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MMM_01_2023_Online

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TOPIC<br />

Topic<br />

Topic<br />

Nur ein Schreckgespenst oder<br />

doch eine reale Bedrohung?<br />

Der Fachkräftemangel ist das Ergebnis eines nicht unbefriedigten Fachkräftebedarfs und<br />

somit eine evidente Verkürzung des Fachkräfteangebots, welche auf unterschiedliche Faktoren<br />

zurückzuführen ist, von denen mit Sicherheit die geburtsschwachen Jahrgänge nur einer<br />

von vielen sind. Tatsache ist, dass der aktuelle Fachkräftemangel das Resultat einer Vielzahl<br />

von wirtschaftlichen und politischen Versäumnissen ist, deren Auswirkungen langfristig noch<br />

gar nicht abzusehen sind. Für uns Grund genug, um im Rahmen einer Umfrage unter allen<br />

unseren Landesinnungsmeistern, Antworten zur aktuellen Situation in den Bundesländern zu<br />

erhalten. Eine wirtschaftliche Momentaufnahme mit großer Brisanz.<br />

Die Fragen an alle Innungsmeister lauteten wie folgt:<br />

1.: Wie lautet Ihre allgemeine Stellungnahme zum Thema Fachkräftemangel?<br />

2.: Wie sehr sehen Sie die Wirtschaft in Ihrem Bundesland davon betroffen?<br />

3.: Wo verorten Sie den Ursprung des nun herrschenden Fachkräftemangels?<br />

4.: Was unternimmt Ihre Landesinnung um diesem Fachkräftemangel<br />

aktiv entgegen zu wirken?<br />

Alle österreichischen Landesinnungsmeister<br />

erhielten von uns exakt dieselben<br />

Fragen übermittelt, mit der<br />

Bitte, uns diese möglichst zeitnahe<br />

und prägnant zu beantworten. Trotz<br />

mehrerer Erinnerungen und Nachfragen<br />

blieb uns leider bis zum Redaktionsschluss<br />

der vorliegenden<br />

Ausgabe ein Landesinnungsmeister<br />

die Antworten schuldig. Aber jene,<br />

die sich unseren Fragen stellten, haben<br />

es durch ihre Beantwortung<br />

möglich gemacht, eine spannende<br />

Momentaufnahme hinsichtlich des<br />

Fachkräftemangels in den Bundesländern<br />

abzubilden. Lesen Sie also<br />

hier die Gedanken unserer Landesinnungsmeister<br />

zu diesem vielseitigen<br />

Thema, das auch den inhaltlichen<br />

Schwerpunkt dieser Ausgabe bildet.<br />

Bundesinnungsmeister und Landesinnungsmeister<br />

von Niederösterreich, KommR, Ing.<br />

Meister Andreas KANDIOLER<br />

#1: Der Fachkräftemangel hat mittlerweile<br />

bedauerlicher Weise nahezu alle<br />

heimischen Branchen erreicht, wobei<br />

wir mit den derzeitigen Maßnahmen<br />

den Mangel nicht beheben können.<br />

Vor allem können wir die demographische<br />

Entwicklung nicht ändern,<br />

Wir haben zu wenig „Köpfe“ die im<br />

Handwerk und Gewerbe tätig sind.<br />

Die einzige Möglichkeit wieder mehr<br />

„Köpfe“ zu bekommen, besteht darin,<br />

den Zugang zu höheren Schulen<br />

zu beschränken, beispielsweise mittels<br />

Aufnahmeprüfungen, Numerus<br />

Clausus etc. Qualifizierte Zuwanderung<br />

ist auch nur mit den entsprechenden<br />

Sprachkenntnissen möglich,<br />

und daher als sehr langfristiges<br />

Programm zu sehen.<br />

Bilder: © Starmayr August Stockinger, Furgler<br />

#2: Die Wirtschaft ist allgemein betroffen<br />

und nicht nur in meinem Bundesland.<br />

Der Fachkräftemangel bremst<br />

überall das Wachstum. Wobei meiner<br />

Meinung nach, ein bisschen Zufriedenheit<br />

das bedingungslose Wachstum<br />

gar nicht nzwingend notwendig<br />

macht. Was der Fachkräftemangel<br />

aber wirklich zu Tage fördert, sind die<br />

Probleme unserer Betriebe, vorhandene<br />

Aufträge abzuarbeiten, und unsere<br />

Kunden zufrieden zu stellen.<br />

#3: Erstens ist die demographische<br />

Entwicklung ein gewichtiger Grund,<br />

ebenso wie die Pensionierungswelle<br />

der Baby Boomer Generation. Und als<br />

dritten Grund sehe ich den Umstand,<br />

dass immer mehr junge Menschen in<br />

Höhere Schulen gehen, und die Politik<br />

zu schwach ist dieses Phänomen zu<br />

stoppen. So manch einer wäre sicher<br />

in einer Lehre besser aufgehoben als<br />

an irgendeiner Hochschule!<br />

#4: Nichts!!! Der Grund hierfür ist,<br />

dass die Gelder unserer Mitgliedsbetriebe<br />

nicht für sinnlose Aktionen ausgegeben<br />

werden. Wir kommen gegen<br />

die Budgets der BIG PLAYER, die vor<br />

allem in der Industrie auszumachen<br />

sind, ganz einfach nicht an. Und gegen<br />

die Politik, immer mehr Leute an<br />

Hochschulen zu bringen, leider auch<br />

nicht. Sollte sich dann ein Lehrling auf<br />

