine Karriere<br />

fort, um nach der Fusion schliesslich<br />

bei <strong>syndicom</strong> zu landen, deren Präsident<br />

er von 2017 bis heute war.<br />

Text: Mattia Lento<br />

Bild: Pia Neuenschwander<br />

«Digitalisierung, die<br />

die Bedürfnisse der<br />

Bürger:innen in den<br />

Mittelpunkt stellt»<br />

Vielleicht war mein Weg aufgrund<br />

meiner Familiengeschichte vorbestimmt.<br />

Ich wuchs in Italien auf, im<br />

Kontakt mit der Grossfamilie meiner<br />

Mutter, die den Widerstand gegen<br />

die nationalfaschistische Besatzung<br />

während des Krieges mit Überzeugung<br />

unterstützte. Ein Onkel kletterte<br />

mit den Partisanen auf die Berge<br />

und die Tante fungierte als Stafette.<br />

Väterlicherseits war da der Grossvater,<br />

ein Bauer, der sehr stolz auf<br />

seine Arbeit war und dann Stahlarbeiter<br />

wurde. Für ihn stand Solidarität<br />

stets an erster Stelle. Als er<br />

seine Arbeit in der Fabrik aufnahm,<br />

war er einer der ersten, die sich der<br />

Gewerkschaft Industrie, Gewerbe,<br />

Dienstleistungen (SMUV) anschlossen,<br />

wo auch ich später meine Gewerkschafterkarriere<br />

begann.<br />

Es ist wichtig, aus der Geschichte<br />

zu lernen, aber als Gewerkschafter<br />

sage ich auch, dass es wichtig ist, in<br />

die Zukunft zu blicken. Obwohl ich<br />

den Zeitpunkt meines Rücktritts erreicht<br />

habe, denke ich an die Herausforderungen,<br />

die vor uns liegen.<br />

In den letzten Jahren habe ich mich<br />

für einen effizienten und modernen<br />

Service public eingesetzt, und ich<br />

denke, diese Herausforderung bleibt<br />

auch in den nächsten Jahrzehnten<br />

eine Priorität.<br />

Es geht nicht nur darum, das<br />

Be stehende zu verteidigen, sondern<br />

die Voraussetzungen zu schaffen,<br />

dass der Service public wirklich innovativ<br />

wird. Dies ist nicht nur für<br />

die Wirtschaft von entscheidender<br />

Bedeutung, auch für den sozialen<br />

Zusammenhalt und die Demokratie.<br />

Wenn ich an Innovation denke,<br />

geht es zwangsläufig um Digitalisierung.<br />

Wir dürfen keine Angst haben,<br />

sondern müssen für eine Digitalisierung<br />

kämpfen, die die Bedürfnisse<br />

der einzelnen Person, der Bürgerin,<br />

des arbeitenden Menschen in den<br />

Mittelpunkt stellt. Um die Menschen<br />

vor schockartigen Folgen des Technologie­Wandels<br />

zu schützen, brauchen<br />

wir Bildung. Da ist die Schweiz<br />

zugegebenermassen führend, wir<br />

müssen das hohe Niveau jedoch<br />

beibehalten und Bildung für alle<br />

noch zugänglicher machen.<br />

Soziale Digitalisierung und für alle<br />

zugängliche Bildung sind die Themen,<br />

die die Klimabewegung und die<br />

Gewerkschaftsbewegung näher<br />

zusammenbringen können. In den<br />

nächsten Jahren müssen ökologisches<br />

Denken und Arbeitsschutz<br />

Hand in Hand gehen: Mit den heutigen<br />

Technologien ist es möglich, bei<br />

gleichem Lohn weniger zu arbeiten,<br />

was sich positiv auf die Umwelt und<br />

die Gesellschaft auswirkt. Und die<br />

Bildung, die auch ein Gegenmittel<br />

gegen den Ausschluss derer darstellt,<br />

die der ökologische Wandel abzuhängen<br />

droht, ist nun zu einer absoluten<br />

Notwendigkeit für die Rettung<br />

der Erde geworden.<br />

Die Verantwortung, die Umweltschäden<br />

der profit orien tierten<br />

Marktwirtschaft auszugleichen, liegt<br />

mit Sicherheit nicht bei den Arbeitenden,<br />

und nicht bei den ärmsten<br />

Ländern der Welt.


Impressum<br />

Redaktion: Muriel Raemy und Giovanni Valerio<br />

(Co-Leitung), Rieke Krüger<br />

redaktion@<strong>syndicom</strong>.ch, Tel. 058 817 18 18<br />

Übersetzungen: Alexandrine Bieri, Gabriele Alleva<br />

Porträtzeichnungen: Katja Leudolph<br />

Layout und Druck: Stämpfli Kommunikation, Bern<br />

Adressänderungen: <strong>syndicom</strong>, Adressverwaltung,<br />

Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern<br />

Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17<br />

Für Inserate: priska.zuercher@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Das Abo ist für Mitglieder kostenlos. Für Nichtmitglieder:<br />

Fr. <strong>35</strong>.– (Inland), Fr. 50.– (Ausland)<br />

Abo-Bestellung: info@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

27<br />

Verlegerin: <strong>syndicom</strong> – Gewerkschaft<br />

Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,<br />

Postfach, 3001 Bern<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Magazin erscheint sechsmal im Jahr,<br />

die Nummer 36 kommt am 7. September 2023.<br />

Weibliche Personenbezeichnungen können<br />

stellvertretend für alle Geschlechter stehen.<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Kreuzworträtsel<br />

Inflations-Zustupf: Zu gewinnen gibt es<br />

einen Coop-Einkaufsgutschein im Wert<br />

von 40 Franken, gespendet von der<br />

Coop-Rechtsschutzversicherung.<br />

Das Lösungswort und die Gewinnerin<br />

oder der Gewinner werden in der<br />

nächsten Ausgabe veröffentlicht.<br />

Lösungswort und Absender an:<br />

admin@<strong>syndicom</strong>.ch oder per Postkarte<br />

an: <strong>syndicom</strong>-Magazin, Monbijoustrasse<br />

33, Postfach, 3001 Bern.<br />

Einsendeschluss: 5. 7. 23<br />

Die Gewinnerin<br />

Die Lösung des Rätsels aus dem <strong>syndicom</strong>-Magazin<br />

<strong>Nr</strong>. 34 lautet: FRAUEN-<br />

RECHT. Gewonnen hat Vanessa Garcia<br />

aus Kriens. Das Silber ist unterwegs.<br />

Wir gratulieren herzlich!<br />

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UNSER TRAUM:<br />

EINE KONSEQUENTE<br />

KLIMAPOLITIK.


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Schützen,<br />

was uns<br />

wichtig ist.<br />

Gornergletscher, Wallis<br />

Verein Klimaschutz Schweiz l 8003 Zürich

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