Zukunft Forschung 01/2023
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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ZWISCHENSTOPP INNS BRUCK<br />
SPRUNGBRETT INNS BRUCK<br />
WASSER VERSTEHEN<br />
RÜCKKEHR NACH INNS BRUCK<br />
Der Erziehungswissenschaftler Andreas Wernet beschäftigt sich gemeinsam mit Kolleg:innen<br />
an der Universität Inns bruck mit Fragen der universitären Lehrkultur.<br />
Andreas Wernet steht seit Längerem<br />
in wissenschaftlichem Austausch<br />
mit Kolleginnen und Kollegen des<br />
Instituts für Psychosoziale Intervention<br />
und Kommunikationsforschung. Nun<br />
war er zwei Monate als Gastprofessor in<br />
Inns bruck, um diese Zusammenarbeit<br />
zu vertiefen und eine dauerhafte Kooperation<br />
der Universitäten von Inns bruck<br />
und Hannover zu etablieren. Mit Tirol<br />
verbindet der Erziehungswissenschaftler<br />
aber auch Kindheitserinnerungen: „Aus<br />
Bergurlauben in meiner Kindheit habe ich<br />
die Stadt in lebhafter und eindrücklicher<br />
Erinnerung“, erzählt Wernet. „Ich kann<br />
mich auch noch daran erinnern, dass wir<br />
damals, Ende der 60er-Jahre, zur Europabrücke<br />
gefahren sind, um dieses Bauwerk<br />
zu bestaunen. Das Wort ‚Brenner‘ hat sich<br />
mir als Kind geradezu eingebrannt.“<br />
Universitäre Lehrkultur<br />
Wissenschaftlich beschäftigt sich Andreas<br />
Wernet mit Fragen der pädagogischen<br />
Professionalität, <strong>Forschung</strong>en zur<br />
unterrichtlichen Interaktion und Arbeiten<br />
zur Theorie und Praxis einer fallbasierten<br />
wissenschaftlichen Lehrer:innenbildung.<br />
Er interessiert sich auch für „unwahrscheinliche“<br />
Bildungsaufstiege,<br />
also für Fälle von Bildungserfolg, die<br />
unter sozial statistischer Perspektive<br />
nicht erwartbar, nicht selbstverständlich,<br />
nicht „in die Wiege gelegt“ sind. In Innsbruck<br />
hat Wernet zusammen mit Claudia<br />
Scheid und ihrem <strong>Forschung</strong>steam ein<br />
deutsch-österreichisches <strong>Forschung</strong>svorhaben<br />
konzipiert, das sich mit der Frage<br />
der universitären Lehrkultur beschäftigt.<br />
Dabei geht es vor allem um subjektive<br />
Deutungsmuster und Habituskonstellationen<br />
von Lehrenden in Bezug auf die<br />
Verbindung von <strong>Forschung</strong> und Lehre.<br />
„Daneben bin ich hier in Inns bruck meinem<br />
Interesse für Bildungsaufstiege und<br />
ihrem familialen Hintergrund nachgegangen“,<br />
erzählt Andreas Wernet. „Dazu<br />
habe ich zusammen mit Franziska Lessky,<br />
die über große <strong>Forschung</strong>serfahrungen<br />
im Kontext ‚First-in-Family‘ verfügt,<br />
bildungsbiografische Interviews mit Studierenden<br />
geführt und ausgewertet.“<br />
ANDREAS WERNET (*1960) ist einer<br />
der renommiertesten zeitgenössischen<br />
Forscher im Bereich der fallrekonstruktiven<br />
Bildungsforschung. Er ist seit 2007<br />
Professor für Schulpädagogik mit dem<br />
Schwerpunkt Schul- und Professionsforschung<br />
an der Leibniz-Universität-<br />
Hannover und war im März und April<br />
Gastprofessor am Institut für Psychosoziale<br />
Intervention und Kommunikationsforschung<br />
der Universität Inns bruck.<br />
Methodische Vertiefungen<br />
Die Studierenden profitierten von der<br />
großen Erfahrung des profilierten Wissenschaftlers<br />
in der fallrekonstruktiven<br />
Bildungsforschung. In einem Seminar<br />
zu qualitativen <strong>Forschung</strong>smethoden<br />
vermittelte Andreas Wernet den Studierenden<br />
grundlegende methodische<br />
Kenntnisse und machte die erkenntnislogische<br />
und forschungspraktische Differenzierung<br />
verschiedener methodischer<br />
Ansätze verständlich. Im Kontext einer<br />
bildungsbiografischen Fragestellung<br />
konnten die Studierenden selbst Interviews<br />
führen und einzelne Sequenzen<br />
transkribieren, die dann im Seminar mithilfe<br />
der Methode der Objektiven Hermeneutik<br />
gemeinsam interpretiert wurden.<br />
„Dieser konkrete <strong>Forschung</strong>sbezug ist<br />
mir in der Lehre deshalb wichtig, weil er<br />
einerseits die ‚faszinierende‘ Erfahrung<br />
von Erkenntnismomenten ermöglicht,<br />
andererseits aber auch die ‚frustrierende‘<br />
Limitiertheit empirisch begründeter<br />
Aussagen vor Augen führt“, sagt Andreas<br />
Wernet. „Wenn ich den Studierenden<br />
beides vermittelt konnte, bin ich sehr zufrieden.“<br />
„Für mich stellte die Gastprofessur in<br />
