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MMM_01_2023_Online

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Interview<br />

Wo alle das<br />

Gewerbe vereint!<br />

Mag. Peter Lieber<br />

Präsident des ÖGV<br />

Seit knapp 185 Jahren existiert der österreichische Gewerbeverein und genau so lang stehen<br />

dort die Interessen, Ansichten und Visionen der Gewerbetreibenden im Mittelpunkt. <strong>MMM</strong>-<br />

Chefredakteur Nikolaus Immanuel Köhler traf den Präsidenten Mag. Peter Lieber, sowie den<br />

Generalsekretär Mag. Stephan Blahut zu einem spannenden Interview an der Schnittstelle von<br />

traditionsbewusster Vergangenheitspflege und zukunftsorientiertem Aufbruch.<br />

Nikolaus Köhler: Lieber Peter<br />

Lieber, darf ich Dich, in Deiner<br />

Position als Präsident des Österreichischen<br />

Gewerbevereins, zum<br />

Auftakt des Round-Table-Gespräches<br />

darum bitten, unserer Leserschaft<br />

ein paar Facts zum ÖGV und<br />

zu Deiner Person näherzubringen?<br />

Peter Lieber: Lass mich mit der Institution<br />

beginnen, da diese eine längere<br />

Geschichte hat. (lacht) Der Österreichische<br />

Gewerbeverein, kurz ÖGV,<br />

wurde 1839 damals noch als Niederösterreichischer<br />

Gewerbeverein gegründet,<br />

ein Umstand, der nicht zuletzt<br />

der Tatsache geschuldet ist, dass<br />

der damalige Staatskanzler Klemens<br />

Wenzel Lothar von Metternich allem<br />

misstraute, was sich „österreichisch“<br />

nannte. Er vertrat die Meinung, von<br />

allem „Gesamtösterreichischen“ ausschließlich<br />

dem Kaiserhaus vorbehalten<br />

war oder per se revolutionäre<br />

und staatsfeindliche Gedanken und<br />

Bestrebungen bedeutete. Damals<br />

setzte sich der Gewerbeverein im<br />

Wesentlichen aus Vertretern adeliger<br />

Familien zusammen, die in der Industrialisierung<br />

nicht nur den Fortschritt,<br />

sondern auch die gesellschaftliche<br />

Veränderung erkannten. Der Sitz des<br />

ÖGV ist seit 1872 das eigens hierfür<br />

erbaute Palais Eschenbach, dessen<br />

von Otto Thienemann ausgeführte<br />

Architektur sehr stark an jene von<br />

Theophil Hansen erinnert, dem großen<br />

Ringstraßenarchitekten. Im Laufe<br />

seines Bestehens hat der ÖGV immer<br />

wieder bemerkenswerte Großprojekte<br />

und Wirtschaftsinitiativen hervorgebracht,<br />

darunter unter anderem die<br />

Wiener Weltausstellung von 1873, die<br />

Gründung der Urania, die Gründung<br />

des Technologischen Gewerbemuseums<br />

(TGM) und des Technischen<br />

Museums sowie die Gründung der<br />

Wiener Handelskammer.<br />

Hinter all diesen Projekten stand<br />

im Wesentlichen ein Mann, nämlich<br />

Wilhelm Exner (9.4.1840 –<br />

25.5.1931), dem zu Ehren seit 1921<br />

die Wilhelm-Exner-Medaille, die der<br />

damalige Ehrenpräsident des ÖGV<br />

selbst anlässlich seiner 60-jährigen<br />

Mitgliedschaft ins Leben gerufen<br />

hat. Er tat dies damals mit den Worten:<br />

„Die Verleihung soll an Persönlichkeiten<br />

erfolgen, welche die Wirtschaft<br />

unmittelbar oder mittelbar<br />

durch besondere wissenschaftliche<br />

Leistungen in hervorragender Weise<br />

gefördert haben.<br />

Insbesondere sind jene Leistungen<br />

zu würdigen, die im Bereich des<br />

unternehmerischen Mittelstandes<br />

von Bedeutung sind.“ Und dies sagt<br />

tatsächlich sehr viel über unseren<br />

Verein aus, da bei uns immer<br />

der Unternehmer mit seiner unternehmerischen<br />

Vision und Leistung<br />

im Mittelpunkt steht. Übrigens befinden<br />

sich unter den mittlerweile<br />

über 240 Trägern der Wilhelm-Exner-Medaille<br />

24 Nobelpreisträger,<br />

darunter große Namen wie Guglielmo<br />

Marconi (Funktelegraphie),<br />

Carl Auer von Welsbach (Erfinder<br />

des Glühstrumpfes), Carl von Linde<br />

(Kältetechnik) und Carl Bosch<br />

(Düngemittelerzeugung). Der Verein<br />

ist bis heute eine Interessensvertretung<br />

die sich vor allem für marktnahe<br />

Forschung, unternehmerisches<br />

Handeln und eine Verbesserung<br />

der Stellung der Frauen in der Wirtschaft<br />

einsetzt.<br />

So und jetzt kurz zu mir. Ich wurde<br />

sozusagen anlässlich des hundertjährigen<br />

Jubiläums der Weltausstellung<br />

1973 geboren. (lacht) Ich bin im<br />

IT-Bereich tätig und mit mittlerweile<br />

vierzehn Firmen ein durchaus umtriebiger<br />

Unternehmer. Außerdem<br />

sagen manche, ich wäre kein ganz<br />

einfacher Zeitgenosse, weil ich gerne<br />

die Latte recht hoch lege und<br />

einfach nicht aufgeben will, bevor<br />

ich ein gestecktes Ziel erreiche.<br />

Vielleicht aber bin ich auch gerade<br />

deswegen mitten in der Corona-<br />

Krise zum Präsidenten des ÖGV gewählt<br />

worden.<br />

NK: Vielen Dank für diese Einführung<br />

und jetzt gleich zu Dir, lieber<br />

Stephan Blahut. Du fungierst<br />

mittlerweile ja bereits seit einigen<br />

Jahren als Geschäftsführer des<br />

Vereins. Darf ich hier gleich den<br />

direkten Themeneinstieg machen,<br />

indem ich Dir die Frage stelle:<br />

Fachkräftebedarf oder Fachkräftemangel,<br />

wie würdest Du die aktuelle<br />

Situation am Arbeitsmarkt benennen<br />

und warum?<br />

Stephan Blahut: Also, ich würde da<br />

doch lieber von einem Fachkräftebedarf<br />

sprechen, wenn es nur die<br />

zwei Alternativen zur Auswahl gibt,<br />

denn in Wahrheit müssten wir von<br />

einem Qualifikationsmangel sprechen,<br />

der gleich auf mehreren<br />

Fakten basiert. Im. Grunde genommen<br />

hat der Unternehmer ja per se<br />

Bilder: © ÖGV Lena Horvath<br />

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MEGA Mechatronik Ausgabe 1/<strong>2023</strong><br />

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