Grund einer sehr teuren Werbeaktion<br />

doch zu uns verirren, darf man nicht<br />

nachrechnen, was diese Akquise unterm<br />

Strich gekostet hat.<br />

Bundesinnungsmeisterstellvertreter und<br />

Landesinnungsmeister Burgenland, KommR,<br />

Meister Herbert OHR<br />

#1: Der Facharbeitermangel war absehbar<br />

und ist ja nicht von heute auf morgen<br />

gekommen. Ebenso wird er sich<br />

nicht von heute auf morgen auflösen.<br />

Aber es hat anscheinend schon ein Umdenken<br />

stattgefunden, wenn man sieht,<br />

dass heuer so viele Jugendliche eine<br />

Lehre begonnen haben, wie nie zuvor.<br />

#2: Der Fachkräftemangel zeigt mittlerweile<br />

Auswirkungen auf alle Branchen.<br />

Konnten im Burgenland in den<br />

vergangenen Jahrzehnten noch viele<br />

offene Stellen durch ungarische Arbeiter<br />

besetzt werden, so ist es jetzt nicht<br />

mehr möglich, da es mittlerweile zu<br />

viele offene Stellen gibt.<br />

#3: Zum einen ganz sicher in der demographischen<br />

Entwicklung der letzten<br />

Jahre und zum anderen daran, dass der<br />

gesellschaftliche Wert eines Facharbeiters<br />

in der nahen Vergangenheit leider<br />

sehr gelitten hat. Das Maß aller Dinge<br />

war eine schulische Ausbildung, eine<br />

Facharbeiterausbildung, sprich eine Lehre,<br />

galt daher weder bei den Eltern noch<br />

bei den Jugendlichen als erstrebenswert.<br />

#4: Wir setzen viel auf gezielte Öffentlichkeitsarbeit<br />

und investieren in Werbemaßnahmen<br />

in Printmedien und im<br />

Radio. Wir haben einen aktuellen Lehrlingsfolder<br />

bereits für Unterstufen aufgelegt<br />

um die Zielgruppenansprache an<br />

den Schulen noch stärker zu forcieren.<br />

Außerdem präsentieren wir die Karrierechancen<br />

bei der Berufsinformationsund<br />

Bildungsmesse BIBI in Oberwart.<br />

Landesinnungsmeister Oberösterreich,<br />

KommR, Meister August STOCKINGER<br />

#1: Der Fachkräftemangel ist zweifellos<br />

ein großes Thema und insbesonders<br />

für Oberösterreich, das Technologiebundesland<br />

Österreichs. Wenn wir<br />

davon ausgehen, dass sich die Lieferkettenproblematik<br />

lösen lässt, worauf<br />

zur Zeit vieles hindeutet, dann wird das<br />

Thema Arbeitskräfte und dabei eben<br />

auch der Fachkräftemangel wohl das<br />

bestimmende Thema für die kommenden<br />

Jahre bleiben.<br />

#2: Leider absolut massiv und das<br />

betrifft keinesfalls nur die Mechatroniker.<br />

Arbeiterkräftemangel wohin<br />

man nur schaut!<br />

#3: Hauptsächlich in der Demographie.<br />

Wenn für jeden Pensionisten nur<br />

ein halber Jugendlicher nachkommt<br />

dann kann sich das nicht ausgehen.<br />

Der Anteil der Lehrlinge ist sogar steigend,<br />

rund die Hälfte der oberösterreichischen<br />

Jugendlichen entscheidet<br />

sich für eine Lehre, was eine sehr erfreuliche<br />

Situation darstellt. Aber auch<br />

das Thema des qualifizierten Fachkräftezuzugs<br />

aus dem Ausland muss man<br />

emotionslos diskutieren, denn ohne<br />

diese Kräfte wird es in der Zukunft einfach<br />

nicht mehr gehen.<br />

#4: Glücklicher Weise darf ich sagen,<br />

dass es hier bereits seit Jahren massive<br />

Aktivitäten gibt um diesem Umstand<br />

bestmöglich entgegen zu wirken. Zum<br />

Beispiel die Duale Akademie um die<br />

AHS-Maturanten und Studienabbrecher<br />

für eine Lehre zu gewinnen. Außerdem<br />

zeigen wir extremen Einsatz in der<br />

Berufsimage- und Lehrlingswerbung<br />

mit Werbe- und PR-Aktivtäten sowohl<br />

im Bereich der Jugendlichen und deren<br />

Eltern als auch der Fachkräfte auf<br />

allen möglichen Kanälen. Wir gestalten<br />

Fernsehberichte zum Lehrlingswettbewerb,<br />

die Teilnahme an Berufsmessen<br />

mit medialer Begleitung und unterstützen<br />

unsere Mitgliedsbetriebe mit<br />

Werbematerialen etc. Außerdem hilft<br />

das Service Attraktive Arbeitgeber den<br />

Unternehmen aktiv bei Employer Branding-Maßnahmen.<br />

Zusätzlich können<br />

wir im Rahmen des flächendeckenden<br />

Besuches in den oberösterreichischen<br />

Mittelschulen mit über 250 Vorträgen<br />

zur Bewerbung des Berufsbildes wesentlich<br />

zur steigenden Attraktivität der<br />

Lehre beitragen und somit die Fachkräfte<br />

von morgen an den Start bringen.<br />

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MEGA Mechatronik Ausgabe 1/2022 1/<strong>2023</strong><br />

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