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Der Wein - Pro Stuttgart

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Sauer-Power<br />

Verjus: Gruß aus der Vergangenheit<br />

Solange man<br />

trinken kann,<br />

lässt sich’s noch<br />

glücklich sein.“<br />

Johann Wolfgang Goethe<br />

Rund ein Jahrhundert war das Würzmittel Verjus aus<br />

unreifen Trauben vergessen, jetzt kehrt es in heimische<br />

Küchen zurück: Etliche Kellermeister haben den „grünen<br />

Saft“ aus der mittelalterlichen Versenkung in die heutige<br />

Zeit geholt. Weniger sauer als Essig, aromatischer als<br />

Zitronensaft – und dadurch eine spannende Alternative auch<br />

für experimentierfreudige Hobbyköche.<br />

„Öfter mal was Neues“, sagen die<br />

Wengerter nicht nur beim <strong>Wein</strong>.<br />

Jetzt haben sie etwas Altes neu<br />

entdeckt. Zum bekannten Nachfahren<br />

des <strong>Wein</strong>s, dem Essig, gibt<br />

es quasi die „unausgegorene“<br />

Vorform: Den Verjus. Abgeleitet<br />

vom französischen „vert jus“,<br />

wird der Grünsaft aus unreif geernteten,<br />

also noch grünen Trauben,<br />

gewonnen. Er war besonders<br />

im Mittelalter unter dem Namen<br />

„Agrest“ als würzende Zutat beliebt,<br />

bevor er durch die Zitrone<br />

weitgehend aus der Küche verdrängt<br />

wurde. Was macht den<br />

„grünen Saft“ erneut so interessant,<br />

dass er seine Wiederauferstehung<br />

in der Küche erlebt? Verjus<br />

ist vielseitig verwendbar, seine<br />

Säure ist aromatischer als Zitronensaft<br />

und milder – und<br />

somit auch bekömmlicher – als<br />

Essig. Das allein sind schon gute<br />

Gründe, sich auf das alte und natürlich<br />

gewonnene Würzmittel zu<br />

besinnen.<br />

Geschichtsträchtige Säure<br />

Besonders interessant ist auch<br />

seine lange Geschichte, der spannende<br />

Gruß aus der Vergangenheit,<br />

der längst vergessene Bräuche<br />

in den Küchen wieder lebendig<br />

macht:<br />

Im Mittelalter wurde Verjus unter<br />

dem Namen „Agrest“ in Kochund<br />

Arzneibüchern aufgeführt,<br />

im ersten „Kochbuch-Bestseller“<br />

der Renaissance von 1475 mit<br />

dem Titel „Von der anständigen<br />

Wollüstigkeit“ spielte der<br />

„Agrest“ bei einem Drittel der<br />

rund 240 Rezepte eine Rolle. Die<br />

Köche verwendeten das saure<br />

Würzmittel besonders für Saucenfonds,<br />

bei Marinaden und um<br />

gebratene Fleischstücke zu verfeinern.<br />

Seine Wurzeln reichen<br />

bis in römische und sogar biblische<br />

Zeiten zurück, sein Ursprung<br />

ist mediterran: Die Pilger und vor<br />

allem die Kreuzritter brachten die<br />

kulinarische Spezialität aus dem<br />

Heiligen Land mit zurück nach<br />

Europa – und damit auch die<br />

hoch entwickelte orientalische<br />

Küchenkultur, in der der vielfältige<br />

Saft sehr beliebt war. Die Mönche<br />

schätzten die unreifen <strong>Wein</strong>beeren<br />

und deren Saft besonders<br />

wegen ihrer diätischen Eigenschaften,<br />

denn sie galten als appetitanregend<br />

und magenschonend<br />

– bereits in der Antike war<br />

die desinfizierende, schmerzstillende<br />

und heilende Wirkung bekannt.<br />

Heute stehen mehr die kulinarischen<br />

Qualitäten des sauren Saftes<br />

im Vordergrund. Bisher wurde<br />

er zumeist aus Südwestfrankreich,<br />

dem Périgord oder Bordelais,<br />

importiert, wo er nie ganz<br />

verschwunden ist. Mittlerweile

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