Inns bruck eine großartige Möglichkeit<br />
dar, meinen wissenschaftlichen Horizont<br />
zu erweitern, bestehende <strong>Forschung</strong>skontakte<br />
zu vertiefen und neue Kontakte<br />
zu knüpfen“, resümiert Andreas Wernet:<br />
„Das LFUI Guest Professorship Programm<br />
bot dafür eine außerordentliche Gelegenheit.“<br />
<br />
cf<br />
Die Physikerin Katrin Amann-Winkel hat zehn Jahre in Inns bruck die Eigenschaften von Wasser<br />
erforscht. Seit Kurzem ist sie Junior-Professorin an der Universität Mainz.<br />
Viele Eigenschaften von Wasser sind<br />
noch immer nicht verstanden, und<br />
es gibt sogar immer wieder neue<br />
Überraschungen, wie zum Beispiel die<br />
Entdeckung neuer, bisher unbekannter<br />
Eisformen. „Wasser spielt eine zentrale<br />
Rolle in Biologie, Meteorologie oder der<br />
Astrophysik“, sagt Katrin Amann-Winkel.<br />
„Grundlagenforschung in diesem<br />
Bereich ist wichtig, um alle Prozesse<br />
besser verstehen zu können.“ An der<br />
Universität Inns bruck hat die Wissenschaftlerin<br />
in den Arbeitsgruppen von<br />
Erwin Mayer und Thomas Loerting am<br />
Institut für Physikalische Chemie den<br />
Grundstein für ihre weitere <strong>Forschung</strong><br />
gelegt. Die Physikerin beschäftigte sich<br />
mit amorphem Eis, das sie mit speziellen<br />
experimentellen Methoden und unter<br />
Einsatz von hohem Druck und sehr niedrigen<br />
Temperaturen herstellte. So konnte<br />
sie zur weiteren Aufklärung der sehr<br />
unterschiedlichen Materiezustände von<br />
Wasser beitragen.<br />
Zwei Flüssigkeiten<br />
Mit dem Umzug an die Universität<br />
Stockholm im Jahr 2<strong>01</strong>4 verlagerte sich<br />
ihr <strong>Forschung</strong>sschwerpunkt auf ultraschnelle<br />
Röntgenmessungen. „Dadurch<br />
haben sich für mich ganz neue experimentelle<br />
Möglichkeiten eröffnet“, erzählt<br />
die gebürtige Deutsche. „Diese<br />
Technologie steckte damals gerade erst<br />
in den Kinderschuhen. Es ist ein großes<br />
Privileg, diese Entwicklung miterleben<br />
zu dürfen.“ Die Experimente in Stockholm<br />
haben es ihr mithilfe ultraschneller<br />
Laser- und Röntgenpulse erlaubt, flüssiges<br />
Wasser in einem Temperaturbereich<br />
zu untersuchen, wo normalerweise nur<br />
kristallines Eis existiert. „Unsere Ergebnisse<br />
sind konsistent mit der Hypothese,<br />
dass Wasser aus zwei Flüssigkeiten besteht.<br />
Auch Thomas Loertings Gruppe<br />
hat neue Erkenntnisse über den Glasübergang<br />
im amorphen Eis gewinnen<br />
können. Gemeinsam mit neuartigen<br />
Computersimulationen von Gruppen<br />
aus Amerika und Italien deuten all diese<br />
Ergebnisse drauf hin, dass die Hypothese<br />
von den zwei Flüssigkeiten zutrifft,<br />
und könnten somit die Anomalien des<br />
Wassers erklären“, ist Katrin Amann-<br />
Winkel zuversichtlich.<br />
Sehnsucht nach den Bergen<br />
Mit der Inns brucker Arbeitsgruppe um<br />
Thomas Loerting steht die erfolgreiche<br />
Forscherin noch heute in regem Austausch.<br />
„Derzeit planen wir gemeinsame<br />
Messungen am DESY und dem European<br />
XFEL in Hamburg“, erzählt Katrin<br />
Amann-Winkel. Überhaupt erinnert sie<br />
sich gerne an ihre Zeit in Inns bruck zurück:<br />
„Ich vermisse die Berge und die<br />
schöne Aussicht aus meinem Büro auf<br />
die Nordkette.“<br />
cf<br />
KATRIN AMANN-WINKEL (*1977) hat<br />
an der Technischen Universität Darmstadt<br />
Physik studiert. 2004 kam sie an die<br />
Universität Inns bruck, um ihre Arbeit an<br />
Phasenübergängen in amorphem Eis fortzuführen.<br />
2009 promovierte sie in Chemie<br />
und blieb noch bis 2<strong>01</strong>4 als Inhaberin einer<br />
FWF-Hertha-Firnberg-Stelle in Inns bruck.<br />
Ihre Arbeiten hier wurden mehrfach ausgezeichnet,<br />
u.a. mit dem Fritz-Kohlrausch-<br />
Preis der ÖPG 2<strong>01</strong>4. Ende 2<strong>01</strong>4 zog sie<br />
mit ihrer Familie nach Schweden, um an<br />
der Universität Stockholm zu forschen und<br />
leitete dort ab 2<strong>01</strong>8 eine eigenständige<br />
<strong>Forschung</strong>sgruppe. 2021 wurde sie als<br />
Junior-Professorin an die Johannes-Gutenberg-Universität<br />
Mainz berufen, gefördert<br />
von der Carl-Zeiss-Stiftung. Seitdem ist sie<br />
als Gruppenleiterin auch am Max-Planck-<br />
Institut für Polymerforschung tätig.<br />
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Foto: privat<br />
Foto: C. Costard<br />
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